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Zeitschri t
BE iesöuschaften
Organ des naturwissenschaftlichen Vereins
Eu. ER
IENCES,
für Sachsen und Thüringen
zu
Halle a. $.
unter Mitwirkung von
Prof. Dr. €. Mez und Geh.-Rat Prof. Dr. E. Schmidt
herausgegeben
von
Prof. Dr. G. Brandes
Prof, der Zoologie an der Tierärztl. Hochschule und Direktor des zoologischen Gartens
zu Dresden.
s2. Band — 1910
(Fünfte Folge, Zwanzigster Band)
Mit 1 Profiltafel und 43 Figuren im Texte
1910
Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig
. ANNE Er B n>% .
Ei En
ji
Inhalt des 82. Bandes.
I. Original-Abhandlungen.
Bandermann, Franz, Über zwei Zuchten von Abweichungen
des Wolfsmilchschwärmers : i ;
Bauer, E., Eine für Deutschland neue Noetnide ;
Füge, Bernhard, Beiträge zur N -Fauna von
Halle a. S. :
Haupt, H., DV orzeiou ad bie Te in hingen aan
en
Hoffmann, Dr. Karl, WAR mmeverbältniese ante ee
zerstörenden Pilze. Mit 9 Figuren im Text .
Kanngielser, Friedrich, Dr. med. et phil., Die Ehmologie Er
Pteridophytennomenklatur. Eine Erklärung der wissen-
schaftlichen, der deutschen, französischen, englischen und
holländischen Namen der Farnkrautgewächse . ?
Lange, Dr. Hans, Studien über die Zusammensetzung Nekhene
führender Mineralien. Mit 7 Figuren im Text.
Liebe, Johannes, Die Larve von Simulia ornata Mg. Mit
16 Figuren im Text P
Schnee, Dr. med., Einiges über die ene Tierwelt der Men
Schulze, Erwin, Literatur über die triadische Pflanzengattung
Pewromein : EST RE ER DL FERIEN AR
Seupin, Prof. Dr. Een Über sudetische prätertiäre junge
Krustenbewegungen und die Verteilung von Wasser und
Land zur Kreidezeit in der Umgebung der Sudeten und
des Erzgebirges. Eine Studie zur Geschichte der Kreide-
transgression. Mit 2 Figuren im Text
Streicher, Dr. Otto, Der Kreislauf des Kohlensiofk h in 16 Natur
essrin, Dr. Walther, Weitere Beiträge zur Kenntnis der
.. Flora von Burg . EEE ERRE
— Uber den Formenkreis der Statice Limonium und ihrer
nächsten Verwandten .
Wein, K., Th. Beling, Beiträge zur ler des Koriweciiichen
Br e Bert
Wüst, Ewald, Die zanen Kaulsaen, 6 Prayertin.
gebietes der Gegend von Weimar und ihre Fossilien-
bestände in ihrer Bedeutung für die Beurteilung der Klima-
schwankungen des Eiszeitalters. Mit einer Profiltafel und
einer Tabelle .
Seite
321
253
262
401
129
161
IV;
Il. Kleinere Mitteilungen.
Gesteine und Minerale des Radautales (Fromme)
Neue Funde von Gletscherschliffen bei Halle a. $. (Wagner)
Über den Köderfang im Hochgebirge (Bauer) .
Zur Schmetterlingsfauna der Goitzsche (Bandermann).
Ein Zwitter (?) von Saturnia pavonia L. (Bandermann).
Variationen im Geäder des Dipterenflügels (Kleine).
Aus den Sitzungen der en Gesellschaft zu ae 2. .S.
(Daehne) .
Ein Verfahren zur ne) von Pfanzenblättern Kies
Aus den Sitzungen der Entomologischen Gesellschaft zu Halle a. S.
(Daehne)
Erklärung und (atsächliche Be (Weile) .
III. Literatur-Besprechungen.
Artus, Die Grundzüge der Chemie für Gewerbetreibende sowie
für Lehrer an Gewerbeschulen
Binz, Kohle und Eisen
Beer Unsere Land- und Sl hpesn Einführune in
die Molluskenfanna Deutschlands
Glafey, Rohstoffe der Textilindustrie .
Haase, Die Erdrinde .
— Lötrohrpraktikum
Hegi, Illustrierte Flora von Mitteleuropx .
Herre, Wissenschaft und Bildung. Einzeldarse ne aus an
Gebieten des Wissens . ;
Hersen und Hartz, Die erneprechik ohne Ki: Gen
Hesse und De Tierbau und Tierleben .
Höller und Ulmer, Natırwiesenzehnthehe Bibliothek fir |
und Volk ee a
Pohl, Die elektrische nen von Eee -
Bene Entstehung und Bau der deutschen lo
Schurig, roloseate Experimente nebst einem Ne Mikro-
skopische Technik . :
Schuster, Der Einfluls des Mondes er unsere Amon
Uhlenhuth, Vollständige Anleitung zum Formen und Gielsen.
Voigt, Die Praxis des naturkundlichen Unterrichts .
Werth, Das Eiszeitalter . :
ee und Woltereck, nen er Ds
Zimmermann, Die Photographie
v. Zittel, Grundzüge der Paläontologie (Paltozoologie)
Zur Stralsen, Brehms Tierleben. Allgemeine Kunde des Tier-
reichs .
Studien über die Zusammensetzung
heliumführender Mineralien
von
Dr. Hans Lange!)
Assistent am Anorganisch-Chemischen Institut der Königlichen
Technischen Hochschule zu Berlin
Mit 7 Figuren im Text
Vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem Euxenit
aus dem Sätersdal und einem roten Flulsspat aus Süd- Grön-
land. Daran schlielsen sich analytische Untersuchungen
über die Trennung des Titans vom Zirkon, sowie vom Niob
und Tantal mittels Ammoniumsalieylat; das bei der Rein-
darstellung des hierzu erforderlichen Zirkonmaterials er-
haltene Zirkonoxychlorid gab auf Grund in der Literatur
sich findender Widersprüche Veranlassung, dieses Salz einer
erneuten Untersuchung zu unterziehen. |
Im März des Jahres 1895 gelang es Sir WILLIAM
Ramsay,?) Helium in dem von NORDENSKJÖLD entdeckten
Mineral Cleveit nachzuweisen. Es sind seitdem durch die
Untersuehungen verschiedener Forscher eine grolse Anzahl
von Mineralien, von denen die meisten Uran, Thor oder Blei
enthielten, als heliumhaltig erkannt worden. Eine erhöhte
Bedeutung aber erhielten alle diese Untersuchungen erst,
seitdem übereinstimmend von RamsAay und SuppyY°) einerseits
!) Die nachstehende Untersuchung wurde von Herrn Lange unter
meiner Leitung im Anorganisch-Chemischen Institut unsrer Hochschule
ausgeführt und dann der philosophischen Fakultät der Königlichen
Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg als Inaugural-Dissertation ein-
gereicht. H. Erdmann.
2) Chem. News 71,151 (1895).
°) Nature 16 July 1903, p. 246. Proc. Roy. Soc. 72,204 (1903).
73, 346 (1904).
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.8S2. 1910. 1
2 Hans LANGE,
und andererseits von CurıE und DrwaAr'!) das Helium
als eines der Endprodukte radioaktiver Umwandlungen er-
kannt wurde. Es nehmen daher die heliumführenden, radio-
aktiven Mineralien ein besonderes Interesse in Anspruch. Im
folgenden soll ein Beitrag zur Kenntnis soleher Mineralien
geliefert werden.
I. Über einen Euxenit aus dem Sätersdal
in Süd-Norwegen.
Zur Untersuchung standen mehrere Kilogramm eines
Minerals der Euxenit-Polykras-Reihe aus den Granit-
Pegmatitgängen von Sätersdal im südlichen Norwegen.
Das Vorkommen des Minerals, das zuerst von TH. SCHEERER 2)
beschrieben wurde, ist an dieser Stelle nicht neu, so ver-
zeichnet auch W. ©. BROEGGER°) das Sätersdal als häufig
Euxenit führend. Indessen ist eine nähere Untersuchung,
speziell chemische Analyse gerade dieses Vorkommens
nicht ausgeführt worden, das, wie die Bearbeitung ergab,
in Bezug auf den Heliumgehalt und auf die Zusammen-
setzung der seltenen Erdmetalle als eines der interessantesten
und kostbarsten bezeichnet werden kann.
Das Material bestand zumeist aus derben Stücken.
Vereinzelte Kristallbruchstücke zeigten deutlich rhombischen
Habitus mit den Flächen:
oaP»o» oP oPx 2Po P oP
1010! 110 . 3100: 201} }1114 J001}
Die Kristalllächen waren matt, zum Teil mit einer
rauhen Oxydationshaut überzogen, daher schlecht messbar,
zum Teil mit paralleler Flächenstreifung versehen. Eine
Spaltbarkeit war nicht zu bemerken. Die Oberfläche des
derben Minerals hatte häufig glasige Beschaffenheit, zeigte
muscheligen Bruch und war von rein samtschwarzer, glän-
zender Farbe, nur in ganz feinen Splittern an den Kanten
1) C.r. 138. 190 (1904).
2) Poggendorfs Annalen 40,149 (1840).
®) W.C.Broegger, Die Mineralien der südnorwegischen Granit-
Pegmatitgänge. I. Christiana 1906.
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien.
durehscheinend. Auffallend war der hellgelbbraune Strich.
Die Härte betrug 6,5; das spezifische Gewicht wurde ver-
hältnismälsig niedrig zu 4,62 gefunden, was vielleicht dem
überwiegenden Titangehalt und der dem hohen Glühverlust
entsprechenden vorgeschrittenen Zersetzung des Minerals
zuzuschreiben ist. Vor dem Lötrohr war das Mineral
unschmelzbar, es zersprang in kleine Stücke. Wurde der
Euxenit für sich auf Dunkelrotglut erhitzt, so zeigte sich
die schon vom Fergusonit her bekannte Glimmerseheinung, !)
d.h. die Stücke erglimmten plötzlich durch die ganze Masse.
Die Farbe war hernach hellgelbbraun; die Stücke selbst
Fig. 1 und 2. Euxenit von Sätersdal.
waren stark glänzend, rissig und leicht zu zersplittern. Das
spezifische Gewicht ist nach dem Erglühen auf 5,06 gestiegen.
Die Annahme einer molekularen Umlagerung dürfte auch
hier die Erklärung für die beschriebene Erscheinung sein. ?)
Ein Dünnschliff zwecks einer dahingehenden Untersuchung
liels sich wegen der überaus bröckeligen Natur des Materials
auf keine Weise herstellen.
Die Untersuchung auf der photographischen Platte
ergab eine beträchtliche Aktivität des Minerals, was seiner
chemischen Zusammensetzung nach zu erwarten war.
Die Stärke der Aktivität im Verhältnis zur Joachims-
thaler Pechblende oder dem ebenso stark aktiven Cleveit
von Arendal verdeutlicht die Wiedergabe einer Photographie,
!) Des Cloiseaux und Damour. Ann. chim. phys. 3,59 (1860).
2) Broeggerl.c. S. 35.
1*
1 Hans LanGe,
die durch 48 stündige Einwirkung dieser Mineralien auf die
Platte erhalten wurde (siehe Fig. 3). Ein dünner Aluminium-
Blechstreifen vermag die Strahlung bedeutend aufzuhalten,
wie der dunkle Streifen im linken Teile der Figur er-
kennen lälst.
Die erglimmten Stücke wirken stärker auf die Platte
ein als das ursprüngliche Material. Aufser den aus dem
Pechblende
48 st. Joachimsthal
Expos.
Euxenit Gleveit
Sätersdal Arendal
Fig. 3.
Mineral gewonnenen Uran- und Thorium-Präparaten zeigte
auch das Blei!) eine merkliche 8-Strahlung, während die
Aktivität der vom Thorium vollkommen freien seltenen Erd-
metalle, in Form ihrer Oxyde, sich als äulserst schwach
erwies (siehe Fig. 4).
Als eines der Endprodukte der radioaktiven Vorgänge
ist das in dem Mineral enthaltene Helium anzusehen.
1) K. Hofmann und E. Straufs, Radioaktives Blei. Ber. 33,
3062 (1900). 36, 1043 (1903).
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. b)
Die quantitative chemische Analyse wurde nach folgender
Methode ausgeführt:
Zirka 4—5 g gangfreier, feingepulverter und gesiebter,
lufttrockener Euxenit wurde in einer Platinsehale mit der
sechsfachen Menge entwässerten Natriumdisulfats unter
ständigem Rühren bis zum klaren ruhigen Flufls — was
eine halbe bis dreiviertel Stunde in Anspruch nahm —
. Euxenit (Säters-
dal) nach der Er-
glimmung.
2. TRO, | aus
3. PbS | Euxenit.
(14 Tage alt.)
4. Yttererden. (Die -
schwache Ein-
wirkung auf der
Platte lälst sich
in der Kopie nicht
wiedergeben.)
3 Exposit. 6 Tage.
Fig. 4.
geschmolzen. Die erkaltete Schmelze wurde in kaltem
Wasser aufgenommen, mit 10 cem konzentrierter Schwefel-
säure versetzt und in einem grolsen Kolben mit Wasser
auf 2—21,, ] verdünnt, worauf ohne vorherige Filtration am
Rückflufskühler 8—10 Stunden auf Siedetemperatur erhitzt
wurde.
Nach dem Absetzen des Niederschlages durfte Wasser-
stofisuperoxyd keine Gelbfärbung der Flüssigkeit mehr hervor-
rufen, widrigenfalls unter weiterer Verdünnung noch längere
Zeit zur vollständigen Abscheidung des Titans gekocht
nr
(6) HANS LANGE,
wurde. Der Niederschlag wurde an der Saugpumpe abfiltriert,
mehreremals mit kaltem Wasser gewaschen und noch feucht
mit einer vorher bereiteten Mischung von Kalilauge und
Mannitlösung auf dem Filter gelöst.) Bei gutem Aufschluls
ging alles, die Metallsäuren und Bleisulfat, in Lösung,
worauf zur Abscheidung des Bleies tropfenweise mit farblosem
Schwefelammonium versetzt wurde. Das Sulfid liefs sich
durch vorsiehtiges Erhitzen in der Platinschale mit kon-
zentrierter Salpetersäure zersetzen und alsdann elektrolytisch
bestimmen. Zur Trennung der Metallsäuren versetzte man
das Filtrat vom Blei mit der der angewandten Kalilauge
doppelt äquivalenten Menge Schwefelsäure und liefs über
Nacht stehen; während nur Niob und Tantal sich abschieden,
blieb Titan in Lösung, das nach dem Filtrieren durch
kochendes Ammoniak ausgefällt werden konnte.
Nach diesem Verfahren ist die Scheidung des Niobs
vom Titan eine sehr vollkommene Sie übertrifft an
Genauigkeit die seit MARIGNACSs?) Untersuchungen über die
Scheidung der Metallsäuren im Euxenit üblich gewordene
Trennungsmethode mittels der Kalium-Doppelfluoride, eine
„methode imparfaite“, wie sie MarRIGnAc selber bezeichnet,
und vermeidet überdies das lästige Arbeiten mit Flulssäure.
Nachdem nun das zuerst erhaltene Filtrat von den
Metallsäuren, das alle übrigen Bestandteile des Minerals
gelöst enthielt, durch Einleiten von Schwefelwasserstoff vom
Zinn befreit und durch Abdampfen der zur Abscheidung
des Titans erforderlichen Mengen Wassers bedeutend ein-
geengt war, wurde zunächst eine Trennung so vorgenommen,
dals durch Versetzen mit Chlorammonium und kohlensäure-
freiem Ammoniak im Überschufs alles aufser Caleium und
Magnesium ausfiel. Im Filtrat konnten dann diese beiden
Elemente leieht nebeneinander bestimmt werden. Zur Ab-
scheidung der seltenen Erden wurden die Hydroxyde mit
2 prozentiger Salzsäure gelöst, und die siedendheilse Lösung
") O0.Hauser, Zeitschrift für anorg. Chemie 60, 233 (1908). Es
wurde eine Mischung von 250 cem 25prozentiger Kalilauge und 50 cem
10 prozentiger Mannitlösung angewandt.
2) Marignac, Recherches sur les combinaisons du Niobium.
Ann. Chim. Phys. 4. 8,71 (1866).
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. |
mit soviel kochender Oxalsäure und deren halben Gewicehts-
teil Ammonoxalat versetzt, dals die überstehende Lösung
zirka 1 Mol. Oxalsäure im Liter enthielt. Nach 24 stündigem
Stehen wurde filtriert und im Filtrate nach dem Zerstören
der Oxalsäure das Thorium durch Natriumthiosulfat vom
Uran. und Eisen geschieden.
Die Bestimmung der Alkalien geschah in einer beson-
deren Probe durch Zersetzung des Minerals mit Flulssäure.
Die Ermittelung des Wasser- und Kohlensäuregehaltes ge-
schah nach den Methoden der organischen Chemie im Ver-
brennungsrohr; ebenso die des gesamten Stickstoff- und
Heliumgehaltes. Die getrennte Bestimmung dieser beiden
Gase wird weiter unten beschrieben.
Euxenit (Sätersdal).
Angewandt: 4,9822 g.
Gefunden in g %o Quotientzahlen
1,0371 Nb,0, 20,81 Nb,O; er 0,0777
(mit 2°), Ta,O,;)
1,5473 TiO, 31,05 TiO, 0,3877
0,0068 SnO; 0,13 SnO, 0,0009 h 0,3886
Spur ZrO, Spur _
0,1654 TRO; 3,32. TRO, 0,0125
0,3081 U,0; 5,95 UO, 0,0920 5 90345
0,1255 (LaCeDi),0; 2,52 (LaCeDi),O; 0,0075 N
1,2294 (YEr),O; 24,68 (YEr),O; 0,0673 } 0,0748
0,2652 FO, 4,19 FeO 0,0666
0,0279 CaO 0,56 CaO 0,0099
0,0055 MgsP;0, 0,04 MgO 0,0009
0,0342 PbO, 0,64 PbO 0,0029 | 0,0817
3,5489 & Euxenit lieferten:
0,0085 K,SO, 0,13 K,0 0,0014
2,4965 g Euxenit verloren beim Glühen:
0,0996 H,O 3,99 H,O
0,0020 CO, 0,08 CO,
0,0015 N, + He 0,06 N, + He
Summe 98,75
Das Aquivalentgewicht der Ceriterden wurde — nach
der synthetischen Sulfatmethode — zu 143, das der Ytter-
3 HANS LANGE,
erden zu 159,4, also ziemlich hoch gefunden. Das Abrauchen
des angefeuchteten Oxyds mit Schwefelsäure geschah in
einem Asbestkasten, der auf einem Verbrennungsofen stand.
Durch den Kasten ging ein weites Glasrohr, in dem sich
das Platingefäls befand, und durch das troekene Luft ge-
leitet wurde. Die Temperatur wurde 5 Stunden lang auf
500° konstant gehalten.
Die Analyse kann in folgender Weise berechnet werden:
RO; 0,0521
(TıSn)O, 0,1563
R;|( TiSn)O;|; 0,2084
RO; 0,0227
NDb,O, 0,0681
R(NbO;)3 0,0908
(UTh)O, 0,0345
TiO, 0,0690
(UTh)| TiO;]» 0,1035
(RR;)O 0,0721
710, 0,1442
(RR,)[TiO;] 0,2163
(RR,)O 0,0096
Nb,0; 0,0096
(RR,)[NbO;]; 0,0192
Die Bereehnung zeigt einen Rest von 0,0191 entsprechend
1,53°/, ungesättigter Titansäure, wonach man einen ent-
sprechenden Teil Wasser als wesentlich auffassen könnte. —
In diesem Euxenit verhalten sich:
(TaNb), 0, :(TiSn)O, = 0,0777:0,3886 oder genau wie 1 zu 5.
Somit wird auch hier die Ansicht W. ©. BROEGGERS!)
unterstützt, dafs das Verhältnis der M,0,-Verbindungen zu
den RO,-Oxyden immer ein stöchiometrisches ist.
Im vorliegenden Euxenit herrschen also die Titanate
beträchtlich vor.
N) Broeggerl.c.
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. I
BROEGGER betrachtet Euxenit und Polykras als die End-
glieder einer homoiomorphen Reihe, in der das Verhältnis
M,0,:TiO, in den einzelnen Gliedern zwischen 1:2 und 1:6
varlieren kann.
Die Stellung des Euxenits von Sätersdal wird ersichtlich
aus folgender Zusammenstellung einiger Analysen:
Euxenit. Polykras.
(Alve) (Sätersdal) (Hitteroe) (Henderson Co.)
Hidden,
Blomstrand Verf. Rammelsberg Maeintosh
Nb,0; 27,64 | En 22,75, ‚gi;
Ta,0,; 1973 E 2,00 J 252
SiO;, 0,17 2 - —
TiO, 25,68 31,05 27,84 29,31
SnO; 0,18 0,13 a =
ZrO; Spur Spur — _
ThO, 3,58 3,32 = .
UO, 5,83 5,95 6,66 1A7T,
(CeLaDi),0,;, 23,20 2,52 2,78 | sr
(YEr),O; 27,13 24,68 31,65 I ;
FeoO 113 4,79 1,58 2,87
MnO 0,16 = - E
MgO 0,06 0,04 — -
Cad 1,08 0,56 — —
PbO 0,63 0,64 — —
Na,;0 0,18 _ — _
K;0 0,09 0,13 _ _
H,O 2,55 3,99 3,51
00; —_ 0,08 — } 5,18
N, + He == 0,06 Br
Summe 100,16 98,75 98,77 98,16
N03: 1705 = 1:3 1235 14 135
Nach dem Verhältnis M,0,:Ti0O, =1:5 steht das
Mineral daher näher dem Polykras, seiner übrigen chemischen
Zusammensetzung wie seiner äulseren physikalischen Eigen-
schaften nach muls es durchaus als Euxenit bezeichnet
werden. So sprieht dafür vor allem die dieke prismatische
Ausbildung der mit der charakteristischen Oxydationshaut
überzogenen Kristalle.
10 HANS LANGE,
Weiterhin ist dieser Euxenit beachtenswert hinsichtlich
der Zusammensetzung der seltenen Erden. Schon das hohe
Äquivalentgewicht 159,4 der Yttererden zeigt den über-
wiegenden Gehalt an Erbinerden. Die rosenrot gefärbten
Nitrate lielsen im Spektroskop überaus stark die für die
Erbinerden charakteristischen Absorptionsstreifen erkennen.
Relativ reichlich ist neben dem Erbium das Dysprosium
vertreten. Das Verhältnis der bunten Erden (Er und seine
Komponenten) zu den farblosen (Y, Sc) ist annähernd 2:1;
es bildet somit dieser Euxenit ein selten günstiges Aus-
gangsmaterial zur Gewinnung der Erbinkomponenten. In
grolsem Malsstabe werden Arbeiten hierüber von anderer
Seite in diesem Laboratorium!) bereits ausgeführt.
Der Wassergehalt des Minerals war durchaus nicht
konstant, er schwankte bei mehreren Analysen zwischen
3,48%/, und 5,30°%/,, woraus hervorgeht, dafs das Wasser
wohl zum grölsten Teil erst seeundär aufgenommen ist.
Zum qualitativen Nachweis der in dem Mineral okklu-
dierten Gase eignete sieh vorzüglich die Anordnung der
Apparatur nach ERDMANN,?) jedoch zeigte sich, dafs der
Euxenit beim Erhitzen auf Dunkelrotglut für sich allein
im Vakuum schon seinen ganzen Heliumgehalt abgab.
Jedenfalls lieferte so erhitzter Euxenit beim nochmaligen
Schmelzen mit Kaliumdiehromat so minimale Mengen Gas,
dals beim Durchleiten des Stromes durch das Plückerrohr
kaum die Linien des Heliums im Spektroskop sichtbar
wurden. 5
Um möglichst reine Heliumspektren zu bekommen, war
es nötig, das sich zuerst entwiekelnde Gas, das neben den
Heliumlinien auch die Stiekstoffbanden zeigte, abzupumpen.°)
Erst nach weiterem höheren Erhitzen erschien das Helium-
spektrum rein, worauf die Plückerröhren abgeschmolzen
wurden. Eine quantitative sukzessive Abscheidung und
1) Q. Hauser und F. Wirth.
2) Erdmann, Lehrbuch der anorganischen Chemie. 3. Auflage
(1962), $. 212—213. 4. Auflage (1906), S. 224—226.
®) F.Bordas, Nachweis von Helium in uranhaltigen Erzen. ©. r.
(1908), 17, 896.
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 11
Trennung des Stickstoffs und Heliums durch Erhitzen auf
verschiedene Temperaturen war nicht möglich; immer zeigte
der zuerst entweichende Stickstoff sich schon vermischt mit
Helium, das durch das Aufleuchten der hellen gelben Linie
D, 587,6 leicht erkannt werden konnte. Linien anderer
Edelgase, des Argons oder Neons, waren nicht nachzuweisen.
Die Plückerröhren, die ein gelbes in rosa übergehendes
Lieht ausstrahlten, gaben nur das glänzende Linienspektrum
des Heliums und zwar die Linien der Wellenlängen in m u:
un [ 706,5
"1667,8
gelbmsthd, mon, mi 3896
n (501,6
En! "1492,2
blau. a, ers ade
indigoblau.. . . . 4471.
Um nun quantitativ festzustellen, wieviel eem Stiekstoff
und wieviel Helium eine bestimmte Menge Euxenit ent-
wickelt, schien folgende indirekte Methode am geeignetsten,
die bei einfacher Ausführung brauchbare Resultate lieferte.
Bei den angewandten kleinen Gewichtsmengen war es nicht
erforderlich im Vakuum zu arbeiten, sofern man nur lange
genug auf entsprechend hohe Temperatur erhitzte.
In einem kurzen Verbrennungsrohr, durch das trockene
Luft geleitet wurde, und dem ein gewogenes Chlorkaleium-
rohr und ein ebenso gewogener Kaliapparat vorgelegt war,
wurde in einem Platinschiffehen eine gewogene Menge Euxenit
bis zur hellleuehtenden Rotglut erhitzt. Die Wasser- und
Gasabgabe geschah ruhig, ohne Verstäuben des Materials,
und war nach einer halben Stunde vollendet. Nach dem
Erkalten wurde einerseits das Schiffehen mit dem geglühten
Euxenit im Wägegläschen zurückgewogen, andererseits die
Gewichtszunahme des Chlorkaleiumrohres und des Kali-
apparates bestimmt. Die Differenz aus dem Gesamtglühver-
lust und dem Gewichte des Wassers und des Kohlendioxydes
ergab das Gewicht des entwichenen Stiekstoffs und Heliums.
Um das Volumen der entwichenen Gasmengen zu messen,
wurde eine zweite gepulverte und gewogene Menge von
12 HANS LANGE,
demselben Stück Euxenit — ‘was von Wichtigkeit, da
verschiedene Stücke nieht immer denselben Glühverlust
zeigten, — in einem anderen, hinten zugesechmolzenen
Verbrennungsrohr erhitzt, aus dem die Luft wie bei der
organischen Analyse zunächst beim Erhitzen der eingelegten
Magnesitschieht durch die entweichende Kohlensäure voll-
ständig verdrängt werden konnte. Sammelten sich in dem
Eudiometer über der Kalilauge keine bleibenden Gasmengen
an, wurde der Euxenit auf helle Rotglut erhitzt und nach
vollendeter Gasentwicklung wieder solange der Magnesit
erhitzt, bis aller Stickstoff und alles Helium dureh Kohlen-
säure verdrängt sich in dem Eudiometer befand. Etwa
vorhandener Sauerstoff und Wasserstoff wurde durch eine
Kupferspirale, bezw. glühendes Kupferoxyd zurückgehalten.
Die Berechnung gestaltet sich dann folgendermalsen:
Bezeichnet
a das Gewicht des entwichenen Gases,
V das Volumen desselben,
g und g, das Gewicht des entwichenen Stiekstoffs
bezw. Heliums,
so ist g9(N,) + gı(He) = a
oder vs + vs = a
und da vr—=V—v
V— v,) .5 + YHSs =qA
(Vs) — a
woraus us ———
s—Sı
es ist
s — spezifisches Gewieht von N, bezogen auf H,O = 0,00125
1 — ” ” ” He ” ” H,O = 0,00018
2,4965 g Euxenit verloren beim Glühen:
0,1051 g — 4,130),
davon 0,0996 yH,O — 3,990],
0,0020 gUO; — 0,08%),
also der Rest 0,0015 9N; + He = 0,06°/,.
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 13
2,4032 g Euxenit lieferten 4,50 cem Gas (0° C. 760 mm),
also 1g entwickelt 1,873 eem N» + He.
Daraus folgt
h 187,3: 0,00125 — 0,06
2 0,00125 — 0,00018
v, —= 162,7 eem He
und v — 24,6 cem N».
Es entwickelt also 1 g Euxenit
1,627 eem He
und 0,246 ecem N).
Vergleichende Übersicht.
Es entwickelt 1g
ÜBanlee 0 2 era run Lo com Ze (DILLEBRAND)
@leweit: (Norwegen) ..... ar, OL mo
Broeggerit . . Sy ge > SE Fe nl
Euxenit (Sätersdal) be OS ir) UMENT)
Fergusonit |
Samarskit J ID AN RA STRUTR)
Bon. ar ea erh Be de
Bonn Wan ae Bee BALHSTRUTT)
Euxenit . . 0070 rs (ei STRUTT)
Zr-haltige Bechblende (Kolo-
zado)e. MU. A070 0
Flufsspat (Grönland). . 0,024—0,027, „ (I. Tuomsen).
Ramsay und Soppy!) haben festgestellt, dals Radium-
präparate ständig mefsbare Mengen Helium entwickeln, und
den Schlufs daraus gezogen, dals auch das Helium in
Mineralien, wie es bereits RUTHERFORD und SoppY?) ver-
muteten, durch Umwandlungen radioaktiver Substanzen ent-
standen ist.
Es soll daher auch eine gewilse Proportionalität zwischen
Uran- und Heliumgehalt bei den Mineralien bestehen, was
1) Nature 16 July 1903, p. 246 und Proc. Roy, Soe. 72, 204 (1903).
73, 346 (1904).
®) Phil. Mag. 6. 4,581 (1902).
14 HANS LANGE,
schon HıInLEBRAND!) bei genauen Analysen mehrerer uran-
haltiger Erze aufgefallen war. Wahrscheinlich wird das
Gas im Innern der aktiven Erze nur mechanisch festgehalten;
dafs man es durch Erhitzen austreiben kann, erklärt sich
dadurch, dafs die Mineralien bei hoher Temperatur für
Helium durchlässig werden. Da nun das Helium nur ent-
weicht, wenn das Mineral stark erhitzt oder aufgelöst wird,
bleibt wohl nahezu alles gebildete Helium im Mineral
stecken?) Man hat daher — für primäre, kompakte
Mineralien — auf Grund der neuesten Forschungen die
Möglichkeit, einen Minimalwert für die Zeit zu berechnen,
seit der sich das Mineral gebildet bezw. soweit abgekühlt
hat, dafs kein Helium mehr von selbst entweichen konnte.
Der Euxenit von Sätersdal enthält 5,950/, UO, oder 5,25%, U
und gibt pro Gramm 1,65 eem Helium ab. Nach RUTHER-
FORD und Soppy?) befinden sich in radioaktiven Mineralien
von hohem Alter 5,8-10-" Gewichtseinheiten Ra pro Gewichts-
einheit Uran. In einem Gramm Euxenit also 2,2.10® gRa.
Nach RausayY und Soppy*) produziert 1 g Radium pro Jahr
0,24 cem Helium, 1 g Euxenit also pro Jahr 0,53-10-° cem He.
Da aber von derselben Gewichtsmenge jetzt 1,63 cem He
erzeugt werden, war also ein Zeitraum von
1,63
0,53-10$
oder zirka 300 Millionen Jahren nötig. Einen Wert der-
selben Gröfsenordnung liefert ein Fergusonit, der nach
Ramsay und Travers5) 7°), Uran enthält und 1,81 cem He
pro Gramm abgibt.
Zur Gewinnung des Heliums aus Mineralien sind ver-
schiedene Methoden vorgeschlagen worden.
1) Sill. Am. Journ. of Sciences 40, 384 (1890). 42,390 (1892).
2) Ganz neuerdings hat R. I. Strutt (Proc. Roy. Soc. 21. 1. 1909)
festgestellt, dafs einige Mineralien, so der Monazit, T'horianit und
Fergusonit, schon bei gewöhnlicher Temperatur merkliche Mengen
Helium verlieren, wenn sie zu feinem Pulver gemahlen werden.
5) Rutherford, Die Radioaktivität (deutsch von Aschkinafs),
S. 477. Berlin 1907.
*) Ebenda S. 495.
5) Zeitschr. f. phys. Chem. 25, 568 (1898).
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 15
HiLLEBRAND!) kochte das feingepulverte Mineral mit
verdünnter Schwefelsäure. LAnGLET?) erhitzte eine Mischung
von Cleveit und Kaliumpyrosulfat im Kohlendioxydstrom im
Verbrennungsrohr und fing das Gas, nachdem er es über
glühendes Kupferoxyd geleitet hatte, über Kalilauge auf.
Diese Methoden sind aber nicht geeignet für die Verar-
beitung gröfserer Mengen eines Minerals. Ramsay?) schlug
vor, das Mineral im Vakuum in einem Rohr von schwer
schmelzbarem Glase zu erhitzen, wobei allerdings nieht
jedes Mineral seinen ganzen Heliumgehalt abgibt. Über
die Anordnung der Apparatur zur Gewinnung im Grolsen
finden sich aber nirgends nähere Angaben, auch nicht bei
Ramsay.
Für den vorliegenden Fall wurde daher ein besonderer
Apparat konstruiert, dessen Anordnung und Arbeitsweise
durch die schematische Skizze in Fig. 5 veranschaulieht wird.
Vor Beginn der Operation wurde der mit einem dreifach
durehbohrten Gummistopfen absolut luftdicht abgeschlossene
Gassammelbehälter @ durch Heben des mit ihm in heber-
artiger Verbindnng stehenden Wasserbehälters W ganz mit
destilliertem Wasser gefüllt, bis dieses an die Hähne ZH,
und H, gelangte, worauf letztere geschlossen wurden. Der
Wasserbehälter W wurde dann wieder in die Stellung SI
gebracht. Mit dem Behälter @ stand nun die als Ent-
wieklungsgefäls dienende 250 cem fassende, innen glasierte,
aulsen mit Lehm beschlagene Porzellanretorte R in Ver-
bindung, die mit Asbestplatten bedeckt, auf helle Rotglut
erhitzt werden konnte. Mittels eines weiten Triehterrohres
war sie mit 300 g feingepulvertem, durch Trocknen bei 105°
von Wasser zum grölsten Teil befreitem Euxenit beschickt
und mit der Vorlage V verbunden worden. Nunmehr brachte
man den Dreiwegehahn D, in die Stellung I und evakuierte
mittels einer Quecksilberluftfpumpe (System NEEsEN) den
Apparat vollständig bis zum Hahn H,, wodurch das Queck-
silber in der kleinen Hilfspumpe Hg bis in die Kugel X
!) Sill. Am. Journ. of Sciences 3. 40, 384 (1890).
?) Zeitschr. f. anorg. Chem. 10, 289 (1895).
5) Ann. Chim. Phys. 7. 13,449 (1898).
16 HANS LANGE,
stieg. Darauf wurde durch Drehen von D, in die Stellung II
die Verbindung mit der Pumpe abgeschlossen und nur die
mit Hg und dem Behälter G aufrecht erhalten. Bei nun-
mehrigem Erhitzen der Retorte destillierten zunächst noch
geringe Mengen Wasser in die Vorlage V über, daneben
organische Verbindungen, deren Anwesenheit dadurch zu
erklären ist, dals das Material beim Mahlen im Fabrikbetriebe
stets durch Scehmieröl, Gewebefasern vom Sieben usw. ver-
unreinigt wird.
Trat beim höheren Erhitzen der Retorte nun die Helium-
entwicklung ein, was sich durch schnelles Fallen des Queck-
silbers in der Kugel X bemerkbar machte, so wurde mittels
dieser kleinen Pumpe Hg das entwickelte Gas ständig in
den Sammelbehälter @ hinübergepumpt durch abwechselndes
Stellen von D, in die Stellung II und III und entsprechendes
Öffnen und Sehliefsen des Hahnes H,, wobei jedesmal eine
entsprechende Menge Wasser aus G@ in die Flasche W
abflols. In der Retorte herrschte also stets Unterdruck,
was für die vollständige Gasabgabe von grolser Wichtigkeit
war. Nach einer ?/, Stunde seit Eintritt der Rotglut war
alles Gas ausgetrieben, und in der Retorte war wieder das
ursprüngliche Vakuum. Im Behälter @ befanden sich zirka
460 eem Gas. Durch Abbrechen der Spitze a einer durch
einen Gummistopfen in die Vorlage Y führenden engen
Glasröhre wurde Luft in die Retorte gelassen, nach völligem
Erkalten die Retorte entleert und gleich wieder mit neuem
Material beschiekt. Die Spitze bei «a wurde wieder zu-
geschmolzen, die Retorte mit der Vorlage verbunden, der
Dreiwegehahn D,, der zuletzt die Stellung III innehatte,
in die Stellung I gebracht. Nach dem Evakuieren wieder-
holte sich dann die Operation wie eingangs beschrieben.
Auf diese Weise konnte eine grolse Menge Materials
mit quantitativer Ausbeute an Rohgas verarbeitet werden.
Das erhaltene Gas enthielt natürlich neben Helium noch
viele Verunreinigungen, so vor allem Stickstoff, Kohlensäure,
Wasserdampf und Kohlenwasserstoffe.
Zwecks Reinigung dieses Rohgases waren daher eine
Reihe Absorptionsapparate mit dem Gasbehälter @ verbunden
worden, die schlielslich durch den Dreiwegehahn D, mit
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Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien.
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.s2. 1910,
17
18 Hans LANGE,
der zur Aufbewahrung des Heliums bestimmten Glasröhre E
(Form nach Rausay!) in Verbindung standen. D, wurde
zunächst in die Stellung I gebracht, darauf das Quecksilber-
gefäls F gehoben, wodurch die Luft aus EZ dureh das
Quecksilber bis zum Hahn D, verdrängt wurde, und dann
D, in die Stellung IV gebracht. Nun trat wieder die Pumpe
in Tätigkeit. D, befand sich dabei in Stellung IV, Hahn 4,
war geschlossen. Die Pumpe saugte dann alle Luft aus
den Absorptionsapparaten bis zum Hahn H, und auf der
anderen Seite bis 4, ab, worauf durch Hahn AH, die Ver-
bindung mit der Pumpe abgesperrt wurde. Den Wasser-
behälter W setzte man wenig erhöht in die Stellung S II
und liefs nun durch vorsichtiges Einstellen der Hähne A,
und H, einen langsamen Gasstrom in die Absorptionsapparate
treten. Das Wasser, welches sich noch von der ersten
Füllung des Gasbehälters @ her in der Glasröhre bis zum
Hahn H, befand, flofs in die kleine Kugel k ab. In A
wurde der Gasstrom durch Phosphorpentoxyd und Natron-
kalk von Wasser und Kohlensäure befreit, in B wurden
die Kohlenwasserstoffe durch glühendes Kupferoxyd ver-
brannt, das entstandene Wasser und die Kohlensäure in C
wieder durch Phosphorpentoxyd und Natronkalk absorbiert,
und in D schlielslieh durch erhitztes metallisches Caleium?)
der Stiekstoff und etwa vorhandener Sauerstoff zurückgehalten.
Da das Gas infolge des Vakuums zu schnell zunächst durch
die Absorptionsapparate ging, war es bei seinem Austritt
nieht rein und wurde daher wieder mittels der Pumpe Hg
— D, und D, standen in Stellung IV — in den Behälter
zurückgepumpt. Zeigte das in eine an die Hauptpumpe
angeschmolzene Spektalröbre alsbald eingelassene Gas
(dureh Öffnen des Hahnes H,) ein reines Heliumspektrum,
dann wurde D, in die Stellung V gebracht, und das Queck-
silbergefäfs F allmählieh gesenkt, sodals das Quecksilber
in E und F' stets in gleicher Höhe stand. Die Röhre E
füllte sich nun ganz mit Helium und wurde, wenn das
1) Ramsay, L’helium. Ann. Chim. Phys. 7. 13,451 (1898).
2) F.Soddy, Calcium als Absorptionsmittel für Gase. Proc. Roy.
Soc. London 78 A, 429—458 (1907).
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 19
Quecksilber bis in den verengten Teil gefallen war, an
beiden Enden abgeschmolzen; D, hatte dabei die Stellung
III inne. Sollte nun eine neue Röhre gefüllt werden, wurde
sie an die Leitung angeschmolzen, und mit dem Schlauch
des Quecksilbergefälses F' verbunden. Dann lies man D,
die Stellung II einnehmen, worauf das Quecksilber infolge
des in der Leitung befindlichen Vakuums in E stieg und
die Luft aus der Röhre verdrängte. Gelangte das Queck-
silber an D,, so drehte man den Hahn in die Stellung V,
worauf infolge des Überdruckes in den Absorptionsapparaten
das Quecksilber sofort wieder fiel, und somit sich die Röhre
von neuem mit Helium zu füllen begann.
Die Anlage gestattet, auf einfache Weise nach Belieben
das Rohgas zu gewinnen oder reines Helium zu entnehmen.
Bei vorsichtiger Behandlung ist die Porzellanretorte
unbegrenzt haltbar, nach fünf- bis sechsmaligem Erhitzen
muls sie von neuem beschlagen werden. Gasverluste durch
Springen der Retorte u. a. sind nicht zu befürchten.
Anders bei der Reinigung des Gases. Vor allem muls
Sorgfalt auf den Abschlu[s der atmosphärischen Luft gelegt
werden. Deshalb wurden die einzelnen Teile möglichst
aneinander geschmolzen. Wo Schlauchverbindungen nötig
waren, wurde der Vakuumschlauch, soweit er auf dem Glase
aufsals, mit Gummifäden umwickelt.
Äufserste Vorsicht erfordert das Durchleiten des Roh-
gases durch die Absorptionsapparate, besonders die Be-
handlung des mit Caleium gefüllten Rohres D. Da Caleium
in Stickstoff äulserst lebhaft verbrennt, springt das schwer
schmelzbare Rohr leicht beim zu schnellen Überleiten des -
Gases, wodurch man natürlich grofse Gasverluste erleidet.
Man darf den Wasserbehälter W nur wenig höher als den
Gasbehälter @ stellen, damit das Gas mit einem möglichst
geringen Druck durch die Absorptionsapparate gleitet,
andererseits auch der Überdruck in den Apparaten bei
Totstellung des Hahnes D, nieht zu grofs wird.
Da Helium in Wasser löslich ist,!) sättigt sich das
!) Estreicher, Zeitschr. f. Phys. Chem. 31,176. Ein Volumen
H,O absorbiert bei 760 mm und 20° 0,01386 Vol. Helium.
2*
20 Hans LANGE,
Wasser im Sammelbehälter G allmählich mit dem Gas,
wodurch sich allerdings diese Menge — die aber bei der
Darstellung im Grofsen kaum in Betracht kommt — der
Gewinnung entzieht. Ein weiteres Entweichen aber, durch
die heberartige Verbindung mit dem Wasserbehälter mög-
liche Wiederabgabe an die Luft, trat nieht ein. Jedenfalls
konnte selbst nach wochenlangem Stehen bei offenem Hahn
H, eine Volumenänderung — unter Berücksichtigung des
Barometerstandes — im Gassammelbehälter nieht konstatiert
werden.
Die Ausbeute an reinem Helium richtet sich daher
allein nach der geschiekten Handhabung des Apparates.
Nach einiger Erfahrung bietet indes eine quantitative Ge-
winnung nach diesem Verfahren keine bedeutenden Sehwierig-
keiten.
II. Über einen roten Flufsspat aus Grönland.
Aus den Kıyolithlagern von Ivigtut am Arksutfjord in
Süd-Grönland beschrieb I. THomsEn!) einen roten Flulsspat,
der neben Caleiumfluorid einige Prozente Fluoride der seltenen
Erden enthielt also eine Art Yttrocerit—, und der im
gevulverten Zustande auf den schwachglühenden Boden
einer Platinschale gestreut, plötzlich durch die ganze Masse
mit intensiv goldfarbenem Lichte aufleuchtete unter gleich-
zeitiger Entwicklung von Helium. In einer späteren Arbeit?)
stellte er fest, dafs das Mineral neben Wasserstoff, Kohlen-
oxyd, Kohlendioxyd und Kohlenwasserstoffen 0,024 bis
0,027 eem Helium pro g abgab, gleichgültig, ob das Gas
dureh Erhitzen des Minerals im Vakuum, durch Schmelzen
mit Bisulfat oder durch Behandeln mit Säuren ausgetrieben
wurde. Andere Flufsspate verschiedenen Herkommens, die
beim Erhitzen gleichfalls Fluorescenzerscheinungen zeigten,
lieferten wohl erhebliche Mengen Gas, aber keine Spur von
ı) I. Thomsen, Über Abtrennung von Helium aus einer natür-
lichen Verbindung unter starker Licht- und Wärmeentwicklung. Zeitschr.
f. phys. Chem. XXV. 1,112 (1898).
2) Die in einigen grönländischen Mineralien enthaltenen Gase.
Dansk. vidensk. Selsk. Forhandl. 2, 53—57 (1904). C.B. II, 147 (1904).
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 21
Helium. THomsen vermutet daher, dals die Gegenwart des
Heliums im Flufsspat von der der seltenen Erden be-
dingt wird.
Sowohl BECQUEREL!) als UrBaın und Scau?) haben nun
in 15 verschiedenen Flufsspaten durch die Beobachtung der
Phosphorescenzspektra die Anwesenheit von seltenen Erden,
besonders die des Gadoliniums, nachgewiesen.
Fig. 6. Roter Flulsspat (He-haltig) aus Ivigtut (Süd-Grünland).
Exposition 6 Tage.
Der Flulsspat wird also ziemlich allgemein von Fluoriden
der seltenen Erden begleitet, ohne dals er gleichzeitig einen
Gehalt an Helium aufzuweisen hat.
Zur Erklärung des merkwürdigen Verhaltens des grön-
ländischen Vorkommens wurde daher das Mineral einer
eingehenden Untersuehung unterzogen.
Der Flulsspat hat eine rote an Eisenoxyd erinnernde
!) Phosphorescenzspektra von Fluflsspat in Gegenwart seltener
Erden. C.r. 146, 440—446 (1908).
?) Ultraviolette Phosphorescenzspektra von Flufsspaten. €. r.
144, 30—32 (1907).
22 HANS LANGE,
Farbe, ist in dünnen Splittern durchsichtig und durchsetzt
gangartig und in feinen Adern den Kryolith, der, besonders
in der Nähe der Flufsspatzone, durch Kohlenwasserstoffe
intensiv schwarz gefärbt ist, beim Glühen aber vollkommen
farblos wird; daneben sind reichlich Kupferkies, Pyrit,
Eisenspat, Quarz und anderes eingesprengt. Der Flufsspat
ist kristallinisch ausgebildet, er zeigt an den Bruchstellen
matten Glasglanz. Das sp. Gew. des reinen Materials wurde
zu 3,28 gefunden.
Ein Versuch auf der photographischen Platte zeigte
eine merkliche Aktivität der Flufsspatzone, während der
umgebende schwarze Kryolith nicht auf die Platte wirkte
(siehe Fig. 6).
Es wurde daher untersucht, ob sich noch radioaktive
Elemente, speziell Uran, als Beimengungen in dem Material
vorfänden.
Zur Analyse wurde ein reichlich Flufsspat enthaltendes -
Mineralstück kleinkörnig zerstolsen und zwecks Entfernung
des inaktiven schwarzen Kıyoliths (sp. Gew. 2,95) mit
TrouLer'scher Lösung!) vom sp. Gew. 3,05 im Kreın’schen
Apparat mehreremals behandelt. Von kleinen Mengen bei-
gemengten Kupferkieses wurde der Flufsspat durch Auslesen
unter der Lupe möglichst befreit. Wurde nun der Rückstand
wieder mehreremals mit ToutLer’scher Lösung, die auf ihr
höchsterreichbares sp. Gew. 3,19 gebracht war, geschüttelt,
und die zuerst untersinkenden, schwersten Teilchen von den
sich weniger schnell absetzenden möglichst schnell abgetrennt,
so erzielte man schliefslich eine Zweiteilung des Materials
in nahezu reinen Flulsspat und einen Flulsspat, der die
spezifisch schweren Beimengungen der radioaktiven Elemente,
falls solehe vorhanden waren, enthalten mu/lste. Beide
Materialien zeigten nach dem Troeknen prächtig die von
THomsen beschriebene Leuchterscheinung.
Das spezifisch leiehtere Material bestand, wie die
quantitative Analyse zeigte, neben geringen Beimengungen
von Aluminium und Natrium — von nicht ganz entferntem
Kryolith herrührend — aus Caleiumfluorid mit einem Gehalt
1) Bull. Soc. mineral. II. 17,189 (1879).
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 25
von 3,990/, an seltenen Erden. Diese hatten das nach der
synthetischen Sulfatmethode ermittelte Äquivalentgewicht 145.
Die Oxyde waren schwach rosa gefärbt, die Sulfate waren
weils und liefsen nur ein überaus schwaches Absorptions-
spektrum der Erbinerden erkennen. Sie wirkten infolge
eines Gehaltes an Thorium nach 5 tägiger Exposition auf
die photographische Platte ein (siehe Fig. 7). Die Unter-
suchung des spezifisch schwereren Materials ergab dagegen,
dals es nur zu 92°/, aus rotem Flufsspat bestand, während
die übrigen 8 Prozent als dem Flufsspat nicht zugehörig
Fig. 7. PbS- (links) und, ThOy-haltige seltene Erden (rechts) aus
Flufsspat (Süd-Grönland). Exposition 5 Tage.
angesehen werden mulsten. Neben Kupfer und Eisen, in
Verbindung mit Schwefel als Bestandteile des Kupferkieses,
fanden sich die vermuteten radioaktiven Elemente, nämlich
2,03%, UO, und 1,68%, PbO (siehe Fig. 7).
Dafs das Uran nicht als Fluorid vorlag, zeigte sich
schon daran, dafs das Mineral kein Absorptionsspektrum
lieferte. Die beiden Elemente liefsen sich zum grolsen Teil
mit verdünnter Salzsäure aus dem feingepulverten Gemenge
ausziehen, wobei ein wenig Kohlensäure entwich.
Aus diesem Befunde geht hervor, dafs kein einheitliches
Mineral, sondern ein Gemenge verschiedener Verbindungen
vorlag. Wie sich der Flufsspat hier auf sekundärer Lager-
stätte im Kryolith gebildet hat, so haben sich auch aktive
Verbindungen — als Niederschläge von nicht bestimmter
Zusammensetzung — aus den Wässern abgeschieden und
24 HANS LANGE,
durchsetzen nun mit dem Flulsspat eng vermischt die Hohl-
räume des Kryoliths. Der Flufspat scheint besonders ge-
eignet zu sein, Helium, das sich hier aus den beigemengten
Mineralsubstanzen gebildet hat, zu absorbieren, oder, wie
TrAvErRS!) das Helium in Mineralien auffalst, mit dem
Helium eine feste Lösung zu bilden, während der Kryolith
diese Fähigkeit nieht besitzt.
Der von Ussıng?) beschriebene, ebenfalls am Arksut-
fjord in Süd-Grönland vorkommende Kryolithionit, in dem
die Hälfte des Natriums durch Lithium ersetzt ist, schlielst
sich dagegen in seinem Verhalten dem Helium gegenüber
dem roten Flufsspat an. Es wurde beobachtet, dafs er im
Vakuum erhitzt, eine beträchtliche Menge Helium abgibt.
Dabei zerspringt er zu feinem Pulver.
Hält der Kryolith auch kein Helium, so scheint er doch
anderweitig durch die Nähe der aktiven Verbindungen be-
einflulst worden zu sein. Es ist auffallend, dafs er be-
sonders in ders nächsten Umgebung des Flulsspates durch
Kohlenwasserstoffe intensiv schwarz gefärbt ist, während
die weiteren Partien allmählich heller werden. Eine aus-
reichende Erklärung hierfür kann bisher nieht gegeben
werden.
Ill. Analytisches.
Bei der Analyse von Niobaten und Titanaten bereitet
die Bestimmung der drei Metallsäuren, Tantal-, Niob- und
Titansäure nebeneinander die meisten Schwierigkeiten. Eine
quantitative Scheidung der drei Säuren mittels einer einmal
angewandten Methode ist bisher nieht möglich. Besonders
hartnäckig haftet der Niobsäure stets das Titan an; ein
gänzlich titanfreies Niobpräparat dürfte nach der MARIGNAC-
schen Fluoridmethode) selbst nach vielen Kristallisationen
nieht zu erreichen sein. Auch die nach O. HAUSERS
ı) Travers, Über den Zustand des Heliums in Mineralien. Nature
71,248 (1906).
2) Bull. de l’Academie roy. des sciences et des lettres de Danmark
3—12 (1904). €. B. 1,1100 (1904).
®) Ann. Chim. Phys. 4. 8,71 (1900).
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 25
Methode!) bei der Mineralanalyse abgeschiedene Niobsäure
ist stets noeh durch etwas Titan verunreinigt.
Nun erschien vor kurzem eine Arbeit von Dirrrich
und FREUND?) über die Trennung von Zirkon und Titan
mittels Ammoniumsalieylat. Während neutrale Zirkon-
lösungen mit diesem Reagens einen im Überschuss des
Fällungsmittels unlöslicehen Niederschlag gibt, ist das Titan-
salieylat?) ein in heilsem Wasser leicht löslicher Körper
und liefert eine durchaus kochbeständige Lösung. Diese
wertvolle Eigenschaft des Titans liefs eine Anwendbarkeit
bei der Trennung von Niob und Tantal vermuten und gab
Anlals, das Verhalten der beiden Elemente gegen Ammon-
salieylat zu untersuchen.
Bei der Nachprüfung der erwähnten Arbeit zeigten sich
die Schwierigkeiten, die trotz des verschiedenen Verhaltens
der beiden Elemente Zirkon und Titan sich bei der Trennung
mittels Ammoniumsalieylat ergeben, vollkommen bestätigt.
Es gelang aber auch nicht, diese Schwierigkeiten, bedingt
durch das Mitreilsen des Titans durch das Zirkon, durch
die von den Verfassern angegebenen Vorsichtsmalsregeln
zu umgehen.
Es wurden aus reinstem Titansulfat und Zirkon-
oxychlorid nach Vorschrift?) die Nitratlösungen hergestellt.
Die Lösungen wurden kurz vor Gebrauch neutralisiert, indem
man tropfenweise Natriumearbonat aus einer Bürette zuflielsen
lies. Die entstehende Trübung bei zunehmender Neu-
tralisation verschwindet nur äufserst langsam und bleibt
schlielslich bestehen, wobei die Lösung noch 5°/, freie Säure
und darüber enthält. Die lange Zeit, die man zur Neu-
tralisation gerade der Zirkonlösung braucht, beschleunigt
aber eine Hydrolyse, die, wie RuER?) exakt nachgewiesen
hat, alle Zirkonylsalze in neutraler wässriger Lösung erleiden,
!) Zeitschr. f. anorg. Chem. 60, 233 (1908).
?) Zeitschr. f. anorg. Chem. 56, 344 (1908).
®) Es entspricht dem von Levy (Ann. Chim. Phys. 6. 25, 501
[1892]) erhaltenen Titansalieylat TiO,(C,H,CO)..
*) Dittrich und Pohl, Zeitschr. f. anorg. Chem. 43, 236 —241
(1905).
°) Zeitschr. f. anorg. Chem. 43, 252 (1905).
26 Hans LAnGe,
und die schliefslieh zum kolloidalen Zirkonhydroxyd führt.
Dasselbe gilt auch für die Lösungen des Titans. Es ist
erklärlich, dafs in solehen unechten Lösungen die Einwirkung
von Reagentien eine verschiedene sein mufs, je nach Kon-
zentration, Temperatur und Herstellungszeit.
Beim Eintropfen der gemischten, möglichst neutralisierten
Lösung in eine kochende 20 prozentige Ammonsalieylatlösung
bildete sich wohl das unlösliche Zirkonsalieylat und die
intensiv gelb gefärbte Lösung des Titansalieylates, stets
aber ging auch Titan mit in den Niederschlag, aus dem
es sich durch Auswaschen nicht befreien liefs, und zwar,
bei sonst gleichen Versuchsbedingungen, wechselnde Mengen.
Andererseits blieben auch nachweisbare Mengen Zirkon in
Lösung. Bei nochmaligem’' Fällen des verglühten und wieder
in Nitrat verwandelten Niederschlages trat dieselbe Er-
scheinung wieder ein, sodals eine befriedigende quantitative
Scheidung nach zweimaliger Wiederholung der Operation
noch nicht erreicht werden konnte.
Angewandt je 10 cem einer Titan- und Zirkonnitratlösung
enthaltend:
1. 0,0712 g TiO, und 0,0466 g ZrO,
gaben 0,0693 & „ 2) 0,0489 5 })
2. 0,0712 g ” ” 0,0466 8 ”
gaben 0,0702g ,„ „10,047 810%
A „01078 0,
gaben 0,1030 577,71 20109157 7)
Bietet somit die Trennung der beiden vierwertigen
Elemente Zirkon und Titan mittels Ammonsalieylat keine
Vorteile den bisher übliehen Methoden gegenüber, so wird
das Verhalten des Titans gegen Ammonsalieylat umso wert-
voller bei der Abscheidung vom fünfwertigen Niob.
Durch die Liebenswürdigkeit des Privatdozenten Herrn
Dr. Hauser stand mir ein Niobpräparat zur Verfügung, das
nach 15 maligem Umkristallisieren der Kaliumdoppelfluoride
1) Die Analysenresultate von Dittrich und Freund zeigen stets
mehr 'Tlitan gefunden als angewandt an.
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 27
den nach dieser Methode höchst erreiehbaren Reinheitsgrad
besals. Die Fortführung dieser Methode hätte nicht dazu
geführt, das Titan, dessen Anwesenheit sich durch die
Wasserstoffsuperoxydreaktion leicht nachweisen liefs, vom
Niob völlig abzuscheiden. In dem Ammoniumsalieylat besitzt
man nun ein ausgezeichnetes Mittel, eine völlige Trennung
der beiden Elemente zu bewerkstelligen. Das Ammonium-
salieylat bildet mit der Niobsäure N, 0,x.H,0 eine unlösliche
Adsorptionsverbindung.
Die Trennung geschah in folgender Weise:
2,9499 & titanhaltiges Niobfluorkalium wurden bei mög-
lichst niederer Temperatur mit konzentrierter Schwefelsäure
abgeraucht und zur Verjagung der Flulssäure mögliehst zur
Trockene eingedampft. Der Rückstand wurde mit wenig
Wasser in eine tiefe Porzellankasserole gespült und mit
500 eem 20 prozentiger Ammonsalieylatlösung versetzt, worauf
unter ständigem Rühren mittels einer Turbine eine Stunde
gelinde erwärmt wurde. Lösung und Niederschlag färbten
sich gelb. Nach dem Absitzen wurde noch heils filtriert
und der Niederschlag zunächst mit heilsem Ammonsalieylat,
dann. mit kochendem Wasser solange ausgewaschen, bis
ein Tropfen des Filtrats mit Eisenchlorid keine Violett-
färbung mehr gab. Das Filtrat wurde eingedampft und in
einer Platinschale verglüht; der Rückstand mit Schwefel-
säure aufgenommen, mit Wasser verdünnt und zur Ab-
scheidung des Titans vom Kalium mit Ammoniak gekocht.
Es hinterblieben 0,4368 g TiO,.
Die Niobsäure war eine unlösliche gelbe Verbindung
mit der Salieylsäure eingegangen. Der amorphe Nieder-
schlag lie/s sich heils leicht filtrieren.
0,2577 g lieferten beim Glühen:
0,1772 g Nb,O, — 48,260), Nb.
0,2029 g lieferten beim Verbrennen:
005108 4,0 = 281°, H
0,1382 8 00, = 18,57%, C
Rest — 30,36, ©.
9)
28 Hans LANGE,
Diese Zahlen ergeben keine Verbindung mit stöchio-
metrischen Verhältnissen; es liegt vielmehr eine Adsorptions-
verbindung des Hydrogels Nb,0,2H,0 mit der Salieyl-
säure vor.
Zur Untersuchung, ob Niob in Lösung gegangen war,
wurde die aus dem Filtrat gewonnene Titansäure durch
Behandeln mit Fluorkalium und Flufssäure in das Doppel-
fluorid übergeführt, die Schmelze mit Wasser aufgenommen
und mit Zink und konzentrierter Salzsäure versetzt. Da
eine Braunfärbung der Lösung mittels dieses empfindlichen
Nachweises für die Gegenwart von Niob nieht eintrat, war
die Niobsäure eine in Ammonsalieylat und heilsem Wasser
absolut unlösliche Verbindung eingegangen.
Jedoch genügt eine einmalige Behandlung mit Ammon-
salieylat nicht, die Niobsäure absolut frei von Titan zu
erhalten.
Der verglühte Niederschlag wurde in einer Platinschale
mit Flufssäure und konzentrierter Schwefelsäure gelöst,
dureh weites Eindampfen die Flufssäure verjagt, und als-
dann mit Wasser verdünnt, wobei sich Niobsäure zum Teil
ausschied. Auf Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd trat noch
deutlich Gelbfärbung ein, wodurch sich die Anwesenheit des
Titans verriet.
Die Lösung wurde daher wieder fast zur Trockene
eingedampft und, wie zuerst beschrieben, abermals der Ein-
wirkung von Ammonsalieylat eine Stunde lang ausgesetzt.
Die Lösung wie der Niederschlag färbten sich wiederum
gelb. Nach dem Filtrieren, Eindampfen des Filtrates und
Glühen fanden sich 0,0407 g TiO, als in Lösung ge-
gangen. t
Die erhaltene Niobsäure aber zeigte sich nach dem Ver-
glühen so rein, dals die Wasserstoffsuperoxyd-Reaktion auf
Titan nicht mehr eintrat.
Da die Löslichkeit des Titankaliumfluorides zwischen
der des Tantal- und Niobkaliumfluorides liegt, erhält
man nach dieser bisher übliehen Methode erst nach vielen
mübsamen Kristallisationen ein annähernd titanfreies Niob-
material. Die Reindarstellung von Niobpräparaten mittels
Ammonsalieylat ermöglicht dem gegenüber eine schnellere
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 29
und einfachere Ausführung und gewährleistet den höchsten
Reinheitsgrad der erhaltenen Produkte.
Ganz analog der Niobsäure verhält sich nun auch die
Tantalsäure 7a, 0,2 H,0 gegen Ammonsalieylat; sie bildet
eine unlösliche Adsorptionsverbindung.
0,5026 g Titan- und Niobfreies Tantalpentoxyd wurden
mit Flulssäure und konzentrierter Schwefelsäure in Lösung
gebracht, zur Verjagung der Flulssäure bei möglichst niederer
Temperatur vorsichtig fast zur Trockene eingedampft, und
der Rückstand mit wenig Wasser in den Rührapparat ge-
spült. Darauf wurden 500 eem einer 20 prozentigen Ammon-
salieylatlösung hinzugegeben. Nach einstündigem Rühren
unter Erwärmen lie[s man absitzen und filtrierte noch heils.
Der fleischfarbene Niederschlag filtrierte bedeutend schwerer
als die entsprechende Niobverbindung, lie/s sich aber mit
heilsem Wasser vollständig bis zum Verschwinden der
Salieylsäurereaktion auswaschen. Das eingedampfte und
in einer Platinschale verglühte Filtrat hinterlie[s nur einen
Rückstand von 0,0010 g, der aus Verunreinigungen bestand,
aber kein Tantal enthielt.
Der Niederschlag lieferte beim Verglühen 0,5028 & Ta, O,
und enthielt 55,12°/, Ta. Er stellt eine, der mit Niobsäure
erhaltenen analoge Adsorptionsverbindung der Tantalsäure
Ta,0,2H,O mit Salieylsäure dar und ist ein in heilsem
Wasser und Ammonsalieylat unlöslicher amorpher Körper.
Aus den gewonnenen Resultaten erhellt, dals das
Ammoniumsalieylat bei der Analyse von Titanniobaten und
Tantalaten als ausgezeichnetes Reagens benutzt werden
kann, Niob und Tantal vom Titan quantitativ zu scheiden.
Man nimmt zweckmälsig zunächst eine Rohscheidung
vor. Hat man im Gange der Analyse aus der Kalilauge-
Mannit-Lösung der drei Metallsäuren durch Versetzen mit
Schwefelsäure die durch mitgerissenes Titan verunreinigte
Niob- und Tantalsäure abgeschieden, so unterwirft man
den Niederschlag in der angegebenen Weise einer zwei-
maligen Behandlung mit Ammonsalieylat. Dabei ist es
nicht erforderlich, die Filtrate einzudampfen und zu verglühen,
was bei grölseren Mengen eine lästige Operation ist; es
läfst sich das Titan auch durch längeres Kochen mit
30 Hans LANGE,
Ammoniak bis zur Entfärbung der Lösung vollständig
ausfällen. Dieses Titan fügt man der Hauptmenge hinzu,
die man aus der Schwefelsäure-Mannit- Lösung dureh Koehen
mit Ammoniak erhalten hat.
Mit Hilfe dieser kombinierten Methode ist die Seheidung
des vierwertigen Titans von den fünfwertigen Metallsäuren
eine quantitative.
IV. Über Zirkonoxychlorid.
Das für die Untersuchung über die Trennung von Zirkon
und Titan erforderliche Zirkonmaterial wurde durch Reinigen
des käuflichen Zirkonnitrats über das Oxychlorid erhalten.
Mit Rücksicht auf die zum Teil sieh widersprechenden
Angaben in der Literatur über dieses Salz und sein Verhalten
beim Erhitzen wurden bei dieser Gelegenheit dahingehende
Untersuchungen angestellt.
Käufliches Zirkonnitrat, das durch etwas Aluminium
verunreinigt war, wurde mit überschüssiger Kalilauge gefällt,
das Hydroxyd bis zum Verschwinden der alkalischen Reaktion
mit Wasser ausgewaschen und in einem Übersehuls von
konzentrierter Salzsäure gelöst. Die Lösung wurde solange
eingedampft, bis ein Tropfen am Glasstabe herausgenommen
leicht kristallisierte. Unter ständigem Rühren entstanden
während des Erkaltens kleine quadratische Kristallnadeln
des Oxychlorids, die an der Saugpumpe abgesaugt, mit
konzentrierter Salzsäure, dann mit Äther ausgewaschen und
schlielslich zwischen Fliefspapier getrocknet wurden.
Dieses Salz wurde zuerst von HERMANN!) näher be-
schrieben, nachdem es bereits BERZELIUS?) durch Auflösen
von Zirkonsäurehydraten in Salzsäure erhalten hatte. Über
den Kristallwassergehalt herrschte zunächst keine Einigkeit.
HERMANN!) stellte die Formel ZrO01, 9 H,O auf, PAYKULL?°)
dagegen ZrOCl8H,0. Mars WeıisuLL‘) und letzthin
1) B.1. 25,147. J.f.pr. Chem. 31,75. 97,321 u.330. J. 189. 191 (1866).
2) Sv. Vetensk Akad. Handl. P. A. 4,117 (1824).
s) Oefers. Sv. Vetensk Akad. Handl. 22 (1873). J. 263 (1873).
241 (1879).
4) Ber. 1394 (1887).
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. Sl
RosenHEim und Frank!) haben das Oktohydrat Paykurns
bestätigt. Das von mir auf die angegebene Weise er-
haltene Salz hatte ebenfalls die Zusammensetzung ZrOQl,
8H,0.
Wurde das Salz auf eine andere Weise dargestellt, indem
man einen Übersehufs der Säure zu einer Lösung von Zirkon-
hydroxyd in konzentrierter Salzsäure tropfen liels, so
kristalisierte in Übereinstimmung mit den Angaben von
VENABLE und BASKERVILLE?) das Salz mit sechs Molekülen
Wasser aus, während PaykurLn3) dabei ZrOCl, 2!/, H,O
fand.
Beim Erhitzen des Oktohydrates soll nun nach E. Meruıs)
das Salz bei 60° C. 31/, Moleküle Wasser verlieren und schliels-
lich nach HERMANN) in die Verbindung ZrC1,2 ZrO, über-
gehen. Nach VENABLE und BASKERVILLE®) soll aufserdem
ein Oxycehlorid mit 3 41,0 beim Erhitzen im Salzsäurestrom
bei 100° entstehen. Diese Angaben konnten nicht bestätigt
werden.
Zur Untersuchung des Verhaltens des Oxycehlorids ZrOC7,
8 H,O beim Erhitzen auf verschiedene Temperaturen wurde
das Salz im Platinschiffehen in einem kurzen Verbrennungs-
rohr erhitzt, durch welches troekene Luft geleitet wurde,
und das durch ein mit Paraffinum liqwidum gefülltes weiteres
Glasrohr führte. Zwecks Einstellung des Gleichgewiehtes
konnte die Temperatur im Rohr eine Stunde konstant
gehalten werden. Es wurde beobachtet, bei welchen Tem-
peraturen jeweilig bei höherem Erhitzen Wasser entwich,
und danach die bei den gefundenen Temperaturen ent-
standenen Produckte analysiert. Die Ergebnisse sind in
Tabelle I zusammengefalst und stellen die Mittelwerte aus
je drei ausgeführten Analysen dar.
1) Ber. 38, 812 (1905). I. Mitteilungen über Salze des Zirkon-
oxychlorids.
2) J. Am. Chem. Soc. 19,12 (1897).
>) Paykulll.e.
4) Zeitschr. f. Chem. 2. 6,296 (1870).
5) Hermann. ce.
6) J. Am. Chem. Soc. 20,231 (1898).
HANS LANGE,
Tabelle 1.
Ih % Zr %, Cl Zr zu Cl
bis 60° 22.15 28,30 102 ZrOCl, 8 H,O
60° 36,30 28,38 E22 ZrO0l, 4 H,O
190° 40,79 28,18 1: 1,765
120° 50,15 31,76 1:1,619
1500 54,35 25,14 1: 1,161
200° 54,31 7,18 1: 1,279
Bei 60° entweichen 4 Moleküle Wasser unter Zurück-
lassung des Salzes ZrO01,4 H,O
berechnet: gefunden:
ZrO 42,730), 42,720,
Ch 28,40 „ 28,38 „
4 H,O 28,87 „ 28,92 „
100,00 ,/° 100,027,
Demnach treffen die älteren Angaben von MELLIS (l. e.),
dals nur 3!/, Moleküle Wasser entweichen, nicht zu.
Bei 100°,. 120° und 150° entweicht jedesmal Wasser,
aber unter gleichzeitiger Mitnahme von Salzsäure. Die ent- ,
stehenden Produkte sind nieht als chemische Verbindungen
mit stöchiometrischen Verhältnissen anzusehen. Oberhalb
150° entweicht kein Wasser mehr, die Kristalle werden
trüb und undurchsichtig; das Verhältnis von Zr: 0:Cl ist
bei 200° gleich 1:1,93:1,279. Die HErmAnNsche Verbindung
2ZrOsZrÜl,, bei der das Verhältnis von Zr:0:Cl=1:1,33
:1,33 ist, konnte bei keiner, auch nieht bei noch höherer
Temperatur erhalten werden. Von 100° ab werden die
Kristalle nieht mehr von Wasser gelöst, sondern unter Ab-
scheidung basischer Produkte zersetzt.
Das Mitnehmen von Salzsäure durch das entweichende
Wasser läfst sich auch nieht durch Überleiten von Salzsäure-
gas während des Erhitzens vermeiden. Es entstehen dabei
nur zwei wohldefinierbare Salze.
Die Versuche wurden wiederum so angestellt, dals zu-
nächst die Temperaturen festgelegt wurden, bei denen
jeweilig beim höheren Erhitzen im Salzsäurestrom Wasser
entwich. Zur Einstellung des Gleiehgewichts wurde. die
Die Zusammensetzung heliumführender Mineralien. 33
Temperatur eine Stunde lang konstant gehalten, dann liels
man im Salzsäurestrom erkalten und schickte zuletzt trockene
Luft durch das Rohr, worauf die entstandenen Produkte
sogleich analysiert wurden. Die Mittelwerte aus je drei
ausgeführten Analysen sind in Tabelle II zusammengestellt:
Tabelle II.
T %), Zr % Cl Zr zu Ol
bis 60° 22,15 28,30 152 ZrOCl, 8 H;,0
60° 25,83 40,33 1:3,99 Zr001,2 HCl 51/, H,O
100 40,11 ® 36,00 1:2,294
150° 42,43 33,50 1:2 Zr0Cl,2H,0
180° 49,21 36,31 1:1,885
200° 51,77 33,24 1:1,641
3050 60,03 16,19 1:.0,689
Beim Erhitzen des Zirkonoxychlorids im Salzsäurestrom
schmelzen zunächst die Kristalle in ihrem Kristallwasser,
verlieren dann bei 60° 21/, Moleküle Wasser und nehmen
dafür 2 Moleküle Salzsäure auf, wobei die Lösung zu einer,
an der Luft etwas rauchenden, in Wasser leicht löslichen
kristallinischen Verbindung erstarrt.
berechnet: gefunden:
ZrO 30,540), 30,40),
Ol, 40,56 „ 40,33 „
51, H,O 28.34 „ 28,62 „
Bei 100° entweicht aus dieser Verbindung Kristall-
wasser unter Mitnahme von Salzsäure, aber nicht der ge-
samten aufgenommenen. Das Verhältnis von Zr:Cl war
höher als 1:2. In keinem Falle entstand das von
VENABLE und BASKERVILLE (]. e.) beschriebene Salz ZrOC],
3 H,0.
Erst bei 150° verschwindet unter abermaliger Wasser-
abgabe der letzte Rest der bei 60° aufgenommenen Salz-
säure, und es entsteht ein einheitliches Salz. Es enthält
zwei Moleküle Kristallwasser und ist in Wasser leicht
löslieh.
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. 3. Bd. 82. 1910. 3
84 H.LaAnGe, Zusammensetzung heliumführender Mineralien.
berechnet: gefunden:
ZrO 49,93% 49,93 0/0
Ol, 33,20 „ 33,50 „
2H,0 16,578 16,53 „
100,00 0/, 99,96 %/,
Diese letzten zwei Moleküle Kristallwasser entweichen
bei 180°, sie nehmen aber gleichzeitig Salzsäure mit, welche
das darübergeleitete Salzsäuregas nicht zu ersetzen vermag.
Es hinterbleibt ein durch Wasser zersetzbarer, keinen
stöchiometrischen Verhältnissen entsprechender Körper, der
beim höheren Erhitzen immer mehr Salzsäure verliert und
schliefslich bei 305° zum Teil als ZrCl, sublimiert. In dem
zurückbleibenden Körper verhalten sich Zr: Cl = 1:0,689.
Auch beim Erhitzen im Salzsäurestrom konnte somit bei
keiner Temperatur die Existenz der Verbindung Zr, 0,01,
festgestellt werden.
Übersicht.
Es existieren: Es existieren nicht:
ZrOC1,8 H,O (PAYKULL) ZrO0C1,9 H,0 (HERMANN)
ZrO016 H,O (VENABLE & ZrOGCl,61/, H,O (PAYKULL)
BASKERVILLE)
Zr001,2 HO151/, H,O (LANGE)
ZrOCl4 H,O (LANGE) ZrOGl, 41/, H,O (MELLIS)
ZrO0C1,3 H,O (VENABLE &
BASKERVILLE)
Zr001,2 H,O (LANGE)
Zr, 0,Cl, (HERMANN)
Wachstumsverhältnisse
einiger holzzerstörenden Pilze
von
Dr. Karl Hoffmann
Mit 9 Figuren im Text
Das Studium der holzzerstörenden Pilze hat neuerdings
wesentliche Fortschritte gemacht, nachdem diese Klasse
lange Zeit hindurch nur wenigen Systematikern bekannt,
von der physiologischen Forschung aber gänzlich ver-
nachlässigt gewesen war. Die Isolation der Arten in Rein-
kultur ist öfters nicht ganz leicht; nach den ausgedehnten
Untersuchungen BREFELDSs, die sich über die ganze Pilz-
klasse erstreckten und dabei auch eine gröfsere Anzahl
von holzzerstörenden Polyporaceen behandelten, schien
es, als ob die Beschäftigung mit dieser Pilzklasse un-
dankbar sei.
Erst ganz neuerdings wurden dureh FALck!) und MEZ?)
eine Anzahl von Daten zur Biologie der holzzerstörenden
Pilze veröffentlicht, die allgemeines Interesse verdienen und
zeigen, dafs manche physiologischen Probleme mindestens in
beachtenswerten Spezialfällen hier zur Erörterung stehen.
Ausgegangen sind diese Untersuchungen von dem Haus-
schwamm (Merulius lacrymans). Das Bedürfnis der Praxis,
das lebhafte Interesse, welches Baumeister und Haus-
bewohner für diesen Zerstörer des eingebauten Holzes unserer
Wohnungen leider besitzen müssen, hat zur Erörterung
1) Richard Falk, Wachstumsgesetze, Wachstumsfaktoren und
Temperaturwerte der holzzerstörenden Mycelien.
2) Carl Mez, Der Hausschwamm und die übrigen holzzerstören-
den Pilze der menschlichen Wohnungen.
3%*
36 KARL HOFFMANN, [2]
einer Anzahl von Problemen über das Wachstum desselben
geführt.
Die an das Auftreten des Hausschwammes sich öfters
anknüpfenden gerichtlichen Streitigkeiten machten die De-
finition dieses Pilzes und der mit ihm an gleichem Stand-
ort in unseren Häusern vorkommenden Polyporaceen,
Agariecaceen und Thelephoraceen wichtig. Dadurch
wurden Fragen der Speziesunterscheidung, Fragen nach der
Bedeutung der Wachstumsdaten für die Abgrenzung der
Arten und nach der Akkomodation der Formen an wechselnde
Standortsbedingungen in den Vordergrund des Interesses
gerückt.
Insbesondere die zitierte Arbeit FALcks schien durch
ihre Resultate darauf Anspruch erheben zu können, bedeut-
sam für die Entscheidung mehrerer theoretisch und praktisch
wiehtiger Fragen zu werden.
Von Herrn Professor Mez wurde mir deshalb die
Aufgabe gestellt, die Untersuchungen von FALcK über
„Wachstumsgesetze, Wachstumsfaktoren und Temperatur-
werte der holzzerstörenden Mycelien“ nachzuprüfen und diese
Verhältnisse für andere holzzerstörende Pilze zu untersuchen.
I. Längenwachstum holzzerstörender Pilze.
1. Das Material.
Das Material für meine Beobachtungen stellte mir Pro-
fessor MEz in sehr liebenswürdiger Weise zur Verfügung.
Herangezogen zur Prüfung wurden Merulius lacrymans
(Schum.), Merulius silvester (aus Eberswalde),!) Merulius
favosus (Mez) — (Merulius hydnoides P. Hennigs), Polyporus
vaporarius (Fries), Polyporus vulgaris (Fries), Polyporus
destructor (Fries), Polyporus serialis (Fries), Polyporus
odoratus (Fries), Paxillus acheruntius (Schroet.), (oniophora
cerebella (A. et Sch.). Von der Coniophora standen zwei
Formen zu meiner Verfügung, die sieh durch verschieden
!) Dieser Pilz ist von Herrn Professor Mez von seinem Stand-
punkt bei Eberswalde geholt worden. Vgl. A. Möller, Hausschwamm-
untersuchungen, S. 29.
[3] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 37
gefärbte Mycelien von einander gut unterschieden. Ich habe
sie als Coniophora cerebella I und Ooniophora cerebella II
bezeichnet. Während I ein dunkleres Gelb zeigte, neigte [I
mehr zu hellerer Färbung; besonders in jungen Kulturen
war II fast rein weils. Schon Mrz!) hat darauf hin-
gewiesen, dals die Coniophora cerebella aller Wahrschein-
liehkeit nach aus mehreren wohl unterseheidbaren Spezies
besteht. Während meiner Beobachtungen erhielt ich eine
dritte Form der Coniophora cerebella, deren Mycel stets rein
weils blieb, ohne gelbliche Verfärbung anzunehmen; sie ist
als Coniophora cerebella ILI aufgeführt.
2. Methodisches.
Als Kultursubstrat wurde Bierwürze gewählt, der 5%),
Agar-Agar hinzugesetzt wurde. Dieser seit langer Zeit
bei mykologisehen Untersuchungen verwendete Nährboden
hat sich auch bei meinen Versuchen sehr bewährt.
Nach dem Vorgang von FALck benutzte ich als Kultur-
gefälse Röhren in der Länge von 29 em und einer lichten
Weite von 2,5 em. Sie wurden stets mit 35 cem von dem
Nährsubstrat beschiekt, sterilisiertt und beim Erkalten so
gelagert, dals der Nährboden eine ziemlich lange schmale
Leiste von gleichmälsiger Oberfläche darstellte.
Die Impfung wurde am vorderen Ende der Röhre vor-
genommen, so dafs das Wachstum des Pilzes längere Zeit
beobachtet werden konnte. Übereinstimmend mit FALck
fand ich, dafs es nötig ist, den Pilz erst gut anwachsen zu
lassen, um in den Wachstumsverhältnissen gute und einiger-
malsen übereinstimmende Werte zu erhalten. Aus diesem
Grunde wurden die Röhren nach der Impfung einige Tage
in Zimmertemperatur gehalten, bis die Mycelien einen Kreis
von ea. 3--4 em Durchmesser bewachsen hatten.
Legt man die so behandelten Kulturen in Thermostaten,
die man gleichmälsig temperiert, so kann man nach kurzer
Zeit ein gleiehmälsiges Wachstum konstatieren, das sich
annähernd konstant erhält, bis das ganze Substrat be-
wachsen ist.
!) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, $. 164.
33 KARL HOFFMANN, [4]
Kulturen, die vollkommen die oberflächliehe Nährschieht
angegriffen hatten, blieben trotzdem noch monatelang lebendig.
Dieses Verhalten der Pilze erklärt sich daraus, dafs das
Mycel, nachdem es die oberflächlichen Nährschiehten ver-
braucht hat, mehr in die Tiefe dringt, wie man an der
Verfärbung des Nährbodens bemerkt. Auch bildet sich
dadurch, dafs in den Kulturröhren, die nur mit einem
Wattestopfen versehen sind, das Wasser aus dem Subtrat
verdunstet, stets ein Luftraum zwischen Kulturboden und
dem Glase. Dieser wird von den Pilzhyphen sofort auf-
gesucht und so nach Möglichkeit der Nährboden ausgenutzt.
Besonders bei Paxillus acheruntius ist dies Umwachsen des
Nährbodens auffällig; doch auch Coniophora cerebella, Poly-
porus destructor, Merulius lacrymans und Merulius silvester
lassen diese Erscheinung sehr deutlich erkennen.
Die Markierung des in bestimmten Zeitabschnitten hin-
zugewachsenen Mycels geschah dadurch, dals auf die Glas-
röhren etwas über der Nährbodenschicht ein langer schmaler
Papierstreifen aufgeklebt wurde. Bei der Beobachtung
wurde die Röhre auf den Tisch gelegt und dann in Rich-
tung der vorderen Hyphenenden ein Strich auf dem Papier-
streifen gemacht und mit dem zugehörigen Datum versehen.
Diese Markierung und Ablesung wurde mit blofsem Auge
vorgenommen, da man ohne Lupe am besten und sichersten
einen genauen und passenden Mittelwert erhält. Wenn die
Beobachtungen abgebrochen wurden, so wurden die Mar-
kierungen, vom ersten Tage der Beobachtung an gerechnet,
abgemessen. Diese Methode lässt ein Abschätzen auf Zehntel
Millimeter sehr gut zu.
3. Beobachtungen des Wachstums in Kulturröhren.
Bei diesen Untersuchungen stellten sich nun mannig-
fache Abweichungen von den Resultaten heraus, die FALCK
erhalten hat. Infolge der verhältnismälsig niedrigen Tempe-
raturen im März und April war es mir möglich, im Keller
des botanischen Instituts zu Halle die Temperatur annähernd
konstant zu erhalten. Die Wärmezunahme betrug im Laufe
eines Monats während der Beobachtungen 0,8% C., als
[5] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 39
mittlerer Wert ergab sich 7,0°C. Die Temperatur von 11°
konnte in einem Thermostaten in einem ungeheizten Zimmer
vollkommen gleichmälsig erhalten werden.
Es seien an dieser Stelle die Beobachtungen an Merulius
laerymans und Merulius silvester mitgeteilt. Es wurden
von jeder Spezies mehrere Parallelversuche angesetzt; die
Resultate sind nacheinander aufgezäblt, wobei A die erste
Röhre, B die zweite, C die dritte usw. bezeichnet.
2 100%,
' | DR. un
= = PR!
: N | er er
| 808 Sı = =
Spezies Zeit des | 2 S|8S$| F) = Mittel | ‚Ab
Wachstums [5 "|,S3| A 8 | wert | weichungen
| mm | mm | mm | |
nn nm = — ne am er
A. | 6.1V.-10.1V.| 08 | 08| 0,20 | + 0,111
Merulius 10-20. 42, 34 0,34 |.0,311 | — 0,029
lacrymans 20.—24 5,6 1,4 | .0,35 J | — 0,039
B. |10.1V.—20.IV.| 6,8 | 6,8 | 0,68 10,086 + 0,006
20.24 1096| 28 | 0,70 4° — 0,014
A. | 29.111—2.IV.| 1,4 | 1,4 0,850 + 0,104.
Merulius 2.—6. ae! 1,7 | 0,425 | + 0,029
silvester 6.—10. 5,0 | 1,9 |0,475 170,454 | — 0,021
10.—20. 10,1 | 5,1 |0,510 | 0,056
20.—24. | 1230| 1,9 |0,475 | — 0,021
| | | |
B. |25.11L.—29.IL| 14 | 14| 0,35 | + 0,28
29. 1IL—2.IV. 30 1,6 | 0,40 + 0,23
26060300 ZN,
BE I NE a es £10,03
10.—W. | 15,9 |.75 | 0,75] — 0,12
20.—24. 18,9 |. 3,0 | 0,75 | — 012
t= 11,0°C.
A. | 31.1IIL—4.IV. 1,6 | 1,6 |0,400 | + 0,204
Merulius 2-8. |.32 | 160400 Ilyeny | + 0,204
laerymans 81-204) |0.11,6;|».08,4 |0,700.\1? ı% | — 0,096
oo 244 |u14,5 |1.02,9 | 0,725.) I
40 KARL HOFFMARN, [6]
25, sesalunee
Spezies | „Zeit des | SE ©5| © Mittel Ab-
Wachstums | 5 | SSR 3| wert | weichungen
| mm | mm | mm
N DER EL; | 1,5 0,375 — 0,016
Merulius 27.—31. "| 3,0 | 1,5 0,375 | — 0,04
silvester 31.1I.—4.IV.| 45 | 1,5 [0,375 | 0,359 | — 9016
4.—8., 7|,,,5,5 | 1,0 | 0,250 | 2 + 0,109
8-20. | 100| 45 0875, — 0,016
20.—24. 11,5 | 1,5 | 0,375 | — 0,016
t= 24,000.
A. | 27400029 UT |e &5e 253 120571 + 0,68
Merulius 29.— 31. 5412797 41,45 + 0,48
laerymans | 31.1I..—2.IV.. 98 | 45 | 233 — 0,32
2.—A. I 141 | 4,3 12,85. [1498 — 0,22
4.—6. 18:25 Ai 22:08 | — 042
68: 22,6. 2 441,990 | — 0,27
BE 100 1 727.00] Sag 1 0
A. |25. 10.27. 100.) > 6,3 | 6,3 | 73,15 | | +0,06
Merulius 97-29. 129 | 6,6 | 3,30 | 0,09
siwester 29.—31. 19,22, 3653.17,3;15 5 + 0,06
31.11. —2:1V.| 125,5 | 6,3. | 3,15 [6215 | 40,06
2. Ası u | 831,91 116,4 | 3,202) + 0,01
4.— 0. 38,5 |. 6,6 | 3,30 | — 0,09
= 36,00 C.
A. [23.I.—25.1L]) 29| 29 | 1,45 | — 0,04
Merulius IL 971: 6,01] MS ER | — 0,14
silwester 27.—29. 88 | 2,8 | 1,40 | +0,01
29731. | 911,91 209,1.]| 1,55 | — 0,14
31.IIL—2.IV.| 13,6 | 1,7 | 0,85 [01,41 | +0,56
2 se | +0,06
ER | Mh
RER 2210,32. ,1.60,) — 0,19
810, as "39 6a — 0,24
B. 25:11. 27.101] 5,4.| 5,4. 2,70 + 1,34
27.—29. 12,6 | 72 | 3,60 | + 0,44
29.81. | 212 8,6 | 4,30 (4,04 | — 0,26
31.1I..—2.1V.| 30,8 | 9,6 | 4,80 | | 120,76
PEN 40,4. | 9,6 | 4,80 | Den
[7] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 41
Merulius lacrymans ergab in dieser Zeit der Beobach-
tungen bei 26,0° C. keine genauen Werte für das Wachstum.
Von den 5 angesetzten Kulturen dieses Pilzes lielsen drei
ein geringes Wachstum erkennen; dies war aber so schwach,
dafs genaue Messungen nieht vorgenommen werden konnten.
Doch wird das Wachstum des Merulius lacrymans bei 26° C.
noch später behandelt werden.
Leider wurden die Vergleiehskulturen für Merulius
lacrymans und Merulius silvester tür = 11° und t = 24°
verunreinigt, so dafs die Resultate nicht brauchbar waren
und aus diesem Grunde nicht zur Beobachtung des Längen-
wachstums herangezogen werden konnten.
Wenn wir die erhaltenen Werte mit denen vergleichen,
die FAuLck!) bei seinen Untersuchungen bekommen hat,
so ergeben sich wesentliche Abweichungen. Nach seinen
Wachstumskurven würde sich die tägliche Wachstums-
zunahme für Merulius lacrymans und Merulius silvester
bei 7,000, auf ea. 1,7 mm und 1,5 mm stellen, bei 11° auf
2,7 mm und 2,6 mm, bei 24% auf 3,2 mm und 6,2 mm, bei
26,0% auf 0,0 mm und 6,9 mm. Von allen diesen Werten
stimmt mit meinen Berechnungen mit Ausnahme des Merulius
lacrymaus bei 26° nicht ein einziger überein.
Zur Erklärung dieses verschiedenen Verhaltens der Pilz-
kulturen kann folgendes angeführt werden. Einerseits liegt der
Gedanke nahe, dals das Kultursubstrat dieses verschiedene
Wachstum bedingt. FALck hatte als Nahrung den Pilzen
ein festes Gelatine- oder Agar-Agar-Nährsubstrat gegeben
und hierzu 10°/, Malzextrakt hinzugesetzt, während mein
Nährboden aus 95°/, Bierwürze und 5°/, Agar-Agar bestand.
Hiermit käme ich aber in Widerspruch zu dem von FALck?)
aufgestellten Längenwachstumsgesetz: „Die Längenwachs-
tumswerte und die bedingenden Wachstumskräfte sind von
dem jeweiligen Ernährungszustande resp. der Ernährungs-
gröfse des Myceliums in weiten Grenzen unabhängig.“ Auch
kann auf mein Nährsubstrat die von Farck gleichzeitig
gegebene Anmerkung:3) „Der Nährstoffmangel erreicht
ı) Vgl. Falck, $S. 92 und 86.
2) Ebenda S. 119 und 120.
°®) Ebenda S. 120.
42 KARL HOFFMARNn, [8]
natürlich eine Grenze, bei weleher selbstverständlich auch
das Längenwachstum beeinträchtigt wird“ nicht angewandt
werden. Denn der von mir benutzte Nährboden hat sich
stets bewährt und gestattet ein sehr ergiebiges und kräftiges
Wachstum. Auch von grolsem Wassermangel kann bei der
angegebenen Zusammensetzung nicht die Rede sein.
Die andere Möglichkeit, das so auffallend verschiedene
tägliche Längenwachstum meiner Pilzkulturen zu erklären,
ist die Annahme einer verhältnismäfsig grolsen individuellen
Abweichung im Längenwachstum bei derselben Pilzspezies.
Diese individuelle Abweichung kann sowohl darin zum Aus-
druck kommen, dafs Pilze verschiedener Herkunft, denen
die gleichen Bedingungen für ihr Wachstum geboten werden,
in ungleichem Malse wachsen, als auch darin, dals es
möglich ist, durch fortdauernde Kultur und Gewöhnung an
ein bestimmtes Nährmaterial ein gesteigertes resp. ver-
mindertes Wachstum der Mycelien zu erhalten. Es ist
allerdings zu bemerken, dals die tägliche Wachstumszunahme,
in kleinen Zeitabschnitten gemessen, eine verhältnismälsig
konstante ist, so dafs für eine gewisse Zeit ein guter Mittel-
wert gewonnen werden kann. Dem gegenüber ist aber
gleichzeitig festzustellen, dals diese Konstanz nie durch
monatelange Kultur hindurch beobachtet werden kann. Ich
weise aus diesem Grunde auch auf die Resultate von FALcK
hin, aus dessen Übersichtstabelle!) klar hervorgeht, dals die
Gleichmälsigkeit im Längenwachstum keine absolute ist,
dafs also auch schon in kleineren Zeitintervallen Unter-
schiede auftreten, die bei längerer Dauer der Kultur sich
verstärken. Auch ein Vergleich der von FALer?) angeführten
acht Versuche über die Wachstumszunahme von Merulius
silvester zeigt deutlich, dafs tatsächlich, wenn auch nur
geringe, Unterschiede im Längenwachstum von Merulius
silvester „vom Zaum“ und „aus dem Walde“ vorhanden
sind. Nach der von FALck angegebenen Tabelle?) berechnet
sich die Mittelzahl der Röhrchen des Merulius silvester
1) Vgl. Falck, S. 76.
2) Ebenda S. 75.
3) Ebenda S. 73.
[9] Wachstuimsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 43
„vom Zaun“ auf 1,15, „vom Walde“ auf 1,09, während
die gröfsten Abweichungen durch 1,28 resp. 1,03 dargestellt
werden. Beide Pilze waren seit langer Zeit in Kultur; ein
Myeel seit 12, das andere seit 16 Monaten. Trotzdem lälst
sich nach dieser Zeit noch ein Unterschied feststellen, der
unmöglich ganz übersehen werden kann. Wenn ich auf
Grund meiner Beobaehtungen und auf Grund der FALck schen
Untersuchungen dazu komme, die zeitliche und individuelle
Konstanz in dem oben angegebenen Sinne zu bezweifeln, so
stelle ich mich dadurch in Gegensatz zu FALck, der die
zeitliche und individuelle Konstanz der Wachstumswerte
eines Pilzes unter bestimmten konstanten Bedingungen als
eine absolute annimmt.
Um nachzuweisen, dals der Nährboden, also sein Gehalt
an für den Pilz zugänglichen Nährstoffen, auch für die von
mir untersuchte biologische Pilzgruppe sehr wesentlich und
sehr wichtig ist, habe ich bei einigen Parallelversuchen
einen Nährboden aus dunkler Bierwürze benutzt. Diese
Bierwürze wurde ebenfalls mit 5%/, Agar-Agar vermischt
Es erschien mir unnötig, weitere Versuche mit verschiedenen
Variationen des Nährsubstrates zu machen, da die auch
weiterhin sehr grolse Abweichung im Längenwachstum
meiner Pilzkulturen von denen Farcks die Abhängigkeit
des Längenwachtums vom Nährboden aufs klarste beweist.
Wenn FALck im Verlauf seiner Untersuchungen!) zu dem
Resultat kommt, dafs seine Wachstumsversuche auf einem
Substrat mit verschiedenen Nährstoffmengen „unzweideutig
die völlige Unabhängigkeit des Längenwachstums von dem
Einflufs der Ernährungsgrölse“ beweisen, so ist dagegen
doch mancherlei einzuwenden. Einmal zeigten meine Kultur-
versuche auf einem anderen Nährboden stets andere Wachs-
tumsgrölsen als FaLck erhielt; ferner beweist die Tatsache,
dafs das Farcksche Substrat, wenn es mit 1°/,, 10°%/, oder
20%, Nährstoffen beschiekt war, eine fast gleiche Wachs-
tumszunahme des hierzu untersuchten Pilzmycels zuliefs,
garnichts. Denn jeder Pilz kann nur die Nährstoffe verwerten,
die er tatsächlich aufnehmen kann. Alles, was über das
1) Vgl. Falck, S. 119.
44 KARL HOFFMARN, [10]
Optimum an Nährstoffgehalt hinausgeht, ist für ihn von
keiner ernährungsphysiologischen Bedeutung. Die Versuche
von FALcK beweisen nur, dafs ein Nährstoffgehalt von 200),
dem Wachstum des Pilzes in keiner Weise mehr förderlich
war, als einer von 1°/,. Demnach variierte tatsächlieh der
Gehalt an Nährstoffen nieht in „sehr weiten“, sondern in
relativengen Grenzen, und die FArxcschen Untersuchungen
lehren nur, dals ein Nährstoffgehalt eines Substrates über
das Optimum hinaus das Längenwachstum der Pilzmycelien
in merklicher Weise nieht beeinflulst. Dals dagegen Unter-
schiede im Längenwachstum auftreten, wenn Nährstoffmangel
vorhanden ist, bemerkt auch FArck.!).
Die zweite Möglichkeit, dals die individuelle Ab-
weichung meiner Pilze von denen FALcks eine so grolse
ist, wie aus dem Vergleich meiner Resultate mit denen FALCKs
hervorgeht, wurde in der Weise geprüft, dafs die Pilze, welche
im März und April auf ihr Längenwachstum hin bei 240
und 26° untersucht wurden, nochmals im Mai denselben
Bedingungen unterworfen wurden. Ich muls darauf hin-
weisen, dals es allerdings möglich ist, dals die Versehieden-
heiten, die sich hierbei herausstellen werden, auch auf die
verschiedene Bierwürze zurückgeführt werden können. Denn
eine Brauerei kann unmöglich zu verschiedenen Zeiten
absolut identische Bierwürze liefern. Doch kann diese
Rückführung nur zum Teil geschehen; denn gerade die Be-
obaehtungen des Längenwachstums von Merulius lacrymans
bei 26° weisen mit Nachdruck darauf hin, dafs durch Kultur
das Längenwachstum gesteigert werden kann. Auch wurde
eine Kultur von Merulius lacrymans, die im März und April
bei 24° beobachtet worden war, unter denselben Bedingungen
im Mai kultiviert. Die Bierwürze war die gleiche, der Pilz
war derselbe, und doch war im Mai ein wesentlich ge-
steigertes tägliches Längenwachstum zu bemerken. Die
Beobachtungen mögen der bequemeren Übersicht wegen in
Tabellen folgen.
1) Vgl. Falck, S. 119 und 120.
[11] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 45
t= U4,00C.
2.0 a2 38
edles Zeit des + ©5| 5 | Mitte-| Ab-
Wachstums | 5” |:538| 35 | wert | weichungen
mm mm mm |
A415. 1008 AZ I ..82'|,8,21| 4,10 + 7,95
Coniophora iz 10. 21,9 | 13,7 | 6,85 + 5,20
cerebella I 19.—21. 36,4 | 14,5 | 7,25 + 4,80
Zi 22. 53,9 | 175 | 8,75 + 3,30
23.—25. 14,8 | 20,9 | 10,45 + 1,60
25.—27. 100,2 | 25,4 |12,70 | — 0,65
27.29. [123,7 | 23,5 11,75 || 4995 | +0,30
29.—31. [151,9 | 28,2 | 14,10 x — 2,05
31.1IL—2.1V. | 175,4 | 23,5 | 11,75 | + 0,30
I ı 198,5 | 23,1 |11,55 | + 0,50
B. |15.11.—17.IIL| 89 | 89| 445 + 6,66
17.—19, 184 | 95 | 4,5 + 6,36
19821. 30,2 | 11,8 | 5,90 +5,21
ag, 41,8 | 11,6 | 5,80 +5,31
23.25. 57,8 | 16,0 | 8,00 +3,11
IH DR. 79,4 | 21,6 |10,80 +0,31
27.—29. 101,0 | 21,6 10,80 | +0,31
29—31.; |125,3 | 24,3 [12,15 |\11,11 | — 1,04
31.IIL—2.IV. 145,4 | 20,1 | 10,05 — 1,06
27 168,9 | 23,5 | 11,75 | — 0,64
A. [21.I.—23.I1. 91) 91| 4,55 + 7,04
Coniophora 23.25. 27,2 | 818,1 9,06 + 2,54
cerebelalI| 25.—27. 50,1 | 22,9 | 11,45 +0,14
27-290 10729) 8238) 111,40 +0,11
9 | 9 ne] 016
31.IIL—2.1V.|119,9 | 23,5 | 11,75 | — 0,16
| |
B. | 15.1IL.—17.0L| 12,0 | 12,0 | 6,00.) +5,71
17.—19. 28,2 | 16,1 | 8,05 | + 3,66
19.—21. 46,2 | 18,0 | 9,00 | +2,71
21.—23. 67,1 | 20,9 110,45 | + 1,26
23.—25. 90,6 | 23,5 | 11,75 — 0,04
25.—27. [114,1 | 23,5 | 11,75 hu | 908
299% 138,2 12241 | 12,05 ’ — 0,34
29.31. 163,1 | 24,9 1245| — 0,74
31.II.—2.IV.|186,8 | 23,7 | 11,85 | — 14
46 KARL HOFFMANN, [12]
Ib 2 ul oe al ee
| oo nn
Spezies | „Zeit des | 52 55 ©5 Mittel) Ab-
Wachstums 5” | 558, F 35 | wert | weichungen
mm | mm | mm |
|
A. |25.1I1.—27.IL| 10,6 | 10,6 | 5,40 +0,21
Polyporus 27-29. | 22,4 | 11,8 | 5,90 | 1,29
destructor 29.—31. 34,9 | 12,5 | 6,25 — 0,64
31.2, —2.1V.| As) 780 | An) 2” +1,16
DL | 57,2 | 13,4 | 6,70 Wh — 1,09
a6. | 6 99495 + 0,66
GES ATT SI" 10.7 105135 + 0,26
8.—10. | 898 | 123,0 | 6,00 — 0,39
Eu. 2006| det
Ar, 19.10 21T U 12:60 950567121530 + 0,04
Polyporus 2 23.0 eb, 28 ||, 1 + 0,04
vulgaris 23.—25. 8,1 290188149 — 0,11
2»: 1,9| 38 | 1,90 — 0,56
27.-29. 148 | 23,9 | 1,45 —ınh
29 ale 738205. 125 N 1,34 + 0,09
31.1, 22V. 98) 055 | »1;252) | +0,09
2.0408 | 999.2 ED | 1:26 +0,14
4.—6. 244 | 2322| 1,10| + 0,24
os 26,9 25 | 1,3 | + 0,09
8 10: 2395| 36 | 1,36 | + 0,04 |
E ilenbeuineui |
| | |
As 1631. 201.222: 19.1 816,8) 11.6,50)| 630 —:0,97
Polyporus 2.—4. I Ki,51 21975) 2538 | + 0,05
. serialis AB: 144 | 2,90 1,45 |.2,43 + 0,98
6.—8..' | 19,6 | 5,20 | 2,60 —0,17
8—10. | 24,3 | 4,70 | 2,35 | + 0,08
| |
Ar | 23.17-25.01. 0.541 | 01541 10255 + 0,27
Paxillus 2.27. |103 | 52 | 2,60 || +0,%
acherun- 27.29 0161 5,8 | 2,90 | — 0,08
tius 39 51.08 29 || 1,518. 72,88 — 0,08
31.118 22V. 8271 || 4,52) 2/68 (30 40,38
DE 2 323 || 1.151231 S2i6H +0,22
16 8555| 2] +0,07
6.8.0142 | 64 | 3,20 | — 0,38
8.—10.1?)| 75037 || #165 |.V925-) | —043
[13]
h Zeit des
re Wachstums
B. | 23.1I.— 25.111.
Paxillus 25.—27.
acherun- 27.—29.
tius 29.—31.
31.01 21V.
2.—4.
4.—6.
6.—8.
8.—10.
| 8 Längen-
zuwachs
|| B
Waehstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze.
| wert
|
|
|
1,70 12,00
2,45 | |
220.
2,55
2,60
47
Ab-
weichungen
— 0,55
— 0,60
Nach bereits mitgeteilten Beobachtungen war das täg-
liehe Längenwachstum für Merulius lacrymans bei 24,0% —
1,93 mm, für Merulius silvester = 3,21 mm.
Es mögen jetzt die Kulturversuche bei ? = 26,0° folgen.
' lım| un |
E21 283/238.
Spezies Zeit des EN: | &0 = Mittel- ‚Ab-
Wachstums 5” SS | F 5 wert | weichungen
mm | mm mm |
| | |
A. |19.1IL.—21. III. 19,4 | 19,4 | 9,70 + 5,60
Coniophora 21.—23. 40,7 | 21,3 | 10,65 + 4,65
cerebella I 23:25. |. 73,4 | 22,7 |11,35 | | +3,95
(Röhre — 25.—27. |104,6 |: 31,2.) 15,60 \ — 0,30
39 cm) 27.—29. 134,6 31,0 15,50 | 15,30 | — 0,20
29.31. [164,2 |_29,6 |14,80 | + 0,50
B.i-34.1IL 31V. |Pr’8,a, [ö.%8,a | 4,30 + 2,42
(Reagenz- 2.—4. 18,1 9,7 | 4,85 | +1,57
glas!) 4.—6. 31,2 | 13,1.| 6,56 | tie:
6.—8. 44,3 | 13,1 | 6,55 1622 IN
a 108 56,6 12,3 | 6,15 | + 0,27
| |
A. | 29. 1I7.—31.111.| 17,4 | 17,4 | 8,70 + 1,50
Coniphora 31.1IL.—2.1V.| 37,0 | 19,6 | 9,80 + 0,40
cerebella II 2.—4; 58,2 21,2 10,60 020 — 0,40
4.—6. | 78,6 | 20,4 |10,20 | + 0,00
48 KARL HoFFMARN, [14]
Farraeı
Zei E: S a8 Paar.
Spezies eit des Eee & = | Mittel- ‚Ab-
Wachstums | ST|ISS|IFA3&| wert | weichungen
mm | mm |‘ mm |
|
B. |29.IIL.— 31.1.) 12,0 | 12,0 6,00 | + 1,50
Coniophora | 31.1IL—2.IV., 26,1 | 14,1 | 7,05 | + 0,45
cerebella II 2. | 412| 151| 755 ||,,, | 005
(Reagenz- 4.—6. | 256,6. | 715,4 27,70 | i — 0,20
glas!) Bert || ar A 030
A. | 25.111. — 27.111. 10,8 | 10,8 | 5,40 | 5123
Polyporus 27.—29. 21,3 | 10,5 | 5,25 | + 1,38
destructor 29.31. | 33,2 | 119 | 5,95 | + 0,68
31.1IL—2.1V.| 46,3 | 12,9 | 6,45 | + 0,18
IR 618 | 155) 75 (Te
4.—6. 76,7 | 14,9 | 7,45 082
6.—8. 9,9 | 14,2 | 710 | — 0,47
8.—10. |106,1 | 15,2 | 7,60 098
B. [25..—27.IIL) 11,3 | 11,3 | 5,65 | + 0,05
(Reagenz- 27.—29. 22,1, | 11,4) 55,70 I +.0,00
glas!) 29.—31. | 34,0 | 11,3 | 5,65 || © +0,05
31.11.—3.1V.| 745,6) 11,67\75:80 — 0,05
A: | 31.0797. #271 228102054 Bf
Polyporus 2 —. 7,9 3,8 | 1,90 | + 0,56
serialis 4.—6. 1152 3,3 | 1,65 | 2,46 + 0,81
6.81 19,0 | 78 | 3,90 | — 1,44
8.—10. 24,6 | 5,6 | 2,80 — 0,34
B. | 31.11. 1V. | 97] 7 urMR5 —_
N 68 | 31| 1,55 — 0,02
u} 10,8 | 4,0 | 2,00 \1,53 | —0,47
Be 1231| 13 | 0,65 +0,88
810.1 5,3.) 2) No | —0,07
A a7 To. Po ea 05 + 0,00
Polyporus 19.—21. 3,9 1,8 | 0,90 | — 0,05
vulgaris 21.—23. 5,0 1,5 | 0,75 | + 0,05
23.—25. 6,7 |:.1,7 | 0,85.| + 0,00
2520. 8,3 | 1,6 | 0,80 + 0,05
a9. 10,0 | 1,7 | 085 |\ 95 + 0,00
2,3. 11,8:| > 1,8/[0,90 | ° — 0,05
31: 111.22 4V. 113,5 | 71,72 100;85 + 0,00
2m 15,2 | 69,7 0,85 + 0,00
4.—6. 169 | 1,7 | 0,8 | + 0,00
6.—8. 18,6 1,7 | 0,85 + 0,00
8.—10. 2035| 1,7 | 0,8 | + 0,00
[15] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstürenden Pilze. 49
' ’ n mn
h 8: ee 8 8273 RATE
AR, Zeit des S5a| 25 | »® | Mittel- Ab-
Spezies ı2s|38E|88| | 110;
Wachstums 5” 5353| 3| wert | weichungen
mm mm | mm |
Rem ar tt 20 +0,39
Paxillus 19.21. 821 41 | %05'|] 1 +089
acherun- 21.—23. | 1233| 41 | 2086| + 0,39
tius 23:—25. | 16,5 | 42 | 2,10.) | +0,34
ar BR 2 3,10 | —.0,66
2,9. 299 | 72 | 3,60 | 1 —4.16
29031. 1342 | 043 | 2,15. 102% | +0,99
3L.IIL IV. 3681| 39 | 1,95 | + 0,49
2.—h. 43,2 Du] | 2,55 — 0,11
4.—6. 484, 5,2 | 2,60 = 0:16
6.8. 53,5 | 5,1 | 2,55 | a 01
82108 386 | 51 | 2,507 I 0
Zu meinem Bedauern mulste ich mich bei einigen
Kulturen mit einer einzigen Röhre begnügen, da mein Vorrat
an Kulturgläsern ziemlich beschränkt war. Die Versuche
zeigen aber sämtlich mit Ausnahme des Polyporus serialis
bei 26° eine gute Übereinstimmung, wenn man die Wachs-
tumszunahme für je zwei Tage bei jeder Röhre unter sich
vergleicht. Falls die Längenzunahme zunächst zu sehr von
dem später erreichten konstanten Wert abwich, so wurden
nur die letzten Beobachtungen dazu benutzt, um einen
mittleren Durchsehnittswert zu berechnen.
Bei Coniophora cerebella I und II und Polyporus de-
structor benutzte ich aulser den grofsen Röhren von 29 em
Länge auch gewöhnliche Reagenzgläser, die mit 10 cem
Bierwürze-Agar beschiekt waren. Es ist auffällig, dals
das Wachstum in den kleinen Röhren bei weitem geringer
war als in den grolsen Gläsern, obwohl derselbe Nährboden
genommen wurde. Diese Erscheinung wurde gerade bei
Ooniophora cerebella in späterer Zeit nochmals geprüft.
Hingegen wuchs Polyporus destructor annähernd gleich
schnell in den verschiedenen Röhren.
Es mögen jetzt die Beobachtungen der Wachstums-
verhältnisse bei denselben Pilzen bei 24% und 26° im Monat
Mai folgen. Zuvor sei bemerkt, dals die Pilze in der
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.82. 1910. 4
50 Kart, IorrMmAnN, [16]
Zwischenzeit auf meinem gewöhnlichen Nährboden in Petri-
schalen bei Zimmertemperatur kultiviert wurden. Hierbei
fiel schon auf, dafs die Petrischalen allmählich immer
schneller bewuchsen. Da dies Verhalten aber auch an der
erhöhten Temperatur liegen konnte, war es unerläfslich,
die untersuchten Pilze nach einer gewissen Zeit unter den-
selben Bedingungen zu kultivieren.
t= 240°.
' un n |
E80 el ae
er Zeit des as 2E| ®e Mittel Ab-
pezies :8|.8 E
Wachstuns 5” | ,53S8,#3| wert | weichungen
mm | mm | mm
A. | 30.IV—3.Y. |; 9,2 |, 92 3,07 — 0,96
Merulius 3.—6. 19,2 | 10,0 | 3,33 07,
lacrıymans 6.—8. I A De | — 0,24
il) 3550| 11| 055 |. + 1456
Geimpft 10.10, 26,8 | 1,8 | 0,90 | ok He 1,21
2y, 12-2 994, 20m 130 +0,81
14.—16. | 34,0 4,6 | 2,30 | — 0,19
16.—18. 38,7| 47| 2,35 | — 0,24
18.20. 4330| 43 | 215 | — 0,04
20.—22, 46,4 | 3,4 | 1,70 +0,41
B. | 30.1IV.—3.V. 12,0 | 120 | 4,00 | — 1,89
Geimpft 3.—6. 23,0 | 11,0 | 3,67 | — 1,56
31.Iy, ge 2359| 29| 1,45 + 0,66
8.—10. To IT| 0,85 + 1,26
10.9: 2 1 + 0,96
121. 1342| 43 | 2,15 (ll | 0,04
14.—16. 33,8. 4,6 | 2,30 — 0,29
16.—18. 43,1.| 4,3 |. 2,15 — 0,04
18.— 20. 40| 09| 0,45 | + 1,66
20. 22. 464) 24 | 1,20] + 0,91
@2|,30y 22382 4,6 4,6 | 1,53 | + 1,31
Geimpft 3.—6. 19,2 | 14,6 | 4,87 — 2,03
22. 11. | ı 011
BE. 281| 3,01 1,50 | + 1,34
10-—12:430)4 | 128 + 1,69
12.14. 362 | .58| 290. 1(2% | 0,06
14.16, , | 40,5 | 74,3. 10:26, + 0,69
16.180 1278 | a 3 — 081
16720. 559 | 81 | 4,05 a
20. 0624| 6,5 | 3,235 — 0,41
[17| Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. Sl
N, ee a
Be Zeit des 52 ®® &® Mitte- Ab-
pezies les|a5 | & I at
Wachstums |5 "| 8 | 3 | wert | weichungen
'ı mm mm mm |
| | | |
D.| avtam |au2 | ana do | +0,38
Merulius ee ei ah 1,05 07
lacrymans 8.—10. 6,011, | 1,16 MT
101% 93| 33 | 1,65 — 0,67
Dunkle 1212 | 1186| 83 | 1,15 os | —oo7
Bier- 14.—16. 134 |° 1,8 | 0,90 + 0,08
WUTZE 16.—18. 142 0,8, 0,40 + 0,58
Geimpft 18-20. 159 17| 0,8 + 0,13
29. IV. 20.—22. 7 | 0.90 | +0,08
A. | 30.1V.—3.V. 12,0 | 13,0 | 4,00 | + 0,31
Merulius 3.—$. 24,8 | 12,8 | 4,27 + 0,04
silvester BE8. 3314| 86 | 4,30 | + 0,01
8.10. 41,0 | 7,6 | 3,80 — 0,49
Geimpft 10.19. 492 | 82 | 4,10 || | +021
41.1V. 121 14 ler az | ass el | 0,04
14.—16. 67,1| 92 | 4,60 — 0,29
16.18. | 771 | 10,0 | 5,00 — 0,69
18.— 20. 8348| 7727| 3,85 | + 0,46
90 3, 94,9 | 10,1 5,05 — 0,74
| |
A. | 30.1V.-3.v.| ‘35,2 | 25,2 | 8,40 + 0,04
Polyporus 3-6 49,8 | 24,6 | 8,20 + 0,24
destructor 6.—8. 69,1 19,3 9,65 || | — 1,21
8 1. 86,0 | 16,9 | 8,45 sa | — 0,01
Geimpft ine 12% 109,1 Aufı)) 8,53 18° BE
21.IV. 12514 111,7 \’ı66 | 8,30 |! + 0,14
14.—16. |136,4 | 16,7 | 8,35 | + 0,09
16.—18. [151,9 | 155 | 7,75 | + 0,69
Bu AV -eov 1957| 1577,85 \ + 0,35
Geimpft 6.—8. 34,0 | 183 | 9,15 1'820 | —0,9
29. IV. 8-10: 49,2 | 15,2 | 7,60 J + 0,60
| .e san | m
A.| KV.—6.V. 39|0389| 1,95 | + 0,36
Polyporus 6.—8. | 9,8 5,9 | 2,95 — 0,64
vulgaris sl a1 | a3 | 215051 | 00,16
Geimpft 104 28 1820 i,aı | 2/08 + 0.26
29. IV. 12: 18, 23,1| 49 | 245 Ey.)
BD KARL HoFrMAnN, [18]
Mittel- Ab-
Spezies ?
wert | weichungen
zuwachs
Tages-
zuwachs
h '8
Zeit ds |5
Wachstums 5
A. | 30.1V.—3.9.|2,98 | 9,8 | 397
+ 0,03
Polyporus 3.—6 19,8 | 10,0 | 3,33 — 0,03
serialis 6—8. 2171| 73 | 3,65 ! 50,85
Br 10. 334 | 6,3 | 3,15 | +0,15
Geimpft 10.—12. 8391| 5,7, 285 yo, | +0,45
21. IV. 12.14. Aa, | 1557 | 2,8610 || 1045
14.—16 51,8 | 65 | 3,25 | + 0,05
16.—18. 58,7 | ra | 3,70- | —0,40
18.20. 65,1 | 6,4 | 3,20 + 0,10
20 m. 25) 274 370 | — 0,40
B. | 30.IV.—3:Y. | 11832 | 482 | 6,07 — 2,80
Geimpft 3.—6. 271:5)203 | 3:40) | +0,17
91, 2V. 6.—8. 33,8 |:ı63 | 3,15 +0,12
| 87 10. 399 | 6,1 | 3,05 | +0,32
102 12. 46,6 6,7 | 3,35 Mt:
12.14: |:528|.62| 310 (27 | 0%
il 60,2 | ı 74 | 3,70 — 0,43
16.—18. 67,1|.69| 3,45 I 08
18.— 20. 72,3 |.252| 2,65 +0,62
02} 80,4 | 81 | 4,05 | 0,78
A. 30: DV.- sv | 1082 | 210:2 78173 — 0,96
Paxillus 3.—6. 18,0 | 7,8 | 2,60 | + 0,17
acherun- 6.—8. 26,2 82 4,10 | — 1,33
tius 8.—10. 30,9 | 4,7 | 2,35 + 0,42
10.12. 361 1.552) 360. la -Fione
Geimpft 12-14.“ | 412 | r551 | 2,55. (ZT I a
22. III. 14. 16.2 | 46,3 | 541 | 2355 | +0,22
16. 18. 522 59 2,9 || 0418
18.—20. 56,8 | 4,6 | 2,30 | + 0,47
20.203 61,0 | 42| 2,10 + 0,67
| |
Ba Ay 6,0 6,0 | 3,00 I 08
Dunkle 6:8, , | .11,8 |. 5,3 | 268 +0,22
Bier- 8.—10. 170| 5,7 | 23,85 + 0,02
würze To 2921 5,1 | 2,55 | +0,32
12.4. 28,0 | 5,9 | 295 1287 | 0,08
Geimpft 14.—16.: | 33,9 | 5,9 | 2,95 — 0,08
29. IV. 16.— 18. 40,7 | 6,8 | 3,40 0,53
18230, 46,1 | 54 | 2,70 + 0,17
20.222.8 | 5,6 | 1.5 | 9 | +0,12
[19] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 39
= Pe
Zeit des | 3 ® ©3| &8 |miktel-| Ab-
Spezies au mes james | de MeRe 9
Wachstums | ST I SS FR | wert | weichungen
mm | mm | mm
6.| LV-&Y. 115,8 015,8 | 290 | | (0,14
Paxillus Eh. 1,7 o.ı9,9 | 2,85 — 0,19
acherun- 8.—10. 16,3 4,6 | 2,30 | + 0,46
tius 0 021,2 uts1 | 255-| |
Dunkle 1% iA; 97,4 \n.46,0: | 300. [82,76 || #084
Bier- 14.16. | 328 | 5,4 | 2,70 | +0,06
würze 16—18: |-38,8 |: 6,0 | 3,00 | | 2094
Geimpft tae=20:- — 444,9) 78,9-1- 4,95 0
29. IV. 20.22. | 496 | 49 | 2,45 | +0,31
t = 26,0°.
A. | 30.1V.—5.V.| 18,1 | 18,1 | 3,62 | . uptgs
Merulius 5.—1T. 26,2 8.10242052| \ — 1,39
lacrymans 7-9. | 33,0| 68 | 3,40 — 0,76
in and AT 2 + 0,31
Geimpft 11.13. 40,4 | 2,7 | 1,35 112,66 | + 1,31
21.1V. 13.—15. 43,0. | 2,6 | 1,30 | | EEE 1,36
1 47,1 |1 4,1 | 3,05) | +0,61
17-19) \6,50,8: 108,7. | 1,85..| | +0,81
192. 559 5,1| 255 | | +0,
Bl 30.1Y.—5.V.|. 187 | 187 | 3,74 | un
Geimpft 5.—7. 24,8 6,1 | 3,05 | — 0,03
a lV: 29, 32,9 | 81 | 4,05 | | —1,08
9—11. | 4226| 97| 4,85 u
1K—13! 19:51,8 |7,°9,2 |- 4,60-)% 3,02 —
13.16: 555,2 93,2 | 1360 + 1,42
15—17. | 570 | 1,8 | 0,90 +2,12
in 08 1597 WR | 13 7467
19,21. 63,4 |.2,7 | 185 | + 1,67
|
€. | 30.1V.-5.V.| 16,2 | 162 | 3,21 | — 0,84
Geimpft 5 24,3 8,1 | 4,05 — 1,65
21.IV. N, 31,0 | 6,7 | 3,35 — 0,95
gi: 36,4. | 15,4 | 2,70 — 0,30
11.18: 379| 15 | 0,75 4240 | +1,65
13,—15: 3838| 09| 0,85 + 1,95
in—1: 42,0 | 32 | 1,60 + 0,80
IT 462 | 42 | 2,10 +0,30
19.— 21. 50,5 nn3 | 2715- +0,25
54 KARL, HOFFMANN, [20]
8: sol , wm
RE SS en
Spezies ,eit des 2.5 sEe|l=eE Mittel- | ‚Ab-
Wachstums | 5” IS 5 | wert | weichungen
| mm | mm mm | |
D. | 7.ve 08 4,0 | 40 | 2,00 — 0,35
Merulius 9.—11 11,9 290 83:95 — 2,30
laerymans 11.—13 | 16,2 4,3 | 215 | — 0,50
Dunkle 13.—15 17,9 1,7 | 0,85 |21,65 + 0,80
Bierwürze nl 19,0 | 1 | 056 | +1,10
Geimpft 17.—19. 203 | 13| 0,65 + 1,00
29.1IV. 19 3. 23,1 14,8 | 1,804) +0,35
A. | 30.1v.-5.v. | 16,3 16,3 | 3,26 | | +0,46
Merulius = 21,4 | 5,1 | 2,55 | I Sr
silvester 7—)9. 25,0 6,6. 3,30 | | +0,42
li 36,0 | 80 | 4,00 | 10,28
Geimpft 1143. 44,1 | 8,1 | 4,05 113,72 | —-0,33
ZU ANY 13.—15 5335| 94| 4,70 5
Bin 60,6 | 71 | 3,55 | 1 SE
17.—19 69,3 | 8,7 | 4,35 | — 0,63 |
19 —21 7181| 88 | 4,40 — 0,68 |
B.| 5.V.-%V. |1,4,2.0042 | 2710 +3,31 |
Dunkle 7.—9 511,4 197,2 | 3604| + 1,81 |
Bier- 9.—I1 20,9 95 | 4,75 + 0,66 |
würze 18 31,2 | 103 | 5,15 ||. + 0,26 |
13:15. | 226 | 11,4 | 870 (51 2
seimpft 15.17. | 53,9 | 103) 5,657] — 0,24
29. IV. 17, 19 64,0 | 10,1 | 5,08 | + 0,36
19.—21 76,3 | 12,3 | 6,15 — 0,74
| vv. esse Anl | +0,58
Dunkle ne 8. 82 | 4,4 | 2,20 | + 0,28
Würze 13% 15, 13.9 ,5,7.| >:B5%| 2 lan
15.—17 190 | 5,1| 255.119 | 0,07
Geimpft 1-19. | 23,6 | 4,6 | 2,50 +0,18
29. IV. 1 286 5,0 | 2,50 — 0,02
A.| 5.v—.v. | 1221| 122 | 6,10 | +33
Polyporus ) 27,4 | 15,2 | 7,60 l | 4081
destructor 9-11. 1423) 14,9 | 7,45 | +0,96
14.13 58,9 | 16,6 | 8,30 |ı | +0,11
Geimpft 13-154 lasm,s |wiedı ans + I 2
21.1V. 15.—17. | 9,0 | 172 | 8,60 | | —0,19
17.—19 111,1 | 16,1 | 8,05 | + 0,36
19,—21 129,9 | 18,8 | 9,40 J — 0,99
[21] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze.
A & un 1 n|
7 1 | E &n IE 85 "Mi | Ab
Spezies Zeit des | 25 sE| SE ittel- ‚Ab-
Wachstums 5” SS| FM 38 wert | weichungen
‚ mm | mm mm
B. | 5. V.—7.V 12,0 | 12,0 | 6,00 | + 2,35
Polyporus 1.9. 28,1 | 16,1 | 8,05 | + 0,30
destructor 9,—11. 43,7 | 15,6 | 7,80 | + 0,55
1 18, 60,7 170 | 850 || ,„,. | —915
Geimpft 13.—15. | 79,0 18,4 | 9,20 IS — 0,85
DIIV. ln. 98,3 |, 19,2 | 9,60 | —
17.—19. 1154 ut | 8580 — 0,20
19.—21. 128,9 IE J + 1,60
A.| 5.V.—7.V 19| 19| 0,9 + 1,08
Polyporus 7.9. 5,2 3,3 | 1,65 | + 0,38
vulgaris 9I.—11. 941.42 | 2310 || 007
196 13: 1413| 49 | 2,45 || 02
Geimpft 13 —15 180| 3,7 | 1,85 aaE + 0,18
21.1V. 156 17, 22,0 | 40 | 2,00 |j + 0,03
(19. 26,110°8.11 2705 — 0,02
19.—21 30,38 | 42 | 2,10 — 0,07
Bw VER} 3,2: 0812| 13605, + 0,53
Geimpft 7a 72| 40| 2,00 | +0,13
21.IV. IM. 1230| 48, 2,40 | — 0,27
{1 18; 15,6 | 3,6 | 1,80 los | +33
13.—15 20,2 | 4,6 | 2,30 | 7
19 MM. 243| 41 | 2,05 | + 0,08
17.19, 28,9 | 4,6 | 2,30 | lt
19.—21. 330 | 4,1 2,05 + 0,08
| |
Ar | |
A. | 30.IV.—5.V. | 11,4 | 11,4 | 2,28 | A108
Polyporus 5.—7. | 204| 90| 4,50| — 0,94
serialis To 2a: a; 4:70, — 114
9.—11 3382| 84| 420 | — 0,64
Geimpft nei 42,0 | 11,8 | 5,99 |\356 | — 2,34
21.IV. 13.—15. 41,0 | 50) 2,50 | + 1,06
15.—17. | 53,8 | 6,8 | 3,40 +0,16
19, 592 | 5,4 | 2,70 + 0,86
19,—21 66,3| 71 | 3,55 + 0,01
56 Karı HoFFMARN, [22]
D ı m „a
Spezies Zeit des | Eu ge ® = Mittel- ‚Ab-
Wachstums |57"° | IS | 3 | wert | weichungen
mm mm , mm
| |
B. | 30. 1V.-8.v. |eatla ot, | Xas- I 1,97
Polyporus 5.— 7. | 22,8 | 11,4 | 5,70 — 2,15
serialis 7.—9. ı 26,4 | 3,6 | 1,80 +1,75
gar An) 25 | + 1,00
Geimpft 11.13. [140,3 | 8,8 | 440 ||... | —085
DAR. 13.—15. 47,2 6,9 | 345 |( + 0,10
15 108 1159.00 Bes 3460 | —035
1719: 60,2 | 5,2 | 2,60 | | +0,95
1921. | 661 | 5,9 | 2,95 | | + 0,60
|
I N re WR 51 |. 51 | 23,55 ) +0,17
Paxillus 79-4 700:9| 7400| Wräne) + 0,27
acherun- 9 IE 15,3 | 5,4 | 3,70 | + 0,02
tius 11.—13. 21,1 | 5,8 | 2,90 | 972 — 0,18
13.—15 27,0 5,9 | 2,95 i 0,3
Geimpft 156 17. 33,0 | 6,0 | 3,00 | | 098
ZU. RVE 7 19. 38,0 5,0. 2,50 ] + 0,22
19.21. 4235| 5,5 | 2,75 | 0,03
B.i 5. vH 65 | 65 | 335 | | 20,31
Geimpft 1.9. 121 5,6 | 2,80 | + 0,14
21.1V. 9-11. | 185 | 6,4 | 3,20 | — 0,26
0184 824,0 |Mis5'| zus, | ee
13.—15 30,0 | 60 | 300 [7 | —0,06
15:49 7 5028| + 0,09
17.—19 a4 | 57 | 2,85 || + 0,09
19.—21 47,1 5,7 | 2,85 | +0,09
|
A. | 30.IV.—5.V. | 53,3 | 53,3 |10,66 | + 0,54
Coniophora 5.—17. | 74,6 | 21,3 |10,65 | ß + 0,55
cerebella I 79. 100,5 | 259 |12,5 [11.201 A
G. 21.1V. gr 11t 111982, | 70272 11955 | — 0,15
| |
B. | 5:01.78. |?17,9 |UR9:\ 885 +70
Dunkle 1.—9. 47,6 | 19,7 14,85 Ya
Bierwürze 9.—11. 80,0 | 32,4 | 16,20 | F — 0,24
Geimpft 11182 nis, E83 1685 ee
29. 1V. 13.15. |145,6 | 323,5 | 16,25 | — 0,29
[23] _ Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 97
Ü ı a a2 |
R 283834
Spezies Zeit des | aRıSE 25 Mittel- ‚Ab-
Wachstums | & ER = | wert | weichungen
ı mm mm | mm
A. | 30.IV.—5.V. | 50,8 | 50,8 | 10,27 rd
Coniophora 5.—T. ı 70,1 | 19,3 | 9,65 | + 2,37
cerebella Il 1.9. 193,2) 23,1 | 11,55 | | +0,47
Geimpft 9—11. .|118,3 | 25,1 12,55 1112,02 | — 0,53
21.IV. 11.—13. 142,2 23,9 | 11,95 | + 0,07
B.| 5.v-7.V. | 9,6.) -9,6| 4,80 | +9,98
Dunkle 78. .|.27,4 | 17,8. | 8,90 | +5,82
Bier- NET 50,8 | 23,4 |11,70 | + 3,02
würze 11.—13. 17,1 26,3 13,15 | + 1,57
Geimpft 13.15. 'P106,8°|° 29,7 | 14,85 \ 013
239. IV. 15.—17. [136,0 | 29,2 [14,60 1114,72 | +0,12
17.—19. 165,6 | 29,4 | 14,70 | | +0,02
4. Abweichungen von den Resultaten Falcks.
Aus diesen hier mitgeteilten Beobachtungen und Be-
reehnungen geht ein mehrfaches hervor. Auch für diese
Versuche stimmt das Längenwachstum meiner Pilzkulturen
nicht mit den Berechnungen von FaArck!) überein. Im
allgemeinen konstatierte ich allerdings auch eine sehr grolse
Regelmäflsigheit im Vordringen der Mycelien; aber es sind
auch einige wesentliche Ausnahmen zu berücksichtigen, die
später ihre Besprechung finden sollen. Nach den Kurven
von FALck?) hat Merulius laerymans bei 24° resp. 26° C.
ein Längenwachstum von 3,2 resp. 0,0 mm. Meine Be-
obaehtungen ergaben bei 24° an zwei Kulturröhren über-
einstimmend 2,11 mm, eine andere Kultur zeigte 2,84 mm,
eine vierte nur 0,98 mm. Noch auffallender ist die Ab-
weiehung meiner Resultate bei 26,0%. Merulius lacrymans
zeigte hier ein kräftiges Wachstum; das Mycel war sogar
recht dieht gewachsen, dichter als bei 24,0%. Wenn wir die
bereehneten Durchsehnittswerte betrachten, so erhalten wir
1) Vgl. Falck, S. 86 und 92.
2) Ebenda S. 92.
58 Karı HOFFMANN, [24]
immerhin eine recht ansehnliche tägliche Wachstumszunahme.
Der Durchschnitt aus den drei Kulturen auf heller Bier-
würze ist täglich 2,69 mm, auf dunkeler Würze dagegen nur
1,65 mm.!) Hiermit ist gleiehzeitig der experimentelle Nach-
weis erbracht, dafs es möglich ist, dureh Kultur den Pilz
an höhere Temperaturen zu gewöhnen, als er beim Beginn
der Untersuchungen vertragen konnte. Merkwürdig ist ferner,
dals der Pilz auf dunkler Bierwürze bei 24° und 26° so
bedeutend schlechter wuchs. Da dem Myeel ein derartiges
Nährmaterial vorher nieht geboten war, scheint dies Verhalten
darauf hinzuweisen, dals sich jedes Mycel erst an einen
bestimmten Nährboden gewöhnen muls.
Vergleichen wir fernerhin die von FALck für Merulius
silvester?) berechneten Wachstumsgröfsen bei 24° und 26°
mit meinen Resultaten. Er findet für 240:6,2 mm, für
26°:6,64 mm, während meine Pilzkulturen — hierfür ist
aus allen Beobachtungen der mittlere Wert genommen —
4,31 mm und 3,37 mm täglich wuchsen. Schon aus diesen
vergleichenden Betrachtungen geht aufs klarste hervor, dals
die Fatcksche?) Ansicht von der Konstanz der Wachstums-
grölsen ohne Berücksichtigung der Ernährungsgröfse des
dargebotenen Kultursubstrates nieht riehtig sein kann.
Wir wollen jetzt die Wachstumsverhältnisse der an-
geführten Pilze bei 24° und 26% im März und April mit
denen im Mai vergleichen. Hierbei möchte ich bemerken,
dals die von mir benutzten Thermostaten täglich sechs- bis
achtmal kontrolliert wurden und dafs die Temperatur-
schwankungen im Maximum 0,6% betrugen. Die äulseren
Bedingungen waren also für die Pilzkulturen zu den ver-
schiedenen Zeiten dieselben; etwaige Abweichungen müssen
auf andere Ursachen zurückgeführt werden.
Dafs Merulius lacrymans nach wochenlanger Kultur bei
26° ein anderes Wachstum zeigte wie vorher, war schon
besprochen. Besonders möchte ich auf eine Kultur hinweisen,
die vom 27. IIIL.—10. IV ein tägliches Wachstum von 1,93 mm
ı) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S. 60 und 61.
2), Vgl. Falck, S. 86.
») Ebenda S. 119 und 120.
[25] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 50
bei 24° zeigte. Dieselbe Kulturröhre, die in der Zwischen-
zeit in Zimmertemperatur gehalten war, zeigte im Mai ein täg-
liehes Durehsehnittswachstum von 2,34 mm. Obwohl in
dieser Zeit der Feuchtigkeitsgehalt der Luft in der Kultur-
röbre ein geringerer wurde, wuchs der Pilz nach wochen-
langer Gewöhnung an das eine Substrat unter denselben
äulseren Bedingungen bedeutend besser.
Diese auffallenden Verhältnisse — das bessere Wachs-
tum nach wochenlanger Kultur auf gleichem Nährboden —,
die auch bei den anderen untersuchten holzzerstörenden
Pilzen beobachtet werden konnten, mögen der besseren
Übersicht wegen in einer Tabelle zusammengestellt werden;
hierbei soll das Waehstum in den einzelnen Röhren auch
besonders aufgeführt werden; Mittelwerte aus einzelnen
Beobachtungen wurden nicht berechnet. In der letzten
Kolonne dieser Tabelle seien die Abweichungen angeführt;
wenn es im Mai besser als im März bis April war, so wurde
die Differenz mit +, im anderen Falle mit — bezeichnet.
=
3 | | Tigliches Wachstum im
Der
= B
Spezies = | März —Apri Mai ı Abweichungen
8 mm | mm mm
Merulius KR e 211 211 -+018 +0,18
lacrymans 19 | 284 098 | +o91 —0,8
ser ar OB ao 300
| ) 240 1655| +240 +1,65
Merulius 240 | 3,21 4,31 + 1,10
silvester |
MANOR 3,72 +2,31 + 3,316
26° 0,404 541 | -+400 + 5,006
— 2,48 or Te
Polyporus 240 | 5,61 Er PER al
destructor |
6,63 8,41 N
En 5,70 8,35 la 272706,
60 KARL HOFFMANN, [26]
Z | Tägliches Wachstum im
En | | :
Spezies = März— April | Mai | Abweichungen
5 | mm | mm | mm
Polyporus PER EEE ae | + 0,97
vulgaris |
26° 0,85 2,038. ., 215. Sr
Polyporus 24° | ..2,43...| 3,30..3,27 |... 0,87 7-2.0,84
serialis |
s 2,46 3,56 +1,10 +2,03
” 1,53 3,55 +1,09 +2,02
Coniophora | go | 1530 | 1120 1 —410 +4,78
cerebella 1 6,42 | 15,96 +0,66 + 9,54
RE BEE Ra EEE.
Coniophora 960, 10,20 12,02 | +182 + 452
cerebella II 7,50 14,72 | +452 +7,22
Paxillus 2,82 2,77 —0,05- 07
acheruntius | 24° 2,00 | 2,87 +0,05 + 0,87
ix 2,76 —0,06 +0,76
2,72 +0,28
260 2,44 2.94 +0,50
Wenn wir diese Gegenüberstellungen in der Tabelle
betrachten, so fällt sofort auf, dals die Verschiedenheiten
im Wachstum der Pilzmycelien zu verschiedenen Zeiten
ganz beträchtliche sind. Im allgemeinen hat das Wachstum
zugenommen und nur bei einer verschwindend kleinen An-
zahl hat es sich nach den Tabellenwerten vermindert. Bei
keiner Spezies ist eine allgemeine Abnahme im Längen-
wachstum zu verzeichnen, sondern nur bei einzelnen Röhren,
die sich durch ihr kräftiges Wachstum von vornherein aus-
zeichneten. Aber auch diese Individuen sind nach der
wochenlangen Kultur von derselben Spezies auf nach dem-
selben Rezept gebautem Nährboden, unter denselben Be-
dingungen erwachsen, in der täglichen Längenwachstums-
zunahme überflügelt worden, so dals wir zu dem Schlusse
[27) Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 61
berechtigt sind: Kein Pilzmycel hat ein konstantes Wachs-
tumsvermögen, das während seiner Kultnr invariabel ist.
Vielmehr ist es bei jedem Pilz möglich, ihn durch geeignete
Kulturmethoden, insbesondere durch fortdauernde Gewöhnung
an einen Nährboden, in seinem Wachstum weiter zu fördern.
Es ist allerdings selbstverständlich, dafs das Wachstum
einmal einen Grenzwert erreicht, wo eine Wachtums-
steigerung durch Kultur nicht mehr erreicht werden kann.
Ferner stehen die physiologischen Punkte, insbesondere das
Optimum nicht fest. Es kommt darauf an, unter welchen
Bedingungen der Pilz gelebt hat, wenn wir ihn im
Laboratorium untersuchen. Meine Beobachtungen, ins-
besondere der Versuch mit Kultur von Merulius lacrymans
bei 26°, zeigen aufs deutlichste, dals der Temperaturumfang
eines Pilzes ebenfalls variiert werden kann.!)
Auch die individuellen Abweichungen sind bei den
untersuchten Pilzmycelien teilweise ziemlich bedeutend. Ich
weise insbesondere auf die verhältnismälsig grolsen Unter-
schiede im täglichen Längenwachstum bei Merulius laerymans
und Merulius silvester in den Beobachtungen im Mai hin.?)
Merulius siwester B ist nun über 100°)/, besser gewachsen als
Merulius silvester C (bei demselben Nährboden und derselben
Nährstoffmenge). Im allgemeinen sind diese individuellen
Abweiehungen nicht so grols; dies liegt an den gleichen
Bedingungen des Wachstums. Wenn diese aber nur in
geringem Malse sich unterscheiden, z. B. im Feuchtigkeits-
gehalt der Luft, so zeigt sich die Verschiedenheit auch im
Längenwachstum. Wirklich, vollkommen übereinstimmende
Längenzuwachswerte habe ich nur in seltenen Fällen erhalten.
Aus den angeführten Beobachtungen geht weiterhin
aufs klarste hervor, dals FaLcks?) Lehre von der Kon-
stanz der Wachstumskraft der Pilzmycelien (auch in der
Kultur) nicht zu Recht besteht, dafs es fernerhin wesentlich
auf den Nährboden ankommt, der dem Pilz zur Ver-
fügung steht. Ein Ubermafs an Feuchtigkeit z. B. schädigt
!) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, $. 59—61.
2) Vgl. oben S.53 und 54.
®) Vgl. Falck, S. 119 und 120.
69 Karı HOFFMANN, [28]
das Wachstum der Pilze schwer, und bei Kulturen in
Petrischalen ist es möglich, dals reichlich vorhandenes
Kondenswasser die Ausbreitung des Mycels hemmt und eine
kräftige Entwieklung hindert. Derartige Fälle sind mir bei
meinen Kulturen sehr häufig begegnet.
Doch wir können aus den mitgeteilten Daten noch
mehr ersehen. Merulius lacrymans zeigt in seinem zwei-
tägigen Längenwachstum sowohl bei 24°!) als auch bei 262)
die sonst fast allgemein beobachtete Konstanz des Längen-
wachstums in gleichen Zeiträumen nicht; ebenso z. B. Poly-
porus serialis?) bei 26°. Dieses auffällige Verhalten weist
daraut hin, dals bei den angegebenen Temperaturen schon
Sehädigungen im Mycelwachstum eintreten, die der Pilz erst
überwinden muls, um dann weiter vordringen zu können.
Wie PFEFFER nachgewiesen hat,t) haben die aus-
geschiedenen Stoffwechselproduckte nicht nur auf die repro-
duktive, sondern auch auf die vegetative Tätigkeit ver-
schiedener Pilzmycelien eine hervorragende und entscheidende
Bedeutung. Während Mucor racemosus und einige andere
Mucor-Arten im Innern einer ihr gebotenen Zuckerlösung
in Form von hefeartigen Sprossungen wuchsen, traten sie
an der Oberfläche der Nährlösung ebenso wie auf festen
Nährböden in der gewöhnlichen, sporangienbildenden Form
auf. Kress hat gezeigt,5) dals auch bei Einwirkung von
Citronensäure und anderer verschiedener Bedingungen diese
Hefetormen des Mucor auftraten. Andere Versuche, welche
SCHULTZ, BIERNACKI, RICHET$) ausführten und welche die-
selben Verhältnisse an Hefe und Bakterien gezeigt hatten,
veranlalsten neben eigenen Untersuchungen PFEFFER zu dem
allgemeinen Satz, dafs „verschiedene Tätigkeiten des Stoff-
und Kraftwechsels durch kleine Mengen anorganischer und
organischer Gifte in regulatorischer Weise beschleunigt
werden.* Auch die Untersuchungen von RICHARDS’?) an
1) Vgl. oben 8.50 und 51.
2) Ebenda S. 53 und 54. 3) Ebenda $. 55 und 56.
“) Vgl. Pfeffer, Pflanzenphysiologie II, S. 135.
5) Vgl. Klebs, Bedingungen der Fortpflanzung, 1896, S. 509.
6) Vgl. Czapek, Biochemie II, S. 892.
?) Ebenda S. 893.
[29] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 63
Aspergillus niger beweisen, dals die Gesamttätigkeit und
einzelne Funktionen in mannigfachster Weise dureh Qualität
und Quantität der Nährstoffe und Nährstoffgemische, sowie
dureh die eigenen Produkte beeinflulst werden. Da nach
meinen Resultaten die tägliche Wachstumszunahme gewissen
Schwankungen ausgesetzt ist, so ist der Gedanke, dals bei
den Pilzmyeelien derartige Stoffwechselprodukte Grund für
die kleinen Unregelmäfsigkeiten im Längenwachstum sind,
durchaus nicht von der Hand zu weisen.
Wenn auch durch das kurze Herausnehmen der Kulturen
aus dem T’'hermostaten bei der Kontrolle kleine Störungen
im Wachstum bedingt werden, so kann bei der Beurteilung
dieser kleinen Schwankungen dieser Fehler nieht in Betracht
kommen, da er stets in gleichen Intervallen zu denselben
Zeiten wiederkehrte und demnach jedesmal im selben Sinne
wirken mulste.
Auch ein Vergleich mit den Farckschen Resultaten
zeigt genau dieselbe Erscheinung.') Wenn auch die Unter-
schiede unter einander oft sehr gering sind und ihre genaue
Abmessung manchmal ziemlich schwierig ist, so zeigt doch
die stete Wiederholung dieser Beobachtung die Tatsache
aufs deutlichste. Wir müssen also sagen, dals die Konstanz
im Längenwachstum der Pilzmycelien nicht diejenige ist,
welche zu erwarten wäre. Absolut genommen sind die
Unterschiede oft sehr gering, da überhaupt nur kleine Werte
gemessen wurden; relativ, prozentualiter sind die Fehler
und Abweichungen ziemlich bedeutend.?2) Aus diesem Grunde
kann ich mich auch mit den Schlüssen, welehe FALck
bezüglich der Speziesunterscheidung auf die „konstanten“
Wachstumsdaten begründet hat, nicht einverstanden erklären.
Wenn ich viele Parallelversuche mache und aus allen Be-
rechnungen den mittleren Wert nehme, so erhalte ich
Resultate, von denen die einzelnen Beobachtungen öfters
allzusehr abweichen. Diese Methode schaltet die einzelnen
Individuen aus; sie erklärt es, dals FALck seine sehr
fleifsigen Beobachtungen nieht in richtiger Weise inter-
1) Vgl. Falek, S. 91.
?) Vgl. die letzten Kolonnen in den Tabellen auf S. 59 und 60,
64 KARL MOrFFMARN, [30]
pretierte und so zu seinen Ansichten über die vollkommene
Konstanz des Wachstums der gleiehartigen Pilzmycelien
kam. Die individuellen Abweichungen sind, wie gezeigt,
sehr grols und es ist daher nieht möglieh, sie durch
Mittelwertbereehnungen im Einzelfalle zur Artbestimmung
zu benützen.
Eine weitere Frage, die sich bei meinen Untersuchungen
ergab, war die nach der Abhängigkeit des Mycelwachstums
von der Form der Kulturgläser. In kleinen Reagenzgläsern,
die mit weniger Nährmaterial besehiekt waren, als die
grolsen Röhren, war das Wachstum geringer, obwohl der
Nährboden im Verhältnis zur Grölse der Gläser dieselben
Höhenverhältnisse zeigte.)
Um dieser Beobachtung näher nachzugehen, machte ich
Kulturversuche mit Coniophora cerebella I in 4 grolsen Röhren
(29 em) mit 35 eceem Nährmaterial und 3 kleinen Röhren mit
10 ecem Nährmaterial. Diese Kulturen wurden der bequemeren
täglichen Kontrolle wegen auf einem Tisch in Zimmertem-
peratur gehalten, so dafs die Temperaturverhältnisse zwar
verschieden, aber für die Röhren die gleichen waren. Die
Zimmertemperatur betrug in der Beobachtungszeit 14—17° C,
IR cerebella I. GENDDE 5. V. 1909.
Gesamtlänge in mm
116. lar. 18. 19.20. 24 |22.|23.
a IV. IV: Wollt,
Me 2 HIER
TAKAKAkAKAkAK
alsakahlrelsut Ira ea
|
4,7
38 | 3,2) 5,4 8,713 ‚5 19,0 23,7129,9 35,4 42,6 49,7 56,6 .64,9173,0 82,1
& = 3,37 7,1112,5/18.4 24,5 29,9 36,2]43,8 50,4.58.1.65,8173,6 82,2 92,0
>
2,1] 4,2 7,211,9 17,4123,1/28,6,33,6 40,8 47,6 54,2 62,0 70,9/80,0
5,0, 9,2113 ‚s| 19,5.25,7131,2 38,3145,1 53,2 61,6,68,6 76,7 86,1
0,9| 4,2) 8, 0 13,0.17,5 22,6 29,3,35,2 41,5) 49,0 56,0 63,6,71,3179,8
3,9, 5,2) 8,014,0 19,2 24,6 30,8 37,8 14,9152,459,0.67,7 70,4 85,4
2,4 5,3 10,2115,4'20,2 26,2|32,1/38,5 45,0 53,1 60,4/69,0 77,7) —
2,9| 4,8| 8,1113,3.20,0/25,0131,8/38,3/45, 454,2 61,1 169,0, — | —
3,1) 5,1110,0/16,2,21,8 28,2]34,8|41 ‚4,49,0 56,5 64 ‚071,8179,6| —
5,0, 8,418,0118,1,22,9|29,7/35,8|42,8 49 ‚9.56, 5.63,0,69,4 —
1,8) 3,9| 7,6.13,5[19,425,1| — = — | — | —
Kleine
Röhren
RD
=
lesw moaeveyau>
"oo
1) Vgl. oben S.47 und 48,
[31] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 65
ars Wachstumszunahme “ mm
9. 110. |11.| 12. |13. | 1%. | 15. | 16. |17.|18. 19. |20.| 22.
bis bis bis, bis bis bis bis | bis bis EEE bis bis
Kleine
Röhren
2,9/1,913,3 5,2|6,7 5068/65 71 188|69 7,9| — | —
3,112,0|4,9| 6,2 5,6 | 6,4 6,6 |6,6 17,6 7,5 7,5 7,8178, —
3,012,013,4 4,6 15,148 | 6,8 ol U =
1,8:12313,715,9159|5,7|.— 1 — | —-I—-| —-|—|-
10. | 11.12. 13. 14. 15. 116. 117. 118. ‚19. | 20. 23,
re ri un De
sel [474561169157 174 6,8 18,4 TUSO 72 Aa
22 | B [2,2 3,213,3|5,1|5,2|4,716,2 5,5 7,2|7,1/6,9/8,3 18,1 19,1
32] C 13,3|3,8|5,4|5,9|6,115,4 6,8 7,6 6,6 |7,717,717,818,6 9,8
D |2,1|2,11|3,0|4,7 5,5 |5,715,5 |5,0 |7,2|6,8 6,6 7,8 5,7193
a [18|3,2/4214,6|5,76,2|5,5|7,1 6,8|8,2|8,4 7,0 8,1 9,4
b [0,91|3,3|38|5,0145 |5,1|6,7|5,9 6,31 7,5|7,0 7,6 [7,7185
E 3,9 11,3 12,8 6,015,2|6,416,2|7,0 7,1|7,5| 6,6 [8,7 [8,7 | 9,0
d 124|2,9|49|5,2|4,8 6,0 [5,9 /6,4|7,0|81|7,3/8,6|8,7| —
e
f
g
h
Aus der letzten Tabelle sehen wir wieder bestätigt, dals
die individuellen Abweichungen teilweise sehr beträchtliche
sind. Falls keine Unterschiede unter den einzelnen Kultur-
röhren bestünden, so mülste wenigstens bei A—D oder a—h
die Wachstumszunahme an gleichen Tagen dieselbe oder an-
nähernd die gleiche sein. Dies ist aber nicht der Fall. Die
individuellen Abweichungen betragen in den ersten Tagen
über 200°/, und sinken allmählich infolge der Gewöhnung
an das Kultursubstrat bis zu ea. 20%/,. Derartige Verschieden-
heiten lassen es unmöglich zu, die individuellen Abweichungen
unberücksiehtigt zu lassen.
° Diese individuelle Verschiedenheit kommt uns besonders
deutlich zum Bewulstsein, wenn wir das Gesamtlängen-
wachstum in Röhren gleicher Länge betrachten. A wuchs
in 14 Tagen 99,2 mm, D dagegen nur 80,0 mm; a wuchs
86,1 mm, b aber nur 79,8 mm. Dieselben Unterschiede sind
auch ” Vergleichen an anderen Tagen zu bemerken.
Wenn wir nun von diesen individuellen Verschieden-
heiten absehen und das Mittel aus dem Gesamtlängenwachs-
tum der grofsen Röhren A—D mit dem mittleren Wachstum
der kleineren Röhren a—h vergleichen, so finden wir weitere
Abweichungen. Diese mögen in einer Tabelle folgen, in
der die Durchschnittswerte von A—D mit denen von a—h
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. S. Bd. 82. 1910. 5
66
KARL HOFFMANN, [32]
an verschiedenen Tagen verglichen werden. Das Mehr an
Längenwachstum in den Röhren A—D ist mit + bezeichnet.
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SEE | 2 2
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ya | << ® >
DEE enmuah) 4
Aa =
Diese Gegenüberstellung zeigt
uns aufs deutlichste das stärkere
Längenwachstum in den grolsen
Röhren. Im Verhältnis zur Glas-
grölse war den Pilzen in beiden
Arten Röhren ungefähr dieselbe
Nährstoffmenge geboten; dagegen
war die eigentliche Nährstoff-
menge in den Kulturen A—D
grölser: Der Pilz bildete hieriı
auch stärkeres Mycel. Auch die
Feuchtigkeitsverhältnisse der Luft
sind nieht die gleichen. Doch ist
es schwer, hierüber bestimmte
Angaben zu machen.
Jedenfalls können wir aus
den soeben angegebenen Be-
obachtungen den klaren Schlufs
ziehen, dafs auch die Form der
Kulturgläser und der dadurch
bedingte Feuchtigkeitsgehalt der
Luft auf das Wachstum der Pilze
einwirkt. Auch hieraus ersehen
wir wieder, dafs kein Pilz eine
konstante Wachstumskraft hat,
unabhängig von den ihm ge-
botenen Bedingungen.
Ich hatte bereits von den
Abweichungen in der täglichen
Waehstumzunahme bei konstan-
ten Teemperaturverbältnissen ge-
sprochen und insbesondere auf
das Verhalten von Merulius
lacrymans bei 24° und 26° hin-
gewiesen, wo das unregelmälsige Wachstum besonders klar
hervortritt.
Auch die andern untersuchten Mycelien zeigen
solche Abweichungen, wenn auch nicht in so deutlichem Malse.
[33] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 67
Wir müssen also nach der Ursache dieser Schwankungen fragen.
Dafs diese nieht in der kleinen Störung bei der Kontrolle be-
gründet sind, darauf war schon hingewiesen, auch waren schon
die Stoffwechselprodukte zur Erklärung herangezogen worden.
Auch auf die allmähliche Gewöhnung des Pilzes an das
Substrat war bereits aufmerksam gemacht. Es ist hier auch
darauf hinzuweisen, dafs die gegebenen Ernährungsbedin-
gungen bei der angewandten Kulturmethode in langen Röhren
keine konstante sind. Nahe am Verschluls der Röhre sind
der Nährboden und somit die gebotenen Nährstoffe viel
dünner und geringer als am Ende der Röhren. Die Nähr-
sehieht nimmt an Stärke allmählich zu. Ferner nimmt der
Feuchtigkeitsgehalt der Luft über dem Substrat im Laufe der
Zeit ab; dieses kann so trocken werden, dafs das Wachstum
des Pilzes geschädigt wird. Wenn auch nicht ausgeschlossen
ist, dals der Feuchtigkeitsgehalt der Luft in den Röhren
nach dem Ende zu im selben Malse zunimmt, wie er infolge
der Verdunstung allgemein abnimmt, so kann dies doch
nicht die Tatsache der verschiedenen Ernährungsgröfse zu
verschiedenen Zeiten bedeutungslos erscheinen lassen.
5. Einflufs der Luftzirkulation auf das Mycel.
Um zu untersuchen, ob die Luftzirkulation und damit
die Sauerstoffzufuhr, die für die Pilze sehr wesentlich ist,
durch den Wattestopfen, mit denen die Kulturröbren ver-
schlossen waren, irgendwie beeinflulst wurde, wurde folgender
Versuch angestellt: Einige Reagenzgläser wurden bis zu
vollkommen gleicher Höhe mit halbgesättigter Hydrochinon-
lösung, die den Sauerstoff begierig an sich reilst, gefüllt;
zwei Röhren wurden nicht verschlossen und zwei andere
erhielten einen Wattepfropfenverschluls. Es stellte sich nun
heraus, dafs die Rotfärbung der Hydrochinonlösung in allen
Röhren gleichen Schritt hielt. Man konnte diese Verhält-
nisse daran erkennen, dafs die Rotfärbung in der Lösung
nicht gleichzeitig eintrat, sondern allmählich von oben nach
unten fortsehritt. Die Grenze war ziemlich scharf, so dals
genaue Messungen vorgenommen werden konnten. Die
bei dieser Verfärbung in Betracht kommende Diffusion war
5*
68 KARL HOFFMANN, [34]
in allen Röhren gleichmälsig zu beobachten, kann also un-
berücksichtigt bleiben. Die Höhenmessungen der rötlich
gefärbten Sehieht wurde bei allen Röhren gleichzeitig vor-
genommen und die erhaltenen Werte, die also den Fort-
sehritt der Sauerstofizufuhr gleichermalsen abbilden, in einer
Kurve zur Darstellung gebracht. Die punktierten Linien
geben den Fortschritt der Rotfärbung in den verschlossenen,
die ausgezogenen Linien den Fortschritt der Verfärbung in
den offenen Röhren.
8 10122 4 6°°8 10,12 274 6 8.10.1202 74 76 -87)0 12 2 ZA Ten
Mittwoch Donnerstag Freitag Sonnabend
Fig. 1.
Wir sehen aus dem Verlauf dieser Kurven deutlich,
dafs die Wattepfropfen die Luftzirkulation und somit den
Sauerstoffaustausch nicht beeinflussen, so dals also durch
den Verschlufs der Kulturröhren mit Watte sich keine Fehler-
quellen ergaben, durch die das Wachstum der Mycelien in
ungünstigem Sinne beeinflufst werden kann.
6. Bedeutung des Tageslichts und der Dunkelheit für das
Wachstum der Pilzmycelien.
Eine weitere von FALck nicht verfolgte Frage, die sich
mir bei meinen Untersuchungen aufdrängte, war die nach
der Abhängigkeit des Mycelwachstums von der Be-
leuchtung. Um diese zu untersuchen, stellte ich in meinem
Arbeitszimmer zwei grölsere Gewächshäuser auf. Das eine
[35] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 69
war vollkommen dunkel, mit schwarzen Glaswänden; das
andere, von gleicher Gröfse, hatte durchsichtige, weilse
Glaswände. Diese beiden Kulturkästen wurden nie vom
Sonnenlicht getroffen, so dals die Temperatur in den beiden
Kästen vollkommen die gleiche war. Diese wurde ebenfalls
täglich mehrmals beobachtet und nie wurden Abweichungen
konstatiert. Der Temperaturumfang war in der Zeit der
Untersuchung 15,70—17,5° Celsius. Zum Vergleich wurden
gut angewachsene Kulturröhren benutzt, die schon eine
Länge von wenigstens 10 em Länge erreicht hatten.
In der dritt- und zweitletzten Kolonne der folgenden
Übersichtstabelle sind die Mittelwerte aus den verschiedenen
Röhren berechnet, in der letzten Kolonne die Differenz
des Wachstums im Dunkeln und bei Beleuchtung an-
gegeben: Etwaiges Mehrwachstum im Dunkeln wurde mit
+ bezeichnet.
an
|
| en] a
ld 58 3 s Mittelwerte
£ SE ae]. | EN
Snezi Zeit des aaa wo | Diffe-
pezies I aa8 338138 8. 8 a
Wachstums | |3°5 |3 2525325 renzen
"—D 1) oe o*
Süsse
Ir
|
I)
|
||
T = — Tee
| |
Paxillus 22.V.-28.V.\A| 120 |A | 11,1 } | |
acheruntius B| 1239|B| 109| 12,45 | 11,00 | +1,45
| | |
ZB I. VI. | A 125,9 0877250 01000 an | n
B| 261 |B| 25,6 2500 25,30 | + 0,70
|
Polyporus |22.V.—28.V. A| 6,7 A, 64\
vulgaris IB 761-1 — |
28.V.-9.VL|A| 11,5 |A,| 19,6 |}
ya oc 0 ’
Fe A 7 Pe
Merulius |22.v.—28.v. A 120 A| |
silvester ıB| 189
| |
28.7.-9,VL A| 375 | A| 373
B:| 2%3:|;B.| Sr
8 ä
; 16,45 Hua) a nal
| |
132,10 32,20 + 0,20
70 KARL HOFFMANN, | [36]
Mittelwerte
Eee
5 Zeit des 8233| 12,3 ,.= = | Diffe-
Spezies = 25/29 u... © &ın
. Wachstums 8233| 3=°252 2135 2 |renzen
| ii A ea +
ra Fear
Merulius |22.V.—28.V. A| 183 |A | 10,9
laerymans IB | 12,9 |B 9,7 | an \
1113,82 | 8,8 5,02
C.|.13,0 | C |" + 5,8 1 ln
Di
28. V.—9.VL|
40,95 | 37,80 | + 3,15
Meruliu‘ |22.V.-28.V.| A| 28 A| 41| | |
favosus B 63|B, 44 |, 5220| 4,53 | + 0,67
| salc| 51 J | |
38.V.-9.VL.\A| 143 A| 102|
Bea 1 12,38 11,45 +0,93
Polyporus 28.V.—9.VI. A| 35,4 IA 30,2
vaporarius B| 36,3 | ıB| 30,1
I ‚85 30,15 4 5,10
Um die individuellen Fehler auszuschalten, wurden am
9. IV. die Kulturen, die bisher ohne Beleuchtung gewachsen
waren, dem Tageslicht ausgesetzt und umgekehrt die anderen
Röhren weiterhin im Dunkeln kultiviert. Die Ergebnisse
folgen in der anschliefsenden Tabelle.
[37] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 71
Wachstum bei Par Temperatur.
a er = E Mittelwerte
=; uf = ı D
3 Zeit des 7-2: 552|,% = | Diffe-
Spezies © a„a2Pole oO m _ 9%
“ Wachstums PIC 3). [8°8153258[8258 renzen
RS -— | | 9 m#
ZI:
"0 rn = — — © — T = 2 nn.
Paxilus |9.vL.-1T.VvIlA| 161 Al 50h.
acheruntius 'B 51661] Bl 15,2 151685), 15,10| 1,25
_— — == .— zn Is u _ — —
Polyporus |9.VL-1T.VL|A 78 |A| 96 n 3
vulgaris —| — [/B 1,2 } 2,800 1200 IEBSDITE
Merulius |9.vL.—17.VL|A| 230 |A| 214 None roman
silvester Bj 1816ER 17,0 ‚201 7°1,35
70” Ba Paar
Merulius |9. VL—ı7. v1.) A| 371 A| 20,1
lacrymans BB? 738,77 1,B 131,2 | Se ;
c| ıs2 [ec 242 a 25,95 + 4,72
D| 280|D| 283
E | | R
Merulius 9.VL-17.VL.|A| 69)A| 89
favosus B| 95|B| 70 aan a -
7,52 50 + 0,02
GlniesLLeE55 | ee
D|'so|D| 86
| |
72V. 23. V1.\ Ar, 57,0" A-|. 16,3 \
B| 95/B| 95 1800| 7,371 +0,63
el sol 63
Bl |
Polyporus |9. VL—17.VL A 190 A| 191 re! t
vaporarius 'B| 25|B| 18,7 1120,75 | 18,90 | + 1,85
= ratal | |
Polyporus |17.V1.—23.VL|A| 294 A 321
destructor B|.31,6|B| 286 | |
30,10 BR a
C| 293|C | 30,9 | Zer mART,,
ID 24-1 — |
| | | |
Vertauscht|23. VL.—27.V1.|A 203 A| 19,7
ABCD |B | 26,8 B 20,0 | |
{ ‚ | 1gr7 Sr | 3,62
mit ABC CH 28,0:.O\e19;3 - le
| te Dal 2
72 KARL HOFFMARN, [38]
Auch diese Versuche zeigen aufs deutlichste das stärkere
Wachstum der Mycelien, wenn sie vollkommen dunkel ge-
halten werden. Besonders deutlich ist dieses Verhalten bei
Polyporus vaporarius und Merulius lacrymans. Die indivi-
duellen Fehler sind durch die angewandte Methode voll-
kommen ausgeschaltet. Wie nötig es ist, die Kukuren zu
vertauschen, zeigen besonders die Beobachtungen an Polyporus
destructor; der individuelle Fehler tritt hier besonders deut-
lich in Erseheinung.
Wern wir die gesammelten Beobachtungen dazu be-
nutzen, um zu berechnen, wieviel besser das Wachstum ohne
Beleuehtung ist als bei Beleuchtung — es werden hierzu
die Mittelwerte genommen — so ergibt sich folgendes
Resultat.
Paxillus acheruntius 0,60%,
Polyporus vulgaris 11,4°/,
Folupaats Ma wächst im Dunkeln besser DEN
Polyporus vaporarius I 15,5%
Merulius favosus Br x 5 7,60/0
Merulius silvester 4,1%
Merulius lacrymans 17,80%)
Mit diesen Betrachtungen ist erwiesen, dals Beleuchtung
das Wachstum der Mycelien der holzzerstörenden Pilze un-
günstig beeinflufst.')
Aulser dem aus dieser Tabelle ersichtliehen Unterschied
im Längenwachstum war auch ein Unterschied in der Aus-
bildung des Mycel zu verzeichnen, das ich mit dem Namen
„Mengenwachstum“ belegen möchte (nach FALck „quantitatives
Wachstum“). Besonders deutlich siehtbar waren diese Unter-
schiede bei Merulius lacrymaus und Polyporus vaporarius.
Sämtliche Kulturröbren zeigten, wenn sie im Dunkeln er-
wachsen waren, ein stärkeres Mengenwachstum, als wenn
sie dem Tageslicht ausgesetzt waren.
'!) Dasselbe hat Vines für Phycomyces nitens nachgewiesen.
Vgl. Pfeffer, Pflanzenphysiologie II, S. 110 und 111; ferner II, S. 318
und die dort angegebene Literatur.
[39] Wachstumsverhältuisse einiger holzzerstörenden Pilze. 73
7. Einflufs roten und blauen Lichts auf das Mycel.
Ferner regten mich diese Versuche dazu an, das
Längenwachstum bei rotem und blauem Lieht zu ver-
gleichen. Als Vorversuch wurde in zwei schwarzen Holzkästen
mit roter resp. blauer Glasscheibe einige Kulturen in Petri-
sehalen mit gleicher Nährstoffmenge angesetzt. Die beiden
Kästen Katden neben einander bei Zimmertemperatur, also
unter gleichen Bedingungen. Die Petrischalen wurden am
selben Tage von denselben Kulturen geimpft. Schon nach
wenigen Tagen zeigte sich, dals durchgängig im roten Licht
das Wachstum ein schnelleres und kräftigeres war. Poly-
porus vaporarius war in gleicher Zeit (15. V.—5. IV.) im
blauen Lieht noch nieht die Hälfte so schnell gewachsen
wie im roten Licht. Ebenso verhielten sich Merulius laery-
mans und Paxillus acheruntius. Um dieses auffällige Ver-
halten näher nachzuprüfen, wurden mehr Kulturen angesetzt.
Als Nährboden wurde wieder Bierwürze mit 5°/, Agar-Agar
verwendet. Mit Ausnahme von Coniophora Bor sheilg und
Merulius lacrymans, die in langen Röhren mit 25 cem Nähr-
material kultiviert wurden, benutzte ich Reagenzgläser, die
ich mit 10 eem beschiekte. Die Resultate dieser Beobach-
tungen sind wiederum in einer Tabelle zusammengestellt,
deren letzte Kolonne die Unterschiede des Wachstums in
rotem und blauem Lichte enthält. Falls das rote Licht
fördernd wirkte, sind die Differenzen mit + bezeichnet, im
andern Falle mit —.
| Wachstums- |
Spezies Zeit des lan | Mittelwerte | Diffe-
Wachstums | 112] | in | Tenzen
| | Rot Blau |
|
— len
Coniophora |11.VL.—15.VI. A 26,1 A| 26,0
cerebella I | B 25,6 B | 302
Ihe 28,10 3
15.VL—22.VL.| A| 849 |A 2)
|
\
\)
BB st 90,65 | 83,15 +750
22.VL_VL A| 31 A 37,1
8) a2 || 36,15 37,10 — 0,95
|
74 KARL HOFFMANN, [40]
Wachstums-
Spezies Zeit des Rot | Blau Mittelwerte Diffe-
Wachstums | in renzen
Rot | Blau
Coniophora. | 9.VL—11.VI |A| 136 | A | 11,8 || j olng
cerebella II Ba DA BI ES) je len!
ILVL—AEVL)A| 322 A| 325 u. o0|. Ha 8
B.1,344 | Bu| 31.9, [Pe ee
15.VL—22.VL|A| 79,7 |A| 75,8 11, ARE
B.|. 76,4 |'B,| 75,3 (18,05 15,30 | + 2,15
22.VL—25.VL|A | 32,6 |A| 33,0 i AN:
B 325 |B 302 9255) 33,60 — 1,0
Polyporus. |11.VL-15.V1L. A| 40
vulgaris | :—
15.V1.—22.V1. |
» oo
ke s> re
-ı
0)
A
B
22.VL-31.V1.|A | 12,0
B
C
3
-
-
[302
Paxillus 9.VL—11.VL. |A
acheruntius| . |B
C
18 Ei 2,35 | + 0,02
11.V1.—15.Vl.
[N
15.VI.—22.VL|
16,73 15,18 + 1,55
on
„oa
> mn
92: VL31VL\A| 175 "ea
18,15. 18,03 + 0,12
BOaR> bau» Hau»
-
DS
® 5
[It -ı
BKOB> Bas» BAas> HAaczb
e3
[ers
n
a
— —
l
[41] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstürenden Pilze. 75
Wachstums-
Spezies aa on Rot | Blau Miktelwerte Kbige-
Wachstums | in renzen
| | Rot | Blau |
Be |
Merulius 11.VL.—15.VI, A 35 A 2,9 |
favosus B|»a2|B| 1,6 | ia NE
ol aolcı 20 || a
D 30|1—-| — |
15.VL.—22.V1. A| 99 |A| 117 | |
B| 13 |B| 114 | |
c| wol 185 Nu 11,42) =D
D| 100|D, 9gı
22.VL—31.VL|A| 144 J|A| 81 |
B| 136 |B| 142 | ai ap
O4 |2| £ ( 11,15 +2,90
Bias >
Coniophora | 9.VL—11.VI. A| 78 A| 11,9 Alle |
cerebella Er r) | B 7,0 | 1,80 | 9,45 | — 1,65
III |
1MVI—IEVLIA| 284 A| 250 1, 401 9440 Hi
| RE DH ) )
15.VL-22.VL|A| 578 A| 568 ||, 00 ne. 005
Z| e22.\Bl| 574,|[° = ’
22.VL—25.VL|A| 246 A| 25,5 ) a ee
A| 24,60 | 25,80 | — 1,2%
Merulius |11.VL—15.VL|A 101 A| 821 | \
lacrymans IB| 99|B| 81 171900), 8,15 | + 1,85
| IH } | |
(Grofse |15.VL-—22.Vl. A| 399 |A | 37,8 \ BR t
Rühren) IB| sea |B| 307. 39,05 | 38,25 | + 0,80
| l
22.VL—26.Vl.| A| 23,6 |A | 20,5 ) ee
B.| 239 |B | 218 | 23,175, 21,15 | + 2,60
VL SLYLI A| 246 A 2a |...
BIS .B | 228 J2470 22,10 | +2,60
76 KarL HOFFMANN, [42]
| 1 BE =
| | \ Wachstums-
Spezies Zeit des | Rot | Blau Mittelwerte Diffe-
Wachstums | I" | in renzen
| Rot | Blau |
- 2 = er
Merulius 11.VL—15.VL|A | 13,1 A| 13,1 |
laerymans B|138|B| 112 (ja:
13,33 | 9,75 | + 3,58
(CR) 13,1 ICH 76,51 U.
(Kleine —| — |D| 7179 )
Röhren | | |
Sn 15.V1.—22.V1.|A| 322 |A| 320 '
B| 39,2 |B'| 38,9 |\
| | » 1136,50 | 35,90 | + 0,60
|C | 381 [C , 345 1 a
I — en Se ) |
22.VL—26.VL|A| 23,1 |A| 23,0 ) |
Bil 22,5 ıB7 | 22,1 Be | 3
/ 22,47 22,40 | + 0,0
C.| 21,8 CN oe a
—| — |D| 235 ) |
= —- — | —
Merulius 11.VL—15.VL|A | 11,6 JA | 12,3
silvester Bi 12 221BE E31 0F 9a |
In | 7” 1111,68 | 10,88 | + 0,80
'e | 9,8 | C| 9,8 Na? | ’ Ar ’
ıD| 13,1 D| 10,5
15.VL—22.VI| A| 354 |A| 34,6 |
IB| 38 |B| 35.4 |} | e
| 36,18 35,93 | + 0,25
@| 36:5 CL Br.eallar a
|D| 37,0 |D| 36,1
22.V1.—26.V1.| A| 21,5 A, 19,8 |
IB| 23,1 |B | 19,2 1122,53 | 19,87 | + 2,66
IC | 230 |C | 20,6 |
en TE _— | | - — = _ u nes
Polyporus |15.VL.—22.VL|A| 21,1 A, 121 | Inkhars
vaporarvus | B:| 18/3 | Bi| 12,0 os Ze | Fa)
| | |
22.VL—31.VL| A| 358 |A| 21,9 | | ei
IB| 272 ‚B | 18,2 ll 20,05 +11,45
RITA] 0 TR IV |
Polyporus 9.VL.-112VE | AI) 030 AU | |
destructor No j 7,90 7,05 | +0,85
—| =. I 7,9 | |
a a ,D | 67 l )
[43] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 10
| Wachstums-
Spezies Zeit des Rot | | Blau | Mittelwerte Diffe-
Wachstums Nr | in | Tenzen
Be | Rot | Blau
mn — | |
Polyporus |11.VL—15.VL|A | 17,8 |A | 15,0
destructor Ber 31,48 BI 16,6
MSc na j 15,40 | + 9,20
1. D|.1243
15.VL—22.VL| A | 39,2 ‚A 40,7
B| 39,9 |B |. 42,0 “ e
Be pe 41,58 | — 2,03
= u DynARE
22.VL—25.VL A 182 A| 155
NBAILTIEHN BA 102 | :
Bias ug, 147 N 14,20 + 3,70
—ı = |D. 134
Polyporus |11.VL—15.VL A 71 7,0 |
serialis B| 111|B 7,0 |. 840| 7,00 | + 1,40
ee 7 ei
[
15.VL—22.VL A| 178 A | 14,7
B| 186 |B | 17,0 |117,83 | 15,85 | + 1,98
ee |
22.VL-31VL A) 216 A200 1) |
B| 2235|B| 182 |\21,37 | 19,90 | + 1,47
@2:200., 12 J |
Diese Tabellen weisen mit Nachdruck darauf hin, dafs
die beobachteten Pilze durch blaues Licht in ihrem Wachs-
tum gehemmt werden. Wenn auch einige Werte in blauem
Lieht ein stärkeres Wachstum erkennen lassen, so sind dies
doch nur zufällige individuelle Abweichungen. Um auch
diese auszuschalten, möge wieder prozentualiter das bessere
Wachstum im roten Lieht gegenüber der Schädigung, die
das blaue Licht ausübt, ausgedrückt werden. Wir kommen
so zu folgenden Resultaten: im roten Lieht wachsen besser:
78 KArL HOFFMANN, [44]
Coniophora terebella I... 7 70277300
Coniophora cerebella I . .\. . „u 73407
Coniophora cerebella III. . -. . ..- 800%
Merulius lacrymans (grolse Röhren). . 8,8%,
Merulius lacrymans (kleine Röhren) . . 6,3%
Merulius favosus .1. »21. & Eis „IA
Merulius siwöster .Ü.».3. U 2. . 2 Fass
Polyporus taporarns > 2 2... u 9930,
Polyporus desiructor : -. . - -» - . . 150%
Polyporus. serialis 1. sau. & | MV. 1521139
Polyporus YulgarısX. Mau.) U) u 972 an
Paaıllus acheruntius. 7.) . 2 % „ T2ser
Diese Beobachtungen und Berechnungen zeigen sehr
klar, dafs die holzzerstörenden Pilze durch blaues Lieht in
ihrem Wachstum ungünstig beeinflulst werden.!)
ll. Begründung einer anderen Methode zur Messung
des Längenwachstums.
Wenn wir die Ergebnisse dieser Betrachtungen über das
Längenwachstum der untersuchten Holzzerstörer zusammen-
fassen, so kommen wir zu folgenden Schlüssen:
1. Die Messung des Längenwachstums in Röhren, wie
sie FALcK benutzt hat, ist nieht einwandfrei, weil die dem
Pilz gebotene Nährstoffmenge keine gleichmälsige ist.
2. Hiermit hängen verschiedene Feuchtigkeitsverhält-
nisse des Substrates und der darüber befindlichen Luftschicht
zusammen.
3. Die Beobachtungen des Längenwachstums können
nur dann in Beziehung zu einander gesetzt werden, wenn
die Impfungen an demselben Tage und von derselben Rein-
kultur vorgenommen werden.
4. Da die Kulturen während ihres Wachstums im
Dunkeln gehalten und zur Kontrolle in andere Beleuchtungs-
verhältnisse und in andere Temperaturen gebracht werden,
\) Vgl. Pfeffer, Pflanzenphysiologie II, 8. 117.
[45] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 79
können die erhaltenen Werte nur unter ausdrücklicher Be-
tonung dieses Umstandes mit einander verglichen werden.
5. Da fernerhin das Mycel des Pilzes durch Kultur-
einflüsse in seinem Längenwachstum variiert werden kann
und da der dargebotene Nährstoff sehr wesentlich für sein
Längen- und Mengenwachstum ist, kann die erhaltene
Wachstumskurve nur relativ sein und nie absolute Gültigkeit
besitzen.
In Berücksiehtigung dieser Momente kam ich zu dem
Resultat, dafs die Kultur der Pilzmyeelien und die Messung
ihres Längenwachstums am besten in Petrischalen vor-
genommen werden. Ich ging bei meinen folgenden Versuchen
so vor, dals gleich grolse, gut schlielsende Kulturschalen
mit einer gleiehmälsigen, gleichhohen Schicht desselben
Nährmaterials gefüllt und alsdann im Autoklaven sterilisiert
wurden. Die Impfung wurde nahe am Rand der Schale
vorgenommen, so dafs dem Pilz zu seinem Wachstum eine
grolse Fläche Nährboden zur Verfügung stand. Die Messung
geschah in der Weise, dafs von der Impfstelle mehrere
schmale Papierstreifen über die Petrischale geklebt wurden.
Hierdurch wurde gleichzeitig der Deekel auf der Schale gut
befestigt, so dals Fehlerquellen, die bei einem Verschieben
der Deckel bestehen konnten, von vornherein ausgeschlossen
wurden.
Bei der Prüfung, die bei allen Temperaturen in denselben
zweitägigen Zwischenräumen und zur selben Tageszeit vor-
genommen wurden, verfuhr ich in der Weise, dafs ich die
Kulturschale auf den Tisch legte und in der Richtung der
vorderen Hyphenenden auf den Papierstreifen eine Markierung
mit dem zugehörigen Datum vornahm. Diese Methode hat
den Vorteil, dals der Deckel der Petrischale gleichzeitig
als Spiegel benutzt werden kann und auf diese Weise die
Markierung genau senkrecht über den Hyphenenden vor-
genommen wurde, so dals jede Parallaxe auf ein Minimum
reduziert werden konnte. Ein weiterer Vorteil dieses Vor-
gehens ist der, dals dem Pilz eine gleichmälsig dieke und
zugleich verhältnismälsig grölsere Fläche zur Verfügung
steht und auf diese Weise Fehler, die durch das Anstolsen
des Mycels an die Glaswände der Röhren ziemlich oft
s0 KARL HOFFMANN, [46]
entstehen, vollkommen vermieden werden. Auch können
auf diese Weise auf einer einzigen Schale mehrere Messungen
ausgeführt und so ein guter mittlerer Wert für die betreffende
Kultur erreicht werden. Monatelange Kultur ist nicht nötig,
da die Konstanz nach wenigen Tagen genügend ist. Aus
diesem Grunde wurden die Beobachtungen nur 2—3 Wochen
fortgesetzt; bei schnellwachsenden Mycelien, z. B. Coniophora
cerebella, mulste ich mich allerdings auch mit kürzerer Zeit
begnügen. Infolge der ‚ziemlich hohen Temperaturen des
Mai und Juni und aus Mangel an einer grösseren Anzahl
von Thermostaten konnte ich nur 6 verschiedene Temperaturen
beachten. Die Kontrolle der Thermostaten wurde täglich
sechs- bis achtmal vorgenommen, so dafs die Maximal-
abweichungen nur 0,5% betrugen. Die beobachteten Tem-
peraturen waren 13,6°, 18,09%, 20,00, 23,0%, 26,0% und 30,0%.
Die Resultate sind aus den Tabellen zu ersehen.
Die Ergebnisse der Messungen an verschiedenen Papier-
streifen sind hierin mit a und b bezeichnet.
1. Temperaturwerte von Merulius lacrymans.
Geimpft 21. V. 1909.
Kulturschalen d — 15 em, beschiekt mit 38 ecem 5%,
hellem Bierwürze-Agar.
t— 13,6%. Die Mafse sind in mm angegeben.
| | Zwei- de
| Gesamt- Tägliche Ab-
Zeit des a tägige Mittel- R
' länge Zunahme weichungen
Wachstums Sem) Zunahme wert 8
a a °'b | % b
A.|27.V.—29.V.| 34 40) 34 4011,70 2,00] +2,86 + 2,56
29.—31. | 8,9 11,2| 5,5 7,2 | 2,75 3,60 | +1,81 + 1,96
31.V.—2.V1.|16,2 18,5 7,3 :7,3|3,65 3,65 +0,91 + 0,91
2.—4. 126,0 27,8) 9,8 9,814,90 4,65 | — 0,34 — 0,09
4.—6. 36,6 36,5 10,6 8,7 5,30 4,35. a
6.8. 148,2 47,1|11,6 10,6|5,80 5,30 (0 | 1,94 —0,74
8.—10. 56,0 56,0) 7,8 9,0 3,90 4,50 | +0,66 + 0,06
10.—12. |66,2 64,2|10,2 8,2)5,10 4,10| |— 0,54 + 0,46
[47] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstürenden Pilze. sl
Zwei- he, de
Be Gesamt- ah Tägliche |. Ab-
Zeit: des länge tägige | Zunahme Mittel- weichungen
Wachstums | Zunahme wert
a b ae D a b a b
B.[27.V.—29.V.| 4,9 5,0| 4,9 5,0|2,45 2,50 +0,24 + 0,19
29. | 92 9345 a2, 215 +0,54 + 0,54
31.V.—2.V1. 15,0 16,0| 5,8 6,7|2,90 3,35 — 0,21 — 0,66
24. [21,8 23,0| 6,8 7,0|3,40 3,50 01
41.6. |2%8,5 29,2| 6,7 6,2|3,35: 3,10 DR ii
6.—8. 133,9 33,1| 5,4 3,9 12,70 1,95 |{ MORE UTA
810. | 39,0 493 | 5,1 5,2255 0 +0,14 + 0,09
10.—12. |43,3 4236| 4,3 4,3|2,15 2,15 +0,54 + 0,54
C.|aT.V.—29.V.| 54 71) 54 71|2,70 3,55 +0,99 + 0,14
29—31. |10,2 126 48 5,5|2,40 2,75 +1,29 + 0,94
31.V.—2.VL|14,8 17,0| 4,6 4,4[|2,30 2,20 +1,39 +1,49
2.4. [21,6 242| 6,8 7,2|3,40 3,60 +0,29 + 0,09
4—6. 128,2 31,0| 6,6 6,8 |3,30 3,40 +0,39 + 0,29
6.—8. |35,4 38,0| 7,2. 7,0|3,60 3,50 Lraing + 0,09 +0,19
8.10. 1448 46,2|,94 8.274,70 4,1010 4.01 — 0,41
10-12. |53,1 541| 83 7914,15 3,95 |! — 0,46 — 0,26
12—14. |60,0 63,0| 6,9 8,9) 3,45 145 |) +0,24 — 0,76
Mittelwert aus A, B, C — 3,65 mm.
t= 18,00.
A.|27.V.—29.V.| 54 46| 54 4,6|2,70 2,30) +0,29 + 0,69
29-31. 110,9 1,755 7319,75 3,65 | 9.99 | + 924 — 0,66
31.V.—2.V1.|16,8 17,2| 59 552,95 2,75 | [+9,04 -+ 0,24
2—4. |23,0 2146| 62 74[3,10 3,70 pm 0,11
ae oo 28,8| 22 Mad 2,10 +1,89 + 0,89
6-8. |27,8 32,0) 2,6 3,2|1,30 1,60 +1,69 + 1,29
| en
ER Ze
29-31. |10,0 411 29 4111,45 2,05 ga 3A
31.V.—2.V1.|16,9 10,9) 6,9 6,813,45 3,40 — 0,06 — 0,01
alone 89 751445 | — 1,06 — 0,36
4.—6. |35,1 23,2| 9,3 4,8|4,65 2,40 || 3,391 — 1,26 + 0,99
6.—8. [39,2 29,8| 4,1 6,6|4,05 3,30 | +1,34 + 0,09
8.—10. |44,8 37,0) 5,6 7,2|2,80 3,60 +0,59 — 0,21
Zeitschr. f. Naturwiss, Halle a.S. Bd.82. 1910.
82 KARL HOFFMANN, [48]
Zwei- | Tigliche
|
L \ Gesamt- Rn Id | Ab-
Zeit des "ieh; tägige IMittel- :
15 N, |
Wachstums | FE me Zunahme en weichungen
| Bl) asubal, a he a b
C.127.V.—28.V.| 7,0 62| 2,0 6,2|3,50 3,10|
29.—31. [14,1 14,4| 7,1 8213,55 | — 0,05 — 0,60
|
31.V.—2.V1.|20,2 20,0| 6,1 5,6 3,05 2,80
24 90
| 12,7 7,0/6,35 3,50)
a6. I 139,8032,1
6,9 5,1\3,45 2,55||
6. 1456| 5 30 — +0,60. +
| | | |
D.|27.V.-29.V.| 95 78| 95 78\4,75 3,90) — 1,05 — 0,
29-31. (17,1 150) 760793180 3.0 | 0,10
31.v.—2.V1.|25,0 2091| 7,9 5.113,85 2,55 [| 970 0,15 +0,15
2.4. [33,7 27,6) 8,7 754,35 | 10,65 +0,95
4-6. |354 30,0| 1,7 240,85 1,20| |+2,85 + 2,50
68... [38,4 220 Bet oe +20
Mittelwert aus A, B, C, D = 3,40 mm.
Für 20,0% wurden von den angesetzten Kultursehalen
leider mehrere verunreinigt, so dals ich mich hierbei mit
einem Versuch begnügen mulste. Hierbei kann die individuelle
Abweichung ziemlich grols sein.
t — 20,00
Ze
| Zwei- | Tielich Ab
4 | Gesamt- Sr | Tägliche |. | -
Zeit,des länge tägige | Zunahme Mittel- weichungen
Wachstums | Zunahme wert
a N Hr I a b
= een —-
A.|27.V.—29.V.| 96 85| 96 85[|4,80 425] + 1,624,.120947
29.31. |19,5 19,2| 9,9 11,7|4,95 5,85 | +1,47 +0,57
31.V.—2.VI. 31,9 32,1 |12,4 12,9 6,20 6,45 | + 0,22 — 0,03
2.—4. | 45,8 43,9|13,9 11,8 6,95 5,90 — 0,53 + 0,52
4.6. |60,2 58,6|14,4 14,7|7,20 7,85 |) 6,42 |— 0,78 — 0,93
6.—8. 1725 70,3112,3 11,7|6,15 5,85 | +0,27 +0,57
8.—10. 84,1 83,0 11,6 12,7 5,80 6,35 |
6*
[49] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 83
t= 230°.
| l Zwei l
| Gesamt- | We" | Tiigliche Ab-
Zeit des : | tägige |, Mittel- z
länge | Zunahme weichungen
Wachstums er Zunahme | wert E
N ee Er A a b
A.127.V.—29.V.| 81 78| 81 7,8|4,05 3,90 |+3,58 +3,73
29.31. 22,0 20,1 13,9 12,3 6,95 6,15| +0,68 + 1,48
31.V,—2.VL |36,6 35,1 |14,6 15,0 |7,30 7,50 | + 0,33. + 0,13
2.—A. 51,5 50,2|14,9 15,1 | 7,45 1,5 | +0,18 + 0,08
4.—6. 66,8 65,2 15,3 15,0 7,65 7,50 |, 7,63 —0,02 + 0,13
6.—8. 182,7 81,0|15,9 15,8 | 7,95 2 — 0,32, — 0,27
8.—10. 98,0 96,7 |15,3 15,7 7,65 7,85 — 9.02, 0,2
B. |27.V.—29V.| 71 76) 7,1 7,8|3,55 3,90| |+4,10 + 3,75
29—31. |23,2 24,7|16,1 17,1|8,05 8,55 | |— 0,40 — 0,90
31.V.—2.V1. |39,7 40,2|16,5 15,5 |8,25 7,75 | — 0,60 — 0,10
2.—4. |55,6 55,1115,9 1497,95 7,45 || „.g5 — 0,30 + 0,20
4.—6. 7018 — |152 — |760 — neh
68. 1852, — [144 .„_.|7,20 — +05 —
810. |81 — [129 — 645 — aa —
Mittelwert aus A, B — 7,64 mm.
t —= 26,0°.
A.|27.V.—29.V.| 1,4 0,9| 1,4 0,9|0,70 0,45 — 0,31 — 0,06
29.—31. 2,7 15) 13 0,7/0,65 0,35 \— 0,26 + 0,04
31.V.—2.Vl| 40 20| 13 0,4[0,65 0,20| |— 0,26 + 0,19
2.—. 44 23| 04 0310,20 0,15 | 0.39 | + 919 + 0,24
4.—6. 51 31/077 0,8/0,35 0,40 [| " | +0,04 — 0,01
6.—8. 5,8 38| 0,7 0,710,35 0,35 +0,04 + 0,04
8.—10. 6,2 42 0,4 0,4 0,20 0,20 | +0,19 + 0,19
10.—12. | 71 5,1) 09 0,9,0,45 0,45 — 0,06 — 0,06
B.|27.V.—29.V.| 2,0 19 2,0 1,9 11,00 0,95 — 0,43 — 0,38
29—31. | 3,9 ,2,9| 1,9 1,0|0,95 0,50 | — 0,38 + 0,07
31.V._2.VL| 5,1 40 1,2 1,1/0,60 0,55 | 957|— 0,03 + 0,02
2.—4. 6,2 48| 11 0810,55 0a0|/( "| +0,02 +0,17
4—6. | 69 54| 0,7 0,861/0,35 0,30| | +0,22 + 0,27
6-8. | 74 63) 05 090,3 0,45 | +0,32 + 0,12
84 KARL HOFFMARN, [50]
Zwei- he
- Gesamt- - Tägliche Ab-
Zeit des länge tägige Gone Mittel.| net en
Wachstums Zunahme wert | 5
a bear "bh m a b
0. 27.V.—29.V.| 22 09| 2,2 0911,10 0,45 — 0,58 + 0,07
29.—31. | 42 1,8) 2,0 0,9 1,00 0,45 — 0,48 1.007
31.V.—2.VI.| 5,8 29] 1,6 1,0!0,80 0,50] — 0,28 + 0,02
2.—. |72 40| 14 1,10,70 0,55 — 0,18 — 0,03
46. || 8,4 4,7 1,2 0,7 0,60 0,35 |) 0,52 | — 0,08 + 0,17
6.8.7 2 1,9,15 55 07 )'0,8.0,35 0,40) +0,17 +0,12
8.—10. | 99 62| 0,8 0,7/0,40 0,35| +02 +00
10.—12. [10,6 70| 07 0,8.0,35 0,40 | +0,17 + 012
12.—14. 111,0 7,6| 0,4 0,6.0,20 0,30 +0,32 +02
j ı
Mittelwert aus A, B, C = 0,49 mm.
Aus diesen Beobachtungen sieht man besonders deutlich,
dals der Wassermangel und die geringe Luftfeuchtigkeit bei
dieser Temperatur vor allem das minimale Wachstum
bedingen. Bei derselben Temperatur wuchs in Kulturröhren
der Merulius lacrymans ziemlich bedeutend.!) Der Vorteil
der Röhren war in diesem Falle eine stärkere Nährsehieht
und grölsere Feuchtigkeit.
Bei 30° wurde in sämtlichen Kulturschalen das Wachs-
tum nach kurzer Zeit eingestellt. Nach 14 Tagen Aufenthalt
im Thermostaten waren diese Kulturen nieht weiter gewachsen,
vielmehr hatte sich das Mycel ganz dem Nährboden angelegt
und war nur noch als schwacher Schleier zu sehen.
Die erhaltenen Mittelwerte der täglichen Wachstums-
zunahme benutzen wir nun zur graphischen Darstellung der
Wachstumslinie. Als Abeissen tragen wir die Temperaturen
ein, auf den Ordinaten die zugehörigen Wachstumswerte
und verbinden diese Punkte mit einander. Zur besseren
Übersicht wurden die erhaltenen täglichen Mittelwerte statt
in mm in cm aufgetragen.
Sehr abweichende Mittelwerte erhielten wir bei 13,6°.
Die individuellen Fehler sind gerade hier sehr grols. Aus
1) Vgl. oben 8.53 und 54.
[51] _Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 85
diesem Grunde wurde auch Versuch B besonders eingetragen.
Die Linien vom O-Punkt und nach 13,6%: B wurden punktiert,
da sie nur angenommene Werte darstellen und keine Mittel-
werte sind.
13,60 180 200 230 260
Fig. 2.
Einen geradlinien Verlauf dieser Wachstumskurve kann
ich hieraus nicht ersehen (im Gegensatz zu FALck). Je
mehr sieh die Kurve ihrem Maximum nähert, um so steiler
steigt sie auf.
Merulius lacrymans wurde aufserdem in kleineren
Petrisehalen kultiviert, die einen Durchmesser von 9 em
hatten und mit 20 eem dunkler Bierwürze, die mit 5%/, Agar-
Agar versetzt war, beschickt wurden. Die folgenden Tabellen
geben eine Zusammenstellung der Wachstumsverhältnisse
bei denselben Temperaturen wie im vorigen Versuch. Wegen
der geringen Plattengrölse wurde nur je eine Ablesung auf
den einzelnen Schalen gemacht.
300
86
KARL HOFFMANN, [52]
b=.18,6%
|
Zeit des | Gesamt- | Längen- Tages- Mittel- Ab-
Wachstums | länge |zuwachs zuwachs | wert | weichungen
31. V.—2.Vl.| A| 4,1 | + 1,43
Ve a ER in Sl 25 | + 0,93
4.—6. 15,0 5,8 290 || + 0,58
92,2 7,2 3,60 1 0,12
8.—10. | 28.2 6,0 3,00 3,48 | +0,48
10.—12. | 35,6 7,4 3,70 — 0,22
12 19. 44,0 8,4 4,20 + 0,28
are 4,2 2,10 +1,84
2.—4. 9,5 5,3 2,65 + 1,29
4.—6. 161 | 66 3,30 |) | +0,64
6.—8. A | 9 3,95 | | 001
8.—10. 30,7 6,7 3,35 3,94 | +0,59
10.12 39,4 8,7 4,35 | — 0,39
17% 48,9 9,5 4,75 J u.
31, V2— 2ayıl 3,2 3,2 1,60 ı +0,84
DA. 7,9 4,7 2,35 | +0,09
4.—6. 12,0 4,1 2,05 | + 0,39
a 15,4 3,4 170.41 ga +07
8.—10. 20,0 4,6 2350 |” | +0,06
10-12. 24,9 4,9 2,45 — 0,01
12, 1A, Bo 317540) |
Mittelwert aus A, B, C —= 3,29 mm
= 180,
31. v2. ee | Mae: 3,55 | +1,19
2.—4. a 3,55 | Da
4.6. | 22,9 | 8,7 4,35 ) | +0,39
6-8 | 324 | 95 4,75, \\ ara 1 0,04
B—108 323 9,9 4,95 | ; 0
10.—12. |. 531 9,8 490 | — 0,16
3.V.—-2.VL| 59 | 5,9 2,95 + 2,98
2A, aa 90 4,50 + 1,43
267, |,0.2582 210.9 5,45 + 0,38
Ba |, 38/808 180 6,50 | 0,57
a ll 570 en
10.—12. | 623 12,1 6,05 — 0,08
[53] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 87
Zeit des Gesamt- | Längen- | Tages- Mittel- Ab-
Wachstums | länge | zuwachs | zuwachs | wert | weichungen
| |
c. | 31. v.—2. VI. 9,0 9,0 4,50 | + 1,30
|
Be: 18,2 9,2 4,60 | + 1,20
4.—6. 28,9 10.% \1..5;88 | +04
6.—8. 42,9 1,0 | 7,00 580 | —1,20
8-10. 53,0 101 | 5,05 j | +07
Mittelwert aus A, B, C = 5,49 mm.
= 20°.
2 Si RT 5 5,1 2,55 | + 4,20
DM. 14,6 9,5 Aa + 2,00
4. 26,0 11,4 5,70 + 1,05
6.8; 40,0 14,0 7,00 |16,5| —03
8 10: 55,1 15,1 7,55 J | — 0,80
EBISRV.-—2.V1. 3,4 3,4 1,70 + 3,70
Du 14,7 10,7 5,35 \ 40 | + 905
4.—6. 25,6 10,9 5,45 ; — 0,05
GEHEN. 2: VI. 8,2 8,2 4,10 + 1,44
ZA. 20,4 12,2 6,10 + 0,44
46: 32,2 11,8 5,90 | + 0,64
8. 45,5 13,3 eo eo
8.—10. 60,3 14,8 7,40 | — 0,86
Mittelwert aus A, B, C = 6,23 mm.
t= 23,09.
Mr al v. 2. v1. 8,2 8,2 4,10 | + 0,93
er 18,0 9,8 4,90 N +0,17
6: 29,1 11,1 5,55 5,07 | —0,48
Dep: 38,6 9,5 4,75 J + 0,32
| |
BIS >.,V1. 5,6 5,6 2,80 + 3,50
De UN SS 13,2 6,10 — 0,30
4.—6. 27,4 8,6 4,30 | + 2,00
, 4,3 | 1239 6,45 176,30 | — 0,15
310, 55,0 14,7 1,35 | 10
10.—12. 70,4 14,6 7,30 | 1100
88 KARL HOFFMANN, [54]
Zeit des Gesamt- | Längen- | Tages- | Mittel- Ab-
Wachstums länge | zuwachs | zuwachs | wert | weichungen
|
|
s - 2 _————
C. | 31.V.—2.Vl. 7,1 7,1 3,55 | + 2,10
2A 208 13,5 6,75 || — 1,10
sole It 5,65
46. 29,7 9,1 4,5 |” 110
D. |8HV.—.VI|ı 8 En a + 1,95
2—. | 192 11,1 | 555 | + 0,45
4.—6. 33,4 14,2 7,10 | Fa
6.—8. 46,8 | 134 6,70 i — 0,70
810: 561 | 98 4,65 + 1,35
Mittelwert aus A, B, C, D = 5,76 mm
t— 26,0%
A. | 31. V.—2. VI. 0,7 0,7 0,35 — 0,05
2.—. 12 0,5 0,25 + 0,05
4.—6. 1,8 0,6 0,30 + 0,00
6.— 8. 2,5 0,7 0,35 0,30 | —0,05
8.—10. 3:2 0,7 0,35 — 0,05
10.—12. 3,6 0,4 0,20 + 0,10
12.—14. 4,2 0,6 0,30 + 0,00
B. W312 v2. VL. 1,1 1,1 0,55 11048
24 2,1 1,0 0,50 — 0,13
A—6. 2,7 0,6 0,30 + 0,07
6.—8. 3,2 0,5 0,25 037 | +0,12
Jill, 3,9 0,7 0,35 | + 0,02
10-12. 4,3 0,4 0,20 +0,17
De 5,2 0 0,45 — 0,08
c. | 31. V.—2. VI. 0,9 0,9 0,45 —.0,06
N 1,3 0,4 0,20 + 0,19
6. 2,4 1,1 0,55 (ei
6.—8. 3,1 07 | 035 + 0,04
Da eye Da 1,5 1,5 0,75 — 0,38
2.—4. 1,9 0,4 0,20 | 0,37 | + 917
4.—6. 2,2 0,3 0,15 | | i + 0,22
6.—8. 3,0 0,8 0,40 | — 0,03
Mittelwert aus A, B, C,
[55] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 89
Zu bemerken ist, dafs bei diesen Kulturen in den kleinen
Petrischalen ebenso wie in den grolsen bei derartig hohen
Temperaturen das Mycel nieht wie sonst loeker war, sondern
recht dieht und kräftig. Man könnte es polsterförmig nennen.!)
Auch wenn diese Kulturen in niedrige Temperaturen gebracht
wurden, wuchs das Mycel in derselben Weise fort.
Entsprechend den anderen Merulius lacrymans-Kulturen
trat bei 30% sofortiger Stillstand des Wachstums ein; die
Myeelien legten sich dem Nährboden dicht an und starben ab.
Die Wachstumsverhältnisse mögen durch die nach-
folgende Kurve deutlich illustriert werden.
13,60 180 200 230 260
Fig. 3.
Der Verlauf dieser Kurve ist bedeutend regelmälsiger
als der der anderen Wachstumskurve von Merulius lareymans
in grolsen Petrischalen. Linear ist auch hierbei der Anstieg
nicht. Bosonders bemerkenswert ist, dals das Maximum in
dieser Kurve bei 20° liegt, während die erste Kurve das
Maximum bei 23° zeigt. Hieraus können wir wiederum
bedeutende Schlüsse auf die Veränderlichkeit des Wachstums
bei denselben Temperaturen in verschiedenen Kulturen ziehen.
Eine Konstanz in der Wachstumszunahme ist nieht vorhanden;
auch das tägliche Längenwachstum ist bei verschiedenen
‘) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S. 60.
300
90
Kulturgläsern
gleiche.
KARL HOFFMANN,
[56]
und versehiedenem Nährboden nieht das
Weitere Versuche,
wurden mit Merulius silvester vorgenommen.
eine Wachstumskurve darzustellen,
Die Be-
obaehtungen und Ergebnisse sind in den nächsten Tabellen
zusammengestellt.
2. Temperaturwerte von Merulius silvester.
Geimpft 21. V. 1909.
15 cem, beschiekt mit 38 eem heller
Bierwürze, mit 5°/, Agar-Agar vermischt.
Kultursehalen d =
b=13,08.
Zeit des an
Wachstums
a)
|
A.127.V.-29.V.| 5,0 42|
29—31. | 91 8,9
Save Na
a 18,0 20,1
4.—6. 22,9 26,3 |
Ben: 28,1 320
8.10. 132,4 39,1,
10.122 138,1@A5:2)
12. 14. 1442 0)
|
BIT Veen
2393-31. | 92)
31.9. 2.V1. 4,9125 |
2.4. | 91 17,1]
A ‚14,3 22,0]
6.8. |18,8 26,1 |
8.—10. |23,8 30,7|
10.—12. || 27,0. 35,8)
12.14.
Mittelwert aus A undB =
32,1 40,2
Zwei-
tägige
, Zunahme
ae)
Die Malse sind in mm angegeben.
Tägliche __ Ab-
Zunahme |Mittel weichungen
wert
ass a b
2,50 2,10, Ist 0,13 +0,53
12,05 2,35 | +0,58 + 0,28
11,85 2,40| +0,78 +0,23
12,60 3,20 |+ 0,083 — 0,57
2,45 3,10.) 2,63 +0,18 — 0,47
2,60 2,85. +0,08 — 0,2
12,15 3,55] | +0,48 — 0,92
2,85 3,01 10,22 — 0,38
12,05 20 (2201820
— 2305| Be
— 255) eg,
2,45 1,65 — 0,19 +0,61
512,10 2,30, | 0,16 — 0,04
12,60 2,45 \ 2,26 | 0,34 — 0,19
12,25 2,05 |+0,01 +0,21
12,50 2,30. |— 0,24 — 0,04
11,60 2,35, +0,66 —0,09
12,55 2,40 |, —10:20078 041%
2,45 mm.
[57] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 91
180%
Zeit des Gesamt- ER | Tägliche [Mittel Ab-
Wachstums ze Zunahme Zunahme | wert | weiehungen
ı wall. Be ARE: b
| |
NOV 29... 526 16,2 3,10 _ +0,90. , —
2. 11a 72 71300 355 +0,40 +0,45
31.V.—2.V1. | 21,2 14,1| 7,8 7,0|3,90 3,50 | + 0,10 + 0,50
4 \oaanovnı 86 ‚83490 45 10,30 — 0,15
4-6. [31,5 32,3| 83 9914,15 4,95 |\ 4,001 — 0,15 — 0,95
6.—8. 46,8 39,6| 9,3 7,314,65 3,65 \— 0,65 + 0,35
8.—10. 155,1 48,9| 83 9,3 4,15 4,65 0,15 — 0,65
10.—12. 163,5 57,0| 84 814,20 4,05 | 0,20 — 0,05
12.—14. |70,0 65,6| 6,5 8,6|3,25 4,30 +0,75 — 0,30
Ban 412 = 49 29410 I er 198
29.31. | 6,4 11,1) 6,4 6,9 13,20 3,45 |+0,14 — 0,11
31.V.—2.V1. |12,7. 17,0) 63 5913,15 2,95 | +0,19 +0,39
4. 17,6 24,4| 4,9 7,4|2,45 3,70 036
16. 26,4 31,1] 88 6,7440 3,35 |\ 3,34|—1,06 — 0,01
6.—8. |33,0 39,0| 6,6 7,9|3,30 3,95 +0,04 — 0,61
8.—10. |39,2 46,8) 6,2 7,8|3,10 3,90 +0,24 — 0,56
10.—12. [445 54,7| 53 7,9[|2,65 3,95 + 0,69 — 0,61
a aa la lass en
GEN. 29V. 274105.0|17,% «5.013,70 250, +0,46 + 1,66
29.—31. 16,2 13,9| 8,8 8,9|4,40 A,45 | 0, 039
31.V.—2.V1.|20,9 17,0| 4,7 3,112,35 1,55 || ai Es 226
2.—4. 32,1 27,7|11,2 10,7|5,60 5,355 |[ ° |—144 — 0,81
1.6. |42,0 39,4. 9,9 11,7|4,95 5,85 | 20.19, 131
6. | — 4195| — 10,1) — 5,05, eh)
Mittelwert aus A, B, C = 3,83 mm.
t = 20,00.
el EN N: ee
29.31. 12,0 15,2)12,0 8216,00 4,10| | 0,96 + 0,94
31.V.—2.V1.|20,7 26,3) 8,7 11,1|4,35 5,55. +0,69 — 0,51
2—4. |33,0 37,1|12,3 11,8|6,15 5,90 ee te
4—6. [44,1 49,5 |11,1 12,4 |5,55 6,20 1a Zohı — 416
6-8. 52,3 60,0 |11,2 10.5 |5,60 5,25 — 0,56 — 0,21
8.—10. |60,7 67,5| 84 7514,20 3,75 +0,84 +1,29
10.—12. |68,2 75,4| 7,5 7,9|3,75 3,95 | +1,29 + 1,09
92 KARL HOFFMANN, [58]
| DISS men:
2 \ Gesamt- u Tägliche |__, | Ab-
Zeit des | 7. tägige Mittel- .
Wachstums Ans Zunahme Aunehnie wert a:
| a, ııD am ch A) a b
B.|27.V.—20V.| 5473| 54: 73|2,70 e + 2338 4.443
29—31. |13,9 14,9| 85 7,6|4,25 3,80 1-7 0,83.2-7. 1028
31.V.—2.VI. | 23,2 26,2| 9,3 11,3 | 4,65 3,65 | | +0,43 — 0,57
2.4. [33,2 36,3 10,0 10,1 5,00 5,05 +0,08 + 0,03
4.—6. |42,4 46,2 9,2 9,9 4,60 4,95 5,08] +0,48 + 0,13
6-8. [52,0 57,5| 9,6 11,3|4,80 5,65 | | | +0,28 —0,57
8.—10. 63,5 672 |11,5 9,7 5,75 -4,85| er? 28
10.—12. 76,6 78,1,13,1 10,9 6,55 5,45, — 1,47 — 0,37
Mittelwert aus A und B = 5,06 mm.
t— 230%
A.]|27.V.—29.V.| 9,1 10,9| 9,1 10,9|4,55 5,45 +1,76. + 0,86
29—31. |21,0 23,1|11,9 12,2\5,95 6,10] + 0,36 + 0,21
31.V.—2.VI. 32,9 34,5|11,9 11,4 | 5,95 5,70 | + 0,36. + 0,61
2—4. 45,8 47,2|12,9 12,716,45 6,35 1\ 334 |— 0,14 — 0,04
4.—6. [58,7 60,4 12,9 13,2|6,45 6,60 | " |—0,14 — 0,29
6.—8. 171,2 73,1|12,5 12,7 |6,25 65 | + 0,06 — 0,04
8.—10. |84,3 87,0/13,1 13,9 6,55 6,95 — 0.24, 064
B. |27.V.—29.V.| 8,6 13,0 | 8,6 13,0 4,30 6,50 | + 1,60 — 0,60
29.31. |19,2 25,1 110,6 12,1 5,30 6,05 +0,60 — 0,15
V.—2.VL.\30,8 35,8 11,6 10,7 5,80 5,35 +0,10 + 0,55
2.—4. 142,4 46,5 11,6 10,7 |5,80 5,35 +0,10 + 0,55
4.—6. 1549 58,0 12,5 11,5 6,25 5,75 — 0,35 + 0,15
6.—8. |66,7 68,2|11,8 10,2|5,90 5,10|/ 990] + 0,00 + 0,80
8.—10. |79,8 80,5 13,1 1233 |6,55 6,15 | — 0,65” 095
10.—12. |93,1 94,6 13,3 14,1 |6,65 7,05 or
12.—14. 1105,0108,3|12,9 13,7 6,45 6,85 —0,55 — 0,95
C. 27.9229.) 9a er 92F 7 2600255 +1,43 +1,68
29—31. [19,7 21,8110,5 13,1 5,25 6,55 +0,78 — 0,52
31.V.—2.V1. | 31,8 33,2 |12,1 11,4|6,05 5,70 | — 0,02 + 0,33
2.—4. |43,9 45,0 12,1 11,8, 6,05 5,90 10,02 720,18
4.—6: 55,7 57,3 |11,8 12,3|5,90 6,15 +0,18 — 0,12
6.8. [68,1 69,2|12,4 11,9 | 6,20 5,9515 03 | _ 0,17 + 0,08
8.—10. 81,0 83,0 [12,9 13,8 | 6,05 6,90] — 0,020 0087,
10.—12. 94,0 94,6 13,0 11,6 6,50 5,80 — 0,47, 2003
1214, 110550, 9 aa20, 1 ae
Mittelwert aus A, B, C = 6,08 mm.
[59] _Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 93
ct — 26,0.
I f Zwei pr Fire BU
r Gesamt- auBäglicher|... Ab-
Zeit des länge tügige Zunahme Mittel. weichungen
Wachstums Zunahme | wert
aD Eh 8; en a b
A.| 27.V.— 29.V.| 10,9 12,2|10,9 12,2) 5,45 6,10) +1,20 +0,45
29.—31. |23,6 23,8|12,7 11,6 |6,35 5,80 +0,30 + 0,85
31.V.—2.VI. | 36,0 36,4|12,4 12,6)6,20 6,30 +0,15 +0,35
2.—4. |49,2 49,2|13,2 12,8 | 6,60 6,40 +0,05 +0,25
—6. [62,5 646/133 15,2|6,65 7,70 f 6655| ı 000 —1,05
6.—8. [76,3 78,1|13,8 13,5 |6,90 6,75 25728010
8.—10. 90,9 91,9|14,6 13,8 7,30 6,90 —0,65 —0,3
10.—12. [105,8 106,1|14,9 14,2| 7,45 7,10 — 0,80 — 0,45
B. | 27.V.—29.V.| 9,2 99| 92 9,9|4,60 4,95 +1,60 +1,35
29.—31. [22,5 .23,6|13,3 13,7 |6,65 6,85 0,45 — 0,65
31.V—2.V1|32,2 35,0| 9,7 12,4 4,85 6,20 ( 9209| 1,35 +0,00
a EL ee | u
Bee Na AS BEN —
29.—31. |19,4 10,7|11,9 10,7|5,95 5,35 +0,85 +1,45
31.V.—2.VI. 31,1 23,1|11,7 12,4 5,85 6,20 +0,95 + 0,60
2.—4. [49,6 35,7 18,5 12,6 |9,25 6,30 — 2,45 + 0,50
4.—6. 64,0 50,9|14,4 15,2 7,20 7,60 |( 680 | _o,40 — 0,80
6.—8. |80,0 66,0 116,0 15,1|8,00 7,55, 30 0,16
8.—10. [92,2 79,8|12,2 13,8\6,10 6,90, ee ET
10.—12. 104,6 93,4 12,4 13,6 |6,20 6,80 + 0,60 + 0,00
Mittelwert aus A, B, C = 6,55 mm.
t= 30,0°.
Ay ou. aa. ale ae] 351,60 | + 0,09 — 0,06
9,31...) 7,2 .8,2|. 43 5,0[2,15 2,50 — 0,61 — 0,96
31.V.—2.V1.|10,8 11,9| 3,6 . 3,7|1,80 1,85 206 0
2 4,..127 14119 220,95 1,10) +0,59 +0,44
4.—6... [15,4 16,8| 2,7. 2,7\1,35 1,35 |% 1,54 | + 0,19. + 0,19
6.8. 118,8 19,5| 34 2,7|1,70 1,35 20,16 .180:19
8—10. [21,7 21,9| 29 24|1,45 1,20 +0,09 + 0,34
10.—12. [242 25,0| 25 311,25 1,55 +0,29 — 0,01
12.—14. |27,9 27,6| 3,7 2,6|1,85 1,30) Te
94 KARL HorrMmann, [60]
| nt E;
- Zwei- ee
\ Gesamt- Tägliche | Ab-
Zeit des | „. tägige Mittel- .
länge Zunahme weichungen
Wachstums | 6 Zunahme | wert | 5
Im, | BWEER IT SH a b
B. | 27.V.—29,.V.| 3,4 : 3,0.|.3,4 3,0|1,70 1,50 |) — 035.016
| |
29.—3. | 69 51| 35 2111,75 1,05|7 1,35] 0,40 + 0,30
31.V.—2.VL| 90 72| 21 2111,05 1,05 +0,30 + 0,30
| | |
C.|e1.v. 28V. 28 | 28 1,40 — 0,12
29.—31. | 6,2 3,4 1,70 —.0,42
31.V.—2.VI.| 9,1 2,9 1,45 — 017
ee DR) 1,10 | + 0,18
4.—6. 14,2 2,9 1,45 1,28 7
EN 16,5 33 1,15 | +0,13
Jill 19,2 27 | 85 | — BR
10.12. 21,0 1.50 0000 | +0,38
19214: 23,0 2,0 1,00 | + 0,28
Mittelwert aus A, B, C = 1,39 mm.
Wie vorher mögen diese Wachstumsverhältnisse in einer
Kurve gezeigt werden.
13,60
Fig. 4.
230 260 300
Auch hier findet der Wachstumsanstieg nicht in einer
geraden Linie statt; vielmehr ist auch hieraus zu entnehmen,
dals sich vor dem Optimum die Kurve steiler erhebt als zu
Beginn des Anstiegs.
Ne}
IS};
[61] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze.
3. Wachstumsverhältnisse von Coniophora cerebella Il.
Die zu den Versuchen benutzten Petrischalen hatten
einen Durchmesser von ll em und wurden 32 eem dunkler
Bierwürze beschiekt. Dem Nährboden war wiederum 5°/,
Agar-Agar hinzugefügt. Geimpft wurden die Schalen am
25. Mai 1909.
t= 13,6% Die Malse sind in mm angegeben.
| Zwei- 0
\ Gesamt- Tägliche | | Ab-
Zeit des x | tägige Mittel- :
länge | Zunahme \ weich a
Wachstums .- , Zunahme ae wert | EPIET
DAR 9 He ah I a b
A.|29.v -s1.v.lna6 —| 36. — 1807 = ae
BIV-SaNVL | 120 84) 85 8014255420 +1,68 +1,73
zn 22,7 18,6 10,6 10,2|5,30 5,10
4.—6. 34,0 29,2 11,3 10,6 |5,65 5,30
6.—8. |45,8 43,1 11,8 13,9 | 5,90 6,95
8.—10. '|56,0 55,6 10,2 123,5 5,10 6,25
10.—12. [69,7 69,3 |13,7 13,7 |6,85 6,85
+0,63 + 0,83
+0,28 + 0,63
5,93 | + 0,03 — 1,02
+ 0,83. —0,32
92, 0.92
Su RR ER Re] Er As —
aan 125 | (102) — 15.101 — N
2—4. 125,4 10,8 11,9 10,8 15,95 5,40 |) +0,04 + 0,59
4.—6. |35,3 2%,0| 9,9 11,2|4,95 5,60 || +1,04 + 0,39
6.—8. 147,4 34,1/12,1 12,1 16,05 6,05 |} 5,99 | — 0,06 — 0,06
8s.—10. |59,2 46,4 |11,8 12,3|5,90 6,15 +0,09 — 0,16
10.—12. [73,2 60,0 |14,0.13,6 | 7,00 6,80 an ut
0.|29.V.-31.V.| 62 62| 6,2 6,2|3,10 3,10 +3,00 + 3,00
31.V.—2.VI.|17,4 16,9 11,2 10,7 |5,60 5,35 +0,50 +0,75
24. |26,7 26,4| 93 9514,65 4,75 +1,45 +1,35
6.—8. ' 53,7 52,5 13,5 12,2/6,75 6,10] — 0,65 + 0,00
8.—10. 165,4 65,0 11,7 12,5 |5,85 6,25 | +0,25 — 0,15
10.—12. |80,0 78,8 |14,6 13,8 |7,30 6,90| 190.080
Mittelwert aus A, B, C = 6,01 mm.
4.—6. [40,2 40,3 |13,5 13,9 |6,75 a — 0,65 — 0,85
t = 18,09,
A.|29.V.—31.V.|15,2 15,4|15,2 15,4| 7,60 7,70 |+2,77 +2,67
31.V.—2.V1. |34,3 36,1 | 19,1 20,7 9,55 10,35 | +0,82 + 0,02
24. 55,1 573 120,9 21,2 10,40 10,60| 110,37 — 0,03 — 0,23
43#6,.-) 76,8%58,2 | 21,7 20,9 10,85 10.45] | — 0,48: — 0,08
96 KArı HOFFMANN, [62]
| Zwei- a:
Gesamt- Tägliche Ab-
Zeit des er tägige Mittel- :
' länge Zunahme weichungen
Wachstums | 5 Zunahme r wert i 8
ce) ash DEE a b
B.|29.V.—31.V.|16,1 17,2 16,1 17,2| 8,05 8,60 +1,66 +1,21
31.V.—2.V1. 35,4 34,6 |19,3 17,4 | 9,65 8,70 ) +0,06 — 1,01
2.—4 55,3 54,1/19,9 19,5 | 9,90 9,75|} 9,71 |— 0,19 — 0,04
4.—6. 75,6 74,0120,3 19,9 110,15 9,90.) —0;44-—10;19
C.|29.V.-31.V.|17,3. 18,4 |17,3 18,4 | 8,65 9,20 +1,13 + 0,68
31.V.—2.VI. 37,2 38,0 19,9 19,6 | 9,95 9,80 — 0,07 + 0,08
2.—4. 1571 57,9|19,9 19,5 | 9,95 9,75|1 9,881 — 0,07 + 0,13
4.—6. |7%2 77,0|20,1 19,5.|10,05 9,75, an
Mittelwert aus A, B, C = 9,99 mm.
t = 20,00.
A.|29.V.—31.V. | 17,6 17,6| 17,6 17,6| 8,80 8,80 |-+ 2,03 + 2,03
31.V.—2.Vl. 41,2 38,6 |23,6 21,0 |11,80 10,50 —0,97 + 0,33
2.—4. 64,3 60,7|23,1 21,9 11,55 10,95| 110,83 | — 0,72 — 0,12
4.—6. |84,2 81,0119,9 20,3) 9,95 10.15 | +0,88 +0,68
B. |29.V.—31.V.| 12,4 13,1 112,4 13,1| 6,20 6,55 bie 82
31.V.—2.V1.|33,2 34,5 |20,8 21,4 |10,40 10,70 +09 033
2.—4. |57,8 59,2| 24,6. 24,7 12,30 12,35) 111,37 | — 0,93. — 0,98
A 6... | 80,21. 81,4| 22,4 25 11.20 1125) 10 2
C.|29.V.-21.V.| 15,6 15,2|15,6 15,2| 7,80 7,60 +2,69 + 2,89
31.V.—2.V1. | 36,8 37,3 |21,2 22,1 |10,60 11,05 —0,11 — 0,6
2—4. 156,2 58,4\19,4 21,1| 9,70 10,55 110,49 | + 0,79 — 0,06
426.4 77,4) 702) 250 900 10.70 10,35 J 0 702
Mittelwert aus A, B, C = 10,90 mm.
t 280%
A.| 29.V.— 31.V.| 19,4 19,8] 19,4 19,8 | 9,70 9,90) +2,49 +2,29
31.V.—2.VI. | 43,8 44,0 | 24,4 24,2 12.201210), ., — 0,01 + 0,09
2—4. |68,2 68,5|24,4 24,5 12,2012,25) © ° —0,01 —0,06
| |
B.| 29.V.—31.V.| 23,1 21,4\23,1 21,4 11,55 10,70 —0,05 + 0,80
31.V.—2.VI. |48,2 43,5 125,1 22,1 1%,5511,05\,,_, —105 +0,45
24. )72,5 64,2|24,3 21,7 12,15 10,85)” | — 0,65 + 0,65
[63] Wuchstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 97
Zeit d Gesamt- A | Tägliche Sen h | Ab-
RT: A818© | Zunahme |" ©) weichungen
Wachstums | a Zunahme | wert &
|a b &ı, :D 1D a b
C. |29.V.—-31.V.| 17,8 17,4|17,8 17,4| 8,90 8,70 +1,30 + 1,50
31.V.—2.VI. | 39,7 37,4 [21,9 19,7 110,95 9,85), — 0,75 + 0,35
24. 59,4 57,4 20,0 20,0 110,00 10,00 51920 | + 0,20 -+ 0,20
Mittelwert aus A, B, C = 11,50 mm.
|
t = 26,0°.
| A.[29.V.—31.V.|21,2 22,0 |21,2 22,0 |10,60 11,00) +2,08 + 1,68
| 31.V.—2.V1.|46,5 47,5|25,3 25,5 12651275, 12.003 — 007
DA 172,0 12,6 |25,5 25,1 [12,75 12,55)1568 | _ 0,07 +0,13
|
B. | 29.V.—31.V.| 20,0 19,6 |20,0 19,6 |10,00 9,80 175 11,95
31.V.—2.V1.| 42,5 43,3 | 22,5 23,5 LESE + 0,50 + 0,00
2—4. |660 678|233,7 24,5 11,85 12,25 17° | _ 0,10 —0,50
Mittelwert aus A und B — 12,22 mm.
t= 30,0°.
A.|29.V.—31.V.| 22 30| 2,2 3,0|1,10 1,50 2413 %073
31.V.—2.VL!| 52 82| 30 5,2[1,50 2,60 "1.0.73. 0487
2.—4. 9,0 12,6| 3,8 4411,90 2,20| +0,33 + 0,03
4—6. 141 15,9) 51 3,312,55 1,65 | 995 — 0,22 + 0,58
Bl 17,9 20,6| 3,8 4,7|1,90 2,35 zer 033 012
8.—10. |24,0 271| 61 6513,05 3,25 — 0,82 — 1,02
10.—12. |29,6 33,0| 5,6 5,9|2,80 2,95 — 0,57 — 0,72
12.14. |33,8 37,5| 42 4812,10 2,40 +0,13 — 0,17
B.|29.V.—-31.V.| 4,0 42| 40 4212,00 2,10 —0,96 — 0,16
31.V.—2.VL| 70 73| 30 3,11,50 1,55 | +0,44 +0,39
2—4. |10,6 10,9| 3,6 3,6|1,80 1,80 +0,14 +0,14
4—6. |14,7 14,8| 4,1 3912,05 1,95 1,92, .0.11 7 — 0501
6-8. [172 165| 2,5 1,7|1,25 0,85 + 0,69 + 1,09
8 10. |194 194 22 29|1,10 1,5 | +0,84 + 0,49
0212 0722200 1,3 "1,6.10:90° 0:80 7104 1A
Mittelwert aus A und B = 2,08 mm.
Zeitschr, f, Naturwiss,. Halle a. S. Bd. 82,
1910,
98 KARL HOFFMANN, [64]
In der Kurve sind die Wachstumsverhältnisse graphisch
dargestellt.
Auch bei dieser Wachstumskurve kann von einem gerad-
linigen Aufstieg nicht die Rede sein. Je mehr sich die Kurve
ihrem Optimum nähert, um so steiler wird sie, um vor dem
Maximum sieh weniger steil zu erheben.
13,60 180 200 230 260
Fig. 5.
4. Temperaturwerte von Po/yporus vaporarius.
Auch Polyporus vaporarius wurde in Petrischalen von
11 em Durehmesser, die mit 32 cem dunkler Bierwürze, der
50/, Agar-Agar zugesetzt war, beschiekt waren, in seinem
Wachstum bei verschiedenen Temperaturen beobachtet. Da
mir nur eine kleinere Anzahl von Kulturgläsern zur Verfügung
standen und immer einige Versuche milsglücken, da die
Petrischalen besonders leieht verunreinigt werden, konnten
30
[65] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 99
bei 13,6° und 30,0% nur je eine Sehale mit je zwei Ab-
lesungen verwendet werden.
t—= 13,6%. Die Malse sind in mm angegeben.
Zeit d Gesamt- Te Tägliche Mittel Ab-
eit des R ägige ittel- j
länge Zunahme weichungen
Wachstums is Zunahme ert 5
&l'cb a b Seen a b
A.B.VL—10.VI| 47 46 47 4612,35 2,30) — 0,30 — 0,35
0, 12, | 73 84126 -3811,50 1,90 | +0,75 +0,15
12.—14. |11,2 1235| 3,9 4,1|1,95 2,05|) 2,05| +0,10 + 0,00
14.—16. [15,9 174| 4,7 4,9|2,35 2,45 || — 0,30 — 0,40
16.—18. |193 21,7| 34 4,3|1,70 2,15 |) +0,35 — 0,10
t= 18,0°.
A.B.VL-10.VL| 62 —| 62 — 3,10 — |) 0
10.—12. | 99 45| 3,7 45|1,85 2,25 -1.0.731:1.0,33
12.—14. |16,9 91| 7,0 4,6|3,50 2,30 |} 2,58|—0,92 + 0,28
14.—16. |21,8 14,0. 49 4,9|2,45 2,45| ESEL NE
16.—18. |27,0 19,6| 5,2 5,6 2,60 2,80 002, 0,22
B. [8.VL—10.VL| 74 61| 74 6,113,70 3,35 A Km
10.—12. [15,0 12,5| 7,6 6,4|3,80 3,20 NETENKN
12.—14. |20,0 18,1| 5,0 5,6|2,50 2,80 |\ 3,04 | +0,54 + 0,24
14.—16. |24,8 23,0| 4,8 4,9|2,40 2,45 | + 0,64 + 0,59
16:—18. |31,2 29,6| 6,4 6,6|3,20 3,30 ler 0,26
Mittelwert aus A und B = 281 mm
t= 20,0°.
A.|10.VI.-12.VL| 52 5,4| 5,2 5,4|2,60 2,70| + 0,10. + 0,00
12.—14. |11,3 10,2| 61 4813,05 2,40 | y..|— 0,35| + 0,30
14.—16. |17,4 15,9| 6,1 5,7|3,05 | 7 | —0,35\— 0,15
16.—18. |22,1 21,0| 47 511235 2,55 +0,35 — 0,15
B.6.VL—10.V1. 52 — | 52 — [260 — |) 0
10.—12. |11,6 75| 64 75|320 3,75 +0,38 — 0,17
12.—14. 118,7 15,0| 6,1 7,5 3,05 3,75 Nas 50T
14.—16. [27,1 21,1| 8,4 6114,20 3,05 | — 0,62 +0,53
16.—18. |35,4 29,0| 83 7,9|4,15 3,95 ) —0,57 —0,47
100 Karı HOFFMANN, [66]
Zeit des Gesamt- Fr Tägliche Mittel Ab-
i länge 2518° | Zunah US uawwel
Wachstums 5 Zunahme ne wert weichunpen
a. :ıb a Knb MD a b
|
C. [8.VL—10.VL| 50 4,5| 50 4,5] 2,50 2,25 +0,45 + 0,70
10.—12. |10,1 10,01 5,1 5,5 2,55 2 | + 0,40 + 0,20
12.—14. 15,9 16,3| 5,8 6,3 2,90 3,15 |) 2,95 | + 0,05 — 0,20
14.—16. |22,9 23,2| 7,0 5,9|3,50 2,95| — 0,55 +0,00
16.—18. 28,7 30,2| 5,8 8,0 |2,90 4,00 + 0,05 — 1,05
Mittelwert aus A, B, C = 3,08 mm.
t= 23,00.
A.|8.VIL—10.VI.| 5,1 6,0| 5,1 6,0|2,55 3,00 +1,70 +1,25
10.—12. [13,4 15,0| 8,3 9,014,15 | +0,10 — 0,3
12.14. 123,2 24,1| 98 9114,90 455 || ;o, | — 0,65 — 0,30
14.—16. |30,0 32,2| 6,8 8,1|3,40 4,05 [+0,85 +0,20
16.—18. |38,1 41,0| 8,1 8,8|4,05 4,40 +0,20 — 0,15
B. [8.VL—-10.V1| 70 62| 70 6,2[3,50 3,10| +0,75 +1,15
10.12. 145,4. 14,7 | 82.985 4.90 | +0,05 + 0,00
12.—14. 1240 23,4| 8,6 8,7|4,30 4,35 || „9, |—0,05 — 0,10
14.—16. |31,2 31,0) 7,2 7,6 |3;60 3,80 | | I +0,65 +0,45
16.—18. |40,6 40,6 | 9,4 9,6 4,70 4,80 — 0,45 — 0,55
C.|10.V1.-12.VL| 42 53| 42 5312,10 2,65 +1,15 + 0,60
1212 119,1, 112 | 6,959 3,5 2,95 — 0,20 +0,30
14.—16. 175 171) 64 5,9|3,20 2,95" 3,25 |-+ 0,05 -+ 0,30
16.—18. 24,5 24,0| 7,0 6,9|3,50 3,45 J 20
Mittelwert aus A, B, C = 3,92 mm.
t = 26,0°.
A.|8.V1.—10.VL| 10,0 10,2 10,0 10,2 5,00 5,10 |) — 0,60 — 0,70
.—12. |18,4 20,2 8,4 10,0 |4,20 5,00 |] + 0,20 — 0,60
12.—14. \27,2 3275| 8,8 731440 3,65 |) 4,40| + 0,00 + 0,75
14.—16. |36,0 36,1) 8,8 8,6 |4,40 4,30 | + 0,00 + 0,10
16.—18. |43,9 44,0 79 7,9|3,95 3,95 |) +0,45 + 0,45
B.|8.VL—10.VI.| 92 87| 9,2 8,7[/4,60 4,35 — 0,30 — 0,05
10.—12. |171 182) 7,9 9,5|3,95 4,75 | +0,35 — 0,45
12.—14. [26,2 26,5| 9,1 8314,55 4,15 | 4,301 _0,95 +0,15
14.—16. |34,0 34,8| 7,8 8,3 |3,90 4,15 +0,40 + 0,15
“
[67] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 101
Zwei- | muy |
Gesamt- Tägliche Ab-
Zeit des “ tägige |, Mittel- :
länge Zunahme | weichungen
Wachstums = Zunahme wert .
a, aD aD a b
0.|8.VL—10.VI. 6,7 84 6,7 8,413,35 4,20 ] +0,94 + 0,09
10.—12. |15,1 173| 84 891420 4,45 | +0,09 — 0,16
12.—14. |241 271| 9,0 9,8|4,50 4,90 |\ 4,291 —0,21 — 0,61
14.—16. |33,6 36,0| 9,5 8,9|4,75 145 | — 0,46 — 0,16
16.—18. |41,7 44,0| 81 80|4,05 4,00 |) +0,24 + 0,29
Mittelwert aus A, B, C = 4,53 mm.
— 30,0°.
A.[8.VL-—10.VL| 42 25| 42 25|2,10 1,25| |— 0,66 + 0,19
10-12. | 6,9 A8| 2,7 -2,3 11,35 1,15 |t 1,44 | +0,09 + 0,29
12—14. |103 70| 34 2,2)1,70 1,10| — 0,26 + 0,34
Es ergibt sich aus den angeführten Beobachtungen
folgende Wachstumskurve (die Werte sind für je zweimal
10 Tage berechnet).
300
13,60 180 200 230 260
Fig. 6.
102 KARL HoFFMANN, [68]
Auch aus dieser Kurve können wir nicht auf einen
linearen Verlauf der Wachstumskurven schliefsen. Es ist
nur die Tatsache zu vermerken, dals vor dem Optimum ein
steilerer Anstieg erfolgt, um nachher wieder allmählich ab-
zufallen.
111. Verlauf der Wachstumskurven.
Wenn wir irgend eine der Wachstumskurven nach FALck
betrachten — ich wähle Merulius laerymans domesticus!) —
so ergibt sich dasselbe Bild.
+
+
50 100 140 180 220 260
Fig. 7.
Die Kurve, welehe dureh die Waehstumswerte bei den
verschiedenen Temperaturen bedingt ist, wird sich ganz nach
meinem Belieben mehr oder weniger einer Geraden nähern
je nach den Verhältnissen, welche ich zur Darstellung benutze.
Wähle.ich die Temperatureinheiten recht grols, so wird
die Kurve wenig von einer Geraden abweichen, wähle ich
aber zur Darstellung der Wachstumswerte grölsere Ein-
heiten, so ist die Kurve verhältnismälsig kürzer und die Ab-
weichungen vom geradlinigen Verlauf treten deutlicher hervor.
Aus den von mir erhaltenen Wachstumskurven kann
ich nieht folgern — ebensowenig aus den von FALCK ge-
wonnen —, dals der Wachstumsanstieg eine lineare Funktion ?)
1) Vgl. Falck, S. 92.
2) Im Gegensatz zu Falck, 8.108 und 109,
[69] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 103
der Temperatur ist. Ich kann nach den gegebenen Ver-
hältnissen nur den Schlufs ziehen, dafs vor dem Optimum
sich die Wachstumskurve steiler erhebt und dals sie nach
dem Maximum ziemlich steil abfällt.
Zu bemerken ist aulserdem noch, dals durch das Ex-
periment noch nicht erwiesen ist, ob wirklich bei 0% kein
Wachstum stattfindet. Die Annahme FArcks, erst von 3,0°
die Wachstumskurve ihren Aufstieg vornehmen zu lassen,
ist willkürlicb und keine zwingende Folge seiner Be-
obaehtungen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dafs in
Eiskellern mehrfach lebender, also wachsender Hausschwamm
gefunden wurde,!) so dafs es nicht unmöglich erscheint,
dals auch bei 0% bei genügend langer Gewöhnung an
diese niedrige Temperatur ein, wenn auch langsames,
Waehstum stattfindet.
IV. Die Bedeutung des Sauerstoffs für das Wachstum
der Mycelien.
1. Ana&robe Kulturen.
In seinen Untersuchungen über „Wachstumsintensitäten
usw.“ führt FALck?) auch Versuche an, die er unter der
Bedingung der anaöroben Kultur vornahm. Nach seinen
bisherigen Feststellungen entwickelt sieh das Mycel des
Merulius lacrymans ohne Sauerstoff längere Zeit hindurch
ebenso günstig wie in aöroben Kulturen. Um dies nachzu-
prüfen, verschlofs ich einige Kulturröhren der Coniophora cere-
bella I und II, des Paxillus acheruntius, Merulius lacrymans
und Merulius silvester mit festen Wattepfropfen und legte
darüber eine dieke Schieht von Paraffın, so dafs Luftzutritt
nicht mehr stattfinden konnte. Einige Tage hindurch war
noch Wachstum vorhanden, das allerdings nicht mehr so
intensiv war; aber bald kam dies völlig zum Stillstand.
Dies Verhalten konnte am Sauerstoffmangel oder an der
Kohlensäureanreicherung der Luft liegen. Um dies näher
1) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S$. 59.
2) Vgl. Falck, $. 123.
104 KARL HOFFMANN, [70]
zu untersuchen, unterwarf ich die Mycelien der von mir
behandelten Pilze der Wasserstoffkultur. Ich ging so vor,
dals ich in Erlenmeyer-Kolben zunächst eine ausreichende
Nährsehieht sterilisierte. Diese Gefälse waren mit einem
doppelt durehbohrten Kautsehukpfropfen versehen, durch den
zwei Glasröhren hindurehführten, die der leichteren Be-
handlung wegen rechtwinklig umgebogen waren. Wenn die
Kulturen in den Kolben einen Durchmesser von ca. 5—7 em
erreicht hatten, wurden sie mit chemisch reinem Wasserstoff
beschiekt und hierauf die Zu- und Ableitungsröhren zu-
geschmolzen. Um jeden Luftaustausch unmöglich zu machen,
war die obere Öffnung der ERLENMEYER-Kolben und die
Kautschukpfropfen mit einer absolut sicher schlielsenden
Paraffin- resp. Wachsschicht überzogen. So wurden die
Bedingungen der anaöroben Kultur auf eine verhältnismälsig
leichte und sichere Weise gewonnen. Zu erwähnen ist noch,
dals von jeder untersuchten Pilzspezies wenigstens zwei
Versuche vorgenommen wurden; war etwa eine Kultur ver-
unreinigt, so wurde der Versuch wiederholt, so dafs für jede
Bestimmung zwei oder mehrere absolut sichere und über-
zeugende Beobachtungen vorliegen.
Merulius lacrymans (vom 21. April 1909) wurde am
7. Mai mit Wasserstoff beschickt. Schon nach 4 Stunden
zeigte sich ein Einfluls des mangelnden Sauerstoffs. Das
Mycel senkte die nach oben strebenden Hyphen nach unten.
Dieser Vorgang der Einkrümmung verstärkte sich von Stunde
zu Stunde, so dafs am 8. Mai das Substrat wie von einem
Sehleier überzogen erschien. Am 17. Mai war das Mycel
dem Nährboden vollkommen angedrückt, so dals es kaum
noch sichtbar war. Es war nun möglich, dals der Pilz sich
von der sauerstoffarmen Atmosphäre zu dem Substrat ge-
wendet hatte, um sieh den darin befindlichen gebundenen
Sauerstoff nutzbar zu machen, dals der Pilz also im Nähr-
boden weiter wuchs. Um dies zu untersuchen, wurde am
17. Mai die Spitze der zuführenden Röhre abgebrochen,
so dals ein geregelter Gasaustausch stattfinden konnte.
Das Resultat war, dafs auch jetzt der Pilz kein Luftmycel
mehr bildete; auch eine Impfung, von dieser Kultur vor-
genommen wurde, liels kein Wachstum erkennen. Nach
[71] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 105
weiteren 3 Wochen war Merulius lacrymans nieht weiter
gewachsen: er war tot. Zwei andere Kulturen, die in der-
selben Weise behandelt wurden, gingen bei der Sauerstoffent-
ziehung ebenfalls sofort zu Grunde und wuchsen nicht weiter.
Es fragte, sich nun, ob der Sauerstoffmangel den Pilz
sofort zu töten vermochte oder ob der im Nährboden
vorhandene gebundene Sauerstoff ausreichte, um ihn eine
Zeitlang am Leben zu erhalten. Der vorhin besprochene
Versuch war so eingerichtet, dafs nach zehntägiger Wasser-
stoffkultur der Pilz wieder normale Wachstumsbedingungen
erhielt: nach zehn Tagen Sauerstoffentziehung war das Mycel
abgestorben.
Ein anderer Versuch zeigte, dafs auch siebentägiger
Mangel an Sauerstoff genügte, um den Pilz zu töten, auch
vier Tage ana@robe Kultur zeitigten dasselbe Resultat. Nach
dreitägiger Sauerstoffentziehung wuchs jedoch ein stark
entwickeltes Mycel weiter. Einige andere Versuche, die mit
gering gewachsenen Mycelien vorgenommen wurden, lielsen
erkennen, dafs der Pilz, wenn er nur schwaches Luftmycel
gebildet hat, aueh schon nach dreitägigem Sauerstoffmangel
zu Grunde geht.
Wir können aus diesen Versuchen den Schluls ziehen,
dals ein kürzerer Aufenthalt in sauerstoffreier Luft den
Merulius lacrymans schwer sehädigt — er stellt sofort sein
Wachstum ein —, dafs aber der vom Mycel festgehaltene
Sauerstoff genügt, ihn einige, aber nur kurze Zeit am Leben
zu erhalten, so dals sich das Mycel bei Sauerstoffzufuhr
wieder erholen konnte. Kräftig ausgebildetes Mycel kann
infolgedessen mehrere Tage in sauerstoffreier Atmosphäre
“ lebensfähig bleiben. Er wird aber unter allen Umständen
bei längerem Sauerstoffmangel getötet.
Mit Merulius silvester wurden drei Parallelversuche
angestellt; diese zeigten übereinstimmend, dafs auch er zu
seiner Lebenstätigkeit den Sauerstoff der Luft nötig hat.
Nach fünf und nach zehntägigem Aufenthalt in dem Wasser-
stoff war er vollkommen getötet.
Merulius favosus kann ebensowenig ohne Sauerstoff
existieren. Auch bei diesem Pilz beobachtete ich überein-
stimmend mit dem Verhalten von Merulius lacrymans und
106 KARL HOFFMANN, [72]
Merulius silvester, sowie mit den Mycelien der anderen Pilze,
dals sich der Sauerstoffmangel so bemerkbar machte, dafs
sieh die obersten IHyphenenden nach unten krümmten und
so allmählich sieh tiefer und tiefer zu dem Substrat neigten,
bis das ganze Mycel den Nährboden wie ein Schleier überzog.
Nach vierzehn Tagen und auch nach vier Tagen war der
Pilz abgestorben und zeigte unter den Bedingungen der
aöroben Kultur, in die er dann gebracht wurde, kein Wachs-
tum mehr.
Auch Polyporus vulgaris, Polyporus vaporarius und
Polyporus serialis, die in anaörob gehaltenen Kulturen einige
Wochen hindurch beobachtet wurden, zeigten die gleichen
Verhältnisse. Ihr Mycel stellte ebenfalls sofort das Wachs-
tum ein. Polyporus vaporarius liels erkennen, dals eine
gut gewachsene Kultur die Sauerstoffentziehung einen Tag
aushielt, zwei Tage Sauerstoffmangel töteten auch ihn voll-
kommen. Auch hier war wieder die Erscheinung, dals das
Mycel selbst soviel Sauerstoff festhält, um kurze Zeit das
Leben zu ermöglichen, sicher zu erkennen.
Coniophora cerebella und Pawillus acheruntius können
nach meinen Resultaten nicht ana@rob wachsen; ebenso auch
Polyporus destructor nieht. Die Schädigungen des Sauerstoff-
mangels sind schon nach kurzer Zeit deutlieh sichtbar; ein
Längenwachstum kam nicht in Frage. Die Messung wurde
täglich vorgenommen, indem an auf der Unterseite der Kolben
aufgeklebten Papierstreifen bei der Durchsicht gegen das
Lieht Markierungen vorgenommen wurden. Die Einstellung
des Wachstums geschah sofort nach der Sauerstoffentziehung
und seit diesem Augenbliek war keine Zunahme im Längen-
wachstum zu vermerken. Vielmehr nahm die Ausbreitung
der Mycelien etwas ab, da auch die vorderen Lufthyphen
eingekrümmt wurden und so eine Verminderung der Längen-
ausdehnung herbeiführten. Diese Erscheinung ist nur die
Folge des Sauerstoffmangels.
Bei (oniophora cerebella, Polyporus destructor, Polyporus
serialis und Paxillus acheruntius konstatierte ich nun ein
merkwürdiges Verhalten. Die beobachteten Kulturen zeigten
kein weiteres Längenwachstum, und auch das Mycel legte
sich in der beschriebenen charakteristischen Weise dem
[73] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 107
Substrat an, nur dafs dieses Anlegen nicht so intensiv geschah;
etwas Mycel und einige Lufthyphen blieben noch deutlich
sichtbar. Als ich nun nach 20 Tagen Sauerstoffentziehung
die Coniophora cerebella wieder den Bedingungen der aöroben
Kultur unterwarf, erholte sich das Mycel zusehends. Nach
einem Tage war es soweit gekräftigt, dals es ganz das
Aussehen der Kultur vor dem Beschieken mit Wasserstoff
hatte, und am zweiten Tage danach zeigte sich recht intensives
Waehstum, das auch weiterhin anhiel. Auch nach vier
Tagen Sauerstoffentziehung wuchs das Mycel üppig weiter,
als ihm wieder Sauerstoff zugeführt wurde. Jedenfalls ist
hierdurch erwiesen, dals Coniophora cerebella gegen Sauerstoff-
mangel sehr widerstandsfähig ist. Das intensive und sehr
kräftige Wachstum dieses holzzerstörenden Pilzes versetzt
ihn in die Möglichkeit, dem Nährboden soviel Sauerstoff zu
entziehen, als ihm zur Erhaltung seiner Lebensfähigkeit nötig
ist. Da Coniophora cerebella in dem ERLENMEYER-Kolben
obne Sauerstoff zwanzig Tage hindurch lebend blieb, kann die
Erscheinung unmöglich darauf zurückzuführen sein, dals in
dem Mycel selbst genügende Mengen von Sauerstoff gespeichert
waren. Das Verhalten dieses Pilzes stimmt auch mit meinen
sonstigen Beobachtungen überein, denen zufolge Coniophora
den von mir benutzten Nährstoff in ausgiebigem Malse
zerstört. Man sieht an der Verfärbung des Nährbodens, der
bei mir stets heller gefärbt wurde, dals der Pilz irgendwelche
Stoffe ausscheidet, die den Nährboden zersetzen. Auf diese
Weise dringt Coniophora cerebella oft tief in das Kultur-
substrat ein. Jedenfalls zerstörte er in derselben Zeit inten-
siver den künstlichen Nährboden als Merulius lacrymans
oder Merulius silvester.
Ein ähnliches Verhalten wie Coniophora zeigt Paxillus
acheruntius. Auch das Mycel dieses holzzerstörenden Pilzes
wurde durch Sauerstoffentziehung schwer geschädigt. Es
wurde mehr und mehr dem Nährboden angedrückt, so dals
es schlie[sliieh den Anschein hatte, als ob das Substrat
mit einer öligen Haut überzogen wäre. In zehn und in
fünfzehn Tagen Aufenthalt in einer Atmosphäre ohne Sauer-
stoff zeigte auch Paxillus acheruntius kein Längenwachstum.
Als ihm aber nach dieser Zeit wieder Sauerstoff geboten
108 KARL HOFFMANN, [74]
wurde, erholte auch er sich und hatte bald das ganze Sub-
strat bewachsen. Hiermit ist auch die Widerstandskraft gegen
Sauerstoffentziehung für Paxillus acheruntius erwiesen.
Polyporus destructor und Polyporus serialis blieben
ebenfalls in sauerstoffreier Luft lebend. Beide Pilze wurden
in gleicher Weise nach 5 und nach 15 Tagen Wasserstoff-
kultur nieht getötet, sondern wuchsen, wenn sie dann die
Mögliehkeit hatten, Sauerstoff zu atmen, weiter. Also auch
Polyporus destructor und Polyporus serialis vermögen intra-
molekular zu atmen.
Wenn (oniophora cerebella, Paxillus acheruntius, Poly-
porus destructor und Polyporus serialis tatsächlich bei
Sauerstoffentziehung normale intramolekulare Atmung ein-
leiten können, so mulste sich in den Kulturen ohne
Sauerstoffzuführung Alkohol nachweisen lassen. Zur Prüfung
wurde die Jodoformreaktion benutzt.!)
Bei diesen Versuchen ergab sich nun, dafs tatsächlich
unter den Bedingungen der anaöroben Kultur Polyporus
destructor, Polyporus serialis, Comiophora cerebella und
Paxillus acheruntius Alkohol bilden. Besonders deutlich
trat diese Erscheinung bei Polyporus destructor hervor.
Dieser Pilz bildet auch in aöroben Kulturen reichlich Alkohol,
während Coniophora cerebella, Paxillus acheruntius und
Polyporus serialis bei Gegenwart von Sauerstoff zwar auch
Alkohol bilden, doch bei weitem nieht so reichlich wie
bei Sauerstoffentziehung. Polyporus destructor bildete in
a@roben und in anaöroben Kulturen am intensivsten Alkohol.
Es ist hier gleichzeitig darauf hinzuweisen, dals Pawxillus
acheruntius und Polyporus destructor den von mir benutzten
Nährboden sehr kräftig ausnutzen. Wenn sie den anderen
Pilzen auch an täglichem Längenwachstum nachstehen, so
zerstören sie doch in gleicher Zeit das Substrat in bedeutend
höherem Malse.
Fernerhin wurde versucht, ob die Merulius-Arten und
Polyporus vaporarius ebenfalls Alkohol bilden können. Es
ergab sich, dals weder in aöroben noch in anaöroben
!) Vgl. Detmer, Kleines pflanzenphysiologisches Praktikum,
8. 157.
[75] _Wacehstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 109
Kulturen Alkohol nachgewiesen werden konnte. Da also
Merulius lacrymans, Merulius silvester, Merulus favosus
und Polyporus vaporarius sich den im Nährboden vor-
handenen gebundenen Sauerstoff nicht frei machen konnten,
gingen sie ana@roben Kulturen in kurzer Zeit zugrunde.
Im Anschlufs hieran möchte ich darauf hinweisen, dafs
nach den bisherigen Erfahrungen !) Polyporus destructor,
Polyporus serialis und Paxillus acheruntius als echte
Parasiten bekannt sind. Diese Pilze besitzen nach meinen
Untersuchungen tatsächlich die Mögliehkeit intramolekularer
Atmung. Aulserdem vermag auch Coniophora cerebella den
im Substrat gebundenen Sauerstoff frei zu machen; dieser
Pilz war bisher als echter Saprophyt angesehen worden.!)
Insbesondere mache ich gleichzeitig darauf aufmerksam,
dals Coniophora cerebella, wie auch bereits von Mez?)
bemerkt wurde, auf sehr feuchtem Substrat besonders gut
wächst. Die Kulturen auf flüssigem Nährmedium 3) zeigen
aufs deutlichste, dals Coniophora cerebella bei Gegenwart
grolser Feuchtigkeitsmengen üppig Mycel bildet, dafs dieser
Pilz aber auch imstande ist, anaörob zu wachsen. Wir
können aus diesem Verhalten folgern, dals auch Coniophora
cerebella die Möglichkeit parasitischer Lebensweise besitzt
und auch kubisch zu wachsen vermag.
Für Paxillus acheruntius folgen dieselben Schlüsse wie
für Coniophora cerebella. Sein Verhalten in anaöroben
Kulturen zeigt klar, dafs er ebenfalls als echter Parasit
gelten muls.?)
Dagegen zeigen die Versuche, dals Merulius lacrymans,
Merulius siWwester, Merulius favosus und Polyporus vapora-
rius als echte Saprophyten anzusehen sind; hierauf weist
auch das von ihnen bekannte oberflächliche Wachstum hin.>)
1) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, 8. 198.
2) Ebenda S. 173.
®) Ebenda S. 102 und 109.
4) Ebenda S. 148.
°) Ebenda S. 200.
110 KarL HorfManN, [76]
2. Oxygenotropismus des Pilzmycels.
Das Verhalten der Mycelien von Merulius lacrymans,
Merulius favosus, Merulius silvester, Poyporus vulgaris,
Polyporus vaporarius, Polyporus destructor, Polyporus
serialis, Coniophora cerebella, Paxillus acheruntius unter
den Bedingungen der anaöroben Kultur wies schon darauf
hin, dafs die Pilze ein gewisses Bedürfnis haben, den
Sauerstoff an sieh zu ziehen, um atmen zu können. Dieses
Bestreben ging auch daraus hervor, dals sich in Petrischalen
das Mycel des Merulius lacrymans und Merulius silvester
zwischen Schale und Deckel zwängte. Nahrungsmangel
konnte nicht die Ursache sein; es blieb nur der Sehlufs
übrig, dals der Pilz, der auf dem Nährboden in der Kultur-
schale sehr üppig gewachsen war, nicht genügend Sauerstoff
zur Atmung zur Verfügung hatte. Da das Mycel aber nie
in die Umgebung der Schale hinaus wuchs, mufste sich
mir der Gedanke aufdrängen, dals zwar Sauerstoffbedürfnis
vorhanden war, dals es sich aber in gewissen Grenzen hielt.
Um nachzuweisen, dals die Pilzmycelien tatsächlich
oxygenotrop sind, wurde folgender Versuch angestellt: ein
mit Nährboden beschiekter ERLENMEYER-Kolben wurde mit
einem Kautschukpfropfen verschlossen, durch den drei ver-
schiedene Glasröhren führten: eine zur Zuleitung von Wasser-
stoff, eine zur Ableitung, durch die dritte Öffnung war eine
Kapillare in das Innere eingeführt, die ziemlich dieht über
dem Nährboden endigte. Diese Kapillare stand nur unter
dem Einfluls der äufseren Luftverhältnisse, so dafs durch
sie Sauerstoff eintreten konnte. Die Nährböden wurden mit
Merulius lacrymans geimpft und, wenn dieser gut ange-
wachsen war, mit Wasserstoff beschiekt. Durch die Kapillare
konnte Sauerstoff eindringen. Es ergaben sich bei diesen
Versuchen leider keine sehr deutlich siehtbaren chemotak-
tischen Reizwirkungen, da es sehr schwierig war, die
Kapillaren vollkommen frei von Wasser zu halten, das sich
bei der Sterilisation der Kulturgefäfse darin niederschlug.
Infolgedessen konnte bei drei Versuchen nur konstatiert
werden, dafs in der nächsten Umgebung der Kapillaren die
Pilzhyphen länger aufgerichtet waren, während die weiter
[77] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 111
entfernten Hyphen sich einige Stunden eher einkrümmten
und dem Substrat anschmiegten. Ein direktes Hinwenden
zu den Kapillarenöffnungen wurde nicht bemerkt, da offenbar
diese unwegsam waren und der Sauerstoff nur langsam
hinein diffundierte. Das Resultat dieser Versuche war nur,
dals die Hyphen in der unmitttelbaren Nähe der Kapillare
einige Stunden länger in ihrer normalen Stellung verharrten.
Eine andere Versuchsanordnung zum Nachweis des
Oxygenotropismus war folgende: U-Röhren wurden bis zu
geringer Höhe mit Nährstoffmenge beschickt, dann beide
Öffnungen mit Wattepfropfen verschlossen und sterilisiert;
einer der beiden Arme wurde mit Merulius lacrymans ge-
impft. Nachdem dies Mycel sich genügend gekräftigt hatte
und gut angewachsen war, wurde der geimpfte Arm der
U-Röhre mit Wasserstoff beschiekt und die Zu- und Ab-
leitungsrohre zugeschmolzen. Nach kurzer Zeit krümmte
sich das Luftmycel ein. Es suchte nun aus dem Sauerstoff-
ımangel in Verhältnisse zu kommen, die ihm eine gute
Atmung gestatteten und wuchs an der Wand des Gefälses
entlang bis zur anderen Hälfte des U-Rohres, wo gewöhn-
liche Luftzirkulation stattfand. Während also in dem einen
Arm der U-Röhre das Mycel durch Sauerstoffentziehung
schwer geschädigt wurde, suchte es sich selbst eine Um-
gebung auf, die ihm normale Atmung ermöglichte. Parallel-
versuche, die nach kurzem Sauerstoffmangel wieder den
Bedingungen der a@roben Kultur zugeführt wurden, erholten
sich wieder: die Lufthyphen richteten sieh auf und wuchsen
weiter. Auch in diesem Falle suchte der Pilz die andere
Hälfte der U-Röhre auf; doch ging dies nur langsam vor
sich, während im erst angegebenen Falle das Mycel sehr
schnell den sauerstoffreichen Arm der Röhre aufsuchte.
Dieser Versuch ist vollkommen beweisend für den
Oxygenotropismus des Merulius lacrymans. Während das
Mycel bei Sauerstoffentziehung zugrunde ging, konzentrierte
es seine Lebenstätigkeit auf die Ausbildung neuen Mycels,
das die Möglichkeit hatte, wieder in sauerstoffreiche Atmo-
sphäre zu kommen.
Nach dem gleichmälsigen Verhalten von Merulius sil-
vester, Merulius favosus usw. unter anaöroben Verhältnissen
108 KARL HOFFMANN, [78]
können wir nach diesen Versuchen auch auf den Oxy-
genotropismus der anderen holzzerstörenden Pilze schlielsen.
V. Über Verfärbungen des Mycels der holzzerstörenden
Pilze.
Im Verlauf der Kultur der von mir untersuchten Pilz-
myeelien konnte ich mancherlei Verfärbungen feststellen,
die auch schon von anderen Forschern beobachtet wurden. !)
Auf dem von mir benutzten Nährboden verfärbt sich Meru-
lius lacrymans sehr intensiv gelb; wenn Schädigungen des
Wachstums eintreten, z. B. durch zu hohe Temperaturen,
tritt oft, aber nieht immer, eine Gelbfärbung ein. Auch bei
Gegenwart von Schimmelpilzen oder von Bakterienverun-
reinigungen tritt oft eine lebhafte Gelbfärbung des Mycels
ein. Das Wachstum wird in solehen Fällen auffallend ge-
hemmt; bei sehr starker Überhandnahme der Verunreini-
gungen wird es sogar vollkommen aufgehalten, ohne dals
der Pilz hierdurch seine Lebensfähigkeit einbülst. Doch habe
ich auch bemerkt, da/s in manchen Fällen, bei Gegenwart
von Penicillium z. B., das Wachstum gefördert wird, ohne
dals eine Gelbfärbung des Merulius-Mycels eintritt. Das
Auftreten dieses gelben Farbstoffes ist also lediglich an
wachstumshemmende Einwirkungen gebunden. Dieselbe
Erscheinung beobachtete ich bei Merulius silvester, doch
mit dem Unterschiede, dals bei Gegenwart von Verun-
reinigungen das Pilzmycel sich seltener gelb verfärbte, dafs
dagegen bei hohen Temperaturen, 30,0% z. B., allgemein
und ausnahmslos eine intensive Färbung eintrat. Der auf-
tretende Farbstoff war auch in diesem Falle gelb.
Dals auch Coniophora cerebella solehen Verfärbungen
ausgesetzt ist, erwähnte ich schon.?) Die drei Rassen, die in
ihrem Längenwachstum nahezu vollkommen übereinstimmend
waren, unterschieden sich nur durch die verschiedene Farbe
1) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S. 49 und 50. — Czapek,
Biochemie I, S. 496 ff. — Wehmer, Centralblatt für Bakteriologie,
Parasitenkunde und Infektionskrankheiten II, Abt. XXI, Bd. 1909.
2) Vgl. oben 8. 37 [3].
[79] _Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 113
des Mycels bei Beginn der Kultur. Coniophora cerebella I
war manchmal tiefbraun gefärbt, während Coniophora cere-
bella II ein helleres Gelb zeigte und Coniophora cerebella
III blendend weilses Mycel hervorbrachte. Doch trat bei
letzterer Spezies bei Gegenwart von Verunreinigungen auch
eine Gelbfärbung ein, die ähnlich war der des Merulius
lacrymans. Im Laufe der Kultur variierte jedoch auch der
Unterschied in der Verfärbung von Coniophora cerebella 1
und II, so dafs sie auf gleichem Nährboden nieht mehr zu
unterscheiden waren. Coniophora cerebella III befand sich
noch nicht so lange in Kultur, um eine genaue Beobachtung
hier mitteilen zu können. Die Farbe ihres Mycels spielte
nach wochenlanger Kultur etwas ins Gelbliche hinüber, die
von der zunächst sehneeweilsen Farbe sich deutlich unter-
schied. Aus dem Verhalten von Coniophora cerebella I und
Coniophora cerebella II kann ich jedenfalls den Schluls
ziehen, dals diese erst unterschiedenen Arten zwei Rassen
sind, die sich durch Kultur vollkommen ineinander über-
führen lassen; wir können sie nicht als verschiedene Spezies
behandeln.
Es war ferner darauf hingewiesen, dals Unterschiede
im Längenwachstum bei gleichen Temperaturen nicht ge-
nügen, um dieses Merkmal zur Unterscheidung von Arten
heranzuziehen. Auch variierte dies bei Coniophora cerebella
I und ZI derart verschieden, dals sich keinesfalls eine
Konstanz im Verhältnis der Wachstumsgeschwindigkeiten
dieser Mycelien feststellen liels.
Intensivere Gelbfärbung. des Mycels trat bei (oniophora
cerebella ein, wenn die Kulturschale verunreinigt war, an
den Stellen, wo Coniophora mit der Verunreinigung zu-
sammentraf. Auch wenn die Kulturschale an mehreren
Stellen gleichzeitig geimpft war, trat eine Verfärbung des
Mycels ein, wenn die von verschiedenen Punkten aus
wachsenden Mycelien sich gegenseitig in ihrem Wachstum
hemmten. Bei Merulius lacrymans beobachtete ich den-
selben Vorgang, auch dann, wenn Merulius lacrymans und
Polyporus vaporarius auf einer Kulturschale zusammen-
trafen. Die Grenze ihrer Mycelien war durch eine lebhaft
gelbgefärbte Zone markiert.
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd. 82. 1910. 8
114 KARL HOFFMANN, [80]
Paxillus acheruntius scheidet zuweilen einen rosa-
farbenen Stoff aus, ohne dals Verunreinigungen dies ver-
anlalst haben könnten. Auf älteren, troeknerem Nährboden
bemerkte ich bei Pazxillus acheruntius und Polyporus de-
structor eine lebhafte dunkelbraune bis dunkelgraue Ver-
färbung.
Aus diesen Beobachtungen sehen wir, dafs die ange-
führten Pilzmycelien besonders dann Farbstoffe ausscheiden,
wenn sie in ihrem Wachstum durch Nahrungsmangel oder
durch Verunreinigungen gehindert werden. Auch bei zu
hohen Temperaturen tritt bei Merulius lacrymans und
Merulius silvester eine Verfärbung ein.
Die ehemische Analyse der ausgeschiedenen Farbstoffe
wurde nieht vorgenommen.
VI. Wellenbildung der Pilzmycelien.
Die Myeelien einiger holzzerstörenden Pilze zeigten bei
ihrem Wachstum auf künstlichem Nährboden ein wellen-
förmiges Wachstum. Besonders deutlich ausgebildet sind
diese Wellen bei (oniophora cerebella, Merulius lacrymans,
Merulius silvester, Polyporus vaporarius, Polyporus destructor
und Paxillus acheruntius. Eine Gesetzmälsigkeit in der Aus-
bildung dieser Wellen habe ich nicht überall finden können.
Bei gleichmälsiger Temperatur im Dunkeln gehaltene
Mycelien liefsen diese Verhältnisse ebenso in Erscheinung
treten, wie Kulturen, die in bestimmten Zeitabständen be-
liehtet wurden. Auch Temperaturwechsel mit Ausschaltung
der Belichtung wirkte auf die Wellenbildung nicht in be-
stimmter Weise ein. Auch waren die Wellen nie gleich
srols in verschieden grolsen Kulturröhren. Coniophora
cerebella bildete bei gleicher Temperatur in Reagenzgläsern
Wellen von vielleieht ein Viertel Länge der in grolsen
Röhren. Fernerhin trat z. B. bei Merulius silvester die
Wellenbildung auf Petrischalen nicht immer in gleichem
Malse ein. Auf manchen Kulturen war diese Ausbildung
in regelmäfsigem Abstand vorhanden, auf anderen dagegen
war sie nicht deutlich zu erkennen. Die beigegebenen
[81] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 115
photographischen Aufnahmen lassen diesen Umstand er-
kennen (s. S. 116 und 117).
Nur bei Polyporus destructor und Polyporus vaporarius
bin ich in der Lage, die Wellenbildung unter bestimmten
Verhältnissen zu erklären. Polyporus destrutor bildete in
langen Kulturröhren, die alle zwei Tage belichtet wurden,
in dieser Zeit vier kleine und eine grofse Welle. Auch
wenn diese Kulturen je alle drei Tage belichtet wurden,
so zeigten sich entsprechend in dieser Zeit sechs kleine
und eine grolse Welle. Kulturen, die sechs resp. acht Tage
im Dunkeln gehalten waren, zeigten eine grofse und zwölf
resp. sechzehn kleine Wellen. Hieraus können wir den
Schlufs ziehen, dals die Bildung der grofsen Wellen von
der Beleuehtung abhängt. Der Reiz, der hierbei auf den
Pilz ausgeübt wird, veranlalst ihn, einen grofsen Wellenberg
zu bilden. Am Tage der Beleuchtung erreichte er ein
neues Wellental.e Worauf die Ausbildung der kleineren
Wellen, von denen an jedem Tage zwei — in vollkommen
regelmälsigen Abständen — wuchsen, zurückzuführen ist,
habe ich nicht in bestimmter eindeutiger Weise erklären
können. Ich bin geneigt, diese regelmälsige Erscheinung
auf ein periodisches Wachstum des Mycels zurückzuführen.
Polyporus vaporarius unterliegt in seiner Wellenbildung
gleicher Weise dem Reize der Beliehtung. Kulturen, die
alle zwei oder drei Tage belichtet wurden, bildeten in
dieser Zeit eine Welle; wurden die Kulturgefälse jeden
Tag belichtet, so wurden kleinere Wellen gebildet, die
genau mit den Zwischenräumen in der Beliehtungszeit
zusammenfielen. Bei einigen Kulturen wuchs Polyporus
vaporarius auch so, dals irgend eine Bildung von Wellen
nieht zu erkennen war.
Dureh Hydrotropismus ist nach meinen Erfahrungen
die Erscheinung der Wellenbildung bei Merulius lacrymans
und Merulius silvester nicht zu erklären, da auch auf
flüssigem Nährboden diese Wellen zu bemerken waren.
Das Mycel konnte also nicht durch Feuchtigkeitsmangel
veranlalst sein, Luftmycel in dieser Form zu bilden. Infolge-
dessen scheint mir diese Erscheinung dureh mechanische
Verhältnisse des Mycels bedingt zu sein.
8*+
116 KARL HOFFMANN, [82]
Bei Merulius favosus, Polyporus vulgaris, Polyporus
serialis und Polyporus odoratus habe ich keine Wellen-
bildung feststellen können. Das Mycel dieser Pilze dringt
in gut gewachsenen Kulturen gleiehmäfsig vor, ohne dafs
eine periodische Zuwachsbewegung zu erkennen wäre; viel-
mehr ist das Mycel gleiehmälsig dicht. Merulius favosus
bildet an der Impfstelle dichtes und sehr hohes Myeel;
nach der Wachstumszone nimmt die Höhe des Myecels ab.
Fig. 8. Merulius silvester in 14 Tagen. Malsstab 100:43. t = 23,0°.
Auch Merulius lacrymans und Merulius silvester bilden
über der Stelle, auf die die Impfflocke übertragen wurde,
besonders hohes und dichtes Luftmycel, das sich halbkugel-
förmig über die übrigen Hyphen erhebt.
VII. Beobachtungen über das Wachstum der Mycelien
der holzzerstörenden Pilze auf Lösungen verschiedener
Säuren.
In einem weiteren Teil meiner Arbeit untersuchte ich
den Einfluls verschiedener Säuren auf das Wachstum der
[83] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 117
Mycelien der von mir behandelten Pilze. Ich ging in der
Weise vor, dals ich in kleinen ERLENMEYER-Kolben resp.
Reagenzgläsern Lösungen von bestimmtem Prozentgehalt
verschiedener Säuren sterilisierte und auf diese Flüssigkeit
eine kleine Flocke der zu untersuchenden Mycelien impfte.
Im Abstand einiger Tage wurden die so behandelten
Fig. 9. Merulius lacrymans in 20 Tagen. Mafsstab 100:55. t= 13,6°.
Kulturen beobachtet und nachgesehen, ob ein Wachstum
stattfand. Vergleichende Beobachtungen des Längenwachs-
tums konnten nicht stattfinden, da die flüssigen Kulturen
dies nicht zulassen. Die Ergebnisse meiner Versuche seien
in der folgenden Tabelle (S. 119) zusammengestellt; es be-
deutet hierin + Wachstum, — kein Wachstum.
Es war bei diesen Versuchen nieht zu vermeiden, dafs
kleine Teile des Nährbodens mit auf die bestimmte Flüssig-
keit gebracht wurden; aufserdem enthalten die Hyphen
118 KARL HOFFMANN, [84]
genügend Nährstoffe, um sich einige Zeit lebend zu erhalten
und sogar reichlich neues Mycel zu produzieren. Aus an-
fänglichem Wachstum kann nicht geschlossen werden, dafs
sich der Pilz Nährstoffe aus den ihm dargebotenen Lösungen
herauszieht. Falls im Impfflocken keine Nährstoffe mehr
geboten werden, gehen mehrere Arten zugrunde Die
Myeelien zerfallen dann in kleine, oidienartige Teile.)
Dals der Nährstoff aus dem Impfflöckeben resp. aus dem
ihm anhaftenden Nährboden stammt, geht insbesondere aus
den Kulturen auf destilliertem Wasser hervor. Demnach
können wir aus den in der Tabelle angeführten Versuchen
nur den Sehluls ziehen, dals die Gegenwart von Essigsäure,
Ameisensäure, Buttersäure, kohlensaurem Ammonium und
kohlensaurem Kalium dem Wachstum der holzzerstörenden
Pilze sehädlieh ist, so dafs diese sofort ihr Wachstum ein-
stellten. Bei Anwesenheit von Milchsäure in 3/, prozentiger
Verdünnung wuchsen alle Mycelien weiter, bei Gegenwart
von Milehsäure in 3/, prozentiger Verdünnung nur einige
(Coniophora cerebella, Polyporus vulgaris, Paxillus acherun-
tius). Dasselbe Verhalten zeigten die Pilze, wenn ihnen
'/, prozentige Ölsäure geboten wurde.
Dagegen war die Gegenwart von Bernsteinsäure, Wein-
säure, Oxalsäure, Ellag-Gerbsäure, Fumarsäure, Apfelsäure,
Zitronensäure, oxalsaurem Ammonium, chlorsaurem Kalium
ebenso wenig schädlich wie die von destilliertem Wasser.
Auf den sauren Medien wurde sogar in derselben Zeit ein
bedeutend stärkeres Wachstum beobachtet.
Besonders auffällig ist das Verhalten der Mycelien bei
Anwesenheit von Milchsäure in °/, und in ?°/, prozentiger
Verdünnung. Milchsäure in ?/, prozentiger Verdünnung
hindert bei einigen Mycelien weiteres Wachstum, während
eine Lösung von 3/, prozentiger Milchsäure nichts schadete.
Auch Gerbsäure (!/, prozentige) hatte keinen ungünstigen
Einfluls. Hieraus können wir den Schluls ziehen, dals es
für den Pilz nieht darauf ankommt, ob ihm eine ein- oder
mehrbasische Säure geboten wird.”) Milch- und Gerbsäure
1) Vgl. Möller, Hausschwammforschungen: Hausschwammunter-
suchungen, S. 41.
2) Ebenda S. 42.
85] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 119
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120 KARL HOFFMANN, [86]
sind einbasisch und doeh hindert ihre Gegenwart bei
genügender Verdünnung ein Wachstum nieht. MÖLLER hat
bei seinen Arbeiten die Keimung der Sporen von Merulius
laerymans auf einprozentiger Milchsäurelösung untersucht
und keine Keimung finden können. Hiernach beeinflulste
Milehsäure in der angegebenen Verdünnung die Sporen-
keimung ungünstig. Nun habe ich allerdings den Pilz in
einem anderen Entwicklungsstadium beobachtet, und es ist
darauf hinzuweisen, dals derselbe Pilz in den einzelnen
Stadien seines Wachstums sich verschieden verhalten kann
gegenüber den verschiedenen Kohlenstoffquellen.)
VIII. Vergleichung des gebildeten Mycels bei Merulius
laerymans, Merulüus silvester, Polyporus vapora-
rius, Coniophora cerebella auf flüssigen Nährmedien.
Es ist eine praktisch wichtige Frage,?) ob Merulius
lacrymans domesticus und Merulius silvester, wie sie von
FaLcKk unterschieden werden, zwei verschiedene Spezies
sind, oder ob silvester eine wilde Rasse des echten Haus-
schwammes sei. Die Unterscheidung, die mikroskopisch
nicht erreicht werden kann, hat FALcK nach den ver-
schiedenen biologischen Verhältnissen dieser Pilze versucht
und dabei insbesondere auf das Längenwachstum als unter-
scheidende Merkmale hingewiesen. Doch auch die ver-
schiedenen Temperaturumfänge sind nach seiner Ansicht?)
sehr wesentlich für eine bequeme Unterscheidung. Durch
meine Untersuchungen ist nachgewiesen worden,*) dafs der
Temperaturumfang durch genügende Kultur gesteigert werden
kann. Mez betont, dals bei genügender Feuchtigkeit Meru-
lius lacrymans auch bei höheren Temperaturen als 270
wächst.5) Dies habe ich vollkommen bestätigt gefunden
!) Vgl. Lafar, Technische Mykologie I, 417.— Duclaux, Ann.
Pasteur, 1889, III, 189. — Pfeffer, Pflanzenphysiologie I.
2) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S. 70 und 71.
3) Vgl. Falek, S. 109 und 110.
“) Vgl. oben S. 60 und 61 [26 und 27].
5) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, $. 60 und 61.
[87] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze 121
und kann diese Beobachtung noch erweitern. Auf flüssigem
Nährboden (0,5%, KNO; + 0,2%, MgSO, + 0,2%, KHRPO,)
erreichte ich bei sechs angesetzten Kulturen dureh Gewöh-
nung in 14 Tagen, dals Merulius lacrymans sogar noch bei
30° wuchs. Das Wachstum wurde 14 Tage lang beobachtet;
es war allerdings sehr minimal, aber deutlich sichtbar. Im
Gegensatz hierzu wuchs Merulius lacrymans bei gleicher
Temperatur auf festem Nährboden in derselben Zeit nicht
nur nicht weiter, sondern starb sogar ab.!) Durch die
Kultur ist also erwiesen worden, dafs Merulius lacrymans
in seinem Temperaturumfang bedeutend gesteigert werden
kann, sobald ihm nur seinem Bedürfnis gemäls dann ge-
nügend reichliehe Feuchtigkeit zu Gebote steht. Hiernach
kann auch dieser biologische Gesichtspunkt nieht zwingend
zur Unterscheidung von Merulius laerymans domesticus und
silvester sein. Da durch diese Ausführungen erwiesen ist,
dals Merulius lacrymans sehr anpassungsfähig ist, so wird
auch das Verhalten seines Mycels gegenüber der Beleuch-
tung?) nicht genügen, um hierauf eine Unterscheidung zu
begründen. Zur definitiven Entscheidung über diese Frage
wird man erst gelangen können, wenn es durch Kultur auf
Holz — ihrem natürliehen Standort — gelungen sein wird,
die beiden Rassen vollkommen ineinander überzuführen.
Farck hält die Unterscheidung des Merulius lacrymans
und Merulius silvester für besonders wichtig in praktischer
Beziehung, weil nach ihm?) Merulius domesticus „in der
Zeiteinheit auf der Flächeneinheit dem Substrat unter sonst
gleichen Wachstumsbedingungen eine etwa dreimal so starke
Nährstoffmenge zu entziehen, dasselbe also dreimal so stark
zu zerstören vermag, wie die silvester-Form.“
Hierzu möchte ich bemerken, dafs eine derartige Unter-
scheidungsmethode nach der Ausbildung des Mycels auf
festem Nährboden durchaus keine objektive ist. Sonst hätte
unbedingt Ooniophora cerebella für den grölsten Schädling
erklärt werden müssen. Ich habe nie eine Konstanz darin
1) Vgl. oben S. 89 [55].
2) Vgl. oben S. 72 [38].
>) Vgl. Falck, $S. 87 und 89.
122 KARL HOFFMAnN, [88]
finden können, dals Merulius lacrymans dreimal soviel
Mycel bildet wie Merulius silvester, ja in ERLENMEYER-
Kolben habe ich unter sonst gleichen Bedingungen mehrfach
bei Merulius silvester eine stärkere, resp. ebenso starke
Ausbildung des Mycels wie bei lacrymans beobachtet. Es
kommt bei der Bewertung der Myeelien nieht auf die Aus-
bildung des Luftmycels an, sondern nur darauf, ob der
Nährboden von der einen oder der anderen Spezies mehr
angegriffen wird. Und diese Erscheinungen gehen keines-
falls Hand in Hand, da z. B. Polyporus vaporarius den ihm
gebotenen Nährboden sehr stark angriff und dabei wenig,
schwaches Luftmycel ausbildete.
Schon mehr objektiv können wir feststellen, welehe
Spezies der holzzerstöürenden Pilze den Nährboden am
meisten ausnutzt, wenn wir die Mycelien auf flüssigem
Nährsubstrat kultivieren und dann das gebildete Mycel mit-
einander vergleichen. Ich stellte als Nährlösung zusammen:
0,50) KNO,
0,20) MgSO,
0,200 KH,PO,.
Dieser Nährlösung setzte ich abwechselnd hinzu: 10/,
und 2°, Glukose, 1%, und 2°, Mannit, 1°), und 2%,
Glycerin, !/,%, und !/,%/, Dextrin. Gröfsere ERLENMEYER-
Kolben wurden mit je 100 gr dieses flüssigen Mediums
gefüllt, so dafs in allen Fällen den Pilzmycelien gleichgrofse
Flächen zu seinem Wachstum zur Verfügung standen. Zum
Vergleich wurden benutzt Merulius lacrymans, Merulius
silvester, Coniophora cerebella und Polyporus vaporarius.
Zu jeder Kultur konnte wegen Materialmangels nur je eine
Vergleichskultur angesetzt werden, so dals bei den häufig
vorkommenden Verunreinigungen nur ein Teil der ange-
setzten Kulturen zum Vergleich benutzt werden konnte.
Nachdem die Mycelien 18 Tage bei 23° ungestört gewachsen
waren, wurden sie nach dem Augenschein in der Menge
des gebildeten Mycels miteinander verglichen. Abwägungen
konnten wegen des sehr geringen Gewichtes nieht durch-
geführt werden. Es ergaben sich folgende Resultate: von
der oberflächlichen Nährschicht hatten bewachsen
[89] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze.
Nährlösung
Nährlösung
Nährlösung
Nährlösung
Merulius lacrymans
+ 1°), Mamnit .
+ 2°), Glukose.
+ 1/,°/, Dextrin .
+ 1/,%/, Dextrin .
+ 1P/, Glycerin
+ 2°/, Glycerin
Merulius silwester
+ 1°, Mamit .
+ 2°, Mamit .
+ 1%, Glukose.
+ 20%, Glukose.
+ 1/,%/, Dextrin .
+ 1/,0/, Dextrin .
+ 1%, Glyeerin
+ 2°), Glycerin
Coniophora cerebella
+ 1°/, Mamit .
+ 2°), Mamnit .
+ 1P/, Glukose.
+ 20%, Glukose.
+ 1/4°/, Dextrin .
+ 1/20], Dextrin .
+ 1°/, Glyeerin
+ 2°), Glycerin
Polyporus vaporarius
+ 1%, Glukose
+ 2%, Glukose
+ 1/4%%, Dextrin .
+ 1/,%/, Dextrin .
+ 1°/, Glycerin
"50
123
Coniophora cerebella durchwucherte die ganze Nährlösung.
Die angegebenen Zahlen bedeuten nur das oberflächliche
Waehstum,
124 KARL HOFFMANN, [90]
Aus den angegebenen Resultaten kann man keine be-
stimmten Sehlüsse auf die Schädigungen von diesen holz-
zerstörenden Pilzen machen. Das Mycel des Merulius
lacrymans war im allgemeinen etwas stärker ausgebildet
als das von Merulius silvester. Im einzelnen sind die Ver-
hältnisse im Mengenwachstum dieser beiden Pilze sehr un-
bestimmt; auf manchen Kulturen war Merulius silvester
stärker gewachsen, auf anderen Merulius lacrymans.
Polyporus vaporarius wuchs ’allgemein schwächer als
Merulius, so dals ihm hiernach geringere Schädigungen
nachgesagt werden könnten.
Coniophora cerebella bildete stets schwaches oberfläch-
liches Mycel; aber seine Hyphen durehwucherten die ganze
Nährlösung, so dals er mehr Mycel aufgebaut hatte als
Merulius.
Jedenfalls konnte ich nieht — im Gegensatz zu FALck !) —
konstatieren, das Merulius lacrymans dreimal so stark den
Nährboden zerstört als Merulius silvester. Die Ausbildung
des Mycels war nur in geringem Malse schwächer bei
Merulius silvester.
Ein Punkt ist noch zu beachten. Die Kulturen wurden
bei 23,00 gehalten; das Längenwachstum und somit auch
das Mengenwachstum ist bei dieser Temperatur etwas ver-
schieden bei Merulius larcymans und Merulius silvester.
Demnach können bei solehen Vergleichen nie ganz bestimmte
Resultate erhalten werden, zumal die Kultur für solehe
Bestimmungen nur auf künstlichem Substrat vorgenommen
werden können. Dafs hierbei die gezogenen Schlüsse ver-
schieden sind, zeigen insbesondere die Abweichungen meiner
Beobachtungen von denen FALcks. Es ist unbedingt nötig,
die Methode der Kultur dieser Pilze auf ihrem natür-
lichen Standort, dem Holz, weiter auszubauen, um auf
diesem Wege zu guten und einwandfreien Resultaten zu
gelangen.
1) Vgl. Falck, S. 87 und 89.
[91] Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 125
IX. Versuche über Wasserbildung einiger
holzzerstörenden Pilze.
Es wird allgemein angenommen,!) dafs der Haus-
schwamm sehr wohl imstande ist, sich aus trockenem
Material selbst Wasser zu bilden, dafs er also imstande ist,
auch unter sehr ungünstigen Verhältnissen, sich genügend
mit Wasser zu versorgen. Mez?) hat dies für Merulius
lacrymans mit einem besonders schlagenden und beweis-
kräftigen Experiment nachgewiesen. Die Versuchsanordnung,
die Mez an dieser Stelle angibt, habe auch ich benutzt, um
zu untersuchen, wieweit holzzerstörende Pilze sich Wasser
zu bilden vermögen. Um die Luft absolut trocken durch
die Kulturen mit der Wasserstrahlpumpe zu ziehen, schaltete
ich vor den grofsen Chlorkaleiumröhren Schwefelsäuregefälse
ein. Die kleinen Chlorkaleiumröhren hinter den Kulturen
wurden ersetzt, sobald die von ihnen angezogene Wasser-
menge den Luftdurchtritt behinderte, und stets vor dem
Einschalten und nach dem Ausschalten abgewogen. Der
Versuch lief vom 27. Mai bis 28. Juni. Da ich den einzelnen
Kulturgefälsen gröfsere Wassermengen hinzugesetzt hatte,
so sind die von mir erhaltenen Resultate nicht so auffällig:
der Pilz war noch nicht in die Notwendigkeit versetzt, die
Holzstoffe energisch in Wasser umzusetzen. Die Versuche
waren in ihrer Anordnung und Ausführung vollkommen iden-
tisch mit der von Mxz,3) so dafs ich mir ersparen kann, alle
Wägungen hier anzugeben. Das Trockengewicht nach dem
Versuch wurde in der bei MEz angegebenen Weise ermittelt,
nur dafs meine feuchter gehaltenen Kulturen auch dem-
entsprechend länger bei 105° getrocknet werden mulsten.
Ein Kontrollversuch — die Sägespäne wurden in diesem
Falle nicht mit einem Mycelflöckchen geimpft — ergab,
dals nach dem vierwöchigen Versuch 0,16 gr Holz und
0,25 gr Wasser weniger nachgewiesen werden konnten.
Diese geringe Menge an Materialverlust besagt, dals die
1) Vgl. Czapek, Biochemie der Pflanzen I, 293. — Mez, Der
Hausschwamm, 8.190 und 191.
2) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S. 192 und 193.
3) Ebenda S. 191.
0
126 "> KaRu HOFFMANN, [92]
Versuehsanordnung und die Ausführung in vollkommen
genügender Genauigkeit durchgeführt wurde.
Es ist ferner zu bemerken, dafs zwei Kulturen von
Merulius lacrymans verhältnismälsig sehr schlecht wuchsen,
so dafs auch hieraus hervorgeht, dafs die individuellen
Abweichungen sehr grofse sein können.!)
Die erhaltenen Resultate sind nun folgende:
Merulius lacrymans.
A. „Holz ‚veratmet li.“ dlnse bilder
Wasser gebildet. . . . 5,64 gr
B, ‘Holz ‚veratmet. „5 3.5 «nal, 40.sr
Wasser gebildet. . . . 195 gr
Merulius silvester.
A. Holz veratmet . : .. .: 426 gr
Wasser gebildet... . . 9,82 gr
B. Holz veratmet .. . . . 241 gr
Wasser gebildet .. . . 3,18 gr
Merulius favosus.
A, Holz;veraimetft n . »,. Lloer
Wasser gebildet. ..... 121 or
B. Holz’ veratmet7.. . „2 liossor
Wasser gebildet... .°. ... 1.094707
Coniophora cerebella.
A. Holz yeratmet 7. 9.7 2 29 7,64%pr
Wasser gebildet. . . . 921 gr
Diese nach der angegebenen Versuchsanordnung ge-
fundenen Resultate stimmen nicht überein mit den nach
der bisher angenommenen Veratmungsformel für die Cellu-
lose berechneten Werten. Falls wir annehmen, dafs nur
die Cellulose von dem Pilz zu Wasser veratmet wird,?)
nach der Formel:
ı) Vgl. oben S. 42 [8].
2) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, S. 191, und die dort angegebene
Literatur.
[93) Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden Pilze. 127
(,H,20,; + 13 0 — 6 H,O + 6 UO,
so würde sich im Verhältnis zu dem durch Wägung er-
mittelten Holzverlust eine bedeutend geringere Wassermenge
gebildet haben. Diese würde sich entsprechend dem statt-
gehabten Holzverbrauch stellen auf: ')
für Merulius lacrymans . . . . A=3,4lgr
B=0,92’gr
Meruhus siwetter. .. .. A=2ö8lgr
BE 5Ure5
Merulius.favosus . 0. A 0,74 gr
B = 1,07 gr
Coniophora cerebella .. . A=3,48 gr
Die empirisch gefundenen Wassermengen sind bedeutend
grölser, sogar grölser als die verbrauchten Holzquantitäten.
Es bleibt demnach nur der Schlufs übrig, dafs der Pilz
nieht nur die Cellulose veratmet, sondern wir müssen auch
annehmen,?) dafs auch fette Öle und andere sehr sauerstoff-
arme plastische Substanzen lebhaft an der Wasserbildung
beteiligt waren. Hierauf weist auch der Umstand, dafs
Hausschwammkulturen auf reiner Cellulose sehr schlecht
gedeihen.)
Aus diesen hjer mitgeteilten Ergebnissen meiner Ver-
suche geht hervor, dafs auch andere holzzerstörende Pilze
vermögen, aus den Substanzen des Holzes Wasser zu
bilden. Fernerhin weise ich darauf hin, dafs Merulius
siwester in der gleichen Weise Wasser gebildet hat wie
Merulius lacrymans, dals also er zum mindesten nur in
sehr geringem Malse dem Merulius lacrimans an Zer-
störungskraft nachsteht. Auch Coniophora cerebella hatte
die Holzsägespäne stark angegriffen.
ı) Vgl.Moormann, Zentralblatt der Bauverwaltung XXIX (1909),
INA SaD5:
2) Vgl. Mez, Neue Reichsgerichts- Entscheidungen in der Haus-
schwamm-Frage, S. 21.
>) Vgl. Mez, Der Hausschwamm, $. 193.
128 K. Horrmann, Wachstumsverhältnisse holzzerstör. Pilze. [94]
X. Zusammenfassung der Ergebnisse.
1. Das Längenwachstum der holzzerstörenden Pilze ist
kein konstantes; durch Gewöhnung an einen bestimmten
Nährboden kann es bedeutend gesteigert werden.
2. Der Temperaturumfang der holzzerstörenden Pilze ist
kein konstanter; dureh Kultur kann er varliert werden.
3. Auf flüssigem Medium verträgt Merulius lacrymans
höhere Temperaturen als auf festem, weniger feuchtem
Nährboden.
4. In der Dunkelheit wachsen die Mycelien besser und
stärker als wenn sie der Tagesbelichtung ausgesetzt werden.
5. Blaues Licht hindert im Verhältnis zu rotem Licht
das Wachstum der holzzerstörenden Pilze.
6. Kein ausgesprochen Flächenmycel bildender Pilz kann,
soweit solche untersucht wurden, den Sauerstoff entbehren;
die Pilze sind vielmehr oxygenotrop.
7. Die kubisch wachsenden Pilze vermögen den Sauer-
stoff der Luft zu entbehren, da sie intramolekular atmen
können.
8. Die Wellenbildung des Mycels bei Polyporus de-
structor und Polyporus vaporarius erfolgt infolge des Be-
licehtungsreizes.
9. Merulius lacrymans und Merulius silvester sind bio-
logisch verschieden (Temperaturumfang, Wachstumsverhält-
nisse im Dunkeln und bei Beleuchtung). Doch ist Merulius
lacrymans sehr anpassungsfäbig, so dafs es sehr wahr-
scheinlich ist, dafs Merulius silvester nur eine „wilde Form“ ,
des Merulius lacrymans ist.
10. Die Ausbildung des Mycels auf künstlichem Nähr-
boden kann nieht malsgebend sein für die Beurteilung der
Schädigungen des Holzes durch die Pilze. j
11. Merulius silvester veratmet in derselben Zeit eben-
soviel Holz zu Wasser wie Merulius lacrymans.
Th. Beling,
Beiträge zur Flora des nordwestlichen Harzes
Herausgegeben von
K. Wein, Helbra
Die gröfsten Verdienste um die Durchforschung der
Flora des nordwestlichen Harzes hat sich zweifellos der am
17. Dezember 1898 verstorbene Forstmeister TH. BELING in
Seesen erworben. In einer Reihe von Aufsätzen in der
„Deutschen Botanischen Monatsschrift“ (Jahrgang 1884 bis
1891) hat er die Resultate seiner Forschungen niedergelegt.
Was er bis zum Jahre 1894 noch an bemerkenswerteren
Funden machte, ist von W. BERTRAM in die 4. Auflage
seiner „Flora von Braunschweig“ aufgenommen. Die von
BELInG nach- 1894 erzielten Ergebnisse seiner floristischen
Studien sind bisher unpubliziert geblieben. Sie sind in
seinem, dem Herzoglichen naturhistorischen Museum in
Braunschweig gehörigen Manuskripte „Fundorte der sel-
teneren Pflanzen der Flora von Braunschweig“ genau ver-
zeichnet. Sie enthalten eine Reihe interessanter Beiträge
zur Flora des Harzes und verdienen darum mit Recht, noch
heute veröffentlicht zu werden.
Für die freundliche Überlasssung des Being schen
Manuskriptes spreche ich Herrn Geheimen Hofrat Professor
Dr. W. Brasıus auch an dieser Stelle meinen herzlichsten
Dank aus.
Zeitschr. f. Naturwiss. Hallea.S. Bd. 82. 1910, 9
130 K. Wein, [2]
Viola Riviniana Rehb. Innerstethal häufig.
Ononis spinosa L. Mit weilser Blüte, zwei Büsche am Sol-
hope bei Seesen.
Rosa mollis Sm.!) Seesen, Herrhausen, unterhalb Lautenthal
im alten Grauwaeckenbruche.
Rosa rubiginosa L. Auf Kalkboden bei Seesen und Herr-
hausen.
Rosa sepium Thuill. Seesen am Steinbrinke auf Zechstein,
früher schon bei Gandersheim auf Muschelkalk.
Rosa graveolens Gren. Seesen besonders auf Kalkboden,
häufiger als die beiden vorhergehenden.
Heracleum Sphondylium L. var. sibiricum L. Bornhausen,
Bilderlahe.
Bidens tripartitus L. var. pumilus Rth. Am Fufse des
Hodagswinkels bei Seesen.
Bidens cernuus L. var. Coreopsis Bidens L. Osterode süd-
östlich am Waldsaume.
Filago germanica L. forma lutescens Jordan. Seesen am
Solhope, Bilderlahe.
Centaurea Jacea L. forma bicolor. Wiese neben der Chaussee
Seesen— Neuekrug bei der sogenannten schiefen Brücke
der Staatseisenbahn, 1 Busch.
Thrinica hirta Roth. Auf einer Weidewiese am Forstorte
Büchenberg zwischen Bornhausen und Neuekrug.
HHieracium collinum Gochnat. Heber am Fufswege von
Mechtshausen nach dem Heberkruge.
Hieracium magyaricum Näg. & Peter. Am Wiesenrande
neben dem Fahrwege von Mechtshausen nach Rolfs-
hagen.
1) Zweifellos handelt es sich bei dieser Rose nicht um die echte
Rosa mollis Sm., sondern um eine Form von R. omissa Desegl. — Der
Herausgeber.
[3] Tu. BELING, Beiträge zur Flora des nordwestlichen Harzes. 131
Hieracium murorum L. var. ovale G. F.W.Meyer. Osterode
an den Gypsbergen, Innerstethal unterhalb Lautenthal
im alten Grauwackenbruche.
Pulmonaria obscura Dumort. Seesen, Bornhausen, Heber usw.
Mentha sativa L. Seesen, Bilderlahe und Mechtshausen an
der Nette.
Mentha gentilis L. var. origanifolia Host.!) Wiesenbach
zwischen dem Forstorte Schweinsrücken und der Eisen-
bahn Seesen — Neuekrug.
Mentha gentilis L. var. acutifolia Koch (M. acutifolia Rabenh.)
mit der vorstehend aufgeführten.
Mentha acutifolia Sm. (Reichenb. Fl. germ. exe., 1830—1832,
S. 307, No. 2078), Grenzgraben zwischen Bornhäuser
und Mechtshäuser Feldmark innerhalb der Wiesen.
Mentha aqwatıca L. var. glabrata Koch. Wie vorstehend,
auch Pferdeteich bei Osterode.
Antirrhinum Orontium L. Bornhausen nach der Seesener
Olmühle hin, mir daselbst schon lange bekannt, ‘im
Jahre 1394 reichlich in schönen Exemplaren.
Alectorolophus minor Wimm. & Grab. var. angustifolius Koch
und var. fallax Wimm. & Grab. Seesen auf feuchten
Wiesenstellen am Nordabhange des Bulks, auch zwischen
Forstort Mittlere Steinbühl und Steinbrink und am Forst-
orte Hintere Grafecke.
Alectorolophus major var. angustifolius Fr. Feuchte Wiesen-
stellen vor dem Forstorte Hintere Grafecke bei Seesen.
Alectorolophus angustifolius Heynh. suchte ich bei Seesen
hinterm Bulke, wo die Pflanze nach Dr. SCHÄFER in
Seesen vorkommen sollte, vergeblich. Der Ebengenannte
1) Die Zuteilung von Mentha origanifolia Host, Fl. Austriaca II,
S.142, zu M. gentilis ist irrtümlich; M. origanifolia gehört zum Formen-
kreise der M. verticillata L. — Der Herausgeber.
9*
132 K. Wein, [4]
hat auf mein Befragen erklärt, dafs er seinen Fund für
Alectorolophus major var. angustifolius angesehen und
im Augenblicke vergessen gehabt habe, dafs A. angusti-
folius Gmel. an den Gypsbergen des Südharzes vor-
komme. Bei der erheblich späteren Blütezeit der letzt-
beregten Spezies erscheint deren Vorkommen auch sehr
zweifelhaft. 1)
Euphrasia Odontites L. var. serotina Lam. Auf berasten
Wegen bei Seesen.
Lysimachia vulgaris L. form. verticillata. Seesen, Born-
hausen usw.
Epipactis latifolia All. var. violacea Dur. Forstort Lauseberg
bei Seesen.
Juncus Leersii Marsson. Verbreitet in der Umgegend von
Seesen und Bornhausen, auch am Heber oberhalb der
Schlackenmühle.
Carex Hornschuchiana > flava (C. fulva Hoppe). Sumpfstelle
im Hebersaume oberhalb Mechtshausen.
Setaria ambigua Guss. Bornhausen, unter Linsen.
Agrostis alba L. var. stolonifera E. Meyer. Schlackenstelle
am Nordfulse des Schildberges unweit Bornhausen.
"estuca bromoides Sm. Auch bei Bilderlahe nach Born-
hausen hin.
Festuca ovina L. var. glauca Schrad. An den Gypsbergen
des Westharzes von Oberhütte bis Osterode häufig.
Festuca ovina L. var. valesiaca Schleich. Bei Seesen, Born-
hausen usw. häufig.
1) Die Pflanze von Seesen, auch noch in der floristisch wertlosen
5. Auflage von W. Bertram, Flora von Braunschweig $. 301 ange-
geben, gehört auf keinen Fall zu A. angustifolius, aber ebensowenig
die seit Wallroth dafür gehaltene Pflanze des Südharzes, die A. mon-
tanus Fritsch darstellt (vgl. J.v.Sterneck, Monogr. Aleetorolophus
in Abh. Zool.-Bot. Gesellschaft I,2 [1901] 75).
[5] Tu. Beuıng, Beiträge zur Flora des nordwestlichen Harzes. 133
Lolium perenne L. var. purpuratum mihi. Bei Seesen und
Bornhausen an Ackerrainen, auf trockenen Wiesen usw.;
in dem sehr sonnigen Jahre 1894 häufig.
Equisetum arvense L. var. decumbens G. Meyer. Seesen,
Herrhausen usw.
Equisetum limosum L. var. polystachyum Willd. Nordfuls
des Bulks bei Seesen in Wiesengräben.
Equisetum palustre L. var. polystachyum Willd. Zwischen
Bilderlahe und dem Bornhausen — Mechtshausener Kom-
munikationswege neben der Nette.
Aspidium filix mas L. var. remotum A. Br. Seesen.
Pteris aquilina L. var. lanuginosa Hook. Forstort Vordere
Eichenrodt bei Seesen.
Ihnen reihen sich noch einige andere Fundortsangaben
an, für die BeLıngs Herbar die Belege enthält:
Cerastium glomeratum Thuill. Lutter a. Bg., Bilderlahe.
Ulex europaeus L. Innerste zwischen Ringelheim und Oth-
fresen.
Anthriscus cerefolium Hoffm. Seesen.
Solanum miniatum Bernh. Staufenburg.
Euphrasia Odontites L. var. fl. albo. Bilderlahe.
Rumex aquaticus L. Klausthal.
Polygonum minus Huds. Gittelde.
Ulmus montana With. Gittelde.
Epipactis microphylla Sw. Herrhausen.
Juncus effusus > glaucus. Mechtshausen.
134 K. Wein, Tu. BEuısg, Beitr. z. Flora d. nordwestl. Harzes. [6]
Heleocharis uniglumis Sehult. Seesen.
Heleocharis acicularis R. Br. Seesen.
Poa trivialis L. var. purpurata Beling in sched.!) Seesen.
!) var. purpurata Beling = f strieta Döll Fl. Bad. [1857] 180 —
ö rubescens Reuter Cat. pl. Geneve ed. 2 [1861] 239. — Der Heraus-
geber.
Litteratur über die triadische Pflanzengattung
Pleuromeia
Zusammengestellt von
Erwin Schulze
1839. G. Graf zu Münster, Beiträge zur Petrefaeten-
Kunde. 1. Heft. Bayreuth. 4°. [Sigillaria Sternbergü,
p. 47, 1.3 £.10.]
1842. G. Graf zu Münster, Beiträge zur Petrefaeten-
Kunde. 1. Heft. 2. Auflage. Bayreuth. 4°. [Ssgillaria
Sternbergü, p. 67, 1.3 £. 10.]
1850. Unger, F., Genera et species plantarum fossi-
lium. Vindobonae. 8°. [Sigillaria Sternbergi, p. 250.)
1850. Beyrich, Sigillaria Sternbergü. (Z.D.G.G. v.2
p- 174— 175.)
1852. Giebel, Trematosaurus, Mastodonsaurus und
Sigillaria von Bernburg in der Halleschen Sammlung. (N.
Jahrb. f. Min. 1852, p. 601.)
1852. Germar, E.F., Sigillaria Sternbergi, Münster, aus
dem bunten Sandstein. (Z.D.G.G. v.4 p. 183—189, t. 8.)
1852. Göppert, H.R., Flora fossilis formationis trans-
itionis. (Nova Acta Ae. Leop. v.22,suppl.) Breslau. 4%. |Sage-
naria Bischoff Göpp., p. 187; Sigillaria Sternbergi, p. 250.]
1852. Roemer, F. A., Beiträge zur geologischen Kennt-
niss des nordwestlichen Harzgebirges. |2. Abt.] (Palaeonto-
graphiea. Cassel. 4%. 3.Bd., 2. Lief., p. 69—111, t. 11—15.)
[Sagenaria Bischofii Goeppert ‘im Plattenbruche bei Mägde-
sprung gefunden’, p. 96, t. 14 f.7.] Cf. 1885 E. Weiss, Zur
Flora der ältesten Schiehten des Harzes (Jahrb. der Preufs.
Geol. Landesanstalt für 1884, v. 5, p. 148—180, t. 5. 6. 7)
p: 152. | 1901 Potonie. | 1904 Potonie n. 38, p. 12—13.
136 ERWIN SCHULZE, [2]
1853. Bischof, Zeiehnungen einiger Sigillarien aus
dem bunten Sandsteine Bernburgs. (Zs. f. Naturw., v. 1,
p. 257, t. 8.)
1853. Giebel, Über Sigillaria Sternbergi Must. (Pleuro-
meya Corda). (Zs. f. Naturw., v.2 p. 34.)
1853. Spieker, Th. Zur Sigillaria Sternberg Münst.
des bunten Sandsteins bei Bernburg. (Zs. f. Naturw., v. 2,
p. 1— 6, t. 1. 2.)
1854. Spieker, Th., Pleuromoia, eine neue fossile
Pflanzengattung und ihre Arten, gebildet aus der Sigillaria
Sternbergi Münst. des bunten Sandsteins zu Bernburg. (Zs.
f. Naturw., v.3, p. 177—191, £.5.6.7) [1. P. Germar:,
p. 189, 1.5 £.1; 2. P. Sternbergi, p.189, 1.5 f.2; 3. P. costata,
p- 190, 1.6 £3.4,1.7 f.5; 4. P. plana, p. 190, 1.7 £. 6.]
1855. Bischof II., Beitrag zur Kenntniss der Pleuro-
moia, Corda, aus den oberen Schiehten des bunten Sand-
steins zu Bernburg. Mägdesprung 1855. [Quedlinburg, ge-
druckt bei G. Basse.| 4%. (4 p.: Titel u. 2 p. Text; 1.)
Ref.: 1855 Zs. f. Naturw., v.5 p. 406.
1856. Zinken sen., Blick auf die geognostischen Ver-
hältnisse der Umgegend von Bernburg, besonders die Ver-
steinerungen im bunten Sandstein betreffend. (Zs. f. Naturw.,
v.8 p. 344— 346.)
1859. Jasche, Über Pflanzen- und Saurier-Reste im
Bunten Sandsteine von Nienburg a. S. (Berichte des Naturw.
Vereins des Harzes für die Jahre 1857 u. 1858. Wernige-
rode 1859. 4%. p. 16—17.)
1859. Stiehler, W., Zu Pleuromeia Corda. (Zs. f.
Naturw., v. 14 p. 190—195.)
1860. Göppert, H. R., Über die fossile Flora der
Silurisechen, Devonischen und Unteren Kohlenformation oder
des sogenannten Übergangsgebirges. Mit 12 Tafeln. (Nova
Acta Ae. Leop., v. 19, p. 427—606.) Jena 1860. 4%. [Sage-
naria Bischoffii, ‘Jüngste Grauwacke in Lonau bei Herz-
berg’, p. 526.]
1861. Quenstedt, Epochen der Natur. Tübingen. 8°.
[Sigillaria Sternbergü, p. 472—473.].
1861. Stiehler, W., Über Pflanzenreste in den Braun-
kohlensandsteinen von Nachterstedt. (Berichte des Naturw.
[3] Litteratur über die trjadische Pflanzengattung Pleuromeia. 137
Vereins des Harzes zu Blankenburg für die Jahre 1859 —
1860. Wernigerode 1861. 4%. p. 49—51.) [Handelt von
p. 49 eol.2 ab von Pleuromoia aus dem bunten Sandstein
zu Bernburg und Umgegend.|
1866. Geinitz, Über die Schreibweise von Pleuromega.
(SB. Isis Dresden. Jg. 1866, p. 22.)
1869. Geinitz, Vorlage von Pleuwromeja Sternbergi aus
dem Buntsandstein von Bernburg. (SB. Isis Dresden. Jg.
1869, p. 187.)
1878. Jannasch, Stamm einer Pleuromoia aus dem
bunten Sandstein, bei Aussehachtung eines Fundamentes in
Bernburg gefunden. (Zs. f. Naturw., v. 51 p. 384.)
1879. Feistmantel, O., Palaeozoische und mesozoische
Flora des östlichen Australien. (Palaeontographiea, Supple-
ment III. Cassel. 4%) [Knorria-Stadium (?) von Lepido-
dendron Veltheimianum (?), p. 152, t. 5 (23) f. 2. 3.]
1886. Blanckenhorn, M., Die fossile Flora des Bunt-
sandsteins und des Muschelkalks der Umgegend von
Commern. (Palaeontographiea. Stuttgart. 4%. 32. Bd.,
4. Lief., p. 117—154, t.15—22.) [Sigillaria oculina, p. 132—
133, t.20 f.9; ? Thamnopteris vogesiaca, p. 132, t. 20 f. 8.]
1886. Weiss, E., Über eine Buntsandstein- Sigillaria
[S. oculina| und deren nächste Verwandte |[$. biangula aus
den unteren Ottweiler Schichten]. (Jahrbuch der Preuls.
Geol. Landesanstalt für 1885, v. 6, p. 356—361. Mit 2 Fig.)
1888. Schenk, A., Die fossilen Pflanzenreste. Breslau.
8%, (Sehenk’s Handbuch der Botanik. 4. Bd., p. 1— 284.)
[Sigillaria oculina, p. 79; Pleuromoya, p. 80.)
1896. Potonie, H., Die floristische Gliederung des
deutschen Carbon und Perm. Berlin. 8% (Abh. d. Pr. G.
L.-A., N. F., H. 21.) [Sigillaria oculina, p. 41 f. 41.]
1898. Potonie, H., Lehrbuch der Pflanzenpalaeonto-
logie. Berlin. 8°. 3. Lieferung. [Stigmarien: 3. Plewromeia,
p- 216—218 (p. 217 £.208 AB); Sigillaria oculina, p. 256
f. 246, p. 257.)
1898. Potonie, H., Die Pflanzenpalaeontologie im
Dienste des Bergbaues. (Zeitschrift für praktische Geologie.
Jg. 1898, p. 238— 248, f. 59—93.) [Sigillaria oculina,
p- 248 f. 92.]
138 E.Scuuuze, Litterat. üb. d. triad. Pflanzengatt. Pleuromeia. [4]
1899. H. Graf zu Solms-Laubach, Über das Genus
Pleuromeia. (Botanische Zeitung. Leipzig. 4%. Jg. 57.
[1899. Heft 12.] p. 227—243, t.8. Mit 2 Holzschnitten
p. 234.) Ref.: 1904 Neues Jahrbuch für Mineralogie, v.1,
Ref., p. 319 (Sterzel).
1901. Potonie, H., Pleuromoiaceae. (Engler’s Natür-
liche Pflanzenfamilien. Leipzig. 8° 1. Teil, 4. Abt,
p: 754 — 756, f. 453. 454.) [P. Sternbergü, p. 755; P. oculina,
p. 756.]
1901. Potonie, H., Die Silur- und die Culm-Flora des
Harzes und des Magdeburgischen. (Abhandlungen der
Preufs. Geol. Landesanstalt, N. F., Heft 36.) Berlin. 8°,
|Sagenaria Bischofii, p. 61—62. 153; Sigillaria Sternbergü,
p. 75.] g
1903. Fliche, Lyeopodinees du Trias en Lorraine.
(C.-R. de l’Ac. des Se. Paris. 1903, apr. 6. p. 907.)
1904. Potonie, H., Abbildungen und Beschreibungen
fossiler Pflanzen-Reste der palaeozoischen und mesozoischen
Formationen. Lieferung 1. (n. 21—40.) Herausgegeben
von der Königl. Preufs. Geol. Landesanstalt. Berlin. S®,
[38. P. Sternbergi (15 p., 8 £.); 39. P. oculina (2 p.).]
1907. Wüst, E. Die Fossilienführung des Mittleren
Buntsandsteins der Mansfelder Mulde. (Zs. f. Naturw., v. 79,
p. 1099— 126.) |Plewromeia Sternbergu (mit Sporen), p. 118.
120. 121. 124. 125. 126.]
1907., Fitting, J., Sporen im Buntsandstein — die
Makrosporen von Pleuromera? (Berichte der Deutsch. Bot.
Ges. Jg.1907. Bd.25, H. 8, p. 434—442.) Ref.: 1908 Zs.
f. Naturw., v. 80, p. 299—300 (E. Wüst). 1909 N. Jahrbuch
für Mineralogie, v. 1, Ref., p. 461—462 (H. Salfeld).
1909. ©. v. Linstow, Die geologische Literatur des
Herzogtums Anhalt mit Ausnahme des Harzanteils. (Geo-
logische Literatur Deutschlands. B. Literatur über einzelne
Gebiete. Herausgegeben von den Deutschen Geologischen
Landesanstalten.) Berlin. 8%. 33 p. |V. Buntsandstein,
e. Pflanzen, p. 16—18, n. 26—48.|
Kleinere Mitteilungen.
Gesteine und Minerale des Radautales.
Im Nordwesten des Harzes liegt das durch seine petro-
graphische und mineralogische Mannigfaltigkeit weit und breit
berühmte Harzburger Gabbrogebiet. Durch die fleilsigen und
erfolgreichen Arbeiten von STRENG, Lossen, KocH und ErD-
MANNSDÖRFFER ist die tektonische und petrographische Kennt-
nis unseres Gebietes am meisten gefördert worden, während
besonders ULRICH, STRENG, G. voM RATH und LUEDECKE
vortreffliche lithologische Arbeiten darüber geliefert haben.
Im Auftrage der preulsischen geologischen Landesanstalt
haben Koch und ERDMANNSDÖRFFER das Gebiet neuer-
dings in mustergültiger Weise geologisch bearbeitet, und
als Frucht dieser Tätigkeit ist vor kurzem das Kartenblatt
Harzburg erschienen. Ein Bliek darauf zeigt, welehe mühe-
volle Arbeit dies Blatt verursacht hat, und mit welchem
Wechsel in Bezug auf die Gesteinsbildungen hier gerechnet
werden muls. Durch die Untersuchungen JASCHEs und später
Lossens wurde es evident, dals der Gabbrokomplex zum
Eruptionszentrum des Brockenmassivs gehöre, zu welchem
bekanntlich auch der Ilsensteingranit und der Okergranit
gerechnet wird, so dafs also alle diese Massive als eine geo-
logische Einheit aufzufassen sind, aus einem Herde stammen,
und der Gabbro, als scheinbarer Fremdkörper im einstigen
sauren Granitmagma, nur eine basische Schliere darin dar-
stellt. Diese Auffassung wird allgemein als richtig anerkannt.
Der Harzburger Gabbro umfalst in erster Linie zahlreiche
Gesteine aus der Gabbro-Noritfamilie, denen sich solehe aus
der Pyroxenit-Peridotitfamilie anreihen, Durch Übergänge
140 Kleinere Mitteilungen.
zum Diorit sind alle jene Gesteine mit den dioritischen Teilen
des Broekenmassivs verbunden.
Neben den Gabbrogesteinen im weiteren Sinne kommen
für unser Gebiet noch andere eruptive und auch sedimentäre
Gesteine in Betracht, die an den Granit und an den Gabbro
angrenzen, zum Teil aber auch im Gabbro eingeschlossen
sind. Als das glutflüssige Granit- und Gabbromagma auf-
gepresst wurde, erlitten die bereits vorhandenen Eruptiv-
gesteine, Diabas usw. ebenso wie die Sedimente an ihren
Kontaktzonen eine hochgradige Umwandlung; sie wurden
fester und stärker, krystallisierten um, bzw. wurden erst
krystallinisch, und nahmen durch dem Magma entströmende
heilse Dämpfe und Lösungen neue Minerale in sich auf.
Man bezeichnet dies Phänomen als Kontaktmetamorphose
und die dabei entstehenden Minerale als Kontaktminerale.
So sind die in unserem Gebiet vorkommenden Orthophyre
und Diabase stark verändert, und kulmische, vielleicht auch
silurische Sedimente in sogenannten Ecekergneils umgewandelt
worden. Die vom Gabbromagma eingeschlossenen Gesteins-
brocken, z. B. Orthophyr, Diabas, Kahlebergsandstein, Kulm-
schiefer, Kulmgrauwacke und Kalke sind naturgemäls am
stärksten metamorphosiert, und deshalb ist ihre ursprüng-
liche Natur oft garnicht mehr wiederzuerkennen.
Von solehen Einsehlüssen kommen für die mineralogische
Forschung ganz besonders die umgewandelten devonischen
Kalke in Betracht. Während der Eekergneils an Kontakt-
mineralen besonders Granat, Cordierit, Turmalin und Andalusit
enthält, finden wir in den zu Marmor umgewandelten Kalken
besonders Wollastonit, Granat, Augit, Titanit, gelegentlich
auch Axinit.
Das Gabbromassiv wird nun vielfach durchsetzt von
Granitgängen, die sich bisweilen durch einen Augit- oder
Granatgehalt auszeichnen, oft auch sehriftgranitartig ausge-
bildet sind. Durch den Umstand, dals der Schriftgranit
ganz aulserordentlich grobkörnig wird, treten seine einzelnen
Gemengteile klar zu Tage, und so sehen wir in ihm schon
mit unbewaffnetem Auge die seltensten Silikate, z. B. Orthit
und Gadolinit, die sich im feinkörnigen Gestein den Blicken
des Mikroskopikers meist entziehen.
Kleinere Mitteilungen. 141
Die Reihe der in unserem Gebiet vorkommenden Minerale
wird nun dadurch noch ganz erheblich vergrölsert, dals
besonders die Gabbrogesteine bei ihren Zersetzungsvorgängen
sogenannte sekundäre Minerale liefern. Die Zersetzung dieser
Gesteine ist infolge des namhaften Eisenoxydulgehaltes
zweierlei Art. Die eine erfolgt unter dem Einfluls des
Luftsauerstoffs, die andere unter Abschlufs desselben. Erstere
sei hier als oxydierende, die zweite als nichtoxydierende
Zersetzung bezeichnet. Die oxydierende Zersetzung bewirkt
eine Oxydation des im Gestein enthaltenen Eisenoxyduls,
bräunt den Gabbro bzw. Norit und führt unter schliefslichem
Zerfall der Gesteine zur Bildung von Metalloxyden, z.B.
Eisenhydroxyd, Manganperhydroxyd, sowie zur Bildung von
Karbonaten und Hydrosilikaten, sogenannten Zeolithen. Diese
Art der Zersetzung kommt wesentlich auf der Oberfläche
und auf Klüften der Gesteine vor.
Wenn nun in den Aulsenschichten der Gesteine der
Luftsauerstoff vom Eisenoxydul gebunden ist, kann das tiefer
ins Innere eindringende atmosphärische Wasser nieht mehr
oxydierend, sondern nur noch lösend wirken, und es ent-
stehen bei dieser Zersetzung neben Bergkıystall, Karbonaten
und Zeolithen namentlich Ton-Eisenoxydulmagnesiahydro-
silikate, das sind Chlorite, die das Gestein grünlich färben.
Werden Gabbro und Norit von einer Humusdecke über-
lagert, so nimmt diese den Sauerstoff auf, Gummisäuren
bildend, und unter der Humusdecke, welche also dieselbe
Sauerstoff absorbierende Wirkung entfaltet, wie die Aulsen-
schicht des Gesteins, wird man gewöhnlich Gestein finden,
welches nur der nichtoxydierenden Zersetzung unterlegen war.
Dem Vorkommen und der Bildungsweise nach können
wir in unserem Gebiet also unterscheiden:
1. Primäre Minerale der Gabbrogesteine im weiteren Sinne,
der Granite, Orthophyre, Diabase und Sedimente.
2. Kontaktminerale.
3. Sekundäre Minerale,
a) durch oxydierende,
b) durch niehtoxydierende Zersetzung entstanden.
Dr. Fromme, Egeln, Vereinssitzung am 18. Nov. 1909,
142 Kleinere Mitteilungen.
Neue Funde von Gletscherschliffen bei Halle a. $.
Schon vor mehreren Jahrzehnten hatte man in der
Umgegend von Halle a. S. nämlich auf dem sogenannten
Galgenberg Gletscherschliffe gefunden, die s. Z. von Herrn
Geheimrat v. Frırsch unzweifelhaft als solehe erkannt wurden.
Die geologisch denkwürdige Stelle hat sich leider nicht
erhalten lassen, sondern ist dem Steinbruchbetriebe zum
Opfer gefallen. Im April dieses Jahres erhielt ich zu-
fällig Kenntnis von der Auffindung von Gletscherschliffen,
die in einem Porphyrsteinbruch (älterer Porphyr) bei Trebitz
in der Nähe des Petersberges bei Halle zu sehen sein sollten.
Der Augenschein bestätigte die Richtigkeit vollständig. Die
Kleinere Mitteilungen. 143
Sehlifte waren tadellos zu erkennen und bedeckten ein
Gebiet von mindestens 80 qm Bodenfläche. Eine sofort
vorgenommene Bestimmung der Richtung der Schrammen
mit Hilfe der Magnetnadel ergab genaue Nordsüdlage. Da
auch dieser geologisch interessante Fund nicht lange mehr
bestehen bleiben wird, so habe ich eine besonders schöne
Stelle photographisch aufgenommen.
Prof. Dr. WAGNER, Vereinssitzung 1909,
Über den Köderfang im Hochgebirge.
Wer durch seine Erfolge bei dem Ködern in der Ebene
verwöhnt ist in Bezug auf die grolse Zahl der erbeuteten
Arten und Individuen, der wird in dieser Hinsieht meist
reeht enttäuscht sein, wenn er zum ersten Mal das Ködern
im Hochgebirge ausübt und auch dort eine so reiche Aus-
beute erwartet. Die Arten- und Stückzahl der oben im
Gebirge durch den Köderfang erbeuteten Tiere steht der in
der Ebene erbeuteten Zahl ganz auffallend nach. Es dürfte
nun von Interesse sein, diejenigen Momente ausfindig zu
machen, die für den geringen Erfolg bestimmend sind. . Ich
habe bei nachfolgendem speziell den Graubündner Weilsen-
stein (2030 m) und die Albulapalshöhe (2313 m) im Auge, zwei
in entomologischer Hinsicht hervorragende Plätze, an denen
ich in den Jahren 1905, 1906 und 1909 gesammelt habe.
Trotz des unter den alpinen Entomologen bekannten Re-
nommees dieses Teiles der Hochalpen kann jedoch der von
mir dort erreichte Erfolg kein bedeutender genannt werden.
Es ist eine bekannte Erscheinung, dafs die Tiere der
Ebene, je weiter wir im Gebirge aufsteigen, uns allmählich
verlassen. Das Verschwinden der Tieflandstiere tritt meistens
nieht etwa in der Weise ein, dafs man die Maximalhöhe
eines Vorkommens genau festlegen und ein höheres Vor-
kommen als absolut ausgeschlossen hinstellen könnte. Daher
wird diese Grenze von den verschiedenen Beobachtern auch
unter gleichen klimatischen Verhältnissen meist um einige
hundert Fuls differierend angegeben. Es steht diese Be-
obachtung für die Entomologie nicht etwa einzig in der
144 Kleinere Mitteilungen.
Natur da, lehrt uns doch die Pflanzengeographie ganz gleiche
Verhältnisse kennen. Unter den wenigen Tieren, die eine
Ausnahme von der angeführten Regel machen, möchte ich
hier besonders Plusia gamma und Mamestra dentina hervor-
heben. Man könnte sie treffend als „Kosmopoliten der
vertikalen Verbreitung“ bezeichnen, da sie sich bei uns in
der Ebene und in gleicher Weise hoch oben im Gebirge
vorfinden; beide Spezies traf ich am Albulapass noch bei
2500 m und darüber.
Natürlich kommen in den höheren Lagen andere, dem
Tiefland fehlende Tiere hinzu, jedoch steht die Zahl der
neu auftretenden zu der der verschwindenden in keinem
Verhältnis. Am besten lälst sich dies durch ein Zahlen-
beispiel veranschaulichen: auf der Paflshöhe des Albula
sind während der 3 Jahre, wo ich dort weilte, nur 14
Noetuiden aufgefunden. Davon sind 12 typische Bewohner
der montanen Region, und von den 12 wieder 2 heliophile
Plusien, die für den Köderfang nieht in Betracht kommen.
(Frey gibt in seinem vortreffliehen Buche: „Die Lepidopteren
der Schweiz“ (1880) für den Albulapass nur 6 Noetuiden
an, wobei er allerdings bemerkt, dafs diese Zahl zu niedrig
gegriffen sei.) Ich will zugeben, dals sich die Zahl noch
erhöhen liefse (Pl. bractea? Had. rubrirena? und einige
andere); es würde die dortige Noctuidenfauna immerhin im
günstigsten Falle nur etwa den zwölften Teil derjenigen
Tiere ausmachen, die wir durchschnittlich in der Ebene
vorzufinden pflegen.
Einmal ist es also die geringe Zahl der in grölseren
Höhen noch vorkommenden Arten, die einen ergiebigen
Köderfang ausschlielst. Es kommen aber noch andere Dinge
hinzu, vor allem ein Umstand, der schon beim Ködern in
der Ebene von grolser Wichtigkeit ist: das Wetter. Man
betrachtet in der Regel einen Abend als günstig, wenn
Windstille herrscht, die Temperatur eine ziemlich hohe ist
und der Mond nicht sichtbar ist; als besonders günstig gilt
die Zeit vor einem Gewitter. Dafs allem Erwarten zum
Trotz manchmal dennoch der Erfolg ein völlig negativer
ist, sei nur nebenbei erwähnt; es ist dies eine Tatsache,
für die man bis jetzt vergeblich eine Erklärung gesucht
Kleinere Mitteilungen. 145
und nur Vermutungen aufgestellt hat. Im allgemeinen kommt
es aber sehr wohl auf das Wetter an. Nun sind jedoch
die Witterungsverhältnisse im Hochgebirge meist für das
Ködern im höchsten Malse ungünstig. Nebel und Stürme
sind abends die Regel, selbst im Juli und August sind
Schneefälle, die tagelang liegenbleibenden Sehnee zur Folge
haben, keine Seltenheit, wobei die Temperatur öfter unter
den Gefrierpunkt herabsinkt.
Als drittes und letztes Moment möchte ich noeh Folgen-
des ansehen. Bekanntlich bedient man sieh, um die An-
ziehungskraft des Ködersaftes zu erhöhen, einer stark-
riechenden Substanz (Apfeläther usw.), die dem Ködersaft
beigesetzt wird. Die Wirkung dieser Substanz ist in der
Ebene eine so grolse, weil hier das Verdunsten nur allmählich
vor sich geht und deswegen der Äther lange Zeit wirken
kann. Im Gebirge dagegen wird durch die dünne Höhen-
luft ein äufserst schnelles Verdunsten des Äthers herbei-
geführt, und so wird hier gerade das Mittel, das in der
Ebene die Tiere am meisten lockt, durch die klimatischen
Verhältnisse illusorisch gemacht.
Wenn sonach beim Ködern im Hochgebirge auch keine
grolse Stückzahl gefangen zu werden pflegt, so wird .man
doch vom Ködern dort nicht völlig absehen; denn, mag auch
die erbeutete Zahl gering sein, was man erhält, sind meist
gute Gebirgstiere. Es wäre daher fehlgegangen, aus obigem
etwa den Rat zu entnehmen, man solle im Gebirge nicht
ködern. Im Gegenteil! Das Herz jedes passionierten Lepi-
dopterologen mu[s höher schlagen, wenn es ihm vergönnt
ist, in wenigen Tagen so geschätzte Tiere wie Hadena zeta,
pernix, maillardi, Agrotis helvetina, fatidica, besonders aber
Agr. culminicola zu erbeuten! Ist durch solchen Fang
— und erhielt er auch jedes Tier nur in einem Exemplar —
nicht schon seine Mühe reichlich belohnt?
E. BAUER, Referendar.
Zur Schmetterlingsfauna der Goitzsche.
Bei einer Exkursion in die Bitterfelder Goitzsche am
16. Juli 1908 wollte ich einmal feststellen, was dort an
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd. 82. 10. 10
146 Kleinere Mitteilungen.
Faltern flog und nahm daher alles mit, was mir ins Netz
kam. In der kurzen Zeit von 2 Stunden, von 9—11 Uhr
früh, erbeutete ich die ansehnliche Zahl von 43 Arten, ge-
wils ein Beweis für den Schmetterlingsreiehtum dieses
schönen Laubwaldes. Und zwar waren dies:
1. Pieris brassicae L. | 23. Epinephele Iycaon Rott.
2.5 rapae 24. Coenonympha iphis Schiff.
3. Colias hyale L. | 25. y arcamia L.
4. Gonopterye rhamni L. 26. an pamphilus L.
5. Apatura iris L. Kor Pararge egeria L.
6. > ilia Schiff. | 28. e megaera L.
2% 7 v. clytie Schiff. 29. Thecla ilieis Esp.
8. Vanessa io. L. | 30. Zephyrus betulae L.
9: # urticae L. | 31. Chrysophanus virgaureae L.
10. Polygonia ce. album L. 32. # phlaeas L.
11. Pyrameis atalanta L. 33. 2 dorilis Hufn.
12. Arachnia levana L. 34. Lycaena argus L.
13. Melitaea maturna L. 3Dr a icarus Rott.
14. Brenthis selene Schiff. 36. n semiargus Rott.
15. Argynnis latonia L. ı 37. Pamphila palaemon Pall.
16. s aglaja L. 38. „ silvius Knoch.
17. - paphia L. | 39. Adopaea lineola 0.
18. Melanargia galatea L. 40. . thaumas Hufn.
19. Maniola medusa F. | 41. Augiades comma L.
20. Satyrus semele L. ı 42. Scelothrix alveus Hb.
21. Aphantopus hyperantus L. 43. a malvae L.
22. Epinephele jurtina L.
FRANZ BANDERMANN.
Ein Zwitter (?) von Saturnia pavonia L.
Bei derselben Exkursion fand ich an einem Rhamnus-
strauche 34 Raupen von Sat. pavonia. Bis zum 14. August
erzielte ich davon 26 Puppen, die ich im Keller unterbrachte
und im nächsten Frühjahr wieder ins Zimmer nahm. Vom
2. April bis zum 18. Mai schlüpften 19 Falter; die übrigen
waren vertrocknet. Unter den 19 war nur ein Tier ab-
weichend. Es hat eine Flügelspannung von 41 mm; die
Farbe der Vorderflügel ist rein weiblich, dagegen zeigen
die Hinterflügel eine bellgelbe Färbung ähnlich der des
Weibehens von Cosmotriche potatoria L. Die Zeiehnungen
aller Flügel sind normal, nur ist das braune Band am
Kleinere Mitteilungen. 147
Aufsenrand der Hinterflügel schmaler und kürzer. Der
Körper ist oberhalb am Thorax weiblich, während die
untere Hälfte, ebenso wie die Fühler, wieder den männ-
liehen Typus aufweisen.
FRANZ BANDERMANN.
Variationen im Geäder des Dipterenflügels.
Der Dipterenflügel scheint nach dieser Seite hin nur
wenig Gegenstand des Studiums gewesen zu sein. Bei
Tabanus luridus Meig. und Leptis vitripennis Meig. habe
ich die Verhältnisse näher untersucht und an anderer
Stelle!) publiziert. Zu den genannten Fällen möchte ich
noch einige kurz hinzufügen.
1. Hilara spec.
Hilara hat gegabelten Radialsektor. Die Gabelung
hat grolse Ähnliehkeit mit der Leptis-Gabelung, die Grund-
-verhältnisse sind so ziemlich die gleiehen. Der untere Teil
des Sektors ist konvex, der obere Teil konkav, und die
konkave Linie, die als verloschene Ader aufzufassen ist,
läuft parallel der unteren Ader, also die Basis der Gabelung
ist als Querader aufzufassen und daher auch konvexer Natur.
Im eigentlichen Sinne des Wortes hat also der obere Gabelast
mit dem Sektor niehts gemein. Vom Sektor geht eine noch-
malige Gabelung spitz zum Vorderrande, diese weitere Ader
ist der Gabel homolog, es ist also eine echte Gabelung,
während die Gabelung der dritten Längsader eine falsche
Bifurkation darstellt. Die Anomalie zeigt sich nur auf
dem rechten Flügel. Mir scheint das Auftreten an dieser
Stelle darum so merkwürdig, weil der Flügel hier keinerlei
Merkzeichen darbietet, die darauf schliefsen lassen, dafs es
hier zur Ausbildung einer Ader kommen könnte; es ist
keine Tingierung nachweisbar, keine Erhöhung der Membran.
Diese Merkmale sollen aber vorhanden sein. Andererseits
ist aber, nach der hypothetischen Aufstellung des Flügel-
1) Mitteilungen aus der Entomologischen Gesellschaft zu Halle a. S.,
1909, Heft 1, 8. 9 #.
10*
148 Kleinere Mitteilungen.
schemas nach Apoupn, eine Gabelung im Vorderdrittel des
Flügels zu erwarten. Seine Vermutung bestätigt sich also.
Immerhin dürfte sich Atavismus gerade an dieser Stelle nur
sehr vereinzelt zeigen; unter einem grolsen Material fand
ich nur diesen einen Fall.
2. Leptis aequalis Fahr.
Im Gegensatz zu allen meinen bisherigen Beobachtungen,
die stets atavistische Erscheinungen zeigten, ist bei dieser
Art eine weitere Reduktion des Geäders eingetreten. Sie
betrifft den oberen Gabelast des Sektors, der zu zwei Drittel
verschwunden ist und ganz plötzlich, ohne weitere Anzeichen,
abbrieht. Die Abbruchstelle liegt an dem Punkte, wo die
Basis der Gabel umbiegt, d. h. wo sich der Charakter ändert.
Bis zu dieser Umbiegestelle ist die Ader konvex und stellt
eine ursprüngliche Querader dar. Dieser Charakter ist
scharf ausgeprägt. Deutlich ist die noch mit dem unteren
Sektor parallellaufende obliterierte Ader zu sehen, die den
stehengebliebenen Teil des Gabelastes an der Stelle trifft,
wo er als reguläre Querader die beiden Aderzüge einst ver-
bunden haben muls. Die verloschene Gabel läfst, ihrer
konkaven Natur gemäls, eine Vertiefung in der Membran
zurück. Die Art zählt zu denen mit untingierten Flügeln;
es bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten zu kon-
statieren, ob auch bei Arten mit Adertingierung sich
Reduktionen bemerkbar machen, oder ob hier nur ata-
vistische Rücksehläge vorkommen.
RICHARD KLEINE.
Aus den Sitzungen der Entomologischen Gesellschaft
zu Halle a. 8. (E. V.).
Sitzung vom 3. Januar 1910. Herr Haupr hielt einen
Demonstrationsvortrag über exotische Cieaden (Membracidae).
Während die aitweltlichen Membraeiden mit Ausnahme
weniger Stücke des indomalayischen Archipels alle einen
einfachen Bau aufweisen, zeichnen sich die amerikanischen
Arten durch geradezu abenteuerliche Auswüchse des Vorder-
rückens aus, die oft gröfser sind als das ganze Tier. So
Kleinere Mitteilungen. 149
war bei einem Exemplar der Auswuchs etwa zehnmal so
grols als der eigentliche Körper. Uber den Zweck der
absonderlichen Gebilde ist man noch völlig im Unklaren;
da sie mitunter ungefähr die Gestalt grolser Dornen annehmen,
hat man sie — sicher fälschlich — als mimetische Er-
scheinung (Dornnachäffung) zu erklären versucht. — Nach
einer Zeitungsmeldung soll die von Herrn BAUER als neu
für Deutschland festgestellte mediterrane Eule Dianthoecia
magnoli neuerdings in Schlesien beobachtet sein. Im Interesse
der Priorität stellte daher Herr BAuEr fest, dafs er dieses
Südtier bereits 1904 im Breisgau erbeutet habe. — Herr
KLEinE teilte mit, dafs er die bisher nur aus Borkenkäfern
bekannte Schmarotzerwespe Dendrosoter protuberans mehr-
fach aus Bockkäfern gezogen habe. Dieser Zuehterfolg ist
insofern von allgemeiner Bedeutung, als die beiden Wirte
eine total abweichende Lebensweise haben. Die 6 mm grolse
Wespe bringt es fertig, durch mehr als doppelt so diekes
Holz hindurch ihre Eier an die Bocklarven heranzubringen;
ferner unterscheidet sie ihre Opfer nach dem Alter, da sie
die einjährigen Larven mit höchstens 4, die zweijährigen
mit 7 bis 8 Eiern beglückt. — Herr DAEHNE referierte über
Hovarps Standardwork: „Les Zooeeeidies des plantes
d’Europe et du bassin de la Mediterranee*, im dem 6239
Tiergallen von 2329 Pflanzenarten angeführt werden; dabei
machte er besonders darauf aufmerksam, ein wie weites
Arbeitsfeld in dieser Beziehung noch in den Pilzen brach
läge, da selbst HouArD nur 7, anscheinend von Dipteren
erzeugte, Pilzgallen verzeichnet. — Herr KLEINE demonstrierte
die interessantesten, beiläufig von den unsrigen kaum ab-
weichenden Stücke der von Herrn FÜGE auf Sizilien ge-
sammelten Fliegen; Herr SpörteL die 4 (von insgesamt
10 deutschen) von ihm im Hallischen Faunengebiet auf-
gefundenen Sandläufer-Arten [Cicindela campestris, hybrida,
germanica und, nur bei Weilsenfels, silvatica.|
Sitzung vom 17. Januar 1910. Herr Haupr machte
einige interessante Verbreitungsangaben aus der von ihm be-
arbeiteten Homopterenfauna von Thüringen, die 45 Gattungen
mit 130 Arten enthalten wird. — Herr KLEıxE teilte mit,
150 Kleinere Mitteilungen.
dals er den Dendrosoter protuberans einmal bei Hylesinus
fraxini und öfter bei Myelophilus piniperda gefunden habe.
Sitzung vom 7. Februar 1910. Herr BANDERMANN
legte 10 benannte Abarten, darunter die neue seltene fene-
strella, des Schwalbenschwanzes (Papilio machaon) vor, die
er sämtlich aus Raupen, die von ein und derselben Fund-
stelle stammten, ohne jede künstliche Beeinflussung gezogen
hat. — Herr SpörrEL sprach unter Vorlegung des Käfer-
materials über die Ergebnisse seiner letzten Siebversuche
(Ende Januar), die wieder bestätigten, dals für diese Fang-
methode Waldränder am geeignetsten sind. So erhielt er
an der Lisiere über 600, im lichten Bestand nahe am Rande
314, mitten im Bestand 218 Kleintiere. In dem grolsen
Fange überwogen die Käfer mit über 500 Stück, in weitem
Abstande folgten die Wanzen mit 56, die Wespen mit 20,
die Fliegen mit 5, die Heuschrecken mit 2 Vertretern
usw. — Herr DAEHNE sprach über wenig beachtete, von
ihm regelmäfsig beim Sieben erbeutete Spinnentiere, die zu
den Afterskorpionen gehörigen Cheliferiden, von denen nur
der durch Vertilgen von Staubläusen nützliche Bücherskorpion
(Ch. cancroides) in weiteren Kreisen bekannt zu sein pflegt. —
Herr KLEINE zeigte Ulmenzweige mit den Fralsbildern von
Magdalis armigera und referierte über einige neue exotische
Borkenkäfer, die im Gegensatz zu unseren einheimischen, nie
Samen oder Früchte angreifenden Arten, Datteln, Kaffee-
bohnen, Betelnüsse und sogar das gerade wegen seiner
aulserordentlichen Härte handelswichtige „vegetabilische
Elfenbein‘, die Steinnüsse von Phytelephas macrocarpa,
zerstören.
Karnevalistische Sitzung vom 21. Februar 1910.
Herr Dr. HAUSERSCHMIED sprach über die Kleinlebewelt des
Südviertels. Er hatte als Polikliniker Gelegenheit, in die
dunkelsten Winkel der Stadt hineinzuleuehten und dort eine
überraschend reiche Fauna von Spelaeo- und Lutobionten, etwa
80, meist zu den Aphanipteren und Hemipteren gehörige Arten,
zu entdecken. Als einfaches und zuverlässiges, daher all-
seitiger Nachachtung empfohlenes Verfahren zum Eintragen
Kleinere Mitteilungen. 151
zarter Objekte, wie Pediculus capitis u. ä., erprobte er den
Transport am eigenen Körper. — Herr NÄupE demonstrierte
einen neuen entoparasitären Geradflügler, den Gewissenswurm
(Forficula terebrans N.), der im Perieard einer gleichfalls
vom Vortragenden entdeckten Abart unserer gemeinen Unke,
der Hallunke (Maleficus nefastus N.) nagt. Ferner sprach
er über Bau und Lebensweise der früher hier seltenen ge-
meinen Stralsenschrecke (Locusta automobilis Br.) oder
Stinksehreeke (Schnaufo foetida Fft.), die sich neuerdings
im Vereinsgebiet bedeutend ausgebreitet hat. — Herr
SORENBAUM legte Urinsekten aus der Steinkohlenzeit vor,
darunter Übergangsformen von den Libellen zu den Wanzen
(Agriosoma hemipteroides) und zu den Schmetterlingen (A.
pieroides und melitaeensis), von denen besonders die letztere
einen ausgesprochen vorsintflutliehen Eindruck machte. —
Herr BAUER zeigte als Resultat mehrerer Tausend Experimente
vier kostbare Schmetterlingsbastarde, und zwar nicht nur
Kreuzungen nahe verwandter Arten (z. B. Kleefalter hyale x
europomene), sondern sogar einander ganz fremder Gattungen
(z. B. Lycaena > Plusia). — Einen neuen Käfer legte Herr
MANDERBANN in Gestalt eines Apfelsinenstechers vor; auch
dürfte seine Auswahl selbstgezüchteter Schmetterlingskreu-
zungen den Spezialisten arges Kopfzerbrechen bereiten. —
Herr Haut sprach über ein von ihm erfundenes Ködermittel
für Schillerfalter, das als Parfüm eine grolse Zukunft haben
dürfte. — Herr STÖPPEL zeigte eine unschätzbare Abnormität,
einen Laufkäfer ohne Unterleib, dafür aber mit zwei Rücken.
Ferner eine beredte Illustration zu dem vielzitierten: „Viel
Dinge gibt es zwischen Himmel und Erde, von denen Eure
Sehulweisheit niehts träumt!“ Das von ihm beim Nachtfang
auf der Passendorfer Wiese erbeutete und einstweilen Agrio-
morpha lepidoptero-caraboidea getaufte Insekt vereinigt
nämlich unverkennbar die Charaktere einer Wasserjungfer,
eines Schmetterlings und eines Käfers! An den wissen-
schaftlichen schlofs sich diesmal noch ein ausgedehnter
gemütlicher Teil, in dem nach dem Verlesen einer stimmungs-
vollen „Kalauopterologischen Zeitung“ allgemeine Kommers-
lieder mit bunten musikalischen und oratorisehen Darbietungen
wechselten. Jedenfalls bewies der Verlauf des Abends, dafs
152 Kleinere Mitteilungen.
sich die E. G. trotz ihrer ernsten wissenschaftlisehen Arbeit
den Sinn für fröhliche Heiterkeit zu erhalten weils.
Sitzung vom 7. März 1910. Herr Haupr hielt einen
Demonstrationsvortrag über die farbenprächtigste Hymen-
opterengruppe, die Chrysiden, die mit Ausnahme des bei
Blattwespen sehmarotzenden Üleptes sämtlich bei Bienen und
Grabwespen parasitieren. Sie sind vorwiegend Südtiere:
bei uns treten sie erst im Hochsommer auf. Einige sind
behende Läufer; alle zeigen die Eigentümlichkeit, dals sie
sich bei Gefahr zu einer Kugel zusammenrollen, wobei sie
durch ihren harten Panzer sehr gut geschützt sind. Bei
Halle hat der Vortragende erst wenig Arten gefunden. Be-
sondere Erwähnung verdienen aber Chr. tarsata aus der
Goitzsche bei Bitterfeld und Chr. vallisiana aus der Nieder-
lausitz. — Herr Dr. von SCHLECHTENDAL stellte dazu den
weit verbreiteten Irrtum riehtig, dafs die Chrysiden gefähr-
lich stechen könnten; dies sei ausgeschlossen, da ihr Stachel
häutig wäre.
Herr KLEINE zeigte Fralsstücke von Borkenkäfern,
darunter eins, das beide sonst in ganz verschiedenen Sorti-
menten brütenden Myelophilusarten untereinander brütend
enthält. — Herr Dr. von SCHLECHTENDAL demonstrierte 2 wert-
volle Fossilien nebst einigen von Herrn HAupr trotz grolser
technischer Schwierigkeiten mustergültig aufgenommenen
Photographien. Ein Stück Dölauer Steinkohle mit dem Ab-
druck des Kopfbruststückes einer Spinne, vom Vortragenden
Ogkomaspis getauft, stellt das erste von Dölau bekannt ge-
wordene Gliedertier dar. Das andere Stück, der Abdruck
einer Schabe im Rotliegenden, ist von GOLDENBERG Blattina
rückerti, von HANDLIRSCH Anomoblatta benannt. Die HAUPT-
sche Photographie zeigt jedoch deutlich, dafs die gleichzeitig
vorgelegte GOLDENBERGSche Originalzeiehnung unrichtig ist,
und dals das Tier überhaupt keine Blatta sein kann, da es
4, von Grund aus getrennte Adern besitzt.
Sitzung vom 21. März 1910. Herr KLEINE demon-
strierte eigentümliche Sehilfgallen, das Werk einer für die
Hallische Fauna neuen Fliege (Lipara lucens). Dieselbe
Kleinere Mitteilungen. 153
erzeugt an Phragmites communis eharakteristisch schopfartige
Mifsbildungen: die Internodien verkürzen sich und schieben
sich übereinander und entsenden nach allen Seiten Nottriebe,
wobei sie selbst keine Scheidewände, die Blätter keine
Spreiten mehr ausbilden. Die ersten Stände sind noch un-
bekannt, doch dürfte die Eiablage Anfang Juli erfolgen.
Die Larven von ZL. lucens kommen oft vergesellsehaftet mit
denen der verwandten L. similis vor; letztere erzeugen
jedoch keine Gallen und leben in den Zwischenräumen der
zehn- bis fünfzehnfachen Blattlagen, während die ersteren
im Innersten des Blattbündels hausen. Schmarotzer sind
eine ganze Reihe, meist Schilfmücken und Raubwespen,
bekannt geworden.
DAEHNE.
Literatur-Besprechungen.
Haase, E., Die Erdrinde. Einführung in die Geologie.
2548. Mit 3 farbigen Tafeln und zahlreichen Abbildungen
im Text. Leipzig, Verlag von Quelle & Meyer, 1909.
Gebunden 2,580 M.
Das Reich der „toten“ Steine lebendig zu machen, ist
dem Verfasser aufs beste gelungen. Das vorliegende Buch
gliedert sich in einen einführenden Teil und einen so-
genannten „Anhang“. Dieser stattliche Abschnitt mit seinen
84 Seiten verdiente eigentlich einen würdigeren Namen. In
ihm hat der Verfasser mit vieler Sorgfalt ausgewählte
Sehilderungen geologisch interessanter Vorgänge der Gegen-
wart als wirksam -lebensvolles Unterstützungsmaterial zu-
sammengestellt, sodals dieser Teil ein kleines geologisches
Lesebuch darstellt, das sehr gut auch für sich zu gebrauchen
wäre. Ich halte die hier verfolgte Sonderung der Abschnitte
für äulserst günstig. Wenn auch dem ersten Teile, dem
eigensten Werke des Verfassers, dieselbe Anschaulichkeit
und lebensvolle Frische anzumerken ist, so werden anderer-
seits durch die reinliche Scheidung die Kreise des Autors
nicht gestört. Durch Fulsnoten ist stets auf die passenden
Stücke im „Anhang“ hingewiesen.
Auch der andere Hauptgedanke, der den Verfasser im
ersten Teile des Buches leitete, ist mir: von unterriehtlicher
Seite sehr sympathisch. Die allgemeine Geologie wird
nicht, wie bisher oft üblieh war, in einem besonderen Ab-
schnitt gebracht, sondern es erhält, da es sich ja in erster
Linie um das Verstehen einer zeitlichen Aufeinanderfolge
handelt, die historische Geologie die Führung in der
Literatur-Besprechungen. 155
Anordnung des Stoffes, und die einzelnen Kapitel der all-
gemeinen Geologie sind passend hineingewebt.
Das Buch liest sich flüssig und genulsreich, und dürfte
daher für den Anfänger, der leicht abgestolsen wird, recht
geeignet sein. Bei klarer und knapper Darstellung wird
doch das Wichtigste erwähnt; enzyklopädische Vollständig-
keit ist nirgends erstrebt.
Auch nach der illustrativen Seite hin ist das Werk
reich an Originalem. Es ist möglichst auf das landläufige
Schema verzichtet. Soweit es irgend angeht, bringt der
Verfasser die Objekte aus seinem eigenen Studienkreise.
So bleiben Wort und Bild in innigem Konnex miteinander.
Der heimische Künstler H. Wessner-Collenbey ist mit vieler
Hingebung den Absichten des Autors gefolgt. Unbesorgt
kann dieses knapp und doch nicht leitfadenmälsig ge-
schriebene Buch für Selbst- und insbesondere auch Schul-
unterricht aufs wärmste empfohlen werden.
K. PRITZSCHE.
Haase, E., Lötrohrpraktikum. Anleitung zur Unter-
suchung der Minerale mit dem Lötrohre. 898. Leipzig,
Erwin Nägele, 1908. 1,25 M.
Ein Praktikum zu sehreiben ist nicht leicht, wenigstens
es so zu schreiben, dafs sich der Schüler in seinem Buche
so zurechtfindet, dafs er den beratenden Lehrer nicht ver-
milst. Der Verfasser hat dies auf dem eng umschriebenen,
für den ausübenden Mineralogen höchst wichtigen Gebiete
der Untersuchung mit dem Lötrohre getan. Dals der
Erfolg der Absicht entspricht, beweist u. a. die Zitierung
des Büchleins bei namhaften Verfassern; es ist eben ein
Buch, bei dem das bekannte „dringende Bedürfnis“ nicht
zur Phrase würde.
Zum Gange selbst ist folgendes zu bemerken: Ohne
langatmige theoretische Vorerörterungen führt der Verfasser
recht bald in die Untersuchung verschiedener sorgfältig
ausgewählter und deshalb an Zahl beschränkter Stoffe ein,
zuerst einfacherer chemischer Verbindungen, sodann aber
auch der Gesteine, um den Schüler am Schlufs sehon etwas
156 Literatur-Besprechungen.
auf eigene Fülse stellen zu können. Dabei werden — wie
von selbst — die Handhabung des Rohres, ferner die ver-
schiedenen Flammenarten, Flammenfärbungen und Perlen-
proben vorgenommen. Wichtig ist zum Schlufs auch die
Übersicht über das Verhalten der Körper vor dem Lötrohre
sowie auch das alphabetische Verzeichnis der wichtigsten
chemischen Bestandteile der Mineralien, wobei selbstver-
ständlich auch die nassen Reaktionen Berücksichtigung
finden.
Die Verwendung des Buches ist nicht nur für den
Selbstunterrieht von Vorteil; mancher Schüler wird es dem
Lehrer Dank wissen, wenn er ihn zum Zwecke eigener
Betätigung des in der Schule Gelernten auf dieses Prakti-
kum hinweist.
K. PrITzscHE.
Zimmermann, W., Die Photographie 1648. Mit
zahlreichen Abbildungen im Text und auf Tafeln. Aus
der Naturwissenschaftlichen Bibliothek für Jugend und
Volk, herausgegeben von Konrad Höller und Georg
Ulmer. Leipzig, Verlag von Quelle & Meyer. Gebunden
1,350 M.
Zu der nieht geringen Zahl anerkannt guter und der
Menge mittelmälsiger Anleitungen zur Ausübung der Licht-
bildkunst ist noch eine weitere getreten. Ob mit Recht?
So viel ich entscheiden kann, ja! Mag sich kein Er-
wachsener von dem Buche deswegen abschreeken lassen,
weil es in eine Bibliothek für die „Jugend“ eingereiht ist.
Die frühe Jugend geht die ausübende Photographie über-
haupt nichts an, und die Lösung: „Der Kodak in der Hand
des Kindes!“ ist einzig vom geschäftlichen Standpunkte des
Händlers geprägt worden. Mag die Jugend erst so weit
heranwachsen, dals sie wenigstens die Hauptprozesse des
Geschehens im Glashause versteht, und vor gedankenlosem
Knipsen möge der Geldbeutel der Eltern verschont werden,
Nun, das Werkehen hält, was es in der Vorrede sein zu
wollen verspricht: es ist tatsächlich ein freundlicher Berater,
bei dessen Belehrungen das Schematische stets hinter dem
Literatur-Besprechungen. 157
Persönlichen zurücktritt. Das fesselt, und so habe auch ieh
das Buch mit Freude durchgelesen. Den besonderen Vorteil
hat es, dals es nicht eine Unzahl von Rezepten bringt,
sondern wenige bestimmte, die dann aber auch wirklich
tauglich sind. Bei aller Volkstümlichkeit — und es fällt
nie aus der Rolle — ist doch überall das tiefere Erkennen
angebahnt; das ist mir sowohl bei den Betrachtungen über
Linsenwirkungen und Objektivkonstruktionen als auch be-
sonders bei den photochemisehen Erörterungen angenehm
aufgefallen. Einige Schlulskapitel leiten auf die höhere
photographische Kunst, Kohledruck und Autochromverfahren
hin, obne dafs aber diesen Abschnitten ein ungebührlich
breiter Platz eingeräumt würde.
Die Abbildungen, zum grolsen Teil Originale, sind in-
struktiv; an beabsichtigten Fehlaufnahmen lernt der Anfänger
vieles vermeiden, was ihm sonst nachher Verdruls und
Geldverlust gebracht hätte.
K. PRITZSCHE.
Glafey, Hugo, Dipl.-Ing., Geh. Regierungsrat, Rohstoffe
der Textilindustrie. 144 S. Aus der Sammlung:
Wissenschaft und Bildung. Einzeldarstellungen aus allen
Gebieten des Wissens. Herausgegeben von Dr. Paul
Herre. Leipzig, Verlag von Quelle & Meyer, 1909. Ge-
heftet 1,— M., gebunden 1,25 M.
Im Auftrage der „Vereinigung für Wirtschafts- und
Gewerbekunde“ hat der Verfasser eine Reihe von Vorträgen
über das Gebiet der Textilindustrie gehalten, deren Inhalt
er in zwei Bändehen einem grölseren Kreise zugänglich
macht. Das erste Büchlein liegt vor uns; es behandelt die
Rohstoffe; das zweite geht auf deren Verarbeitung, also
die Textilindustrie selbst, ein.
Die Gliederung des Stoffes ist recht klar. Den ersten,
umfangreicheren Teil nehmen die natürlichen Rohstoffe ein,
den zweiten die künstlichen, die jene allerdings an Zahl
und Bedeutung längst nieht erreichen. In jeder von beiden
Hauptgruppen wird nach den drei Naturreichen gruppiert,
wobei das Mineralreich den geringsten Anteil hat (Asbest,
158 Literatur-Besprechungen.
Glas- und Metallfäden. Bei der langen Reihe aus-
ländischer Rohstoffe wird einem so recht die Bedeutung
der Kolonien, wenigstens unter diesem Gesiehtswinkel, klar,
sowie die Bedeutung unseres überseeischen Güterverkehrs
überhaupt.
Soweit die Technik in die Aufbereitung der Rohstoffe
hineinspielt, wird ihr ebenfalls die verdiente Würdigung zu
teil; so lernen wir bei der Baumwolle die Hauptarten der
Entkernungsmaschinen und Ballenpressen, beim Flachs die
Brech- und Hechelmaschinen, bei anderen Stoffen wieder
besondere Entholzungs- und Entfaserungsvorriehtungen
kennen. So werden auch z. B. bei der Wolle eine Reihe
von Spezialmaschinen vorgeführt, deren Wirkungsweise auch
dem Nichtfaehmann interessant ist. Die Struktur der Fasern
wird, wo besonders auffallende Charakteristiea vorhanden
sind, durch Mikrophotogramme verdeutlicht. Statistische
Darstellungen machen die Menge der Erzeugung und den
Verbrauch der versehiedenen Rohstoffe auf dem Welt-
markte klar.
So wird das Büchlein seinem Zwecke durchaus gerecht
und verdient einen weiten Leserkreis.
K. PRITZSCHE.
Voigt, Max, Dr. phil., Oberlehrer in Oschatz (Sachsen), Die
Praxis des naturkundliehen Unterrichts. Ein Hand-
buch für Lehrer aller Sehulgattungen und für Sammler.
XIV und 282 S. Mit 92 in den Text gedruckten Figuren.
Leipzig, Dieteriehsche Verlagsbuchhandlung (Theodor
Weicher), 1909. Gebunden 3,80 M.
Ein Kompendium für den Schulmann, wie es sein muls.
Sehon der kräftige Stoffeinband sagt: „Stelle mich nieht in
den Büchersehrank;; mitten in den Unterriehtsbetrieb hinein
gehöre ich!“ Nieht nur der Lehrer, sondern auch der
reifere Sehüler wird sich ein solehes Buch gern zulegen,
das ihm reiches Lebenswissen bietet, ihn auf allen ein-
schlägigen Gebieten so wohl berät. Das Werk hat denn
auch bereits in der deutschen Lehrer- und Sammlerwelt
sein verdientes Lob gefunden. Es macht uns zuerst mit
Literatur-Besprechungen. 159
einer Menge einfacher und praktischer Geräte bekannt, die
zum Sammeln und Untersuchen von Pflanzen und Tieren
dienen. Eine Menge davon kann sich der, dem ein gewisses
Handgeschiek nieht gänzlich versagt ist, selbst herstellen.
Selber machen! das ist ja überall das Leitmotiv in diesem
Buche. Weiter ist die Rede vom Einsammeln der Pflanzen,
Pflanzenzucht durch Schüler und der Anlage des Schul
gartens. Überall merkt man, dafs der Praktiker redet.
Ein weiterer Abschnitt sprieht vom Sammeln gröfserer und
mikroskopischer Tiere (Plankton), von Aquarien, Terrarien
und den Wasmannscehen künstlichen Ameisennestern, ferner
von der Zucht der Futtertiere. Das Kapitel der Pflanzen-
physiologie ist auf 20 Seiten mit recht guter Auswahl der
Versuche abgehandelt. Ein vollständiges Praktikum will
das Buch hierbei wie der folgenden Zoologie und Anthropo-
logie natürlich nicht ersetzen. Der Mineralogie und Geologie
sind 18 Seiten gewidmet. Exkursionsausrüstung, Arbeit
draufsen und drinnen, Lötrohr, Dünnschliffe, Bodenproben
mögen als Stichworte genügen.
Ein weiterer grolser Abschnitt folgt über das Mikroskop,
dieses erst jetzt so recht allgemein gewürdigte Hilfsmittel
der Erkenntnis. In klarer Weise lehrt der Verfasser das
Instrument selbst kennen, bietet sodann unter sorgfältiger
Beschränkung auf das Notwendige eine Anweisung zur An-
fertigung pflanzlicher und tierischer Präparate, behandelt das
Messen und Zeichnen und den Gebrauch der Polarisations-
einrichtung. — Als wichtiges Veranschaulichungsgerät wird
weiter der Projektionsapparat in seinen mannigfachen An-
wendungsarten gewürdigt. Auch die photographische
Camera wird als vielfach nützliches Schulgerät (Natur-
aufnahmen, Mikrophotographie, Reproduktion von Bildern
und Zeiehnungen, Diapositive) warn zur Anschaffung em-
pfoblen.
Den Schlufs bildet eine Belehrung über die praktische
Ausgestaltung naturkundlicher Sammlungen, über Auf-
bewahrung und Bezeiehnung, Reparieren und Konservieren
der Gegenstände.
Der praktische Schulmann kommt ganz zuletzt noch
einmal beim Kapitel „Exkursionen“ zu Worte.
160 Literatur-Besprechungen.
Verzeichnisse von Chemikalien, Bezugsquellen aller Art
sowie ein Literaturnachweis vervollständigen den Inhalt des
Buches, das sieh bei seiner Reichhaltigkeit von selbst em-
pfiehlt. Das Werk ist eine hocherfreuliche Erscheinung auf
dem pädagogischen Büchermarkt.
K. PrırzscHE.
Druck von Ehrhardt Karras, Halle a. S.
Die plistozänen Ablagerungen des Travertin-
gebietes der Gegend von Weimar und ihre
Fossilienbestände in ihrer Bedeutung für die
Beurteilung der Klimaschwankungen des Kis-
zeitalters
von
Ewald Wüst in Kiel
Mit einer Profiltafel und einer Tabelle
Seit Jahren bemühe ich mich, durch sorgfältige schicht-
weise Aufsammlung plistozäner Fossilien ein Beobachtungs-
material zu erhalten, welches Schlüsse auf die Art des
Ablaufes der Klimaschwankungen des Eiszeitalters gestattet.
Allein die Ergebnisse dieser Bemühungen sind bis vor
kurzem so dürftig ausgefallen, dals ich sie zum grölsten
Teile garnicht veröffentlicht habe.
Es war mir schon im Beginne meiner einschlägigen
Untersuchungen klar gewesen, dals Ergebnisse der ge-
wünschten Art am ehesten von einer Untersuchung der
bekannten mitteldeutschen Travertine, welche grolsenteils
eine Aufeinanderfolge sich gut voneinander abhebender
fossilienreicher Schichten darbieten, zu erwarten sind. An
den verschiedensten Stellen vorgenommene Vorversuche
und eine mit grolsem Zeitaufwande durchgeführte genaue
Dureharbeitung einiger Travertine am Grofsen Fallsteine
im Nördlichen Harzvorlande!) fielen indessen wenig er-
mutigend aus. Am geeignetsten für meine Zwecke erschienen
!) Die Untersuchungen über diese Travertine am Grolsen Fall-
steine habe ich bisher nicht veröffentlicht.
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd. 82. 1910. 11
162 Ewarp Wüst, [2]
mir noch die Travertine der Gegend von Weimar, in
deren Liegendem ich einen Konchylienbestand gefunden
hatte, der auf ein kaltes, eiszeitliches Klima hinweist,
während die Travertine selbst nach Ausweis ihres Fossilien-
bestandes unter einem warmen, interglazialen Klima ent-
standen sind.!) Indessen hielt mich die Annahme, dafs
ARTHUR Weiss, der jahrelang sehr eifrig im Travertin-
gebiete von Weimar gesammelt hat,?2) doch noch einmal
Erfahrungen über die vertikale Verbreitung der Fossilien in
demselben veröffentlichen würde, von einer genauen Durch-
arbeitung der Travertine der Gegend von Weimar ab. Erst
als ich im Frühjahre 1907 auf Wunsch meines Freundes
Hans Hanne die Bearbeitung des geologischen Teiles für
eine von HAHnE geplante Neubearbeitung der paläolithischen
Fundstätten der Gegend von Weimar?) übernahm, machte
ich mich an eine genaue, planmälsige schiehtweise Unter-
suchung der Fossilienbestände dieser Travertine und der
mit ihnen verknüpften anderweitigen plistozänen Ab-
lagerungen. Diese Untersuchung führte endlich zu Ergeb:
nissen der lange gesuchten Art. Vor allem führte sie zu
dem Nachweise des Aufbaues einer — der letzten oder
Rils-Würm- — Interglazialzeit aus zwei Waldphasen und
einer zwischen diese fallenden Steppenphase und lieferte
damit einen, wie ich glaube, wichtigen Beitrag zur Lösung
1) Ew. Wüst, Untersuchungen über das Pliozän und das älteste
Pleistozän Thüringens usw., Stuttgart 1901 (auch Abhandlungen der
Naturforschenden Gesellschaft zu Halle a. S., Bd. 23), S. 79 und Der
Konchylienbestand der Kiese im Liegenden der Travertine von Weimar,
Nachrichts-Blatt der deutschen Malacozoologischen Gesellschaft, 1907,
S. 94—96.
2) A. Weifs, Die Conchylienfauna der altplistoeaenen Travertine
des Weimarisch-Taubacher Kalktuffbeckens, Nachrichts-Blatt der
deutschen Malacozoologischen Gesellschaft, 1894, S. 145—163 und
185—190, I. Nachtrag dazu ebenda, 1896, $. 99-102 und Über die
Conchylien-Fauna der interglacialen Travertine des Weimar-Taubacher
Kalktuffbeekens, Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft,
Jahrgang 1896, S. 171—182.
3) Hahne erfreut sich dabei einer sehr namhaften Geldunter-
stützung seitens der Dr. Fedor Jagor-Stiftung in Berlin, welche
auch meinen Untersuchungen in der Gegend von Weimar zugute
kommt.
[3] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 163
der noch so verschieden beantworteten Frage nach der
Stellung der Wald- und Steppenphasen im Turnus der
Klimaschwankungen des Eiszeitalters.
Dieses Ergebnis habe ich in versehiedenen von HAnnE
und mir über unsere Untersuchungen in der Gegend von
Weimar veröffentliehten Vorläufigen Mitteilungen !) bereits
kurz mitgeteilt. Eine vollständige Darstellung der Ergeb-
nisse der von mir in den letzten Jahren im Travertingebiete
von Weimar ausgeführten Untersuchungen der von HAHNE
und mir vorbereiteten grölseren Arbeit über die paläo-
lithisehen Fundstätten der Gegend von Weimar vorbehaltend,
will ich in der vorliegenden Arbeit meine wiehtigsten Ergeb-
nisse bezüglich der Aufeinanderfolge der Fossilienbestände
in den plistozänen Ablagerungen unseres Travertingebietes
und ihrer Bedeutung für die Beurteilung der Klimaschwan-
kungen des Eiszeitalters ausführlicher darlegen.
An den verschiedensten Stellen dieser Arbeit hätte es
für mich nahe gelegen, näher auf Beobachtungen an anderen
Stellen und in anderen Gebieten einzugehen; ich habe das
jedoch unterlassen, um die Übersichtlichkeit dieser Arbeit
ı) Hahne und Wüst, Die paläolithischen Fundschichten und
Funde der Gegend von Weimar, Centralblatt für Mineralogie usw.,
1908, 8. 197—210. 3
Wüst, Neues über die paläolithischen Fundstätten der Gegend
von Weimar, Zeitschrift für Naturwissenschaften, Bd. 80, 1908, S. 125
— 134.
Wüst, Das Vorkommen von KRhinoceros Merckii Jäg. in den
oberen Travertinen von Ehringsdorf bei Weimar und seine Bedeutung
für die Beurteilung der Klimaschwankungen des Eiszeitalters, Central-
blatt für Mineralogie usw., 1909, S. 23—25.
Wüst und Hahne, Die Fundstellen von Weimar, Ehringsdortf
und Taubach auf Grund eigener Grabungen, Bericht über die Prä-
historiker-Versammlung, den 23. bis 31. Juli 1907 zur Eröffnung des
Anthropologischen Museums in Köln (Köln o. J., erschienen 1909),
S. 75—86, Tafel II. — In dieser Arbeit hat Hahne die gesamte uns
bekannt gewordene Literatur über die paläolithischen Fundschichten
und Funde der Gegend von Weimar zusammengestellt.
Wüst, Die Bedeutung der Profile des Travertingebietes von
Weimar für die Beurteilung der Klimaschwankungen des Eiszeitalters,
Berichte über die Versammlungen des Niederrheinischen geologischen
Vereins, 1909, Bonn 1910, S. 41 - 44.
112
164 EwaALp Wüst, [4]
nicht zu beeinträchtigen und verschiebe daher die bezüg-
lichen Darlegungen und Erörterungen auf spätere Veröffent-
lichungen.
In der vorliegenden Arbeit gebe ich zunächst einen
kurzen Überblick über die plistozänen Ablagerungen des
Travertingebietes der Gegend von Weimar. Dann behandle
ich die Fossilienbestände dieser Ablagerungen und ihren
biogeographischen und klimatischen Charakter. Darauf gebe
ich eine Einordnung der Ablagerungen in die Chronologie
des Eiszeitalters. Schlielslich erörtere ich die Bedeutung
der Ablagerungen und ihrer Fossilienbestände für die Be-
urteilung der Klimaschwankungen des Eiszeitalters.
Die Ablagerungen des Travertingebietes der Gegend
von Weimar.
Eine kurze Übersicht über die Ablagerungen des
Travertingebietes der Gegend von Weimar habe ieh bereits
mehrfach in den erwähnten Vorläufigen Mitteilungen ge-
geben. Wenn ich auch an den wesentlichsten — namentlich
an den für die Beurteilung der Klimaschwankungen des
Eiszeitalters in Betracht kommenden — Punkten meiner
bisherigen Darstellungen nichts zu ändern habe, so machen
sich doch in mehreren anderen, minder wichtigen Punkten
einige Änderungen erforderlich. Diese sind in erster Linie
bedingt durch einige neu geschaffene Aufschlüsse und
dureh die genaue Dureharbeitung der Ergebnisse eines von
Herrn Grofsherzoglichen Bauinspektor RsBLInG in Weimar
ausgeführten Nivellements des Travertingebietes, welches
den Bedürfnissen der wissenschaftlichen Erforschung des
Travertingebietes in verständnisvoller Weise Rechnung
trägt.)
1) Herrn Rebling sage ich auch an dieser Stelle meinen
wärmsten Dank für die liebenswürdige Übersendung einer Darstellung
der Ergebnisse seines für meine Untersuchungen so wertvollen
Nivellements sowie überhaupt für die freundliche Unterstützung, die
ich bei meinen Untersuchungen in der Gegend von Weimar jederzeit
bei ihm gefunden habe.
[5] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 165
Die Travertine der Gegend von Weimar liegen im Ilm-
tale zwischen Weimar und dem 4 km weiter Ilm aufwärts
gelegenen Dorfe Taubach in drei getrennten Gebieten:
1. dem Taubacher Gebiete: auf der rechten Seite der
Ilm im Dorfe Taubach und an dessen Nordwest-
und Westseite,
2. dem Ehringsdorfer Gebiete: auf der linken Seite
der Ilm im Dorfe Ehringsdorf und in einem bis
etwa 0,25 km breiten am Südwestrande der Ilmaue
bis etwa 0,8 km Ilm aufwärts von Ehringsdorf hin-
ziehenden Landstreifen,
3. dem Weimarer Gebiete: auf der linken Seite der
Im in der Stadt Weimar (nach Süden bis zur
Falkenburg).
Die Kartierung dieser Travertingebiete auf den
Blättern Magdala und Weimar der Geologischen Spezialkarte
von Preulsen und den Thüringischen Staaten (Berlin 1872,
aufgenommen von E. E. SchmiD) ist in verschiedener Hinsicht
unzutreffend. Hier sei vor allem darauf hingewiesen, dals
die von ScHMmID zwischen der Falkenburg und al nl
angegebenen Travertine nieht vorhanden sind.
In der vorliegenden Arbeit beziehe ich mich soweit als
möglich auf die Ortsbezeichnungen der 1905 herausgegebenen
neuen Ausgaben der Melstischblätter Magdala und Weimar.
Zur Auffindung der Lage der im folgenden häufiger
erwähnten Aufschlüsse auf diesen Melstischblättern
dienen die folgenden Angaben. Die beiden grolsen auf
Blatt Magdala auf der Nordseite der westlichsten Häuser
des Dorfes Taubach eingetragenen Aufschlüsse sind die
beiden Travertinbrüche von SoNnNREIN. Dicht westlich
davon verzeichnet das Blatt mit einer bogenförmigen
Böschungssignatur an der Chaussee die Kiesgrube von
GoTTSCHALG. An der Südostseite des Dorfes Ehringsdorf
verzeichnet dasselbe Kartenblatt drei grolse Steinbruchs-
komplexe. Der dem Dorfe am nächsten gelegene gehört
im wesentlichen SAALBORN, nur der nördlichste Zipfel da-
von der HEYyDENnREIcHschen Bierbrauerei. Der nächst-
folgende gehört zum gröfsten Teile HaAuUBoLv, nur ein kleiner
166 EwALp Wüst, [6]
im Nordosten gelegener Teil SchwArz. Der dritte Komplex,
von Ehringsdorf an gerechnet, gehört KAEMPFE. Der etwa
0,4 km in südöstlicher Richtung vom KArnmpreschen Bruche
gelegene Steinbruch gehört BoETTNER. Nieht eingetragen
sind folgende neuere Travertinbrüche: der FiscHErsche,
südlieh vom HAuBouLpschen, von diesem nur durch den auf
dem Kartenblatte angegebenen Feldweg getrennt; der
HACKEMESSERSche, etwa da, wo der südöstlieh vom
KaEmPprFEschen Bruche senkrecht zum Gehänge verlaufende
Feldweg die 247,5 m-Kurve schneidet; ein weiterer BOETTNER
sehörender Bruch an der Mündung desselben Feldweges in
den Fahrweg von Ehringsdorf nach Köttendorf und schliefs-
lich der Bruch von GRUBER und HÄsENER in nächster Nähe
des zuerst erwähnten (östlichsten) BoETTNERSchen Bruches.
Der Eingang der Parkhöhle im Parke von Weimar liegt
am linken Ilmufer da, wo Blatt Magdala gegenüber von
GoETHES Gartenhäuschen die Holzbrücke verzeichnet. Der
in Weimar gelegene Uruesche (früher HrrscHsche) Bruch
ist auf Blatt Weimar — allerdings nicht ganz den heutigen
Aufscehlulsverhältnissen entsprechend — verzeichnet: er ist
der nördlichere der beiden am Ostrande des Kartenblattes
südöstlich vom Weimarer Friedhofe angegebene Aufschluls.
Die Travertine der drei unterschiedenen Travertingebiete
werden von den liegenden vorplistozänen (triadischen) Ge-
steinen mindestens grolsenteils — jedenfalls überall, wo
eine direkte Beobachtung möglich war — durch kiesige,
sandige oder mergelige Ilmablagerungen getrennt. In die
Travertine selbst ist — von untergeordneten kiesigen oder
mergeligen Einlagerungen abgesehen — in einem grolsen
Teile des Ehringsdorfer und des Weimarer Gebietes eine
weithin aushaltende Bank von Löfsmaterial, vulgo Pariser
(verderbt aus Poröser), eingeschaltet. Im Hangenden der
Travertine sind nur Gehängebildungen, welche grolsenteils
aus Löls- oder Laimenmaterial bestehen und lokal an-
scheinend auch echte, aber nur sehr geringmächtige Löls-
bildungen vorhanden.
Wenn wir zunächst die im Liegenden der Traver-
tine vorhandenen Ilmablagerungen betrachten wollen,
so ziehen wir zweckmälsig alle im Ilmtale zwischen Tau-
[7] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 107
bach und Weimar bekannt gewordenen Ilmablagerungen in
den Kreis unserer Betrachtungen. Diese Ilmablagerungen
lassen sich auf die folgenden Terrassen oder Talböden !)
verteilen:
1. Die Oberterrasse, etwa 20 m über der heutigen
Aue. Ihre Ilmablagerungen habe ich nur in einem kürzlich
neben der Belvedäre-Allee am Westende von Ehringsdorf
angelegten Kiesloche aufgeschlossen gesehen. Das Loch
schlielst einen stark rostfarbenen Ilmkies auf, der reicher
an nordischem Gesteinsmateriale ist als alle anderen Ilm-
kiese des Gebietes.
2. Die Mittelterrasse. Ihre Ilmablagerungen liegen
7—11 m über der heutigen Aue. Ich habe sie aufgeschlossen
gesehen in der GorrscHALsschen Kiesgrube und in dem
östlicheren der beiden SonnrEinschen Travertinbrüche bei
Taubach und in den Travertinbrüchen von KAEMPFE,
HAuBoLD und SAALBORN bei Ehringsdorf. Die Ilmkiese
sehen wesentlich frischer aus als die der Oberterrasse und
führen bei Ehringsdorf relativ reiehlieh — wenn auch bei
weitem nicht so reichlich wie die Kiese der Oberterrasse —,
bei Taubach aber nur sehr spärlich nordisches Gesteins-
material. Die Kiese der Mittelterrasse sind überall, wo ich
sie gesehen habe von 0,3—1 m mächtigen, bräunlichen,
gräulichen oder grünlichen, noch vereinzelte Ilmgerölle
führenden mergeligen Ilmabsätzen (vulgo Letten) überlagert.
3. Die Unterterrasse. Ihre Ilmablagerungen liegen
2—5 m über der heutigen Aue. Man sieht sie als durch
Kalkkarbonat mehr oder weniger zu Konglomeraten ver-
festigte Kiese am linken Ilmufer im Parke von Weimar
dauernd aufgeschlossen. Der schon lange bestehende kleine
Aufschlulfs am Eingange der Parkhöhle zeigt, wie sie auf
bunten Letten des mittleren Keupers auflagern und von
!) Die im Folgenden eingeführten kurzen Bezeichnungen für die
einzelnen Terrassen sollen selbstverständlich nur lokale Geltung haben
und keineswegs etwa die Annahme einer Altersgleichheit unserer
Terrassen mit ebenso bezeichneten anderer Gebiete zum Ausdrucke
bringen. Vergleiche den Abschnitt über die „Einordnung der Ab-
lagerungen des Travertingebietes der Gegend von Weimar in die
Chronologie des Eiszeitalters“ gegen Ende der vorliegenden Arbeit!
168 EwALp Wüst, [8]
festen Travertinbänken überlagert werden. Die Kiese bezw.
Konglomerate der Unterterrasse habe ich auch auf der
Sohle des Urueschen Travertinbruches in Weimar gelegent-
lich angesechürft gesehen. Hier sind sie gewöhnlich von
höchstens wenige Dezimeter mächtigen mergeligen Ilm-
absätzen überlagert, welche ebenso aussehen wie die ana-
logen Gebilde der Mittelterrasse und wie diese vulgo Letten
heilsen. Die Kiese der Unterterrasse sehen frisch aus und
führen nur sehr spärlich nordisches Gesteinsmaterial.
4. Tiefgelegene Terrassen, weniger als 2 m über
der heutigen Aue. Aufgeschlossen gesehen habe ich nur
eine dünne Lage von Kies, Sand und Mergel, welche zeit-
weise zwischen Oberem Muschelkalke und Gehängeschutte
in einem Anschnitte unter der Chaussee von Oberweimar
nach Taubach an der Einmündungsstelle des von Ehrings-
dorf kommenden Fahrweges sichtbar war.
5. Die heutige Ilmane.
Der Überblick über die verschiedenen Terrassen ist
durch die Bedeekung des grölsten Teiles derselben durch
die Travertine und durch die Mangelhaftigkeit der Auf-
schlüsse sehr erschwert. Daraus erklärt es sich, dafs ich
bisher — irrtümlich — die Mittel- und die Unterterrasse
für eine Terrasse gehalten habe, der ich ein stärkeres
Gefälle als der heutigen Ilmaue zuschrieb. Von dem Vor-
handensein der drei als Ober-, Mittel- und Unterterrasse
bezeichneten Reste alter Talböden kann man sich noch am
besten zu Taubach überzeugen. Hier kommen, wie erwähnt,
im Liegenden der Travertine die Ilmablagerungen der
Mittelterrasse zum Vorscheine. Unter der Kiesgrube von
GoTTscHALG sieht man zwischen der Chaussee von Ober-
weimar nach Taubach und der Ilm im Felde Sehotter,
welche ihrem Niveau nach der Unterterrasse (zum Teile
vielleieht noch tieferen Terrassen) angehören und am Hange
über dem Travertingebiete von Taubach findet man im
Niveau der Oberterrasse wenigstens einzelne Ilmgerölle in
den Feldern.
Wo ich das Liegende der Travertine aufgeschlossen
sah, fand ich es von den Ilmablagerungen der Mittel- oder
der Unterterrasse gebildet. Der Oberterrasse sah ich die
[9] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 169
Travertine nirgends aufgelagert, doch steigen diese bis über
das Niveau der Oberterrasse empor. Die der Mittelterrasse
aufgelagerten Travertine sind nicht im Anschlusse an die
Bildung dieser Terrasse entstanden, sondern vielmehr erst
nachdem im Anschlusse an die Bildung der Unterterrasse
das Tal bis etwa zum Niveau der Mittelterrasse durch
Travertinablagerungen zugefüllt worden war. Das geht
namentlich aus zwei Umständen deutlich hervor. Zunächst
kann man bei Ehringsdorf (namentlich in den Profilen durch
den Hausorpschen und den FiscHerschen Bruch) der
Mittelterrasse aufgelagerte Travertinschichten unverändert
bis zu Stellen verfolgen, an denen die Travertine bis unter
das Niveau der Mittelterrasse hinabreichen und jedenfalls
der Unterterrasse aufgelagert sind. Es gilt dies namentlich
von einer humosen Einlagerung, welche zu dem auf der
beigegebenen Profiltafel mit dem Buchstaben g bezeichneten
Schiehtenkomplexe gehört. Sodann lehrt eine Vergleichung
der Profile des Urueschen Bruches in Weimar und der
SOoNNREINschen Brüche in Taubach, dals die bei SoNNREIN
nahe der Basis der Travertine, wenig über den Ilmablage-
rungen der Mittelterrasse gefundenen Fossilien und paläo-
lithisehen Artefakte bei ULLE, wo die Travertine der Unter-
terrasse auflagern, mehrere Meter höher über der Basis der
Travertine, ungefähr im Niveau der Mittelterrasse, also un-
gefähr in derselben Höhe über der heutigen Aue wie bei
SONNREIN vorkommen. Es handelt sich hier besonders um
das erste Auftreten der Antiguus-Fauna und um das Auf-
treten der von Hanne als übereinstimmend gekennzeichneten
jeweils einzigen paläolithischen Industrien von Weimar und
von Taubach.
Lagerung und Ausbildung der Travertine weisen
in den verschiedenen Teilen des ganzen Travertingebietes
nicht unerhebliche Verschiedenheiten auf.
Am einfachsten und klarsten liegen die Verhältnisse
im Taubacher Travertingebiete. Hier lagern bis etwa
5 m mächtige, im ganzen horizontal geschiehtete Travertine
den Ilmablagerungen der Mittelterrasse auf. Die Travertine
sind in raschem Wechsel in vertikaler und oft auch in
horizontaler Richtung petrographisch recht verschiedenartig
170 EwALp Wüst, [10]
ausgebildet, bald als feste, relativ diehte „Werkbänke“,
bald als brockige oder poröse Travertine, die oft schöne
Inkrustate von Schilf, Moosen und Algen (besonders Cha-
razeen) darstellen, bald als zerriebene Chareninkrustate von
sandiger Konsistenz (sogenannte Charen-, vulgo Scheuer-
sande). Oft macht sich eine mehr oder weniger starke
Beimengung sandigen oder besonders tonigen klastischen
Materials geltend, welche lockere Travertinarten in mergel-
artige Gesteine übergehen lälst. Wesentlich auf ein nahe
der Basis der Travertine gelegenes Niveau, das der paläo-
lithisehen Fundschicht, sind Beimengungen von Kies und
zwar nicht Ilm- sondern Nebenbachkies beschränkt. Häufig
sind Travertinlagen, die offensichtlich einige Zeit die Erd-
oberfläche gebildet haben und mit Vegetation bestanden
gewesen sind, humos gefärbt.
Das Weimarer Travertingebiet ist grölstenteils mit
Häusern oder Park- und Gartenanlagen besetzt und daher
der Untersuchung nicht zugänglich. Das wenige, was ich
von den im Stadtgebiete gelegentlich geschaffenen vorüber-
gehenden Aufschlüssen habe untersuchen können, hat für
die Zwecke der vorliegenden Arbeit keine Bedeutung. Ich
halte mieh hier ganz an das, was ich in dem einzigen zur
Zeit noch im Betriebe befindlichen Travertinbruche, dem
Urueschen, früher HırscHsehen, beobachten konnte. Hier
sind die der Unterterrasse aufgelagerten Travertine im
Ganzen horizontal geschichtet und petrographisch ebenso
ausgebildet wie im Taubacher Gebiete. Nur die tiefsten
Lagen der Travertine, unterhalb des Mittelterrassenniveaus,
deren Äquivalente nach dem gesagten im Taubacher Gebiete
fehlen, sind grölstenteils abweichend, als Baumtravertine,
wie ich sie kurz nennen möchte, ausgebildet. Diese Baum-
travertine sind teils kompaktere, teils porösere Travertine,
mit zahlreichen, oft mehrere Meter weit zu verfolgenden
Löchern, welehe von übersinterten und dann verfaulten,
teils stehenden, teils liegenden Baumstämmen herrühren.
Ich bezeichne die 2,5 m mächtigen untersten Travertinlagen
des Uruesehen Bruches, die grölstenteils als Baumtravertine
ausgebildet sind, im folgenden kurz als die Zone der
Baumtravertine. Im Urreschen Bruche wird der hier
[11] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 171
etwa 13 m mächtige Travertinkomplex durch die Ein-
sehaltung des hier 0,5—0,6 m mächtigen Parisers in die
etwa 10,5 m mächtigen Unteren und die bis 2 m mächtigen
Oberen Travertine gegliedert. Der Pariser ist hier zur
Zeit kaum zugänglich. Ich behandle dieses eminent wichtige
Gebilde näher bei der Besprechung der Ehringsdorfer Profile,
in denen es bequem zugänglich und studierbar ist.
Am verwiekeltsten liegen die Verhältnisse im Ehrings-
dorfer Travertingebiete. Im Westen dieses Gebietes,
nahe dem Dorfe, wo die zum Teile sehr ansehnlichen Stein-
brüche von Ewarp (jetzt aufgelassen), HEYDENREICH (jetzt
aufgelassen), SAALBORN, HAUBOLD, SCHWARZ, KAEMPFE und
FıscHEr vorzügliche Aufschlüsse darbieten, sind die vor-
handenen Schichten unschwer mit den in Weimar und in
Taubach aufgeschlossenen zu vergleichen. Die Travertine
liegen hier zum Teile ebenso wie im Taubacher Gebiete
auf der Mittelterrasse, wie das an einer Reihe von Stellen
in den Brüchen von SAALBORN, HAUuUBoLD und KAEMPFE
festzustellen war. Sie reichen indessen an anderen Stellen,
wie namentlich in den Brüchen von FiIscHER und Ewaup,
wesentlich unter das Niveau der Mittelterrasse hinab und
sind hier jedenfalls der Unterterrasse aufgelagert.!) Die
Gesteinsentwicklung ist ähnlich wie im Taubacher Gebiete,
doch wiegen weit mehr als in diesem „Werkbänke“ vor,
was zwar zu einem regen Steinbruchsbetriebe und damit
zur Schaffung zahlreicher schöner Aufsehlüsse geführt hat,
dem Sammeln von Fossilien aber überaus hinderlieh ist.
Wie im Urteschen Bruche zu Weimar, so werden auch
hier die Travertine durch die ganz konstante Ein-
schaltung des Parisers in Untere und Obere Travertine
gegliedert.
!) Ich habe bisher keinen bis in das Niveau der Unterterrasse
hinabreichenden Aufschluls gesehen. Ob früher solche — etwa im
Ewaldschen Bruche — vorhanden waren, konnte ich nicht sicher
ermitteln. Nach der Lage des Fischerschen Bruches zwischen dem
Gehänge und dem Verbreitungsgebiete der Ablagerungen der Mittel-
terrasse können hier die Unteren Travertine kaum auf der Unterterrasse
der Ilm, sondern wohl nur auf einem der Unterterrasse äquivalenten
Talboden eines Seitentälchens liegen.
172 EwaLp Wüst, [12]
Der Pariser ist eine meist etwa meterstarke Bank von
hellgelbem, meist recht reinem, seltener durch Gerölle ver-
unreinigtem Löfsmateriale. Die obersten 20—40 em sind
gewöhnlieh verlaimt und oft zu oberst mehr oder weniger
humos gefärbt. In allen Zonen des Parisers — am wenigsten
häufig in der Laimenrinde und in der untersten Zone —
ist oft eine Anreicherung von Löfskindeln zu beobachten,
welehe nicht selten so beträchtlich ist, dafs die Kindel ein-
ander berühren und miteinander teilweise verschmelzen, so
dals ein hartes, im Steinbruchsbetriebe zu sprengendes
Kalkgestein entsteht, in dem nur noch die wenigen zwischen
den Kindeln noch vorhandenen und oft gamieht mehr mit-
einander zusammenhängenden Zwischenräume das ursprüng-
liche Lölsmaterial zeigen. Das ist so recht ein „poröses“
Gestein, wie es zu dem Namen Poröser Anlals gegeben
haben wird. Mitunter ist sogar der Pariser stellenweise so
mit Kalkkarbonat getränkt, dals ein an Werktravertine er-
innerndes aber natürlich weieheres, als Baustein unverwend-
bares und in HCl viel Rückstand hinterlassendes Gestein
daraus entstanden ist. Das in der beschriebenen Weise
ausgeschiedene Kalkkarbonat kann natürlich nur zum
kleinsten Teile aus der jetzigen Laimenrinde stammen und
muls in seiner Hauptmasse auf die teilweise in den Pariser
eingedrungenen Kalkkarbonatlösungen zurückgeführt werden,
aus denen die Oberen Travertine ausgeschieden worden sind.
Der Pariser lagert, wie die beigegebene Profiltafel zeigt,
in sehr verschiedenem Niveau den Unteren Travertinen auf.
Im ganzen hebt er sich vom Rande der heutigen Ilmaue
nach dem Gehänge zu, wie ebenfalls die beigegebene Profil-
tafel erkennen läfst, und Profile senkrecht zur heutigen
Ilmaue, die ieh später geben werde, noch deutlicher zeigen
werden. Mehrfach sieht man in den einzelnen Aufschlüssen
schon, wie der Pariser verschiedenen Schichten der Unteren
Travertine aufgelagert ist. Nach alledem ist also eine so-
genannte Erosionsdiskordanz zwischen den Unteren Traver-
tinen und dem Pariser unverkennbar: es hat nach Ablage-
rung der Unteren Travertine nicht nur eine Unterbrechung
der Travertinbildung, sondern auch eine Abtragung eines
Teiles der Unteren Travertine stattgefunden.
[13] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 173
Über dem Pariser folgen die Oberen Travertine,
ähnlieh ausgebildet wie die Unteren. Erscheinen sie auch
im einzelnen Aufschlusse annähernd ebenso horizontal ge-
lagert wie die Unteren Travertine, so lehrt doch die Be-
trachtung der Niveaus einiger leicht und sicher über ver-
schiedene Aufschlüsse hin verfolgbarer Schichten, wie
namentlich einer oben schon einmal erwähnten erdigen,
humosen Einlagerung, Niveaudifterenzen von einem Ausmalse
kennen, wie sie in den Unteren Travertinen nieht nach-
weisbar sind. Die erwähnte humose Einlagerung z. B., die
über einen grolsen Teil der Brüche von HAUBOLD, SCHWARZ,
KAEMPFE und FiscHEr zu verfolgen ist, weist in diesem
nur beiläufig zwei Hektar grolsen Gebiete Niveaudifferenzen
im Betrage von etwa 3m auf. Die grölste an einer Stelle
konstatierte Mächtigkeit der Oberen Travertine beträgt 7,5 m.
Die Gesteinsentwieklung der Oberen Travertine ist von der-
jenigen der Unteren insofern etwas verschieden, als mergelige
Einlagerungen häufiger sind und auch die eigentlichen
Travertingesteine im allgemeinen unreiner sind, besonders
einen stärkeren Tongehalt aufweisen. Das ist sogar für die
technische Verwertung der Travertine von Bedeutung. Herr
KaEMmPFE in Ehringsdorf, weleher die Travertine am ratio-
nellsten technisch verwertet, brennt die Unteren Travertine
seines Bruches mit im Mittel 95%, CaCO; wenigstens zum
Teile zu „gebranntem Marmor“, während er die Oberen
Travertine seines Bruches mit im Mittel 87°%/, CaCO, nur
als Bausteine verwenden kann.!)
Im Osten des Ehringsdorfer Travertingebietes
ändern sich die Verhältnisse, indem teils die Travertine
eine ausgesprochene Gehängeschichtung annehmen, teils der
Pariser nieht mehr nachweisbar ist, teils beide Abweichungen
von den Verhältnissen im Westen des Travertingebietes
eintreten. In dem westlicheren der beiden BoETTNERschen
Brüche, der nieht weit vom KaEmpreEschen Bruche entfernt
ist, liegen die Schiehten noch annähernd horizontal, doch
ist der Pariser nicht nachweisbar. Die Travertine dieses
Bruches, in denen mächtige Baumtravertine mit ganzen
!) Nach gefälliger mündlicher Mitteilung des Herrn Kaempfe.
174 EWALD Wüsrt, [14]
Sehiehten versinterten Laubes auftreten, scheinen, obgleich
sie bis zu einem Niveau von weniger als 10 m über der
heutigen Aue hinabreiehen, nach Gesteinsentwieklung und
Fossilienführung zu urteilen, insgesamt den Oberen Traver-
tinen anzugehören. Ich werde aber das übrigens nur gering-
fügige Fossilienmaterial, das ich aus diesem Bruche ge-
winnen konnte, in dieser Arbeit unberücksichtigt lassen,
weil ich angesichts des Fehlens des Parisers doch nicht
ganz sicher bin, wie die Travertine dieses Bruches mit
denen der übrigen zu parallelisieren sind.
In dem höchstgelegenen, HACKEMESsERSchen Bruche
zeigen die Travertine schon deutliche Gehängeschiehtung,
doch ist der Pariser hier noch deutlich, ja typisch ent-
wickelt. Der Pariser liegt hier 27—28,5 m über der heutigen
Aue, noch gegen 11 m höher als an der höchsten Stelle
seines Vorkommens im westlichen Teile des Ehringsdorfer
Travertingebietes. Der Pariser war im HAcKEMESSER schen
Bruche noch nicht aufgeschlossen, als ich das in zweien
meiner Vorläufigen Mitteilungen !) veröffentlichte Querprofil
durch das Ehringsdorfer Travertingebiet entwarf. Dieses
Profil ist jetzt dahin zu berichtigen, dals der Pariser stark
am Gehänge emporsteigt und wohl — wie ich jetzt ver-
muten möchte — direkt in die Löfsmassen über den Rändern
des alten Ilmtales übergeht. Vergleiche das Profil, welches
ich in den Berichten über die Versammlungen des Nieder-
rheinischen geologischen Vereins, 1909, Bonn 1910, 8. 42,
gegeben habe.
In den noch weiter östlich gelegenen Brüchen von
BoETTNER und von GRUBER und HAESENER fehlt der Pariser
und die Travertinschiehten schiefsen mit Fallwinkeln bis zu
etwa 35° in der Riehtung nach dem heutigen Ilmtale zu
ein. Ich lasse diese Brüche im Folgenden umsomehr aufser
Acht, als ich bis jetzt fast gar keine Fossilien aus ihnen
erhalten habe.
Die Travertine der Gegend von Weimar sind un-
!) Centralblatt für Mineralogie usw., 1908, S. 198, Fig. 2 (die Figur
trägt irrtümlich die Überschrift „Fig. 1“) und Bericht über die Prä-
historiker-Versammlung usw., 1909, S. 75, Fig. 1.
[15] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 175
verkennbar Absätze kalkreicher Quellwässer.!) Solche
Quelltravertine können am Talgehänge wie in der Fluls-
aue entstehen und danach in Gehänge- und Auetraver-
tine gegliedert werden. Unter den Travertinen der Gegend
von Weimar sind unverkennbar die beiden eben erwähnten
Typen vertreten, doch ist mir zur Zeit eine sichere und
vollständige Aufteilung unserer Travertine auf die beiden
Typen noch nicht möglich. Die stark geneigten Travertine
im östlichen Teile des Travertingebietes von Ehringsdorf
sind ohne allen Zweifel Gehängetravertine. Die übrigen
habe ich ursprünglich wegen ihrer im wesentlichen horizon-
talen Lagerung insgesamt für Auetravertine gehalten.?) Es
ist jedoch zu berücksichtigen, dafs auch an Gehängen ge-
bildete Travertine annähernd horizontale Lagerung annehmen
können, wenn sie auf der annähernd horizontalen Unterlage
alter Flulsterrassen abgelagert werden. Die Hauptmasse
der Unteren Travertine enthält, wie aus der dieser Arbeit
beigegebenen grolsen Konchylien-Tabelle ersichtlich ist, eine
sehr reiche Wassermolluskenfauna, welehe auf mannigfache
Existenzbedingungen hinweist, wie sie nur die Aue eines
Flusses, nieht Quellwässer am Gehänge darbieten konnten.
Danach sind diese Travertine als Auetravertine anzusprechen.
Dafür sprieht auch der Umstand, dafs, wie weiterhin gezeigt
werden wird, im Grolsen und Ganzen die gleich hoch über
der heutigen Aue gelegenen Teile dieser Travertine nach
!) Die in der älteren Literatur verbreitete Annahme, dafs unsere
Travertine Absätze eines Seees seien, der das ganze Ilmtal zwischen
Taubach und Weimar eingenommen habe, ist heute nicht mehr dis-
kutabel. Die neuerdings von Johannes Walther (besonders in seinem
Buche Geschichte der Erde und des Lebens, Leipzig 1908, S. 529)
vertretene Ansicht, dals unsere Travertine von Thermen abgesetzt
seien, ist schon deshalb hinfällig, weil wir wissen, dafs die in unseren
Travertinen nachgewiesene Wassermolluskenfauna nicht in T'hermal-
wasser lebt. Ich werde auf die hier nur kurz erwähnten Ansichten in
einer ausführlichen Erörterung der Bildungsweise unserer Travertine
in der eingangs in Aussicht gestellten Arbeit näher eingehen.
2) In dieser Auffassung bestärkte mich das Vorkommen von Ilm-
gerüllen selbst noch in den Oberen Travertinen. Ich nehme jetzt an,
dals diese Gerölle aus höher am Gehänge vorhanden gewesenen älteren
Ilmkiesen stammen.
176 EwALD Wüsrt, [16]
Ausweis ihrer Fossilienbestände als gleich alt zu betrachten
sind. In den obersten Lagen der Unteren Travertine, deren
Fossilienbestände leider noch recht unzureichend bekannt
sind, tritt unverkennbar eine Verarmung der Wassermollusken-
fauna ein, was jedenfalls darauf zurückzuführen ist, dafs
jetzt die Stellen, an denen sieh diese Travertinlagen bildeten,
infolge zunehmender Ausfüllung des Tales mit Travertinen
dem Inundationsgebiete der Ilm und ihrer Nebenbäche ent-
rückt waren. Dann trat, wie schon erwähnt, vor der
Bildung des Parisers eine Abtragung eines Teiles der Unteren
Travertine — wohl infolge einer Tieferlegung des Ilm-
bettes — ein. Nach der Bildung des Parisers entstanden
die Oberen Travertine, die nach der etwas grölseren Neigung
ihrer Schichten und vor allem nach ihrer überaus ärmlichen
Wassermolluskenfauna, welehe nur aus Arten besteht, die
heute auch in Quellen, kleinen Quellbächen und kleinen
Tümpeln leben, zu urteilen, als Gehängetravertine anzu-
sprechen sein dürften. Dafür spricht auch der Umstand,
dals, wie weiterhin gezeigt werden soll, innerhalb der
Oberen Travertine gleich hoch über der heutigen Aue ge-
legene Schichten nach Ausweis ihrer Fossilienbestände
keineswegs immer für gleich alt gehalten werden können.!)
Der Pariser, weleher die Oberen Travertine von den
Unteren trennt, ist seiner Gesteinsentwiekelung nach zum
Teile als ein Gehängelöls anzusprechen, der örtlich nach
Ausweis der in ihm enthaltenen — spärlichen — Wasser-
mollusken sogar unter Beteiligung von Wasser entstanden
ist. Ein anderer Teil des Parisers kann jedoch seiner
Gesteinsbeschaffenheit nach ebensogut wie als Gehängelöfs
als echter, äolischer Löls betrachtet werden. Ob nun auch
der Pariser zum Teil als äolischer Löls anzusprechen ist
oder nieht, so ist doch unter allen Umständen nieht zu
verkennen, dals zwischen die Bildung der Unteren und die
der Oberen Travertine eine Periode der Löfsbildung fällt,
denn sonst wäre es nicht zu verstehen, dafs den Unteren
1) Wenn die Oberen Travertine Gehängetravertine sind, entfällt
die Notwendigkeit meiner früheren Annahme, dafs die Oberen T'raver-
tine bei Taubach einst vorhanden gewesen, aber später der Abtragung
anheimgefallen sind.
[17] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 177
Travertinen mergeliges und lehmiges Material fast ganz
fehlt, im Pariser Lölsmaterial auftritt und die Oberen
Travertine viel Mergel und Lehm, teils als Beimengung in
den Travertinen selbst, teils in den Travertinen einge-
schalteten Schiehten enthalten. Später zu besprechende
Verhältnisse der Fossilienführung sprechen im gleichen
Sinne.
Das Hangende der Travertine bilden im allgemeinen
nur Eluvial- und Gehängebildungen, von denen die
letzteren gröfstenteils aus Löfs- und Laimenmaterial bestehen
und im Fiscuherschen Bruche bei Ehringsdorf in einer
kleinen, das Travertingebiet durchfurchenden Erosionsrinne
ihre grölste bisher bekannt gewordene Mächtigkeit von etwa
3,5 m erreichen. An manchen Stellen, wie z. B. gerade in
dem eben erwähnten FiıscHerschen Bruche, treten auch
aus Löfsmaterial bestehende Bildungen auf, welche als
echter äolischer Löls anzusehen sein dürften. Solehe
Bildungen sah ich indessen stets nur wenige Dezimeter
mächtig werden, so dafs ich sie nieht mit dem Jüngeren
oder gar dem Älteren, sondern nur mit dem Jüngsten Lösse
Thüringens vergleichen kann.!)
Die Fossilienbestände der Ablagerungen
des Travertingebietes der Gegend von Weimar und ihr
biogeographischer und klimatischer Charakter.
Dureh schichtweises Sammeln von Fossilien in dem
ganzen geschilderten Komplexe von Ablagerungen und eine
biogeographische Analyse der dabei festgestellten Fossilien-
bestände muls ein Urteil über die Klimaschwankungen,
welehe sich während der Bildungszeit dieser Ablagerungen
abgespielt haben, zu gewinnen sein. Wie einfach das im
Prinzipe ist, so schwierig ist es trotz des bekannten
Fossilienreichtumes und der ungewöhnlich günstigen Er-
haltungsbedingungen der Travertine praktisch.
!) Vgl. Wüst, Die Gliederung und die Altersbestimmung der
Lölsablagerungen Thüringens und des östlichen Harzvorlandes, Central-
blatt für Mineralogie usw., 1909, S. 385 ff.
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.82. 1910. 12
178 EwaArp Wüsr, [18]
Für eine Untersuchung wie die hier beabsichtigte können
nur Organismengruppen brauchbares Material abgeben, welehe
erstens im grölsten Teile der Ablagerungen sehichtweise in
grölserer Menge und in sicher bestimmbaren Resten ge-
sammelt werden können und zweitens in ihrer heutigen
Verbreitung so gut bekannt und zugleich so stark von
klimatischen Verhältnissen abhängig sind, dafs ihr fossiles
Vorkommen Rückschlüsse auf das zur Bildungszeit der
Fundschieht herrschende Klima gestattet. Diesen Anforde-
rungen entsprechen im Ganzen nur die Mollusken und auch
diese nur unvollkommen genug. Bei allen anderen Orga-
nismengruppen stölst man auf so viele Schwierigkeiten, dals
sie höchstens in zweiter Linie mit in Betracht kommen
können. Reste von Säugetieren sind in der überwiegen-
den Mehrzahl der Schiehten so spärlich vorhanden, dafs
man sich in der Regel nieht auf eigenes Sammeln einlassen
kann, sondern auf die von den Arbeitern abgelieferten
Fundstücke mit ihren oft nur zu fragwürdigen Fundschichten-
angaben angewiesen bleibt. Bessere Reste von Pflanzen
sind nur so lokal vorhanden, dafs sie für eine vergleichende
Untersuchung der verschiedenen Ablagerungen ausscheiden,
und die Verwendbarkeit des an vereinzelten Stellen ge-
sammelten wird durch die hinlänglich bekannten Schwierig-
keiten der richtigen Bestimmung fossiler Pflanzenreste stark
beeinträchtigt. Ostrakoden sind zwar häufig und verbreitet
und können bequem selbst gesammelt werden, aber für
- Sehlüsse auf das Klima sind sie wenigstens beim derzeitigen
Stande unserer Kenntnis der Verbreitung der lebenden
Ostrakoden nicht verwendbar. Alle übrigen Organismen-
gruppen haben nur so wenige und ungleich in den Ab-
lagerungen verbreitete Reste hinterlassen, dals sie hier über-
haupt keiner Erörterung bedürfen. Konchylien kann man
bequem in ausreichender Menge und — von den Kalkplatten
der Nacktschnecken abgesehen — sicher bestimmbaren
Stücken selbst sammeln!) und, da die Mollusken in ihrer
!) Weitaus den grölsten Teil des von mir gesammelten Kon-
chylienmateriales habe ich durch Ausschlämmen lockeren Schicht-
materiales gewonnen. Namentlich von wichtigen Schichten wurden
[19] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 179
heutigen Verbreitung ausreichend bekannt und von klima-
tischen Verhältnissen abhängig sind, zu klimatischen
Sehlüssen verwenden. Allein auch die Konchylien lassen
für diesen Zweck viel zu wünschen übrig. Einerseits sind
manche Sehiehten überaus konchylienarm, und andere, wie
die „Werktravertine“, von einer Gesteinsbeschaffenheit,
welehe dem Herauspräparieren der darin vorkommenden
Konehylien oft unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet.
Andererseits sind klimatische Schlüsse aus den zusammen-
gebrachten Kochylienbeständen nur in recht bescheidenem
Malse und mit gröfster Vorsicht zu ziehen und das aus vier
verschiedenen Gründen. Erstens stellen die Konehylien-
bestände der verschiedenen Ablagerungen je nach der Bil-
dungsweise dieser letzteren sehr verschieden grolse und meist
wenig genau zu bestimmende Bruchteile der Mollusken-
fauna dar, welehe zur Bildungszeit der Ablagerung in der
Umgebung des Fundortes gelebt hat.!) Zweitens erkennen
wir wohl bei vielen Arten eine mehr oder weniger grolse
Abhängigkeit des Verbreitungsgebietes von klimatischen Ver-
hältnissen, sind aber doch — mangels einschlägiger Unter-
suchungen — zur Zeit noch aulser Stande, mit Bestimmt-
heit anzugeben, welche klimatischen Faktoren es sind,
die die Ausdehnung des Verbreitungsgebietes mitbestimmen.
Drittens zerfallen viele Arten, nach ihrer heutigen Ver-
breitung zu urteilen, in morphologisch oft ununterseheidbare
Rassen von ganz verschiedenen physiologisch -biologischen
Eigenschaften, vor allem von ganz verschiedener klima-
tischer Anpassung, wozu dann ferner noch kommt, dafs viele
Arten im Laufe der Erdgeschichte ihre klimatische Anpassung
verändert haben.?2) Viertens schliefslich darf aus dem Vor-
nach Möglichkeit so lange neue Proben geschlämmt, bis sich nichts
neues mehr ergab.
!) In Ansehung dieser von den Geologen nur zu häufig nicht
genügend beachteten Tatsache lege ich — schon seit Jahren — den
gröfsten Wert auf die Unterscheidung der Begriffe „Konchylien-
bestand“ und „Molluskenfauna“.
2) Vergleiche hierzu die zahlreichen Arbeiten von August
Schulz über die Entwicklungsgeschichte der Flora und Pflanzendecke
verschiedener Teile Europas, deren wichtigste neuerdings Schulz
12%
180 Ewaup Wüst, [20]
kommen von Arten einer bestimmten klimatischen Anpassung
zweifellos nicht geschlossen werden, dals zur Bildungszeit
der Fundschieht ein dieser Anpassung entspreehendes Klima
herrschte, sondern nur, dals das Klima damals so beschaffen
war, dals die Art an die betreffende Fundstelle zu wandern
bezw. sich an derselben zu erhalten vermochte. !)
Nach den gegebenen Darlegungen stelle ich im folgenden
die Konehylien durehaus in den Vordergrund der Betrach-
tung. Im Interesse der Übersichtlichkeit habe ich die vor-
liegenden Beobachtungen über die Verbreitung der Konchylien
über die Hauptglieder des zu behandelnden Sehichtenkom-
plexes nebst den erforderlichen Bemerkungen über zweifel-
hafte Bestimmungen und kritische Formen in der gro[sen
beigefügten Tabelle nebst den dazugehörenden An-
merkungen zusammengestellt. Nur weniger wichtige
Einzelheiten der Verbreitung habe ich, um die Tabelle im
Interesse ihrer Übersichtlichkeit zu entlasten, in den’folgenden
Text aufgenommen. Die Nacktschneeken, von denen
Kalkplättehen fast in allen untersuchten Schichten gefunden
wurden, habe ich in der Tabelle wie im Texte unberück-
sichtigt gelassen, weil ihre Bestimmung meist unsicher ist
und ihnen keinerlei nennenswerte Bedeutung für die Zwecke
der vorliegenden Arbeit zukommt. Von den übrigen Orga-
nismengruppen ist das wenige für die Zwecke dieser
Arbeit wesentliche im folgenden Texte mitgeteilt und erörtert.
Die im folgenden unterschiedenen Typen von
Konchylienbeständen sind im Texte und in der
selbst in einer kurz zusammenfassenden Arbeit zusammengestellt hat:
Das Klima Deutschlands während der seit dem Beginn der Entwicklung
der gegenwärtigen phanerogamen Flora und Pflanzendecke Deutsch-
lands verflossenen Zeit, Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesell-
schaft, Bd. 62, 1910, S. 99 ff. Die Lehre von den verschiedenen klima-
tischen Anpassungen und den Veränderungen der klimatischen
Anpassung ein und derselben Art ist von Schulz zuerst entwickelt
worden in seinem Buche: Entwicklungsgeschichte der phanerogamen
Pflanzendecke Mitteleuropas nördlich der Alpen, Stuttgart 1899 (auch
Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, herausgegeben
von Alfred Kirchhoff, Ba. 11, Heft 5).
1) Vgl. die in der vorigen Anmerkung erwähnten Arbeiten von
August Sehulz.
[21] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 181
Tabelle mit deutschen Buchstaben (a bis f und x
und 4) bezeichnet, welche auch in der Profil-
tafel zur kurzen Bezeiehnung der Fundschichten
der betreffenden Konehylienbestände verwandt
worden sind.
Der Fossilienbestand des IImkieses der Unterterrasse am Eingange
der Parkhöhle im Parke von Weimar.
(Konehylienbestand a.)
Im Parke von Weimar fand ich in den Ilmkiesen der
Unterterrasse nur an einer Stelle, in dem mehrfach er-
wähnten Aufschlusse am Eingange der Parkhöhle, Fossilien.
Diese Fossilien entstammen dem Ilmkiese eingelagerten
Mergellinsen, welche etwa 2,5—3 m über der heutigen
Ilmaue liegen. Die Schlämmung einer Reihe von Proben
ergab nur Konehylien, von diesen aber ein reiches Material,
in dem indessen nur 11 Arten, 8 Landschnecken, 2 Wasser-
schnecken und 1 Muschel nachweisbar waren. Mehr noch
als in der Artenzahl wiegen in der Individuenzahl die
Landsehnecken vor den Wassermollusken vor, denn letztere
sind insgesamt nur in wenigen Stücken gefunden worden.
Wie sich insbesondere aus dem sehr bedeutenden Vorwiegen
der Landschneeken ergibt, haben die untersuchten Mergel-
linsen alte Ilmgeniste umschlossen. Unter diesen Umständen
ist die Zahl der nachgewiesenen Arten als äufserst gering
zu bezeiehnen: die Ablagerung muls unbedingt unter dem
Molluskenleben sehr ungünstigen klimatischen Verhältnissen
entstanden sein, ähnlich wie sie heute die arktischen Gebiete,
die Hochgebirgsregionen der paläarktischen Gebirge oder
die paläarktischen Steppengebiete darbieten.
Die Zusammensetzung des Bestandes, den ich kurz als
den Bestand a bezeichne, gleicht am meisten der Zusammen-
setzung der Molluskenfaunen, welehe man heute innerhalb
des Polarkreises oder in der Nähe derselben antrifft. Von
den 8 ganz sieher bestimmten der 11 nachgewiesenen Arten
kommen 6 heute innerhalb des Polarkreises vor:
Helix tenuilabris
Helix hispida
182 Ewaup Wüst, [22]
Pupa museorum
Pupa columella
Pupa parcedentata
Suceinea oblonga
und die nieht ganz sicher bestimmten Konehylien können
durchweg zu Arten gehören, welche ebenfalls heute auch
innerhalb des Polarkreises leben. Von den aufgezählten
6 Arten sind 3, nämlich
Helix tenuilabris
Pupa eolumella
Pupa parcedentata
heute ausschlielslich in recht kalten Gebieten verbreitet.
Helix tenwilabris hat ihre Hauptverbreitung in der arktischen
Region und ist in ihrem sonstigen rezenten Vorkommen auf
hoehnordische Länder beschränkt. Pupa columella und
Pupa parcedentata kommen aulser in arktischen und anderen
hochnordischen Gebieten auch in höheren Lagen der Ost-
alpen und Pupa columella auch der Tatra vor. Die übrigen
erwähnten Arten sind unter den verschiedensten klimatischen
Verhältnissen weit verbreitet.
Die 2 ganz sicher bestimmten, nicht innerhalb des Polar-
kreises vorkommenden Arten sind
Pupa eupa
Planorbis erista.
Die typische Pupa cupa kommt heute in den Alpen und
zwar bis in die Hochgebirgsregion hinauf, im Deutschen
Juragebirge und in der Tatra vor. Die var. turemenia der
Pupa cupa ist „in Asien (speziell Nord-Persien, Trans-
kaspien und Turkestan) weit verbreitet“.'!) Leider steht
nieht sicher fest, ob die hier zur Erörterung stehenden
fossilen Stücke der typischen Pupa cupa oder der var.
turcmenia zuzurechnen sind.!) Planorbis crista ist eine
unter den verschiedensten Klimaten weit verbreitete Art,
welehe hoch in den Norden hinaufgeht — in Skandinavien
bis 66° n. Br. — aber meines Wissens den Polarkreis
nirgends erreicht.
ı) Vgl. die Anmerkung 20 zu der Tabelle.
[23] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 183
Die 3 nieht ganz sicher bestimmten Arten sind
Pupa aff. alpestris
Limnaea ovata oder peregra
Pisidium sp.
Pupa alpestris, der die gefundene Pupa jedenfalls ganz
nahe steht,1) hat heute ihre Hauptverbreitung in der ark-
tischen Region und in den höheren Lagen der Alpen, besitzt
aber aulserdem im borealen?2) Teile der paläarktischen
Region eine Reihe von — meist durch weite Gebiete von-
einander getrennten — Verbreitungsarealen. Limnaea ovata
und Zimnaea peregra sind unter den verschiedensten Klimaten
weit verbreitet und kommen beide auch in der arktischen
Region vor. Das nicht näher bestimmbare Pisidium gehört
wahrscheinlich zu einer Art, von der dasselbe gilt.
Nach dem gesagten weisen die gefundenen Konchylien
mit Bestimmtheit auf eine Molluskenfauna, welche den heute
an der Grenze zwischen der paläarktischen und der ark-
tischen Region lebenden überaus nahe steht. Die einzige
Art, welche dem widerspricht, ist Pupa cupa. Diese gehört
aber möglicherweise zu den alpinen Elementen, welche
neben den hochnordischen in den plistozänen Eiszeiten
unser Gebiet besiedelt haben.
Ein Vergleich des Konchylienbestandes a mit den
Molluskenfaunen der hier am ehesten in Betracht kommenden
Steppengebiete Südosteuropas und Südwestsibiriens lälst
viel weniger übereinstimmendes und viel mehr unterschei-
dendes erkennen. Die weiterverbreiteten Arten unseres
Bestandes kommen zwar in diesen Steppengebieten auch
vor, und unsere Pupa cupa könnte immerhin zu der in,
diesen Gebieten vorkommenden var. turemenia gehören, aber
Helix tenwilabris, Pupa columella, Pupa alpestris und Pupa
parcedentata sind den genannten Steppengebieten fremd.
Nach den gegebenen Darlegungen hat also die Annahme
die grölste Wahrscheinlichkeit für sich, dals der Konchylien-
1) Vgl. die Anmerkung 24 zu der Tabelle.
2) Ich gliedere mit Kobelt (Studien zur Zoogeographie, Wies-
baden 1897 und 1898) das paläarktische Europa in einen mediterranen
oder meridionalen und in einen borealen Teil.
184 EwAup Wüsrt, [24]
bestand a die Reste einer aus arktischen und alpinen Ele-
menten zusammengesetzten Fauna darstellt, welehe unter
der erheblichen Temperaturdepression eiszeitlicher Klima-
verhältnisse unser Gebiet besiedelt hat.
Die Fossilienbestände der obersten IIm-Ablagerungen
der Unterterrasse und der Zone der Baumtravertine im Ulleschen
Steinbruche in Weimar.
(Konchylienbestand b).
Was ich im Urteschen Steinbruche in Weimar an Ilm-
ablagerungen der Unterterrasse gesehen habe, gehört den
obersten Lagen dieser Ablagerungen an und liegt unver-
kennbar etwas (1—2 m) höher als die fossilienführenden
Mergellinsen am Eingange der Parkhöhle. Diese Ilmabsätze
lieferten im wesentlichen dieselben Konchylien wie die un-
mittelbar darüber folgenden Lagen der Zone der Baum-
travertine bis zu einem Niveau von etwa 1,5 m über der
Oberfläche der Ilmabsätze.!) Ich fasse deshalb die Kon-
chylienbestände der genannten Ablagerungen als den Kon-
chylienbestand b zusammen.
Die Schlämmung einer Reihe von Proben aus Kies,
Letten und Untersten Travertinen ergab — abgesehen von
Ostrakoden und nicht genau bestimmbaren Nagerresten —
zahlreiche Konchylien, welche zu 24 Arten, 14 Landschnecken,
8 Wasserschneeken und 2 Muscheln gehören. Der Bestand
ist also nicht unerheblich artenreicher als der Bestand a
von der Parkhöhle. Auch seine Zusammensetzung ist eine
wesentlich abweichende. Unter den 24 Arten fehlen von
‘den an der Parkhöhle gefundenen, wenn ich von dem
Pisidium sp. von der Parkhöhle absehe, nicht weniger als
folgende 4:
Helix tenuilabris
Pupa columella
Pupa alpestris
Pupa parcedentata,
!) Die Zone der Baumtravertine ist, wie oben, 8.170, gesagt
wurde, 2,5 m mächtig. Aus den obersten, 1 m mächtigen Lagen sind
mir sichere Fossilfunde bisher nicht bekannt geworden.
[25] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 185
also fast alle Arten, welche ihre Hauptverbreitung in hoch-
nordischen Gebieten und in den höheren Regionen der
Alpen haben. Von derartigen Elementen ist beiden Be-
ständen lediglich
Pupa eupa
gemeinsam, welehe im Bestande b in der typischen, alpinen
Form auftritt. Sonst sind beiden Beständen folgende 4 weit
verbreitete und auch innerhalb des Polarkreises oder in der
Hocehgebirgsregion der Alpen vorkommende Arten gemeinsam
Helix hispida
Pupa museorum
Suceinea oblonga
Limnaea ovata oder peregra
und ferner Planorbis erista, eine weit verbreitete, weit nach
Norden reichende Art. Nieht weniger als 18 Arten sind
dem Bestande a gegenüber neu. Von diesen 18 Arten
kommen 15 heute auch innerhalb des Polarkreises oder in
der Hochgebirgsregion der Alpen vor:
Conulus fulvus
Hyalinia Hammonis
Punetum pygmaeum
Patula ruderata
Helix pulehella
Helix eostata
Pupa pygmaea
Cionella lubriea
Suceinea Pfeifferii
Limnaea ovata oder peregra
Limnaea truncatula
Planorbis leueostoma
Planorbis sp. aff. borealis
Valvata eristata
Pisidium milium.
Es sind dieses bis auf
Patula ruderata
Planorbis sp. aff. borealis
156 EwALp Wüsr, [26]
durehweg sehr weit verbreitete Formen, welche unter sehr
verschiedenen Klimaten leben. Patula ruderata hat ihre
Hauptverbreitung entschieden in nordischen Ländern und
höheren Lagen der Gebirge, wenn sie auch einige — weit
voneinander getrennte — andersartige Areale, z. B. im
mittleren Neckartale und im mittleren Saaletale, besitzt, in
denen sie sich offensichtlich eine Neuanpassung an wärmeres
Klima erworben hat. Die Gruppe des Planorbis borealis
hat ebenfalls ihre Hauptverbreitung in nordischen Ländern
und höheren Lagen der Gebirge. 3 weitere Arten, welche
ebenfalls der Parkhöhle gegenüber neu sind, fehlen der
arktischen wie der Hochgebirgsregion:
Zonitoides nitidus
Planorbis complanatus
Pisidium fontinale.
Diese sind weit verbreitete Arten, welehe unter sehr ver-
schiedenen Klimaten leben und auch hoch in den Norden
hinaufgehen.
Der Vergleich des Konchylienbestandes der untersten
Schichten des Urneschen Bruches (b) mit demjenigen von
der Parkhöhle (a) lehrt, dals der erstere einen wesentlich
weniger nordischen Charakter trägt als der letztere. Haben
wir — immer von dem vereinzelten alpinen Elemente der
Pupa cupa abgesehen — die ähnlichsten rezenten Faunen
für den Bestand a an der Grenze zwischen der arktischen
und der paläarktischen Region gefunden, so finden wir das
analoge für den Bestand b in den nördlichsten Teilen der
paläarktischen Region und zwar anscheinend am überein-
stimmendsten in Nordost-Rulsland. Leider ist die rezente
Molluskenfauna dieses Gebietes noch sehr ungenügend be-
kannt, doch lälst der durch die folgende Tabelle erleiehterte
Vergleich zwischen der Liste, die ich für die untersten
Schiehten des Urteschen Bruches geben konnte mit der
von BOETTGER!) gegebenen Liste von Genistekonehylien aus
der Gegend von Kungur im Gouvernement Perm — ich
habe beide Listen auf die Landschneeken beschränkt, weil
1) Nachrichtsblatt der deutschen Malakozoologischen Gesellschaft,
21. Jahrg., 1589, $. 122—126 und 22. Jahrg., 1890, $. 161—169.
[27] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 187
Weimar K
Bestand b BERUr
Vitrina pellueida
Conulus fulvus
Hyalinia Hammonis
n petronella .
Zonitoides nitidus
Punetum pygmaeum
Patula ruderata
Helix pulchella
n„ costata .
„ tenuilabris . Sta. Su.Bre.dd %
ehisprda u,.in. Galsmutemn = srarterre *
„ Tubiginosa .
BBTUeUm: Sri ENTE, } *
EUBASINOSCOTUMWe ae een een ee E er
BCHDa year Br ALDINAEE INN > *
BOUDYEmzeR LE. ale WU L. *
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Suceinea putris ig LEI U MENERZ a8 :
” ETEIHETI AL Er EIERN. x
2 ODIORES rn. este *
* x
REKEN
*
“2x x* *
der Vergleich der Wassermollusken durch Verschiedenheiten
fazieller Natur beeinträchtigt wird — ein ziemlich weit-
gehendes Mafs von Übereinstimmung erkennen. Der wich-
tigste Unterschied besteht in dem Vorkommen des alpinen
Elementes der Pupa cupa typ. zu Weimar. Wesentlich
geringer sind die Beziehungen unseres Bestandes zu den
rezenten Faunen westlicher gelegener Teile des Nordens
der paläarktischen Region. Den dargelegten Verhältnissen
entsprechend ist anzunehmen, dals von der Zeit des Be-
standes a bis zu der des Bestandes b eine Zunahme der
Wärme eingetreten ist.
Anhangsweise erwähne ich, dafs Weıss bei 3 von ihm
von Weimar angegebenen Molluskenarten ausdrücklich be-
merkt, dafs sie nur in den „untersten Schiehten“ vorkommen,
ohne indessen anzugeben, ob damit Kies, Letten oder
unterste Travertine gemeint sind. Es sind dieses:
183 EwALp Wüsrt, [28]
Pupa eolumella
Amphipeplea glutinosa
Aneylus fluviatilis.
Pupa columella, welche ich im Kiese an der Parkhöhle
gefunden habe, ist oben bereits besprochen. Amphipeplea
glutinosa ist eine wesentlich nordeuropäische, bis in die
arktische Region hineinreichende, übrigens von BOETTGER
auch aus der Gegend von Kungur angeführte Art. Ancylus
fluwviatilis ist unter sehr verschiedenen Klimaten weit ver-
breitet und reicht nach Norden bis nahe an den Polarkreis.
Nach diesen Angaben ist es klar, dafs das Vorkommen
dieser 3 Arten, gleichviel ob sie im Kiese, im Letten oder
in den untersten Travertinen gefunden sind, das Bild,
welehes sich nach meinen Funden vom tiergeographischen
Charakter der Konchylienbestände der untersten Schichten
von Weimar ergibt, nicht beeinträchtigt.
Aus den untersten Travertinen oder Baumtravertinen
des Urzesehen Bruches erhielt ich von anderen Fossilien
nichts für die Zwecke der vorliegenden Arbeit wesentliches.
Doch verdient wenigstens das hervorgehoben zu werden,
dals in diesen Baumtravertinen Reste, namentlich Zapfen-
abdrücke einer Pinus, anscheinend aus der Gruppe der
Pinus siWestris L., häufig sind, und dals ich einmal auch
den Abdruck eines Zapfens einer Tanne oder Fichte erhielt.
Die Fossilienbestände der Hauptmasse der Unteren Travertine
im Ulleschen Steinbruche in Weimar.
(Konehylienbestand D.)
Uber der Zone der Baumtravertine folgen im ULteschen
Bruche noch bis 10,5 m Untere Travertine. Diese habe ich
infolge teils der schwierigen Zugänglichkeit eines Teiles
der Sehiehten unter den derzeitigen Aufschlufsverhältnissen,
teils der Ausbildung vieler Schichten als fester Werkbänke
nur sehr ungleichmälsig untersuchen können. Aus den
untersten, 50 em mächtigen, wie aus den obersten, etwa 3 m
mächtigen Lagen der Unteren Travertine oberhalb der Zone
der Baumtravertine kenne ich überhaupt keine sicher ver-
bürgten Fossilien.
[29] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 189
Ich betrachte zunächst den Konehylienbestand des eben
umsehriebenen Schiehtenkomplexes, aus dem allein ich
überhaupt sicher verbürgte Fossilien kenne, im Zusammen-
hange. Dieser Konehylienbestand, den ich als d bezeichne,
umfalst nach meinen eigenen Aufsammlungen die überaus
stattliche Anzahl von 75 Arten, 56 Landsebneeken, 14 Wasser-
schnecken und 5 Muscheln. Dazu kommt jedenfalls noch
ein grolser Teil der in der Literatur aus den Travertinen
von Weimar angegebenen 30 Arten, welche ich — offenbar
infolge der jetzt gegen früher sehr viel ungünstiger ge-
wordenen Sammelbedingungen — bisher nicht gefunden
habe. Nach den dürftigen, übrigens nur einem Teile der
Arten zugefügten Fundschiehtenangaben der Literatur kann .
nur 1 Art, Pupa pagodula, mit Sicherheit den hier zu be-
sprechenden Schiehten zugeschrieben werden. In den im
folgenden gemachten zahlenmälsigen statistischen Angaben
sind alle diese nicht von mir selbst gefundenen Arten un-
berücksichtigt geblieben, doch habe ich diese Arten, soweit
sie sicher (nur Pupa pagodula) oder m. E. höchst wahr-
scheinlich den hier zu besprechenden Schichten angehören,
in den im folgenden gegebenen Aufzählungen irgendwie
bemerkenswerter Arten in eckigen Klammern mit an-
geführt. |
Die gro/se Artenzahl der hier zu besprechenden Schichten
ist den geringen Artenzahlen der tieferen Schichten gegen-
über um so höher anzuschlagen, als bei der Bildung der
Travertine fliefsendes Wasser bei weitem nicht die Rolle
gespielt haben kann wie bei der Bildung der Kiese und
Letten, und damit die Möglichkeit der Zusammenschwemmung
von Gehäusen und Schalen aus grölseren Gebieten erheblich
verringert ist.
Der Bestand d hat mit den Beständen a und b nur
20 Arten gemeinsam, welche durchweg unter den verschie-
densten Klimaten weit verbreitet sind. Alle diejenigen
Elemente der Bestände a und b, welche heute ihre Haupt-
verbreitung in der arktischen Region oder im hohen Norden
oder der Hochgebirgsregion der paläarktischen Region be-
sitzen, fehlen durchaus. Schon dieser Umstand zeigt, dals
sich jetzt der biogeographische Charakter der Fauna und,
190 EwALp Wüsrt, [30]
wie daraus zu erschlie/sen ist, das Klima sehr bedeutend
geändert hat.
Schon ein flüchtiger Bliek auf die Liste unseres Be-
standes, .wie sie in der grolsen Tabelle gegeben ist, zeigt,
dals es sich hier um Reste einer Fauna handelt, welehe
sich den heutigen Faunen des südlichen Teiles der borealen
Zone des paläarktischen Europas sehr nahe anschliefst.
Vergleiehen wir den Bestand d zunächst mit der heutigen
Fauna des Deutschen Mittelgebirgslandes, so finden wir,
dals er mit dieser fast alle Arten, nämlich 71, gemeinsam
hat. Der heutigen Fauna des Deutschen Mittelgebirgslandes
fehlen nur folgende 4 Arten unseres Bestandes vollständig:
Zonites acieformis
Helix banatica
Helix Tonnensis
[Pupa pagodula]
[Clausilia densestriata]
Belgrandia sp.
Zonites acieformis ist eine ausgestorbene Form, welehe aber
dem lebenden Z. verticillus Fer. sp. sehr nahe steht. Dieser
verbreitet sich von der Bergregion und den Vorbergen der
Ostalpen über das ‚Österreichische Küstenland und das
bosniseh-serbische Gebirgsland bis in die Balkanhalbinsel
hinein. Innerhalb der letzteren ist seine Verbreitung erst
wenig geklärt. Aufserdem kommt er in Mähren, bei Brandeis
an der Alder in Böhmen und angeblich auch in Kalabrien
vor. Helix banatica lebt heute in Siebenbürgen, Ostungarn
und dem Banate und ist ganz neuerdings auch bei Vocariea
im Komitate Pozsega in Slavonien gefunden worden. Helix
Tonnensis ist eine ausgestorbene Form, von der noch nicht
genügend feststeht, weleher lebenden Form sie am nächsten
steht. Pupa pagodula lebt heute in der montanen Region
und den Vorbergen der Alpen, verbreitet sich durch das
Österreichische Littorale bis nach Montenegro und über einen
Teil von Oberitalien nach Südfrankreich und hat aufserdem
ein sporadisches Vorkommen in Morea. COlausilia densestriata
lebt heute in der montanen Region und den Vorbergen der
Östalpen und von da bis in das bosnisch -serbische Gebirgs-
[31] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 191
land hinein; aulserdem ist sie aus der Gegend von Peters-
burg und aus Kurland angegeben worden. Die Belgrandia
sp. gehört zur Gruppe der B. gibba Drap., deren Verbreitungs-
gebiet Italien, die Balkanhalbinsel und einen Teil von
Frankreieh umfalst, und dürfte der rezent nur von Viareggio
bekannten B. Delpretiana Paulucei apud Oless. zugehören
oder doch wenigstens ganz nahe stehen.
Bei oberflächlicher Betrachtung könnte es scheinen, als
weiche unser Bestand nieht sonderlich erheblich von der
heutigen Fauna des Deutschen Mittelgebirgslandes ab. Eine
genauere Betrachtung lälst indessen diese Abweichungen
als sehr bedeutend erkennen. Bei einer solehen genaueren
Betrachtung muls man sich vor Augen halten, dafs die
heutige Fauna des Deutschen Mittelgebirgslandes infolge
der wechselvollen Geschichte, die sie unter den Klima-
schwankungen des Eiszeitalters durchgemacht hat, eine sehr
heterogene ist: sie setzt sich zusammen aus Elementen,
welehe unter sehr verschiedenen klimatischen Verhältnissen
eingewandert sind und sich bei einem Wechsel des Klimas
an besonders geeigneten Stellen — als Relikte — gehalten
und z. T. später — teils bei Wiedereintritt des Klimas,
unter dem die Elemente eingewandert waren, teils aber
unter ganz anderem Klima, an das die Relikten sich neu
angepalst hatten — wieder ausgebreitet haben. So sind
denn auch die Faunen der verschiedenen Teile des Deutschen
Mittelgebirgslandes selfr verschieden.
Trennen wir für unsere Zwecke zunächst einmal das
Deutsche Mittelgebirgsland in zwei Hauptteile, einen öst-
lichen, der das Gebiet der Böhmischen Masse umfafst, und
einen westlichen, dem der ganze Rest zufällt, so finden wir,
dals unser fossiler Bestand in seiner Zusammensetzung der
Fauna des östlichen Hauptteils sehr viel näher steht als
derjenigen des westlichen. Er weist nämlich nicht eine Art
auf, welche der westliche Teil vor dem östlichen voraus
hat, dagegen aber folgende 3 Arten, welehe der östliche
vor dem westlichen voraus hat:
Patula solaria
Helix vindobonensis
Pupa elaustralis.
192 EwAp Wüst, [32]
Von den Arten, welche unser Bestand mit der rezenten
Fauna des Deutschen Mittelgebirgslandes gemein hat, ist
eine grolse Anzahl in diesem Gebiete nur wenig verbreitet
und besitzt seine Hauptverbreitung in den Östalpen- und
Karpathenländern und zum Teile auch in noch weiter nach
Südosten zu gelegenen Gebieten Europas. In ausgesprochener
Weise ist das z. B. der Fall bei den eben angeführten
3 Arten, bei der weiter oben besprochenen Helix banatica
(ebenso bei Zonites verticillus, dem unser Zonites acieformis
sehr nahe steht) und bei folgenden Arten:
Daudebardia rufa
Daudebardia brevipes
[Vitrina elongata]
[Vitrea subrimata]
Pupa doliolum
Clausilia filograna
Clausilia eana
|Clausilia vetusta]
Clausilia pumila.
Dazu kommt noch, dals manche an sich weit verbreitete
Arten in unserem Bestande vorwiegend oder ausschliefslich
durch „Varietäten“ vertreten sind, welehe nur oder vor-
wiegend in den genannten südöstlichen Gebieten leben.
Diese auch in der Literatur schon mehrfach erwähnte Er-
scheinung will ich indessen erst später genauer behandeln.
Von sämtlichen Arten unseres Bestandes fehlen den
Karpathenländern nur 5:
Zonites acieformis
Helix Tonnensis
Helix nemoralis
[Pupa pagodula]|
Pupa costulata
[Clausilia densestriata|
Belgrandia sp.,
den Östalpen nur 6:
Zonites acieformis (dessen nächster leben-
der Verwandter, Z. vertieillus, indessen
hier vorkommt)
[33] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 193
Helix banatiea (die in der Nähe, in Sla-
vonien, vorkommt)
Helix Tonnensis
Pupa eostulata
Planorbis vortieulus
Belgrandia sp.
Diesen ausgesprochenen Beziehungen zu den Östalpen-
und Karpathenländern stehen keine auch nur einigermalsen
vergleiehbaren Beziehungen zu anderen Gebieten gegenüber.
Ebenso wichtig wie die eben besprochenen positiven
sind die negativen Beziehungen zu rezenten Faunen. Allein
diese negativen Beziehungen sind deshalb schwer zu be-
urteilen, weil die negativen Momente eines fossilen Konchylien-
bestandes nieht ohne weiteres auch die negativen Momente
der damals lebenden Molluskenfauna sind — ein nur zu
oft übersehener Umstand, der mich sehon seit Jahren ver-
anlalst hat, die Gesamtheit der in einer Ablagerung ge-
fundenen Konchylien nicht als die Fauna der betreffenden
Zeit und Örtlichkeit, sondern nur als den Bestand der
betreffenden Ablagerung, welche in der Regel nur einen
mehr oder weniger grolsen Bruchteil der Fauna ausmachen
wird, zu bezeichnen. Bei der Bewertung der negativen
Momente unseres Bestandes ist also gröfste Vorsieht geboten.
Immerhin ist unter allen Umständen die Erscheinung merk-
würdig, dals unserem Bestande eine grolse Anzahl im
Deutschen Mittelgebirgslande verbreiteter Arten fehlt, und
das umsomehr als diese Arten in ihrer überwiegenden
Mehrzahl solehe sind, die heute ihre Hauptverbreitung in
den westlichen Teilen Europas, im atlantischen und west-
mediterranen Gebiete besitzen. Als besonders typische
Beispiele führe ich folgende Landschnecken an:
Patula rupestris
Helix ericetorum
Helix eandidula
Buliminus detritus
Cionella tridens
Pupa secale
Balea fragilis
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.82. 1910. 13
194 EwarLn Wüst, [34]
Cyelostoma elegans
Acme lineata.
Auf ähnlich verbreitete Wassermollusken, wie z. B.
Neritina fluviatilis, will ich deshalb nicht eingehen, weil
ihr Fehlen in unserem Bestande auf faziellen Verhältnissen
beruhen kann und zum Teile sogar sicher beruht.
Auch die Ostalpen- und Karpathenländer, zu denen so
viele positive Beziehungen bestehen, haben zahlreiche — meist
eigentümliche oder wesentlich ost- oder südosteuropäische —
Arten, welche unserem Bestande fehlen. Die Zahl soleher
Arten ist so grols, dafs nicht wohl angenommen werden
kann, dals unser Bestand die fossilen Reste einer Fauna,
wie sie heute in einem Teile der genannten Gebiete lebt,
darstellt. Es lälst sich überhaupt keine rezente Fauna
ermitteln, mit der unsere plistozäne im wesentlichen überein-
gestimmt haben dürfte. Es lälst sich lediglich sagen, dafs
unsere plistozäne Fauna ihrem tiergeographischen Charakter
nach den Faunen der Böhmischen Masse, der Karpathen-
länder und der tieferen Regionen der Ostalpenländer im
ganzen am nächsten steht. Bemerkenswert ist dabei der
durch Belgrandia sp. repräsentierte höchst wahrscheinlich
mediterrane Einschlag.
Die Hauptmasse des Materiales von dem geschilderten
Bestande habe ich in einer tonigen Schicht gesammelt,
welche etwa 5 m über der Oberfläche der Ilmablagerungen
der Unterterrasse und etwa 5 m unter der Unterfläche des
Parisers liegt. In dieser Schicht fand ich alle in der Tabelle
aufgezählten Arten mit alleiniger Ausnahme von
Planorbis vortieulus
Unio sp.
Aus allen anderen Schichten, in denen ich überhaupt
sammeln konnte, habe ich weit weniger Material erhalten.
Der gröfste Teil dieser Schichten stellt reine Charensande
dar, welehe gewöhnlich überaus arm an Landschnecken
sind. Ich möchte aber hervorheben, dafs ich in den untersten
wie den obersten Schiehten des eingangs umschriebenen
Schichtenkomplexes massenhaftes Vorkommen von Delgrandia
konstatiert habe und dafs in der untersten Schicht, in der
[35] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 195
ich gesammelt habe, der paläolithischen Fundschicht, in
der allein ich Planorbis vorticulus. und Unio sp. gefunden
habe, wenigstens eines der für den Gesamtbestand so be-
zeiehnenden östlichen Elemente, Helix vindobonensis, nach-
gewiesen ist.
Aufser Konehylien kenne ich aus den besprochenen
Schichten, von belanglosen Resten von Pflanzen, Ostra-
koden u. a. abgesehen, nur Säugetierreste. Was davon nach
Provenienz und Bestimmung ganz sicher ist, entstammt der
paläolithischen Fundschicht, welche nahe der Basis des hier
betrachteten Schiehtenkomplexes liegt, oder deren unmittel-
barer Nachbarschaft. Für diese Schicht kann ich mit
Sieherheit das Vorkommen der sogenannten Antiquus-Fauna,
vor allem der Leitformen derselben, des Elephas antiquus
Fale. und des ARhinoceros Merckii Jäg. angeben. Die in
den Sammlungen vorhandenen Säugetierreste von Weimar,
deren Provenienz heute nieht mehr exakt zu ermitteln ist,
dürften wohl in der Hauptsache aus der gleichen Schicht
stammen.
Der Konchylienbestand d setzt zweifellos ein bereits
ziemlich warmes gemälsigtes Waldklima voraus, das ein
merklich kontinentaleres Gepräge besals als das heute im
Deutschen Mittelgebirgslande herrschende. Ein Element des
Konchylienbestandes, Belgrandia sp., und ebenso der der
Antiquus-Fauna angehörende Säugetierbestand könnten
vielleicht eher im Sinne eines mediterranen Klimas gedeutet
werden. Allein Delgrandia steht als höchstwahrscheinlich
mediterranes Element vereinzelt unter den Konchylien des
Bestandes d und die klimatische Anpassung der Antiquus-
Fauna kann beim derzeitigen Stande unserer Kenntnisse
noch recht verschieden beurteilt werden. Sollte die Antiquus-
Fauna als mediterrane Fauna anzusehen sein, so würde ihr
Zusammenvorkommen mit einer Molluskenfauna von süd-
borealem Gepräge durch die nicht unwahrscheinliche An-
nahme erklärbar sein, dafs relativ schnell ablaufenden
Klimaveränderungen die Säugetiere — zumal die gröfseren
Arten — in ihren Wanderungen rascher folgten als die
Mollusken.
196 EwaLp Wüst, [36]
Die Fossilienbestände der Unteren Travertine von Taubach.
(Konchylienbestände b und d.)
"Wie im geologischen Teile der vorliegenden Arbeit
gezeigt wurde, sind in Taubach, wo die Travertine der
Mittelterrasse auflagern, die untersten, im ULueschen Bruche
zu Weimar unmittelbar der Unterterrasse auflagernden
Travertine, die Baumtravertine, wenigstens in ihrer Haupt-
masse nicht vertreten. Paläontologische Verhältnisse sprechen
aber dafür, dafs diese Schiehten bezw. deren oberster Teil
zu Taubach wenigstens durch eine ganz dünne Travertinlage
vertreten sind. Ich gewann im östlichen SonNREINschen
Bruche aus einem bis 0,45 m mächtigen Moostravertine
(vulgo „Ratten“) einige wenige Konchylien, welehe zu
6 Arten gehören. Diese Arten kommen insgesamt in den
Baumtravertinen von Weimar (Konehylienbestand b) vor.
Es handelt sich allerdings in 5 von den 6 Arten um unter
den verschiedensten Klimaten weit verbreitete und auch in
unseren Travertinen in den verschiedensten Schichten vor-
kommende Arten, doch kommt eine Art
Patula ruderata,
über deren tiergeographischen Charakter oben das erforder-
liche gesagt wurde, von einem Vorkommen in den Oberen
Travertinen abgesehen, nur in den Ratten des SonNREIN schen
und in den Baumtravertinen des Urueschen Bruches vor.
Man geht danach kaum fehl, wenn man in unserem Bestande
einen Bestand vom Typus b erblickt.
Die übrigen Schiehten enthalten, wie die Tabelle zeigt,
fast genau dieselben Konchylien wie die Hauptmasse der
Unteren Travertine im Urneschen Bruche zu Weimar (Kon-
chylienbestand d). Ich konnte 75 Arten, 56 Landschnecken,
16 Wasserschnecken und 3 Muscheln nachweisen. In der
Literatur werden von Taubach 11 von mir nicht gefundene
Arten angegeben, die wohl alle oder fast alle aus den hier
zu behandelnden Schichten stammen. Ich habe in der
Hauptmasse der Unteren Travertine sowohl zu Weimar wie
zu Taubach 75 Arten Mollusken gefunden. Davon sind
nieht weniger als 67 Arten identisch. Zu Taubach fand ich
[37] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 197
8 von mir zu Weimar nicht gefundene Arten, die indessen
bis auf 1 (Aneylus lacustris) in der Literatur aus den
Travertinen von Weimar angegeben werden. Zu Weimar
fand ich 8 von mir zu Taubach nicht gefundene Arten, von
denen 3 in der Literatur von Taubach angegeben werden,
während 5 auch nach der Literatur zu Taubach fehlen:
Helix personata
Clausilia plieatula
Planorbis vortieulus
Unio sp.
Pisidium milium.
Von den 11 in der Literatur von Taubach angegebenen
- Arten kenne ich 3 aus der Hauptmasse der Unteren Traver-
tine von Weimar. Die übrigen 8 sind:
Vitrina diaphana
Hyalinia nitens
Pupa alpestris
Clausilia dubia
Clausilia ventricosa
Planorbis albus
Bithynia Leachii
Anodonta sp.
Von diesen 8 Arten werden alle bis auf Anodonta sp. in
der Literatur auch aus den Travertinen von Weimar an-
gegeben.
Die Unterschiede, welche nach meinen und der früheren
Autoren Aufsammlungen zwischen den Konchylienbeständen
der Hauptmasse der Unteren Travertine von Weimar und
Taubach bestehen, bedingen keine irgendwie nennenswerten
Unterschiede im tiergeographischen Charakter der beiden
Bestände. Die der heutigen Fauna des Deutschen Mittel-
gebirgslandes fehlenden Arten sind — von den von mir nicht
gefundenen aber in der Literatur von Weimar angegebenen
beiden Arten Pupa pagodula und Clausilia densestriata ab-
gesehen — dieselben. Die im Deutschen Mittelgebirgslande
nur im Bereiche der Böhmischen Masse vorkommenden
Arten sind zu Weimar und zu Taubach genau dieselben.
Die im Deutschen Mittelgebirgslande wenig verbreiteten,
198 Ewaun Wüsr, [38]
wesentlich südöstlichen Arten sind zu Weimar und zu
Taubach fast genau dieselben. Und schliefslich umfassen
die heute in den Karpathenländern und den Östalpen
fehlenden Arten Taubachs und Weimars bis auf Pupa
pagodula und Ulausilia densestriata die gleichen Arten.
Unter den vorgetragenen Umständen ist nieht daran zu
zweifeln, dafs die nach den bisherigen Listen bestehenden
Unterschiede zwischen den Konchylienbeständen der Haupt-
masse der Unteren Travertine von Weimar und Taubach
wesentlich auf Zufälligkeiten der Aufsammlungen beruhen
und dals beide Bestände die Reste einer gleichen Fauna
darstellen.
Auf die Unterschiede zwischen den Konchylienbeständen
der einzelnen Schichten der Hauptmasse der Unteren Tra-
vertine von Taubach will ich erst später näher eingehen.
Hier will ich nur erwähnen, dafs die untersten Lagen,
welehe unmittelbar über den oben erwähnten „Ratten“ mit
Patula ruderata folgen, und die Travertingerölle enthaltende,
bis etwa 0,4 m mächtig werdende paläolithische Fundschicht
von Taubach darstellen, bereits folgende für die Hauptmasse
der Unteren Travertine von Taubach und Weimar besonders
bezeichnende Arten enthalten:
Patula solaria
Pupa claustralis
Clausilia: filograna
Clausilia pumila
Belgrandia sp.
Dieselbe Schieht ist es auch, welche die überwiegende
Mehrzahl aller Säugetierreste von Taubach geliefert hat,
darunter die bekannten prachtvollen Reste der Antiquus-
Fauna. Von sonstigen Fossilien ist aus den Unteren Tra-
vertinen von Taubach niehts bemerkenswertes zu berichten.
Die Fossilienbestände der Unteren Travertine von Ehringsdorf.
(Konehylienbestände c, e, f.)
Im Ehringsdorfer Travertingebiete sind, wie schon er-
wähnt wurde, die Unteren Travertine meist als feste Werk-
[39] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 199
bänke ausgebildet und daher der Aufsammlung von Fossilien
wenig günstig.
Das Konehylienmaterial, das ich gewonnen habe, ist
als recht dürftig zu bezeiehnen. Ich konnte nur 36 Arten,
24 Landsehnecken, 10 Wasserschnecken und 2 Muscheln
nachweisen.
Nach dem Konchylienmateriale könnte man erhebliche
Zweifel daran haben, ob die Unteren Travertine von Ehrings-
dorf vom gleichen Alter sind wie die Unteren Travertine
von Weimar und Taubach, denn einerseits fehlen zu Ehrings-
dorf die für Weimar und Taubach besonders bezeiehnenden
Elemente wie insbesondere Belgrandia und die heute vor-
züglieh in südöstlicheren Gebieten lebenden Schnecken,
während andererseits zu Ehringsdorf einige in den viel
besser erforschten Unteren Travertinen von Weimar und
Taubach durchaus fehlende Schnecken wie insbesondere
Helix costellata (eine ausgestorbene Form) und Pupa tripli-
cata gefunden worden sind. Allein in den Unteren Tra-
vertinen von Ehringsdorf kommen, wenigstens in den
mittleren Lagen, die Reste derselben Antiguus-Fauna wie in
Weimar und Taubach, wo diese Fauna ebenfalls wenigstens
vorzugsweise — vielleicht ausschliefslieh — den mittleren
Lagen angehört, vor. So sind vor allem die „Leitformen“,
Elephas antiquus Fale. und Rhinoceros Merckii Jäg., aber
auch andere, in zahlreichen Stücken an vielen Stellen der
Unteren Travertine von Ehringsdorf nachgewiesen. Danach
haben wir also auch wiehtige paläontologische Momente,
welche für die Gleichalterigkeit wenigstens der Hauptmasse
der Unteren Travertine von Ehringsdorf mit denen von
Weimar und Taubach sprechen. Die Unterschiede in den
Konchylienbeständen sind jedenfalls darauf zurückzuführen,
dals mein Konchylienmaterial von Ehringsdorf durchweg
aus Schichten stammt, in denen keine Reste der Antiquus-
Fauna nachgewiesen sind, die also anderen Alters sein
dürften als wenigstens die Mehrzahl derjenigen Schichten,
aus denen mein Konchylienmaterial von Weimar und Tau-
bach stammt. Aus den Ehringsdorfer Schiehten, in denen
ich mein Konehylienmaterial gesammelt habe, kenne ich
aulser Konchylien nur für die Zwecke dieser Arbeit belanglose
200 EwALp Wüsrt, [40]
Fossilien, vor allem keinerlei sicher bestimmbare Säugetier-
reste von Bedeutung.
In der nun folgenden Besprechung meiner Konehylien-
materialien teile ich diese in zwei Gruppen, je nach dem,
ob sie aus Schichten unter oder über Schiehten mit Resten
der Antiquus-Fauna stammen.
In Schiehten unter solehen mit Resten der Antiquus-
Fauna habe ich nur an einer Stelle, im SAALBoRNschen
Bruche, ein nennenswertes Konchylienmaterial zu sammeln
vermocht. Hier beginnen die Unteren Travertinen über den
Ilmablagerungen der Mittelterrasse mit Charensanden, in
denen ich den als c bezeichneten aus 22 Arten, 10 Land-
sehneeken, 10 Wasserschneeken und 2 Muscheln bestehenden
“ Konehylienbestand sammeln konnte. Der — wie die Bestände
reiner Charensande gewöhnlich — an Landschnecken sehr
arme Bestand zeigt ein überaus indifferentes Gepräge, d.h.
er besteht so gut wie nur aus sehr weit verbreiteten Arten.
Nur 3 Arten scheinen mir der Erwähnung wert zu sein:
Pupa Moulinsiana
Planorbis vortieulus
Planorbis glaber.
Planorbis glaber, eine weit verbreitete Art, ist insofern
erwähnenswert, als sie sonst nirgends im ganzen Travertin-
gebiete gefunden worden ist. Planorbis vorticulus, eine
zwar wenig, doch in recht verschiedenartigen Gebieten ver-
breitete Art, erwähne ich deshalb, weil sie im ganzen
Travertingebiete sonst nur noch in der paläolithischen Fund-
schieht von Weimar vorkommt, einer Schicht also, die nach
den Niveauverhältnissen zu urteilen, dem Charensande von
SAALBORN im Alter ziemlich nahe stehen würde. Pupa
Moulinsiana ist ähnlich wie Planorbis vorticulus eine Form,
welche heute offenbar recht verschiedenartige klimatische
Anpassungen besitzt. Es ist aber bemerkenswert, dals sie
in den Travertinen der Gegend von Weimar, und zwar in
den Unteren wie in den Oberen, überall da, wo sie in
artenreicheren Beständen konstatiert wurde, mit den für die
Hauptmasse der Unteren Travertine so bezeichnenden süd-
östlichen Elementen vergesellschaftet ist. So sehen wir also
[41] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 201
immerhin einige Beziehungen unseres Bestandes zu den
Beständen der Hauptmasse der Unteren Travertine, während
Beziehungen zu tieferen Schichten fehlen. Sonach dürfte
der Charensand des SAALBORN schen Bruches seiner Bildungs-
zeit nach am ehesten mit den Schichten um die Basis der
Hauptmasse der Unteren Travertine von Weimar und Tau-
bach herum zu parallelisieren sein, wie das auch ungefähr
seinem Niveau über der heutigen Ilmenau entspricht. Im
gleichen Sinne sprieht der Umstand, dals ich in den festen
Werkbänken in seinem unmittelbaren Hangenden das Vor-
kommen von Elephas antiquus konstatiert habe. Seinem
tiergeographischen Charakter nach dürfte unser Bestand
zeitlich zwischen die als b und d bezeichneten Bestände
einzuschieben sein. Diese An$icht habe ich auch darin
zum Ausdrucke gebracht, dafs ich den Bestand mit dem
Buchstaben c bezeichnet habe. Die Fundschicht des Be-
standes c dürfte einem Teile der Schichten zwischen den
Sehiehten mit den Beständen b bezw. d im Uuvueschen
Bruche, die bisher keine Fossilien geliefert haben, und der
in Taubach zerstörten und jetzt zum Teile in Gestalt von
Geröllen in der paläolithischen Fundschieht liegenden Tra-
vertinschichten im Alter entsprechen.
Ich wende mich nunmehr zu den Konchylienbeständen,
welehe ich in Schichten gesammelt habe, die Schiehten mit
Resten der Antiquus-Fauna überlagern.
Das reichste hierher gehörende Material sammelte ich
in dem kleinen Bruche von Schwarz. Hier sind die der
Mittelterrasse auflagernden Unteren Travertine 4,5—5 m
mächtig. 2,3 m unter der Unterfläche des Parisers konnte
ich noch Elephas antiquus konstatieren. 0,9—1,9 m unter
der Unterfläche des Parisers finden sich mürbe Einlage-
rungen, in denen ich den als e bezeichneten, aus 29 Arten,
23 Landschnecken und 6 Wasserschneeken bestehenden
Konchylienbestand sammelte. Eine Liste dieses Bestandes
gibt die grolse Tabelle.
Der Bestand setzt sich — von der rezent nicht be-
kannten Helix costellata abgesehen — nur aus Arten zu-
sammen, welehe — namentlich in den Waldgebieten der
borealen Zone des paläarktischen Europa — eine sehr
202 Ewaup Wüsr, [42]
weite Verbreitung besitzen. Alle Arten kommen z. B. im
Deutschen Mittelgebirgslande, ebenso aber z. B. auch in den
Östalpen und in den Karpathenländern vor. Ähnlich wie
in dem Bestande der Hauptmasse der Unteren Travertine
von Weimar und Taubach fehlen vorwiegend westeuropäische
Elemente vollkommen, während vorwiegend östliche bezw.
südöstliche Elemente, wie sie für die genannten Schichten
von Weimar und Taubach so bezeiehnend sind, wenigstens
dureh Olausilia pumila vertreten sind. Dem Niveau der
Fundschichten nach wären Äquivalente der obersten Teile
der Hauptmasse der Unteren Travertine von Weimar und
Taubach zu erwarten; nach den recht beträchtlichen Unter-
schieden in den Konehylienbeständen zu urteilen dürften
indessen bereits etwas jüngere Schichten vorliegen. Deshalb
habe ich den Bestand mit einem besonderen Buchstaben
als e bezeichnet.
Alles sonst noch gesammelte Material stammt aus
Schichten, welehe höher über der heutigen Ilmaue liegen
als die obersten Schichten der Unteren Travertine von
Weimar und Taubach. Dieses Material repräsentiert durch-
weg sehr ärmliche Bestände.
Im Karmpreschen Bruche, in dem die Unteren Tra-
vertine auf der Mittelterrasse liegen, lieferte eine Charen-
sandlinse 3,5—5 m über der Basis der Unteren Travertine
und 0—1,5 m unter der Unterfläche des Parisers 13 Arten,
8 Landschnecken und 5 Wasserschnecken.
Conulus fulvus
Hyalinia Hammonis
Helix pulehella
Helix eostata
Pupa antivertigo
Pupa Moulinsiana
Pupa angustior
Suceinea Pfeifferii
Limnaea peregra
Physa fontinalis
Planorbis leueostoma
Planorbis eontortus
Bitbynia tentaculata.
[43] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 203
Es ist das ein bei seiner Armut an Landscehnecken tier-
geographisch kaum näher beurteilbarer Bestand, doch ist
immerhin das Vorkommen von Pupa Moulinsiana, einer
in der Hauptmasse der Unteren Travertine von Weimar und
Taubach verbreiteten Art, bemerkenswert. Der Bestand ist
vielleicht am besten noch dem Bestande e anzuschlielsen,
leitet aber möglicherweise bereits zu den überaus armen
unter f zusammengefalsten Beständen über.
An einer anderen Stelle des Karmpreschen Bruches
fand ieh in tonigem Charensande 15—35 em unter der Unter-
fläche des Parisers 8 Arten, 6 Landsehnecken und 2 Wasser-
schneeken:
Helix pulehella
Helix eostata
Cionella lubriea
Pupa muscorum
Pupa angustior
Suceinea sp. (nicht genau bestimmbare Reste)
Limnaea truncatula
Planorbis leucostoma.
Dieser Bestand, den ich als f bezeichne, ist von be-
merkenswerter Ärmliehkeit, zumal wenn man in Betracht
zieht, dals tonige Charensande sonst die konchylienreiehsten
Gesteine des Travertingebietes darstellen. Man darf aus
der Ärmlichkeit dieses Bestandes zweifellos schlielsen, dals
gegen Ende der Bildungszeit der Unteren Travertine für
das Molluskenleben sehr ungünstige Verhältnisse eintraten,
von denen kontinentales Steppenklima und kaltes Klima
am ehesten in Betracht kommen. Das Fehlen jedweder
auf kaltes Klima hindeutender Art und die nachher zu
besprechenden Verhältnisse der Fossilienbestände der
hangenden Schichten sprechen dafür, dafs das Herannahen
eines kontinentalen Steppenklimas für die Verarmung der
Molluskenfauna verantwortlich zu machen ist.
Im SAaaLgornschen Bruche habe ich in mürben Ein-
lagerungen etwa 5—6 m über der Oberfläche der Ilm-
ablagerungen der Mittelterrasse, 0,5 —1,2 m unter der Unter-
fläche des Parisers, einige wenige Konchylien gesammelt,
die nur zu 2 Arten gehören:
204 Ewarp Wüst, [44]
Pupa museorum
Pupa triplieata.
Ich erwähne diese wenigen Konchylien nur deshalb, weil
darunter Pupa triplicata nachgewiesen ist, eine Art, welche
uns bisher nicht begegnet war, aber noch in den untersten
Schichten der Oberen Travertine entgegentreten wird. Pupa
triplicata besitzt heute eine weite Verbreitung in klimatisch
sehr verschiedenartigen Gebieten. Sie verbreitet sich von
der Pyrenäenhalbinsel über einen Teil von Frankreich, den
Sehweizer Jura (von hier bis in das südliche Elsafs reichend),
die montane Region der Alpen, Oberitalien, das Öster-
reichische Küstenland und die Karpathenländer nach der
Krim, Kaukasien und Armenien. Sie besitzt offenbar ganz
verschiedene klimatische Anpassungen. Ihre heutige Ver-
breitung lälst die Annahme zu, dals sie in die Gegend von
Weimar als ein Tier kontinentalen Klimas eingewandert ist,
eine Annahme, welche am besten zu dem passen würde,
was wir sonst über die klimatischen Verhältnisse zur
Bildungszeit der obersten Lagen der Unteren Travertine
und der nächsthöheren Schichten erschlielsen können. Ich
ziehe den kleinen Bestand mit zu dem oben besprochenen
Bestande f.
Nach den vorgetragenen Tatsachen und Erörterungen
dürften also die einzelnen Glieder der Unteren Travertine
des Ehringsdorfer Gebietes folgendermalsen zu beurteilen
sein. Die untersten Schichten, deren Fossilienführung noch
nieht ermittelt werden konnte, sind den Baumtravertinen
von Weimar äquivalent. Die unmittelbar auf den Ilm-
ablagerungen der Mittelterrasse liegenden Charensande des
SaALBorNsehen Bruches mit dem Konehylienbestande c ge-
hören in die Nähe der Grenze zwischen den Baumtravertinen
und der Hauptmasse der Unteren Travertine zu Weimar.
Die höheren Lagen mit Resten der Antiquus-Fauna, aber
vorläufig ohne Konchylien, entsprechen der Hauptmasse der
Unteren Travertine mit Resten der Antiquus-Fauna und
dem Konchylienbestande d zu Weimar und Taubach. In
die Nähe der Obergrenze dieser Schichten gehören die
Schiehten des Schwarzschen Bruches mit dem Konchylien-
bestande e und vielleicht auch noch die Charensandlinse
[45] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 205
unter dem Pariser im Karmpreschen Bruche, welche einen
Konchylienbestand geliefert hat, von dem nicht sicher ist,
ob er sich näher an e oder an f anschlielst. Die Schichten
mit dem sehr verarmten Konehylienbestande f im KAEMPFE-
schen und SaauLkornschen Bruche sind die jüngsten zur Zeit
paläontologisch eharakterisierbaren Schichten der Unteren
Travertine des gesamten Travertingebietes der Gegend von
Weimar.
Die Fossilienbestände des Parisers von Ehringsdorf.
(Konchylienbestand g.)
Der Pariser des Ehringsdorfer Travertingebietes ist im
allgemeinen fossilienfrei, wie es Löls zu sein pflegt.
Ich selbst habe nur an einer Stelle, im HEYDENREICH-
schen Bruche, Fossilien und zwar Konchylien im Pariser
gefunden. In diesem schon seit Jahren aufgelassenen Bruche
ist der Pariser im allgemeinen 1,5 m mächtig, seinem reichen
Gehalte an Geröllen und eckigen Triasbrocken nach un-
bedingt als umgelagerter Löls anzusprechen und in seiner
oberen Hälfte — wohl infolge einer Reduktion seines Eisen-
hydroxydgehaltes zur Bildungszeit der im unmittelbaren
Hangenden sichtbaren stark humosen Travertinlage — grau-
grün gefärbt. Ein Teil der Lagen des Parisers sind hier
geradezu reich an Konchylien, welche indessen zu nur
9 Arten, 8 Landschnecken und 1 Wasserschnecke gehören:
Conulus fulvus
Helix pulehella
Helix eostata
Helix hispida
Helix striata
Pupa muscorum
Cionella lubriea
Suceinea oblonga
Limnaea truneatula.
Zumal das Vorkommen von Limnaea truncatula eine Be-
teiligung von Wasser bei der Bildung der Sehieht verrät,
ist der Konchylienbestand, den ich als g bezeichne, als
überaus ärmlich anzusehen. Er mu/ls aus einer dem
206 EwaLp Wüst, [46]
Molluskenleben überaus ungünstigen Zeit stammen. An
eine Zeit kalten Klimas ist nieht zu denken, da alle hierfür
bezeichnenden Arten fehlen. Dagegen kann der Bestand
sehr wohl aus einer Zeit kontinentalen Steppenklimas
stammen, denn alle gefundenen Arten kommen heute unter
solehem Klima vor und sind auch — zum Teil als die
häufigsten und bezeichnendsten Schnecken — in konchylien-
führenden Lölsablagerungen nachgewiesen. Besondere Be-
achtung verdient Helix striata, eine Schnecke, welche heute
zwar unter recht verschiedenartigen Klimaten eine ziemlich
weite Verbreitung besitzt, aber doch ganz entschieden den
Schwerpunkt ihres Verbreitungsgebietes in den kontinen-
taleren Gebieten des südöstlichen Europa, in den zentralen
Teilen Ungarns, im südlichen Rulsland usw. besitzt. So
weist also der besprochene Konchylienbestand g, obgleich
umgelagertem Löfse angehörend, auf ein recht kontinentales
Klima hin.
Aus dem KArmpr&schen Bruche erhielt ich Proben von
zu festem, travertinähnlieh aussehendem Gesteine ver-
festigtem Pariser, aus denen ich folgende — in der Tabelle
dem Bestand g zugereehnete — 3 Landschnecken heraus-
präparieren konnte:
Helix frutieum
Helix (Tachea) sp. (nieht genau bestimm-
bare Scherben)
Helix Pomatia.
Die zwei genau bestimmten Arten sind weit verbreitet
und auch in den kontinentalen Gebieten Ungarns und Süd-
rulslands nachgewiesen.
Aus dem Pariser des Fıscherschen Bruches erhielt ich
als einzigen sieheren Säugetierrest aus dem Pariser ein
Bruchstück, das anscheinend von einem Euryceros-Geweih
herrührt.
Der ärmliche Fossilienbestand, der sich an einigen
wenigen Stellen im Pariser nachweisen liels, unterstützt den
im geologischen Teile der Arbeit gezogenen Schlufs, dafs
der Pariser in einer Periode der Lölsbildung oder im un-
mittelbaren Anschlusse daran entstanden ist.
[47] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 207
Wollte man in dem Pariser Umlagerungsprodukte eines
schon vor der Bildung des Kieses der Unterterrasse vor-
handen gewesenen Lösses sehen, die auf den Unteren Tra-
vertinen abgelagert und erhalten werden konnten, nachdem
das Gebiet der Unteren Travertine dem Inundationsbereiche
der Ilm entrückt war, so würde doch die Ärmliehkeit und
die Zusammensetzung des Fossilienbestandes des Parisers,
dem zahlreiche der Arten fehlen, die zur Bildungszeit der
Unteren Travertine an den Gehängen des Ilmtales gelebt
haben müssen, zeigen, dals zur Bildungszeit des Parisers
das Klima ein anderes, dem Molluskenleben ungünstiges,
kontinentales geworden war.
Die Fossilienbestände der Oberen Travertine von Ehringsdorf.
(Konehylienbestände h, i, £.)
Wie bereits im geologischen Teile dieser Arbeit dar-
gelegt wurde, ist die Parallelisierung der in den verschie-
denen Aufschlüssen sichtbaren Schichten der Oberen Tra-
vertine von Ehringsdorf auf Grund einer Untersuchung der
Lagerungsverhältnisse nicht genau und sicher durehführbar,
weil die Oberen Travertine als Gehängetravertine anzusehen
sind. Unter diesen Umständen ist die Aufeinanderfolge
der bisher gesammelten Fossilienbestände nicht mit der
wünschenswerten Genauigkeit und Vollständigkeit zu er-
mitteln. Gleichwohl lassen sich durch Kombination der
in den verschiedenen Aufschlüssen gemachten Beobach-
tungen wenigstens einige nieht unwesentliche Ergebnisse
gewinnen.
Die von mir in den Oberen Travertinen von Ehringsdorf
gesammelten Konchylienbestände lassen sich auf drei Typen
verteilen, welehe ich als h, i und f bezeichne.
Die Bestände vom Typus 5 entstammen humosen,
erdigen Einlagerungen etwas über der Basis der Oberen
Travertine, welche sich über einen grolsen Teil der Brüche
von HAUBOLD, SCHWARZ, KAEMPFE und FISCHER verfolgen
lassen. Sie enthalten 18 Konchylien, 17 Landscehnecken und
1 Wasserschnecke, welche in der grolsen Tabelle auf-
gezählt sind.
208 EwALp Wüsrt, [48]
Der Konchylienbestand ist recht ärmlich und indifferent.
Von den nieht ganz weit verbreiteten Arten ist keine mit
denen der Schichten bis zu der Hauptmasse der Unteren
Travertine aufwärts gemeinsam. Am bemerkenswertesten,
weil gegenwärtig am wenigsten weit verbreitet, sind
Helix striata,
welche uns zuerst im Pariser entgegentrat,
Pupa triplieata,
welehe in den obersten Lagen der Unteren Travertine von
Ehringsdorf vorkommt, und
Buliminus tridens,
welcher zum ersten Male in den hier zu besprechenden
Sehiehten auftritt. Helix striata ist, wie sehon bei der
Besprechung des Parisers gesagt wurde, eine Schnecke, die
ihre Hauptverbreitung in den kontinentaleren Gebieten des
südöstliehen Europa besitzt. Pupa triplicata kann, nach
dem bei der Bespreehung der obersten Unteren Travertine
von Ehringsdorf gesagten, ebenfalls als ein kontinentales
Element angesprochen werden. Von buliminus tridens,
ebenfalls einer ziemlich weit verbreiteten Schnecke, gilt
dasselbe, zumal da diese Art in Südrufsland aufserordentlich
verbreitet ist. Einen eigentlichen Steppeneharakter scheint
aber unsere Gegend zur Bildungszeit der hier besprochenen
Sehieht nieht mehr besessen zu haben, wie aus dem Vor-
kommen einiger weit verbreiteter, jedoch die südosteuropäi-
schen Steppengebiete meidender Arten, wie insbesondere
Clausilia dubia
hervorgeht. Elemente, welche für kaltes Klima sprechen,
fehlen durchaus.
Im FıscHerschen Bruche erhielt ich aus der Fundsehieht
des Konchylienbestandes h eine Reihe von Säugetierresten.
Ich selbst sammelte
Myoxus glis L. sp.
Mierotus (— Arvieola) arvalis Pall. sp.
oder agrestis L. sp.
[49] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 209
Von Herrn R. FıscHer erhielt ich
Myoxus glis L. sp.
Rhinoceros antiquitatis Blumenb. (= ticho-
rhinus Cuv.).
Von der zuletzt genannten, wichtigen Art erhielt ich einen
Unterkiefermolaren, dessen Bestimmung vollkommen sicher
ist und dessen Herkunft aus unserer Schieht nach seinem
Erhaltungszustande und dem ihm anhaftenden Gesteins-
materiale nicht zweifelhaft sein kann.!)
Herr Grofsh. Bauinspektor REBLınG in Weimar besitzt
ein reiches Material von Resten kleiner Säugetiere aus dem
FıscHersehen Bruche, welches seinem Erhaltungszustande
nach offenbar ebenfalls aus unserer Schieht stammt. Das
Material enthält, von noch nicht bestimmten Fledermaus-
arten abgesehen, folgende Arten
Putorius putorius L. sp.
Lutra lutra L. sp.
Myoxus glis L. sp.
Cricetus ericetus L. sp.
Mus sp.
Mierotus (= Arvieola) arvalis Pall. sp.
oder agrestis L. sp.
Der aufgezählte Säugetierbestand trägt einen ähnlichen
tiergeographischen Charakter wie der schon besprochene
Konehylienbestand. Einige Arten sind so weit verbreitet,
dals sie für die genauere Charakterisierung des Säugetier-
bestandes nicht in Betracht kommen. Myoxus glis und
Oricetus cricetus sind zwar auch recht weit verbreitete
Arten, doch haben sie — Cricetus noch ausgesprochener
als Myoxus — den Schwerpunkt ihrer Verbreitung in den
kontinentaleren Gebieten Südosteuropas und Cricetus auch
Westsibiriens. Ahinoceros antiquitatis ist eine ausgestorbene,
im Plistozän sehr häufige Art, welehe uns hauptsächlich in
arktischen und Steppen-Faunen entgegentritt, aber auch in
1) Vgl. Wüst, Das Vorkommen von Rhinoceros Merckiü Jäg. in
den Oberen Travertinen von Ehringsdorf usw., Centralblatt für Minera-
logie usw., 1909, S. 23—25.
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. S. Bd.82, 1910. 14
210 EwaALn Wüsr, [50]
Waldfaunen von allerdings stark kontinentalem Gepräge
vorkommt. !)
Die von mir zum Typus i vereinigten und in der grofsen
Tabelle zusammengefafsten Konehylienbestände weisen trotz
einer weitgehenden Übereinstimmung doch auch einzelne
nicht ganz unwesentliche Verschiedenheiten auf. Daher sind
die 3 hierher gezogenen Bestände in der folgenden Spezial-
Tabelle einzeln aufgezählt. Die 3 Bestände entstammen
Schiehten von sehr verschiedener Gesteinsbeschaffenheit und
Lagerung.
Die Fundschicht des HeyDEnrREIcHschen Bruches ist
eine bis 0,45 m mächtige humose, mürbe Travertinlage,
welehe nur etwa 11 m über der heutigen Ilmaue unmittelbar
dem Pariser aufliegt.
Der kleine Bestand aus dem Karmpreschen Bruche
entstammt festen, dünnplattigen Travertinen, in denen das
Sammeln sehr erschwert ist. Diese Schichten liegen
3—6 m über der Oberfläche des Parisers und damit erheb-
lich höher als die nur etwa 2 m über der Oberfläche des
Parisers gelegenen Schichten mit einem Konchylienbestande
vom Typus bh des gleichen Bruches. Es ist wichtig, dals
das Profil des KAempreschen Bruches deutlich zeigt, dafs
der Konchylienbestand i jünger als der Konchylien-
bestand Dh ist.
Die Fundschicht des HACKEMESSERSchen Bruches ist
eine graugrüne, mergelige Einlagerung in den Gehänge-
travertinen, welche etwa 2 m über der Oberfläche des
Parisers und etwa 30 m über der heutigen Ilmaue liegt.
Einige der in dieser Schicht gefundenen Arten konnte ich
auch in ihr benachbarten festen Werktravertinen nachweisen.
In der Fundschicht des HEYDENREIcHschen Bruches
fand ich 22 Konehylien, die alle Landsehnecken sind. Der
Gesamteharakter des Bestandes ist der einer Molluskenfauna
1) Z.B. in den mitteldeutschen plistozänen Flulsablagerungen mit
Corbicula fluminalis Müll. sp. Aus dem Unstrutkiese mit Corbicula
fluminalis Müll. sp. von Carsdorf, den ich in dieser Zeitschrift, Bd. 77,
1904, $S. 75—77, behandelt habe, erhielt ich später durch die Freund-
lichkeit des Herrn Rentmeister Kuntze in Burgscheidungen einen
Oberkieferprämolaren von Khinoceros antiquitatis.
[51] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 21l
Heyden- Kaempfe Hacke-
reich messer
Hyalinia nitens oder nitidula *
= Hammonis * * *
Vitrea erystallina . & *
Patula rotundata * *
Helix pulchella . * *
„ eostata.. * * *
„ obvoluta . . *
1 shidensınarta'. galtiaozl ar ? * £
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amPOHStBNnG sanmelieacıretgs * . *
Bühminus’tridens ..4-.-.5. 2... .. a *
= TIONTADUSIEER ME ar: - 3 x?
Rupsmuscorum 2... Kia... zedeii: - I *
SESSUPURLOL., .. » Patkscncakeme : 2 *
Clansiiardubiar. u nee x P :
> pidentatanaee, Sue x? B x?
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Gjonella lubrica,,..: Ye... ul IE x
A Schnlzianae 2 urn * . x?
Sucecinea elegans . . . ....22.% ; ; 2
. Bfeiteriv.0, u nam N 5 *
L ODIOTSAWET SE SEN. Bde Sn &
Carychium minimum . * *
Limnaea truncatula *
Planorbis spirorbis *
n leucostoma *
Acme polita . x =
Pisidium fontinale *
r pusillum . *
der Waldgebiete des südlichen Teiles der borealen Zone
des paläarktischen Europa. Elemente, welehe mit Bestimmt-
heit auf den nördlichen Teil dieser Zone oder gar die
arktische Region hinweisen, fehlen durchaus. Von wesent-
14*
212 EwALp Wüsr, [52]
lich südöstlichen Elementen, wie sie für die Hauptmasse
der Unteren Travertine so bezeiehnend sind, kommt nur
Clausilia pumila
und auch diese nur in nieht ganz sicher bestimmten Bruch-
stücken vor. Die beiden für den Bestand h so charakte-
ristischen Elemente
Helix striata
Buliminus tridens
sind noch vorhanden, wozu jedoch bemerkt werden muls,
dals Helix striata, welche im liegenden Pariser häufig ist,
durch wühlende Tiere sekundär in unsere Schieht gelangt
sein könnte — ähnlich wie wir heute in Maulwurfshaufen
u. dgl. der Wiesenböden auf Löfs Löfsschneeken finden.
Dals zur Bildungszeit unserer Schicht bei weitem kein so
kontinentales Klima mehr herrschen konnte wie zu derjenigen
der Schichten mit den Konchylienbeständen vom Typus 9,
beweist besonders das Vorkommen der Arten
Helix obvoluta
Helix strigella
Clausilia ? bidentata
Cionella ? Schulziana
Acme polita.
Besonders bemerkenswert ist das Vorkommen von
Hyalinia nitens oder nitidula
Clausilia ? bidentata
Cionella ? Schulziana,
weil ich diese 3 Arten in keiner der älteren Ablagerungen
des Travertingebietes der Gegend von Weimar nachweisen
konnte. Es ist sehr bedauerlich, da/s gerade diese 3 inter-
essanten Formen bisher nur in nieht ganz sicher bestimm-
baren Stücken gesammelt werden konnten, was seine Ursache
in dem fast durchgängig überaus schlechten Erhaltungs-
zustande der Konchylien unserer Schicht hat. Am bemerkens-
wertesten ist von den 3 besonders hervorgehobenen Schnecken
die — in dieser Arbeit als neu beschriebene — Ctonella
Schulziana. Diese gehört zu der Untergattung — oder
[53] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 213
vielleieht riehtiger Gattung — Azeca, deren Arten heute
über Frankreich, England, Belgien und den westlichen Teil
von Deutschland verbreitet sind. Da die nur fossil bekannte
Cionella Schulziana indessen nur in Beständen von ähnlichem
Charakter wie derjenigen der Hauptmasse der Unteren Tra-
vertine vorkommt, wird anzunehmen sein, dals diese Art
eine andere klimatische Anpassung besessen hat als ihre
nächsten lebenden Verwandten. Gehört die Ehringsdorfer
Azeca zu Schulziana, was sehr wahrscheinlich aber bei dem
sehr fragmentären Zustande der wenigen gefundenen Stücke
nieht ganz sicher ist, so beeinträchtigt ihr Vorkommen in
keiner Weise das oben über den tiergeographischen Cha-
rakter unseres Bestandes gesagte.
Die Fundschicht des Kaempreschen Bruches hat infolge
von sehr ungünstigen Sammelbedingungen nur 6 Konchylien
und zwar durchweg Landschnecken geliefert. Der kleine
Bestand umfalst aulser einigen sehr weit verbreiteten, nichts-
sagenden Arten
Helix bidens
Helix striata
Buliminus tridens.
Helix striata und Buliminus tridens sind mit der Fund-
schicht des HEYDENREICHschen Bruches gemeinsam. Helix
bidens ist uns bisher noch nicht begegnet. Sie ist eine
vorwiegend osteuropäische Art, welche, ihrer heutigen Ver-
breitung nach zu urteilen, recht gut in den Konchylien-
bestand der Hauptmasse der Unteren Travertine (d) passen
würde, wie sie denn auch in der Tat anderwärts in ähn-
lichen Beständen gefunden worden ist.!)
Die Fundschicht des HAckEMESSERschen Bruches hat
27 Konchylien, 22 Landschnecken, 3 Wasserschnecken und
2 Muscheln geliefert. Der Konchylienbestand dieser Schicht
trägt im ganzen denselben tiergeographischen Charakter
wie derjenige der Fundschicht des HEYDENREICH schen
Bruches. An wichtigeren Arten sind mit der Fundschicht
des HEYDENREICHschen Bruches
ı) Z.B. in Travertinen am Grol[sen Fallsteine im nördlichen Harz-
vorlande,
214 EwALD Wüsr, [54]
Clausilia ? bidentata
Clausilia pumila
Cionella ? Sehulziana
und mit der Fundsehieht des KAermpresehen Bruches
Helix bidens
gemeinsam. Von den bemerkenswerteren Arten der beiden
anderen Fundschichten fehlen
Helix striata
Buliminus tridens,
was vielleicht in dem Sinne zu deuten ist, dals von unseren
drei Schichten die HAcKEMESSERSsche die jüngste ist, daher
in ihr diese beiden kontinentalen Elemente bereits ver-
schwunden sind. Im ganzen Travertingebiete ausschlielslich
in der HAcKEMESSERSschen Schicht gefunden ist
Buliminus ? montanus,
dessen Vorkommen zusammen mit dem von besonders
Helix obvoluta
Helix lapieida
Clausilia ? bidentata
Cionella ? Sehulziana
Acme polita
zeigt, dals unsere Schicht unter wesentlich weniger kon-
tinentalem Klima als die Fundschichten der Konchylien-
bestände vom Typus bh entstanden ist.
Unter dem Typus f vereinige ich die Konchylienbestände,
welche ich in Charensanden und mergeligen Einlagerungen
in den Oberen Travertinen des FıscHerschen Bruches ge-
sammelt habe. Diese Schichten liegen 1—3,5 m über der
Oberfläche des Parisers und damit höher als die nur 0,7—1m
über der Oberfläche des Parisers gelegene schwarze, erdige
Schieht, welehe einen Konchylienbestand vom Typus h ge-
liefert hat. Die hierher gehörenden Bestände umfassen zu-
sammen 28 Konchylien, 23 Landschnecken, 3 Wasser-
schneeken und 2 Muscheln, welche in der grofsen Tabelle
aufgezählt sind,
[55] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 215
Der Koncehylienbestand f zeigt eine bemerkenswerte
Annäherung an den Konchylienbestand d der Hauptmasse
der Unteren Travertine. Von seinen 28 Arten sind 24 sicher
mit d gemeinsam, darunter 3 Arten, welehe im ganzen
Bereiche des Travertingebietes nur in d und f vorkommen
Helix vindobonensis
Pupa minutissima
Pupa pusilla.
Von diesen 3 Arten ist Helix vindobonensis eines der
für die Hauptmasse der Unteren Travertine so bezeichnenden
südöstlichen Elemente. Von den 4 in d fehlenden Arten
sind 2 nieht sicher bestimmt
Vitrina diaphana
Pupa triplicata.
Die beiden anderen sind
Patula ruderata
Planorbis spirorbis.
Patula ruderata kenne ich sonst nur aus den untersten
Lagen der Unteren Travertine (Konehylienbestand b) von
Weimar und Taubach, Planorbis spirorbis nur aus der Fund-
schicht des Konchylienbestandes i im HACKEMESSER schen
Bruche.
Von Säugetieren sind mir aus den Fundschichten des
Konehylienbestandes f nur
Myoxus glis L. sp.
Rhinoceros Merckii Jäg.
bekannt geworden. Von letzterem!) kenne ich nur einen
schönen Unterkiefer mit allen 6 Backzähnen in der Samm-
lung REBLING in Weimar. An seine Herkunft aus unseren
Schichten kann nach den mir von REBLING und FISCHER
gemachten Angaben sowie dem Erhaltungszustande des
Stückes kein Zweifel bestehen. Da Rhinoceros Merckii im
ı) Vgl. Wüst, Das Vorkommen von Rhinoceros Merckii Jäg. in
den Oberen Travertinen von Ehringsdorf usw., Centralblatt für Minera-
logie usw., 1909, 8. 23—25.
216 EwALp Wüsr, [56]
Travertingebiete der Gegend von Weimar sonst ausschlie(slich
in den Sehiehten mit dem Konehylienbestande d vorkommt,
bekräftigt das Vorkommen dieses Zrhinoceros in unserer
Sehieht, die schon aus der Beschaffenheit des Konchylien-
bestandes f zu gewinnende Meinung, dals zur Bildungszeit
unserer Sehiehten ähnliche klimatische Verhältnisse und
damit eine ähnliche Fauna wiederkehrte, wie sie zur
Bildungszeit der Hauptmasse der Unteren Travertine in der
Gegend vorhanden waren. Das Vorkommen von Patula
ruderata ist wohl sehon als der erste Vorbote eines Wieder-
hereinbrechens kälteren Klimas anzusehen.
Nach dem eben gesagten und nach den Beziehungen
der Konehylienbestände 5, i und f zu einander, ist es wahr-
scheinlich, dafs die Altersfolge dieser Konehylienbestände
h—i—f ist. Es sei aber nochmals betont, dals aus den
Lagerungsverhältnissen der Fundschiehten dieser Bestände
bisher nur soviel mit aller Sicherheit ermittelt werden konnte,
dafs i und f jünger als h sind, während sich die Alters-
beziehungen zwischen i und f bisher noch nieht durch Be-
obachtung der Lagerungsbeziehungen ihrer Fundschichten
zueinander exakt feststellen lielsen.
Die Fossilienbestände der Oberen Travertine von Weimar.
Bei den derzeitigen Aufsehlulsverhältnissen war es mir
unmöglich, in den Oberen Travertinen von Weimar Fossilien
zu sammeln. Weıss und ScHımivr geben bei einigen Kon-
chylien an, dals sie nur in den oberen Lagen der Travertine
von Weimar vorkommen, worunter allerdings unter Umständen
auch der Pariser und die obersten Lagen der Unteren Tra-
vertine mit verstanden sein können. Diese Konehylien sind
die folgenden:
Helix bidens (nach ScHMipDrT)
Helix striata (nach ScHMIDT)
Buliminus tridens (nach Weiss)
Buliminus obseurus (nach SCHMIDT)
Limnaea stagnalis (nach Weiss und ScHnipr)
Planorbis vortex (nach Weiss).
[57] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 217
Von diesen Arten habe ich Planorbis vortex überhaupt
nieht und Limnaea stagnalis nur einmal auf einer Halde
des Urueschen Bruches gefunden und habe daher kein
Urteil darüber, welches die Fundsehiehten dieser Arten sein
mögen. Duliminus obscurus kenne ich nur aus den Unteren
Travertinen von Weimar, Taubach und Ehringsdorf. Helix
bidens und Buliminus tridens kenne ich nur aus den Oberen
Travertinen von Ehringsdorf, Helix striata aus dem Pariser
und den Oberen Travertinen von Ehringsdorf. Danach ist
es mir wahrscheinlich, dals Helix bidens, Helix striata und
Buliminus tridens in Weimar in den Oberen Travertinen
— Helix striata vielleieht auch im Pariser — gesammelt
worden sind. Die übrigen oben angeführten Arten würden,
gleichviel ob sie zu Weimar in den obersten Lagen der
Unteren Travertine oder in den Oberen Travertinen ge-
sammelt worden sein sollten, das Bild, das sich nach meinen
Aufsammlungen bei Ehringsdorf vom tiergeographischen
Charakter der Konchylienbestände dieser Schichten ergibt,
nieht beeinträchtigen. Nach meinen Erfahrungen im Travertin-
gebiete der Gegend von Weimar halte ich es für sehr wahr-
scheinlich, dafs auch eine Reihe von mir zu Weimar nicht
gefundener aber in der Literatur ohne Angabe des Niveaus
von diesem Fundorte angeführter Arten den Oberen Tra-
vertinen von Weimar entstammt, so besonders
Clausilia bidentata,
Planorbis spirorbis.
Die Fossilien der Ablagerungen im Hangenden der Travertine.
Aus diesen Ablagerungen kenne ich an sicher verbürgten
Fossilien nur einige Reste von Elephas primigenius Blumenb.
Im Städtischen Museum in Weimar liegen 2 Molaren aus
einer Spalte in den Travertinen des KAEmPFE schen Bruches;
da den Stücken Laimenmaterial anhaftet, entstammen sie
umgelagertem Laimen aus dem Hangenden der Travertine.
Bei einigen weiteren Stücken sind die Fundverhältnisse
nicht ganz sicher verbürgt. Das Vorkommen von Elephas
primigenius in umgelagertem Laimen im Hangenden der
Travertine dürfte im Sinne einer Wiederkehr kalten, eis-
218 EwArLp Wüsr, [58]
zeitlichen Klimas nach der Bildungszeit der Oberen Travertine
zu deuten sein.
Der Fossilienbestand der IImablagerungen von Ober-Weimar.
(Konehylienbestand r.)
Aufser Verbindung mit den Travertinen oder dem Pariser
steht das geringfügige, im geologischen Teile der Arbeit
erwähnte Vorkommen von Ilmablagerungen bei Ober-Weimar,
zwischen dem Niveau der Unterterrasse und der heutigen
Ilmaue. Seine Altersbeziehungen zu den bisher besprochenen
Ablagerungen sind nicht klar. Dals es jünger ist als die
Ilmablagerungen der Unterterrasse und die Hauptmasse der
im unmittelbaren Anschlusse daran gebildeten Unteren
Travertine, erleidet keinen Zweifel. Da gegen Ende der
Bildungszeit der Unteren Travertine, wie erwähnt wurde,
offenbar eine Tieferlegung des Ilmbettes begann, wird der
erwähnte Zeitpunkt als die untere Grenze des Alters der
Ilmablagerungen von Ober-Weimar anzusehen sein. Mehr
lälst sieh leider auf Grund der Lagerungsverhältnisse nicht
sagen.
Die hier zu besprechenden Ablagerungen lieferten den
in der grolsen Tabelle aufgezählten Konchylienbestand, den
ich als den Bestand x bezeichne. Der Bestand umfalst
16 Konehylien, 8 Landschnecken, 6 Wasserschnecken und
2 Muscheln. Er ist für eine Flulsablagerung, welche Geniste
umschlossen hat, sehr arm, wobei allerdings zu berück-
siehtigen ist, dafs die Sammelgelegenheit in dem kleinen
vorübergehenden Aufschlusse nieht sonderlich günstig war.
Der Bestand stimmt in seiner Zusammensetzung mit
keinem der bisher besprochenen auch nur annähernd über-
ein und mufs daher zeitlich einer der Lücken in der Schichten-
folge der bisher besprochenen Ablagerungen entsprechen
oder der Zeit nach Abschluls der Bildung dieser Ablagerungen
angehören. Von den minder verbreiteten Arten unseres
Bestandes kommt Pupa parcedentata auch im Parkhöhlen-
kiese (Bestand a), Helix striata im Pariser (Bestand g) und
in einigen Schiehten der Oberen Travertine (Bestände h und i)
und Olausilia pumila sehlielslich in verschiedenen Schichten
[59] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 219
der Unteren wie der Oberen Travertine (Bestände d, e, i)
vor. Allen bisher besprochenen Ablagerungen gegenüber
neu sind
Sueeinea ? Sehumacheri
Planorbis Rossmaessleri.
Der Bestand gehört zu dem Typus der im mitteleuropäischen
Plistozän weit verbreiteten Bestände, welche durch eine
Mischung arkto-alpiner (in unserem Bestande Pupa parce-
dentata) und kontinentaler (in unserem Bestande Helix
striata und wohl auch Olausilia pumila) Elemente gekenn-
zeichnet sind und dazu sehr häufig Sucecinea Schumacheri,
eine ausgestorbene, an lebende Arten kontinentaler Gebiete
Asiens sich nahe anschliefsende Art, und Planorbis Ross-
maessleri, eine rezente Art von ungenügend bekannter Ver-
breitung, enthalten. Ein Teil der Elemente dieser Bestände
muls seither seine klimatische Anpassung geändert haben;
es fragt sich nur, ob das bei den kontinentalen oder den
arkto-alpinen Arten der Fall gewesen ist. Da Bestände des
besprochenen Typus die unmittelbar vor oder während der
Bildungszeit echter Lösse entstandenen fluviatilen oder
Sandlösse charakterisieren, dürften sie als Reste von Steppen-
faunen aufzufassen sein. Danach könnten die Ilmablagerungen
von ÖOber-Weimar dem Pariser im Alter nahe stehen und
etwa in der Erosionsperiode unmittelbar vor der Bildung
des Parisers entstanden sein.
Die Fossilienbestände der Ilmablagerungen der Mittelterrasse
von Taubach und Ehringsdorf.
(Konchylienbestand y.)
Wie ich bereits im geologischen Teile dieser Arbeit
dargelegt habe, sind die Ilmablagerungen der Mittelterrasse
von den bisher besprochenen Ablagerungen durch eine .
grolse zeitliche Kluft getrennt, in der eine Tieferlegung des
Ilmtales um mehrere Meter vom Niveau der Mittelterrasse
bis zu dem der Unterterrasse erfolgte.
Konchylien habe ich in den Ilmablagerungen und zwar
den Mergeln der Mittelterrasse an mehreren Stellen des
220 EwALp Wüsr, [60]
Taubacher und des Ehringsdorfer Travertingebietes, in der
GorrscHaL@schen Kiesgrube!) und dem östlieheren der
beiden SonnrEinschen Brüche bei Taubach und im KAEMPFE-
schen und im Haugoupschen Bruche bei Ehringsdorf ge-
sammelt. Die gesammelten Konchylien sind in der grolsen
Tabelle für das Taubacher und das Ehringsdorfer Travertin-
gebiet gesondert aufgezählt. Die Bestände der beiden
Travertingebiete sind einander recht ähnlieh und werden
daher — als Bestand y — zusammengefalst. Sie umfassen
zusammen, obgleich ich sehr reichliche Schlämmproben
untersucht habe, nur 17 Arten, 13 Landschnecken, 3 Wasser-
schnecken und 1 Muschel.
Der tiergeographische Charakter des Bestandes Y ist
demjenigen des Bestandes x der sehr viel jüngeren Ilm-
ablagerungen von Ober-Weimar recht ähnlich. Wesentlich
oder vorwiegend arktisch-alpine Arten sind
Helix tenuilabris
Pupa columella
Pupa parcedentata
sowie Pupa alpestris, der eine in unserem Bestande ge-
fundene Pupa recht nahe steht. Auf kontinentales Klima
weisen
Helix striata
Pupa eupa var. turemenia.
1) Die kleine Gottschalgsche Kiesgrube, in der in den letzten
Jahren nur gelegentlich Kies gegraben wurde, bot in dieser Zeit meist
recht schlechte Aufschlüsse dar und ist jetzt fast ganz verstürzt. Über
dem Ilmkiese waren öfters etwa 30 em mächtige konchylienführende,
braune, mergelige Ilmabsätze aufgeschlossen. Über diesen folgten bis
etwa 2 m mächtige sandige und grüne, mergelige Ilmablagerungen, die
indessen zum grolsen Teile Travertinbrocken und Linsen von Travertin-
schutt enthielten und daher offenbar als nicht in situ befindlich, sondern
am Gehänge umgelagert zu betrachten waren. Dieser Auffassung ent-
sprach auch der Konchyliengehalt dieser Ablagerungen. Wo die grünen
Mergel sich in situ befanden, lieferten sie den Konchylienbestand
der Ilmablagerungen der Mittelterrasse, wo sie aber mit Travertin-
brocken versetzt waren, ein buntes Gemisch der Konchylien des Be-
standes ) und des Bestandes d der Hauptmasse der Unteren Travertine.
Über den besprochenen Ablagerungen folgte lokal noch bis gegen 1 m
Travertinschutt und etwas Lölsmaterial.
[61] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 221
Von anderweitigen nicht ganz weit verbreiteten Arten kommt
zu den schon genannten die in Beständen ähnlichen Cha-
rakters weit verbreitete
Sueeinea Scehumacheri.
Gemäls dem bei der Besprechung des Bestandes x
gesagten dürfte es sich auch im Bestande y um die Reste
einer Molluskenfauna aus einer Zeit kontinentalen Steppen-
klimas handeln. Im gleichen Sinne kann das Vorkommen
der einzigen bisher nachgewiesenen Säugetierart, des Klephas
primigenius Blumenb. gedeutet werden. Dieser ist durch
einen prächtig erhaltenen Milchmolaren aus dem Ilmkiese des
HaugoLpschen Bruches (Sammlung REBLING in Weimar) !)
und zwei zusammengehörige Unterkiefermolaren aus dem
„Letten* des Karmpreschen Bruches (Städtisches Museum
in Weimar) vertreten. Die Stücke gehören zweifellos einer
altertümlichen Form des Elephas primigenius Blumenb. an
und könnten vielleicht sogar einer bereits recht primigenrus-
ähnlichen Form des Elephas Trogontherü Pohl. zugerechnet
werden.?2) Bei der Bedeutung der Stücke, deren Fund-
schiehten erfreulicher Weise vollkommen sicher verbürgt
sind, gebe ich in der folgenden Tabelle eine Charakteristik
derselben — unter Weglassung des schlechter erhaltenen
der beiden Unterkiefermolaren des Gebisses aus dem
Karmpresehen Bruche — nach dem von mir stets für
die Beschreibung von Elefantenbaekzähnen angewandten
Schema.?) In die Tabelle nehme ich auch das Hinterende
1) Bei der hinlänglich bekannten Schwierigkeit der Bestimmung
von Elefanten-Milchmolaren, war es mir sehr wertvoll, in der gerade
auf dem Gebiete der Elefanten-Backzähne ungewöhnlich reichhaltigen
Reblingschen Sammlung zwei analoge Milchmolaren von Elephas
antiquus aus den Unteren Travertinen von Taubach vergleichen zu
können. Diese weichen von dem Ehringsdorfer Zahne u. a. durch
deutlich rautenförmige Kaufiguren, längere Zementintervalle und auch
breitere Schmelzbänder recht erheblich ab.
?) Bekanntlich sind Elephas Trogontherii Pohl. und E. primi-
genius Blumenb. durch vollständige Übergänge miteinander verbunden,
so dafs die Abgrenzung dieser beiden Elefantenformen voneinander
etwas willkürlich ist.
°) Vgl. Wüst, Untersuchungen über das Pliozän und das älteste
222 EwALp Wüst, [62]
Fundort. . . . . . .| Ehringsdorf, | Ehringsdorf, Weimar,
Haubold Kaempfe Lämmerhirt
San lUNnpEEE Rebling, |Städt. Museum | Städt. Museum
: Weimar Weimar Weimar
Stellung im Gebisse . .|MMII.? mand.| M III. mand. M
sin. sin.
Erhaltungszustand . . . gut gut gut
Lamellenformel . . . . x8x — 22x — 9
Abkauungsgrad . . . .|x— VII Kaufl.| I—IX Kaufl. | I-VI Kauf.
x—lIkompl.| V kompl. | I(II) kompl.
x
Tban ge sepe Eeer 65 mm 245 mm 142 mm
Breite gg Eye 33 mm ca. 65 mm 75 mm
Höhe. . . .. .....| VI 38 mm |(VIIIea.130mm| VI 148 mm
Länge: Lamellenzahl . .| 65:8=8$,1 [(185:19=9,7)})| 130:9 = 14,4
Lamellenumrifs . . . .| nach unten | nach unten | nach unten
verbreitert | verschmälert | verschmälert
Form der Kaufiguren. .| bandförmig | bandförmig | bandförmig
Verschmelzungstypus der
Kaufiguren . . . . . unklar unklar med. lam. lat.
ann.
eines ähnlichen Molaren des Städtischen Museums in Weimar
(Nr. 613) auf, welches beim LÄmmErHIRTschen Neubau auf
dem Goetheplatze in Weimar in einem Ilmkiese gefunden
wurde, dessen Niveau nicht exakt ermittelt worden ist, aber
schätzungsweise dem der Ilmablagerungen der Mittelterrasse
entsprechen dürfte.
Bemerkenswertere Fossilien unsicherer Herkunft.
Für die Ermittelung der Aufeinanderfolge der Fossilien-
bestände im Travertingebiete der Gegend von Weimar konnte
Pleistozän Thüringens usw., Stuttgart 1901 (auch Abhandl. der natur-
forschenden Gesellschaft zu Halle a. S., Bd. 23), 8. 246 ff.
!) Im oberen Teile der Zahnkrone gemessen und berzeingt: nach
unten divergieren die Lamellen beträchtlich.
[63] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 223
ich leider die überwiegende Mehrzahl der in den Samm-
lungen vorhandenen oder in der Literatur erwähnten Fossilien
nieht verwerten, weil ihre Fundstellen und Fundschichten
nieht oder nieht genügend sicher verbürgt sind. Es ist das
um so bedauerlicher, als die Bedingungen für das Sammeln
von Fossilien, besonders von Säugetierresten, heutzutage
unvergleichlich viel ungünstiger geworden sind, als sie früher
waren. Allein eine gewissenhafte Prüfung alles dessen, was
wir über den Fossiliengehalt der Ablagerungen unseres
Travertingebietes insgesamt wissen, lehrt, dafs sich daraus
keine Bedenken gegen die in den vorausgehenden Ab-
schnitten entwiekelten Ergebnisse hinsichtlich der Aufein-
anderfolge der Fossilienbestände in unserem Travertingebiete
herleiten lassen.
In diesem Zusammenhange möchte ich nur noch be-
sonders hervorheben, dafs in den verschiedenen Sammlungen
eine nicht ganz unbeträchtliche Zahl von Säugetierresten
mit den Fundortsbezeichnungen „Weimar“, „Taubach“ oder
„Ehringsdorf“ liegt, welehe nieht von Vertretern der Antiquus-
sondern von solehen der Primigenius-Fauna herrührt. Hier-
her gehören insbesondere Reste von Elephas primigenius
Blumenb., Rhinoceros autiquitatis Blumenb. und KRangifer.
Ein Vorkommen von Vertretern der sogenannten Primigenius-
Fauna konnte ich für folgende Schichten mit Sicherheit
feststellen:
1. Imablagerungen der Mittelterrasse (Elephas primi-
genius oder allenfalls Trogontherit);
2. Älteste Schichten der Oberen Travertine mit Kon-
chylienbestand h (Rhinoceros antiquitatis);
3. Ablagerungen im Hangenden der Oberen Travertine
(Elephas primigenius).
Nach meinen Ermittelungen über den tiergeographischen
Charakter der Konchylienbestände der verschiedenen Ab-
lagerungen dürften indessen noch in anderen Schichten, ins-
besondere in den Ilmablagerungen der Unterterrasse, in den
untersten Unteren Travertinen mit Konchylienbestand b, in
den obersten Unteren Travertinen mit Konchylienbestand f
und im Pariser Vertreter der Primigenius-Fauna zu erwarten
224 EwAup Wüsr, [64]
sein, so dals also genügend Schichten vorhanden wären,
aus denen die in den Sammlungen liegenden, z. T. dem
Erhaltungszustande nach sicher aus Travertin stammenden
Reste von Tieren der Primigenius-Fauna stammen könnten.
Für die mit der Fundortsbezeichnung „Taubach“ im
. Geologiseh-Mineralogischen Institute in Halle a. S. liegenden,
ihrem Erhaltungszustande nach sicher aus Travertin stam-
menden Reste von Elephas primigenius!) und Rhinoceros
antiquitatis?2) könnte nach dem gesagten angenommen
werden, dals sie aus den untersten Travertinlagen mit
Konehylienbestand b stammen. Ich bin aber keineswegs
sicher, dafs die Stücke nieht etwa von Weimar stammen,
weil offensichtlich in den älteren Sammlungen auf die
Unterscheidung der Fundplätze Weimar und Taubach wenig
Wert gelegt worden ist.
Von Resten von kangifer kenne ich aus dem ganzen
Travertingebiete nur die im Geologisch - Mineralogischen
Institute in Halle a. S. vorhandenen. Diese stammen ihrem
Erhaltungszustande nach ziemlich sicher aus Travertin.
Nach PonLıG?3) scheinen sie aus den oberen Travertinlagen
von Weimar zu stammen und dürften danach am ehesten
Travertinlagen in der Nachbarschaft des Parisers, wie sie
ja in Ehringsdorf Rhinoceros antiquwitatis geliefert haben,
zuzuschreiben sein.
Die in mehreren meiner Vorläufigen Mitteilungen?) ent-
haltene Angabe, dals in den untersten Lagen der Unteren
Travertine Elephas primigenius und Rhinoceros antiquitatis
nachgewiesen seien, muls ich zurücknehmen. Die Angabe
über Ithinoceros antiquitatis beruhte auf einem in einem
Travertinblocke steckenden Schädelreste des Städtischen
Museums in Weimar, der nach Angabe des Herrn Kustos
1) Vgl. Wüst, Untersuchungen über das Pliozän und das älteste
Pleistozän Thüringens usw., Stuttgart 1901 (auch Abhandl. der natur-
forschenden Gesellschaft zu Halle a. S., Bd. 23), S. 260—261.
2) Vgl. Wüst, a.a.O., S. 77,
3) Die Cerviden des thüringischen Diluvialtravertines (Palaeonto-
graphica, Bd. 39, 1892), S. 243.
4) Centralblatt für Mineralogie usw., 1908, $. 199. 210; Zeitschrift
für Naturwissenschaften, Bd. 80, 1908, $. 126; Bericht über die Prä-
historiker-Versammlung usw., 1909, 8. 77. 84.
[65] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 225
MÖLLER im Karmpreschen Bruche in Ehringsdorf in den
Unteren Travertinen etwa 1'!/; m über deren Basis gefunden
wurde. Diese Angabe scheint indessen trotz ihrer Genauig-
keit unzutreffend zu sein, worauf mich Herr Bauinspektor
ReBLInNG aufmerksam gemacht hat. Der Travertinhlock
zeigt nämlich einen so unreinen Travertin, wie er im
Karmpre schen Bruche in den Unteren Travertinen — ab-
gesehen von den unmittelbar an den Pariser grenzenden
Lagen — nicht vorkommt, dagegen aber in den Oberen
Travertinen häufig angetroffen wird. Die Angabe über
Elephas primigenius beruhte auf zwei Backzähnen der
RegrLıngsehen Sammlung, welehe nach ReBLıng aus den
Unteren Travertinen des KAErmpreschen Bruches stammen.
Beiden Stücken haftet Travertin an. Der Travertin an dem
einen der Stücke schlielst Gerölle ein. Daraus glaubte ich
wenigstens für dieses Stück eine Herkunft von der Basis
der Unteren Travertine annehmen zu müssen, an der ja im
Travertingebiete der Gegend von Weimar manchmal, nämlich
wenn der Travertin direkt dem liegenden Kiese auflagert,
dureh Travertinmaterial verkitteter Kies vorkommt. Allein
neuere Aufschlüsse im KAEMPFEschen Bruche lehrten mich,
dals hier die Travertine durch mergelige Ilmabsätze von
den Kiesen getrennt sind und daher auch keine Konglo-
merate an der Basis der Travertine vorhanden sind. Da-
gegen kommen im KAEnmpreschen Bruche durch Travertine
verkittete Kiese an der Basis des Parisers vor. Eine
Herkunft der Stücke von der Grenze zwischen den Unteren
Travertinen und dem Pariser würde in gutem Einklange
mit dem tiergeographischen Charakter des wenig unter der
Basis des Parisers gesammelten Konehylienbestandes f stehen.
Umgekehrt aber würde jetzt meine alte Annahme, dafs die
Zähne von Elephas primigenius von der Basis der Unteren
Travertine des. Karmpreschen Bruches stammen, insofern
Schwierigkeiten bereiten, als jetzt nach der Scheidung von
Mittel- und Unterterrasse und den daran sich anschliefsenden
Umdeutungen an der Basis der auf der Mittelterrasse auf-
lagernden Unteren Travertine des KAEmpreschen Bruches
nicht Reste der Primigenius- sondern solehe der Antiquus-
Fauna zu erwarten sind.
Zeitschr, f. Naturwiss. Halle a. S. Bd. 82, 1910, 15
226 Ewaup Wüsrt, [66]
Zusammenfassung.
Aus den Beobachtungen und Erörterungen, welche in
den vorausgehenden Abschnitten mitgeteilt worden sind,
ergibt sich das folgende Bild von den Klimaschwankungen,
welelle sich während der Bildungszeit der verschiedenen
plistozänen Ablagerungen des Travertingebietes der Gegend
von Weimar abgespielt haben.
Die Ilmablagerungen der Mittelterrasse mit dem aus
arkto-alpinen und kontinental-südosteuropäischen Elementen
gemischten Konchylienbestande y und einer altertümlichen
Form des Elephas primigenius dürften unter einem konti-
nentalen Steppenklima entstanden sein. Ihre Bildungszeit
ist von derjenigen der Ilmablagerungen der Unterterrasse
durch eine längere Zeit getrennt, in welcher eine Tiefer-
legung des Ilmbettes um 9 m erfolgte.
Die Ilmablagerungen der Unterterrasse sind in ihrer
Hauptmasse mit dem arkto-alpinen Konchylienbestande a
unter einem kalten Klima, wie es heute in der Nähe der
Baumgrenze im hohen Norden und in den Hochgebirgen
Europas herrseht entstanden. Die obersten Lagen derselben
Ilmablagerungen und die unmittelbar darüber folgenden
untersten Unteren Travertinen mit dem Konehylienbestande b,
welcher sich, von einem alpinen Elemente abgesehen, am
nächsten an die Molluskenfaunen des nordöstlichen palä-
arktischen Rufsland anschliefst, sind unter einem merklich
wärmer gewordenen Klima entstanden. Zeitlich folgen jetzt
wahrscheinlich diejenigen Lagen der Unteren 'T'ravertine,
welehe den ziemlich indifferenten Konchylienbestand c ge-
liefert haben, und zweifellos unter einem noch wärmer
gewordenen Klima abgelagert worden sind. Die nun folgende
Hauptmasse der Unteren Travertine mit Resten der Antiquus-
Fauna und dem überaus reichen Konehylienbestande Dd,
weleler sich am nächsten an die Molluskenfaunen der
Böhmischen Masse, der Karpathenländer und der tieferen
Regionen der Ostalpenländer anschlielst, ist unter einem
bereits recht warmen gemälsigten Waldklima entstanden,
welehes einen merklieliı kontinentaleren Charakter besafs
als das heute im grölsten Teile des Deutschen Mittelgebirgs-
landes herrschende. Die etwas Jüngeren Lagen der Unteren
[67] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 227
Travertine mit dem ziemlich indifferenten Konchylien-
bestande e sind unter einem ähnlichen, aber wohl etwas
kontinentaleren Klima entstanden. Die jüngsten Lagen der
Unteren Travertine mit dem stark verarmten Konchylien-
bestande f sind unter wesentlich kontinentalerem Klima
entstanden. Dieses leitet über zu der Zeit der Lölsbildung,
welehe aus geologischen Gründen die der Lücke zwischen
den Unteren Travertinen und dem Pariser und unter Um-
ständen auch noch einem Teile des Parisers entsprechende
Zeit darstellt. Der Pariser, welcher meistens fossilienfrei
ist, und nur lokal den ärmlichen Konchylienbestand g ge-
liefert hat, ist noch unter einem kontinentalen Steppenklima
entstanden. Die ältesten Lagen der Oberen Travertine mit
. dem etwas reicheren Konehylienbestande 5 und einer Reihe
von Säugetieren, unter denen Khinoceros antiquitatis als
typischer Vertreter der Prömigenius-Fauna besonders be-
merkenswert ist, gehören ähnlich wie die obersten Schiehten
der Unteren Travertine mit dem Konchylienbestande f dem
Übergange zwischen kontinentalem Steppen- und gemäfsigtem
Waldklima an. Die jüngeren Lagen der Oberen Travertine
mit den reicheren Konchylienbeständen i und f sind unter
einem warmen gemälsigten Waldklima entstanden, welches
einen merklich kontinentaleren Charakter als das heute im
grölsten Teile des Deutschen Mittelgebirgslandes herrschende
besals. Der Konchylienbestand i besitzt einen merklich
kontinentaleren Charakter als der Konchylienbestand f£.
Letzterer ist, soweit sich das bereits sicher beurteilen läfst,
dem Konchylienbestande d der Hauptmasse der Unteren
Travertine recht ähnlich. Seine Fundschicht hat auch
Rhinoceros Merckü, einen typischen Vertreter der für die
Schichten mit dem Konchylienbestande d so charakteristischen
Antiquus-Fauna geliefert. Das Vorkommen von Patula
ruderata, welche sonst im Travertingebiete nur noch in dem
Konchylienbestande b angetroffen wurde, in dem Konchylien-
bestande f, deutet bereits auf den Beginn einer erneuten
Temperaturdepression hin. Die Gehängesehuttmassen im
Hangenden der Oberen Travertine, in denen Zlephas primi-
genius nachgewiesen ist, dürften zum Teile einer Zeit kalten
Klimas ihre Entstehung verdanken.
15*
228 Ewap Wüst, [68]
Die unter dem Niveau der Unterterrasse gelegenen
Ilmablagerungen von ÖOber-Weimar mit dem Konchylien-
bestande x, weleher dem Konchylienbestande y sehr ähnlich
ist, dürften unter einem kontinentalen Steppenklima ent-
standen sein. Zeitlich sind diese Ablagerungen vielleicht
zwischen den Unteren Travertinen und dem Pariser ein-
zuschieben.
Ich mache nun zum Sehlusse den Versuch, die Aufein-
anderfolge der behandelten Fossilienbestände (A = Antiquus-
Fauna, B —= Primigenius-Fauna) im Rahmen einer schema-
tischen Klimakurve darzustellen. — Siehe S. 252 [92]. — Ich
unterscheide dabei eis- und interglazialzeitliches Klima bezw.
Eis- und Interglazialzeiten im Sinne von Zeiten einer das
gegenwärtige Mals über- oder unterschreitenden Gletscher- ,
entfaltung auf der Erde und — in Anlehnung an die Be-
zeichnungsweise von PENcK und BRÜCKNER — Zeiten, in
denen unsere Gegend ihren klimatischen Verhältnissen ent-
sprechend im wesentlichen von Gletschereis, Tundra, Wald
oder Steppe bedeckt war. Es ist klar, dafs die Grenzen
zwischen Eis- und Interglazialzeiten im oben angegebenen
Sinne durch die Waldzeiten hindurchlaufen müssen, doch ist
ihre Lage innerhalb der Waldzeiten vorläufig noch nicht
genau und sicher zu bestimmen.
Einordnung
der Ablagerungen des Travertingebietes der Gegend
von Weimar in die Chronologie des Eiszeitalters.
Im Folgenden will ich versuchen, die Ablagerungen
des Travertingebietes der Gegend von Weimar in die
Chronologie des Eiszeitalters einzuordnen. Bei diesem Ver-
suche gehe ich zweekmälsig von der Stellung der Löls-
und nordischen Glazialablagerungen Thüringens und des
östliehen Harzvorlandes in der Chronologie des Eiszeitalters
aus. Die Stellung der erwähnten Ablagerungen in dieser
Chronologie habe ich bereits früher näher begründet!) und
!) Diese Zeitschrift, Bd. 80, 1908, 8.129 ff. und in meinem Auf-
satze über „Die Gliederung und die Altersbestimmung der Lölsablage-
[69] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 229
in der im Folgenden wiedergegebenen Tabelle kurz und
übersichtlich dargestellt.!)
Thüringen und Östliches Harzvorland
Abschnitte I. In II. IV.
des nie einmal | zweimal dreimal
Eiszeitalters vereist vereist vereist vereist
gewesene | gewesene | gewesene | gewesene
Zone | Zone Zone Zone
I. (Günz-) Eiszeit — — _ E=
1.(Günz-Mindel-) _ = — —
Interglazialzeit
II. (Mindel-) — Nordisches | Nordisches | Nordisches
Eiszeit Glazial der | Glazial der | Glazial der
I. Vereisung I. Vereisung I. Vereisung
2.(Mindel-Rifs-) | Älterer Älterer — ne
Interglazialzeit Löls Löfs
III. (Rifs-) _ _ Nordisches | Nordisches
Eiszeit Glazial der | Glazial der
‚Il. Vereisung II. Vereisung
3.(Rifs-Würm-) Jüngerer Jüngerer Jüngerer _
Interglazialzeit Löls Löls Löls
IV. (Würm-) _ _ _ Nordisches
Eiszeit Glazial der
| IIIL.Vereisung
Postglazialzeit Jüngster Jüngster Jüngster Jüngster
Löls Löls Löls Löls
rungen Thüringens und des Östlichen Harzvorlandes“ im Centralblatt
für Mineralogie usw., 1909, 8. 385—392. Diese meine Ausführungen
haben seitens L. Siegert, E. Naumann und E. Picard in deren
Aufsatze „Über das Alter des Thüringischen Lösses. (Eine Antwort
an Herrn Wüst)“ im Gentralblatt für Mineralogie usw., 1910, S. 98—112
eine Kritik erfahren, welche indessen nicht im geringsten dazu angetan
ist, meine Einordnungsversuche zu limitieren, wie ich demnächst im
Centralblatt für Mineralogie usw. näher darlegen werde.
!) Centralblatt für Mineralogie usw., 1909, $.392. In der hier
gegebenen Tabelle habe ich für die 2. oder Mindel-Rifs-Interglazialzeit
und für die III. oder zweimal vereist gewesene Zone angegeben „An
230 Ewarn Wüst, [70]
Die Gegend von Weimar gehört in die II. (einmal
vereist gewesene) der vier in der Tabelle untersehiedenen
Zonen.t) Von den in der Tabelle aufgezählten Ablagerungen
läfst sieh keine mit vollständiger Sicherheit in den Profilen
unseres Travertingebietes erkennen. Nordische Glazial-
ablagerungen fehlen in unseren Profilen vollständig, doch
beweisen alle in dieser Arbeit behandelten Ablagerungen
unseres Travertingebietes durch ihren Gehalt an nordischem
Gesteinsmateriale, dals sie nach der — einzigen — Ver-
eisung unserer Gegend in der Il. oder Mindel-Eiszeit ent-
standen sind. Löfs tritt uns in unseren Profilen einerseits
in Gestalt des Parisers, andererseits im Hangenden der
Travertine entgegen, doch ist es in keinem Falle ganz
sicher, dafs es sich um echten, äolischen Löfs handelt.
Wie oben gezeigt wurde, folgt auf die Bildungszeit der
Unteren Travertine eine Periode der Löfsbildung, in der
oder in derem Gefolge der Pariser gebildet wurde. Die
Gesteinsentwickelung des Parisers sprieht dafür, dals dieser
nieht in der — oder im Ansehlusse an die — Bildungszeit
des Älteren, sondern in derjenigen des Jüngeren Lösses
entstanden ist, doch sind seine Beziehungen zu unseren
beiden Hauptlöfsformationen nicht ganz sieher aus seiner
Gesteinsbeschaffenheit zu ermitteln, zumal die für die Unter-
scheidung von Älterem und Jüngerem Lösse so wichtige
Ausbildung der Löfskindel im Pariser eine abnorme, offenbar
auf Zuführung von Kalkkarbonat aus den kalkhaltigen
Gewässern, aus denen sieh die Oberen Travertine absetzten,
zurückzuführende ist. Im Hangenden der Travertine findet
sich nirgends ein Löls, der mit echtem Jüngerem Lösse zu
verwechseln wäre. Die hier vorhandenen Lölsbildungen
sind zum gröfsten Teile ganz zweifellos umgelagerter Löls
oder Laimen. Die vielleicht als echte Lösse anzusprechenden
der Südgrenze lokal älterer Löls“. Diese Angabe habe ich in der
oben gegebenen Tabelle nicht wiederholt, weil sie auf von Siegert
und Genossen a.a.0. für unzutreffend erklärten Beobachtungen von
Dammer und Wahnschaffe beruht.
1!) Vgl. auch P. Michaels Arbeit „Beiträge zur Kenntnis der
eiszeitlichen Ablagerungen in der Umgebung von Weimar“ im Jahres-
berichte des grolsherzoglichen Realgymnasiums zu Weimar von 1908.
[71] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 231
Bildungen im Hangenden der Travertine zeigen die gering-
mächtige Entwickelung und etwas unreine Beschaffenheit,
wie sie für den Jüngsten Löls eharakteristisch ist. Das
Fehlen von Jüngerem Lösse auf den grofsen, recht ebenen
Flächen auf den Travertinen sprieht dafür, dals die Obersten
Travertine jünger als der Jüngere Löfs sind, der aufser-
halb des Travertingebietes aber ganz in der Nähe desselben,
etwas höher am Gehänge oft genug vorhanden ist.
Die erörterten Verhältnisse sprechen dafür, dals der
Pariser in oder unmittelbar nach und die Oberen Travertine
nebst ihrem Hangenden erheblich nach der Bildungszeit des
Jüngeren Lösses entstanden sind.
Die Terrassen, auf welehe die im Travertingebiete vor-
handenen Ilmablagerungen verteilt wurden, gehören Flufs-
terrassen an, welche sich durch ganz Thüringen !) verfolgen
lassen und bisher am genauesten im Saaletale untersucht
und in einem ansehnlichen Teile dieses Tales bereits genau
kartiert worden sind.?2) In dem grofsen Verbreitungsgebiete
dieser Terrassen ist es an verschiedenen Stellen möglich
gewesen, ihre Altersbeziehungen zu den verschiedenen Löls-
und nordischen Glazialablagerungen Thüringens zu ermitteln.
Die Flufsterrassen Thüringens, speziell des Saaletales, werden
Jetzt von den Geologen der Königl. Preufsischen Geologischen
Landesanstalt in folgende Terrassen gegliedert:
1) In den folgenden Erörterungen werden unter dem Ausdrucke
„Thüringen“ das Östliche Harzvorland und die angrenzenden Teile der
Leipziger Flachlandsbucht bis zur Gegend zwischen Halle und Leipzig
mit einbegriffen.
2) Vgl. besonders K. Wolff, Die Terrassen des Saaletals usw.
(Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, Bd. 18, Heft 2,
1909. — Mit sorgfältigem Literaturverzeichnisse, auf das um so mehr
hingewiesen sei, als die im Folgenden zitierten Publikationen der Kgl.
Preufsischen Geologischen Landesanstalt die nicht von Angehörigen
dieser Anstalt herrührenden Arbeiten ganz ungenügend zitieren);
L. Siegert, Bericht über die Begehungen der diluvialen Ablagerungen
an der Saale usw. (Jahrbuch der Kgl. Preufsischen Geologischen Landes-
anstalt für 1909, Bd. 30, Teil II, Heft 1, „1909“, S.1-46, Tafel 1);
Geologische Karte von Preufsen usw., Blätter Jena (3. Auflage),
Naumburg (2. Auflage), Weilsenfels, Lützen, Merseburg (West), Merse-
burg (Ost), Halle (Süd) und Dieskau, bearbeitet in der Hauptsache von
E. Naumann, E.Picard, L. Siegert und W. Weifsermel, „1909*.
232 Ewarn Wüsrt, [72]
Die erste präglaziale Terrasse.
Die zweite präglaziale Terrasse.
dritte präglaziale Terrasse.
Die vierte präglaziale Terrasse.
höhere Terrasse der I. Interglazialzeit.
Die tiefere oder Hauptterrasse der 1. Interglazialzeit.
Die Terrasse der I. Interglazialzeit.
ie postglaziale Terrasse.
Der alluviale Talboden.
om Hm
=
{a}
ut
SQ
[q>)
sonn$
=
©
In diesem Gliederungsschema bedeutet Präglazialzeit
die Zeit vor der ersten Vereisung Thüringens, 1. Inter-
glazialzeit die Zeit zwischen der ersten und der zweiten
Vereisung Thüringens, 2. Interglazialzeit die Zeit zwischen
der zweiten und der dritten Vereisung Thüringens und Post-
glazialzeit die Zeit nach der dritten Vereisung Thüringens.
Mit der eben mitgeteilten Gliederung und der in ihr aus-
gesprochenen Altersbestimmung der einzelnen Terrassen bin
ich in einigen Punkten nieht einverstanden, will aber darauf
bier nur insoweit eingehen, als es für die Altersbestimmung
der Terrassen unseres Travertingebietes erforderlich ist.
Von den Terrassen des Travertingebietes läfst sich die
Oberterrasse am sichersten in das Gliederungsschema der
Landesanstalt einordnen. Sie läfst sich durch das untere
Ilmtal, in dem sie von CoMPTER!) als Oberterrasse bezeichnet
worden ist, bis in die „Hauptterrasse der ersten Interglazial-
zeit“ im Saaletale verfolgen. Dafs die „Hauptterrasse der
ersten Interglazialzeit“ zwischen der ersten und der zweiten
Vereisung Thüringens entstanden ist, erleidet keinen Zweifel;
ihre bezw. ihrer einzelnen Teile speziellere Stellung inner-
halb dieses grolsen Zeitraumes soll hier unerörtert bleiben.
Die Unterterrasse des Travertingebietes, deren Ilm-
ablagerungen 2—5 m über der heutigen Aue liegen, findet
ilmabwärts ihre Fortsetzung in der von CoMmPTeEr!) als
Unterterrasse bezeichneten Terrasse, deren Ilmablagerungen
etwa 5—10 m über der heutigen Aue liegen und am
») Das Diluvium in der Umgegend von Apolda, diese Zeitschrift
Bd. 80, 1908, S. 161—217, Tafel 3,
[73] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 233
Mädehensee zwisehen Ober- und Nieder-Rolsla einen dem-
jenigen unserer Travertine — speziell dem als d bezeich-
neten — recht ähnlichen Fossilienbestand geliefert haben. !)
Im Saaletale unterhalb der Ilmmündung ist mir auf eine
lange Strecke hin keinerlei Terrasse bekannt, welche als
Fortsetzung unserer Unterterrasse mit einiger Wahrschein-
liehkeit anzusehen wäre. Erst die von SIEGERT in der
Gegend von Öglitzsch bis Kriegsdorf?) als „Saaleterrasse
der II. Interglazialzeit“ kartierte Terrasse, deren Kiese und
Sande 2—5 m iiber der heutigen Aue liegen, scheint mir
die Fortsetzung unserer Unterterrasse zu bilden. Die Geo-
logen der Landesanstalt suchen allerdings die Fortsetzung
dieser Terrasse flnfsaufwärts in wesentlieh höher gelegenen
Terrassen, deren Sehottersohlen bei Uichteritz bei Weilsen-
fels 7, am Köppelberge bei Sehulpforta 15 und im Bereiche
des Blattes Jena 9—11 m über der heutigen Aue liegen.°)
Diese Verbindung halte ich indessen für verfehlt, weil nach
ihr die besprochene Terrasse ein stärkeres Gefälle besitzen
würde als die „Hauptterrasse der ersten Interglazialzeit“,
während nach allem, was wir über die Gefällsentwiekelung
1) Compter, a.a.0., S. 172-173 und 201—203. Hier werden
u. a. Elephas antiquus und 20 Konchylienarten angeführt. Ich habe
durch weiteres Sammeln an dem interessanten, von Compter ent-
deekten Fundpunkte die Zahl der Konchylienarten auf ungefähr 60
gebracht. Von diesen zahlreichen Arten fehlt lediglich Sphaerium
corneum Lin. sp. den Travertinen der Gegend von Weimar. Dem Be-
stande d fehlen nur 4—8 der am Mädchensee gefundenen Arten. Von
Arten, welche für den Bestand d besonders charakteristisch sind,
konnten am Mädchensee u. a. nachgewiesen werden: Daudebardia
rufa, D. brevipes, Vitrea subrimata, Patula solaria, Pupa doliolum,
P. edentula, P. Moulinsiana, Clausilia cana, Ol. pumila, Ol. plicatula,
Cl. filograna und Belgrandia sp. Von Arten, welche für andere Be-
stände des Weimarer Travertingebietes besonders charakteristisch sind,
fand ich am Mädchensee: Helix striata, Clausilia ? bidentata und
Planorbis glaber. Ich berichte später an anderer Stelle ausführlicher
über die am Mädchensee gesammelten Konchylien.
2) Blätter Lützen und Merseburg (Ost).
®) Im Zusammenhange mit dieser Auffassung steht die von
Naumann, Picard und Siegert (Öentralblatt für Mineralogie usw.,
1910, 8. 111) vertretene, dals die Unterterrasse des Travertingebietes
von Weimar der postglazialen Saaleterrasse entspreche,
234 EwALp Wüsrt, [74]
der Terrasse des Saaletales wissen, die Gefällskurven der
Terrassen sich nach der Gegenwart zu immer mehr der
Gefällskurve des heutigen Flulstales nähern, eine Ersehei-
nung, der sich nach der von mir angenommenen Verbindung
die Gefällsverhältnisse der aus der Unterterrasse des Ilm-
tales und der „Terrasse der II. Interglazialzeit“ zwischen
Öglitzsch und Kriegsdorf zusammengesetzten Flulsterrasse
unterordnen. Für seine Zurechnung der Terrasse zwischen
Öglitzsch und Kriegsdorf zu der Zeit zwischen der zweiten
und der dritten Vereisung Thüringens kann SIEGERT keine
scharfe Begründung geben. Er geht von der unbestreitbar
richtigen Voraussetzung aus, dals in dem von ihm kartierten
Gebiete irgendwelche Flufsablagerungen aus der Zeit
zwischen den beiden letzten Vereisungen Thüringens vor-
handen sein müssen und erbliekt solehe, ohne das näher
begründen zu können, in der erwähnten Terrasse, die sich
dem Niveau nach zwischen der „Hauptterrasse der ersten
Interglazialzeit“ und der niedersten über die heutige Aue
emporragenden von SIEGERT als postglazial oder altalluvial
bezeichneten Terrasse, deren Flulsablagerungen bis unter
den heutigen Talboden hinabreichen, einsehiebt. Dals diese
Terrasse tatsächlich vor der dritten Vereisung Thüringens
entstanden ist, ergibt sich daraus, dals unterhalb Halle im
Saaletale nordische Glazialablagerungen bis unter das Niveau
der heutigen Aue, also tiefer als die Ablagerungen der be-
sprochenen Terrasse hinabreichen.!) Der gleichen Inter-
glazialzeit sind indessen auch noch tiefer gelegene, bis
etwa in das Niveau der heutigen Aue hinabreichende Fluls-
ablagerungen zuzureehnen, weil solehe, soweit man urteilen
kann, noch von dem der letzten Interglazialzeit angehörenden
1) Die kleine Kiesgrube östlich von der Wasserglasfabrik an der
Saale unterhalb von Halle-Trotha schliefst typische Schmelzwasserkiese
auf, welche zum Teile von Gehängeschutt oder von einem dünnen
— bis 60 em mächtigen — anscheinend in situ befindlichen Geschiebe-
mergelreste überlagert werden. Die Schmelzwasserkiese reichen, nach
den Höhenkurven des Melstischblattes Halle-Nord und der Messung
der Grubenwand beurteilt, bis zu einem Niveau von 73,5 m ü. NN.
hinab. Die heutige Saaleaue liegt hier — von den Rinnen verlandeter
Saalearme abgesehen *- zwischen 73,75 und 75 m ü. NN,
[75] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 235
Jüngeren Lösse bedeekt werden.!) Danach ist es sehr wohl
möglich, dafs die unter dem Niveau der Unterterrasse ge-
legenen Ilmablagerungen von Ober-Weimar der Bildungszeit
des Jüngeren Lösses angehören oder zeitlich nahe stehen,
was mit der 8. 218—219 gemachten Annahme, dals diese
Ablagerungen der Bildungszeit des Parisers angehören oder
zeitlich nahe stehen, im Einklange steht.
Da die Schotter der Weimarer Unterterrasse einerseits
unter eiszeitlichen Klimaverhältnissen entstanden sind,
andererseits aber vor der Würm-Eiszeit abgelagert worden
sein müssen, können sie nur dem Ausgange der Rifs- Eiszeit
zugeschrieben werden. Danach müssen die Ablagerungen
der Mittelterrasse der Rifls-Eiszeit oder wahrscheinlicher
— da sie anscheinend kaum unter eiszeitlichem Klima ent-
standen sind — der Mindel-Rils- Interglazialzeit zugerechnet
werden. Im Ilmtale unterhalb von Weimar kenne ich zur
Zeit keine Fortsetzung unserer Mittelterrassenschotter. Im
Saaletale dürften ihnen die bereits oben erwähnten mit
ihrer Basis 9—11 bezw. 7 m über der Aue liegenden
Sehotter des Blattes Jena und von Uichteritz bei Weilsen-
fels, welehe die Geologen der Landesanstalt in die „II. Inter-
glazialzeit“ (= Rils-Würm-Interglazialzeit) stellen, äquivalent
sein. Es scheint mir nieht ganz ausgeschlossen zu sein,
dals diese Schotter weiter saaleabwärts eine Fortsetzung in
manchen mit ihrer Basis auffallend tief (bis 7 m über die
Aue) reichenden, von den Geologen der Landesanstalt zu
ihrer „Hauptterrasse der ersten Interglazialzeit“ gestellten,
von Rils-Glazial und Jüngerem Lösse überlagerten Sehottern ?)
finden.
Gemäls den gegebenen Erörterungen gelange ich also
zu der in der folgenden Tabelle übersichtlich dargestellten
1) Die so tief ins Tal hinabreichenden Lösse könnten allerdings
auch als erheblich nach der Bildungszeit des Jüngeren Lösses am
Gehänge umgelagerte Lölsmassen gedeutet werden, doch ist eine
solche Deutung wenigstens für so mächtige und grolsenteils so reine
Löfsmassen wie die zwischen Kösen und Lengefeld aufgeschlossenen
und in der 8. 231 angeführten Literatur mehrfach beschriebenenen
gewiss mindestens äulserst unwahrscheinlich.
?) Vgl. die Blätter Lützen und Merseburg (West).
236 EwALp Wüsr, [76]
Einordnung der Ablagerungen des Travertingebietes der
Gegend von Weimar in die Chronologie des Eiszeitalters.
Dals auch paläontologische und archäologische Umstände
zu Gunsten wenigstens der Einordnung der Hauptmasse
der Unteren Travertine in die Rils-Würm - Interglazialzeit
sprechen,!) soll hier nieht näher erörtert werden.
Die Bedeutung der Ablagerungen des Travertingebietes
der Gegend von Weimar und ihrer Fossilienbestände
für die Beurteilung der Klimaschwankungen des
Eiszeitalters.
In der vorliegenden Arbeit habe ich aus meinen Unter-
suchungen über die plistozänen Ablagerungen des Travertin-
gebietes der Gegend von Weimar und ihrer Fossilienbestände
abgeleitet, dafs sich die dritte oder Rifs- Würm - Inter-
glazialzeit in unserer Gegend aus zwei Waldphasen und
einer zwischen diese fallenden Steppenphase zusammensetzt.
Dieses Ergebnis ist selbstverständlich für ganz Mitteleuropa
unter alleinigem Aussehlusse der höchsten Teile seiner Ge-
birge und unter der zweifellos zutreffenden Voraussetzung,
dafs der Ablauf der Klimaschwankungen in allen Inter-
glazialzeiten — von gewissen graduellen Unterschieden ab-
gesehen — der gleiche gewesen ist, für alle Interglazialzeiten
zu verallgemeinern.
Über das Klima Mitteleuropas einschliefslich klimatisch
gleicher oder ähnlicher Gebiete während der Interglazialzeiten
gehen zur Zeit die Ansichten noch weit auseinander. PENCK
und BRÜCKNER?) haben aus ihren Untersuehungen über die
Alpen ein Eiszeitalter gefolgert, dals die Interglazialzeiten
jeweils mit einer Waldphase begannen, der eine Steppen-
phase folgte, welche den Übergang zur nächsten Eiszeit,
deren Vergletscherung sieh unter einem Steppenklima ent-
wiekelte, bildete und damit einen unsymmetrischen Verlauf
der Klimakurven der einzelnen Interglazialzeiten an-
1) Vgl. darüber meine und Hahnes oben S. 163 zitierte Vorläufige
Mitteilungen.
2) Die Alpen im Eiszeitalter, Leipzig 1901—1909,
Travertingebiet der Gegend von Weimar. 237
[77]
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238 Ewarp Wüst, [78]
genommen. Demgegenüber sind andere Autoren zu An-
schauungen gelangt, welche, wie sehr sie auch sonst von
einander abweichen, doch darin übereinstimmen, dafs sie
die Annahme eines, wenigstens im wesentlichen sym-
metrischen Verlaufes dieser Klimakurven erlordern. Hierher
gehören einerseits SAUER,!) welcher die Interglazialzeiten
als Waldzeiten betrachtet und, von Erwägungen über den
Einflufs der grofsen Vereisungen auf das Klima Mitteleuropas
ausgehend, annimmt, dals jede Eiszeit durch eine Steppenzeit
eingeleitet und beendigt wurde, und andererseits AUGUST
Scuurz?) und BoGoLJUBoWw,>) von denen der erstere durch
florengeschichtliche Untersuchungen, der letztere durch all-
gemeine geologische Erwägungen zu der Anschauung ge-
langt ist, dafs jede Interglazialzeit aus zwei Waldphasen
und einer zwischen diese fallenden Steppenphase besteht.
Während die bisher bekannt gewordenen Profile mit aller-
dings mehr oder weniger grolser Wahrscheinlichkeit im
Sinne jeder der drei besprochenen Ansichten gedeutet
werden können, sind, wie ich dargetan zu haben glaube,
die Profile des Travertingebietes der Gegend von Weimar
nur im Sinne der von Schulz und BoGoLJUBow vertretenen
Ansicht deutbar und in dieser ihrer Eindeutigkeit von grolser
Bedeutung für die Beurteilung der Klimaschwankungen des
Eiszeitalters.
Aber noch nach einer anderen Richtung hin sind meine
Untersuchungen, wie ich glaube, von Bedeutung für die
Beurteilung der Klimaschwankungen des Eiszeitalters. Die
aus den untersuchten Fossilienbeständen erschlossene Klima-
folge weist nur Klimate auf, welche einen kontinentaleren
!) Die klimatischen Verhältnisse während der Eiszeit mit Rück-
sicht auf die Löfsbildung, Jahreshefte des Vereins für Vaterländische
Naturkunde in Württemberg, Bd. 57, 1901, S. COVI—CX.
2) Besonders: Entwicklungsgeschichte der gegenwärtigen phane-
rogamen Flora und Pflanzendecke der oberrheinischen Tiefebene usw.
(A. Kirchhoff, Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde,
Bd. 16, H. 3, Stuttgart 1906), S. 171—173 und 242ff.
3) Über die Phasen der interglazialen Epoche im Gouvernement
Moskau, L’Annuaire g&ologique et mineralogique de la Russie, Vol. IX,
liv. 1—2, S. 34—44, 1907.
[79] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 239
Charakter besitzen als das heutige Klima der Gegend.
Diese Erscheinung ist zweifellos darauf zurückzuführen, dafs
sich bekanntlich erst nach der Würmeiszeit die heutige Ge-
staltung der atlautischen Küsten Europas herausgebildet
hat, während vor dieser Zeit der Europäische Kontinent,
der mit den heutigen Britischen Inseln landfest verbunden
war, soviel weiter in den heutigen Atlantischen Ozean hin-
ausgeragt hat, dals unsere Gegend mindestens um 20—25
Längengrade mehr von den atlantischen Küsten Europas
entfernt war als heutzutage und ein dementsprechend
kontinentaleres Klima besals. Der kontinentalere Charakter
der Klimate der Rils-Würm-Interglazialzeit kommt zu einem
höchst sinnfälligen Ausdrucke in dem vollkommenen Fehlen
heute vorwiegend westeuropäischer Molluskenarten!) in den
untersuchten Ablagerungen aus dieser Zeit. Das Fehlen
derartiger Arten ist eine im wesentlichen allen vor der
Würm-Eiszeit gebildeten Plistozänablagerungen Mittel-
Europas gemeinsame Erscheinung, wie das auch unter der
Voraussetzung der Richtigkeit der von mir gegebenen Er-
klärung erwartet werden mufs.?2) Erst in postglazialer Zeit,
offensichtlich erst während und nach den tiefgreifenden
postglazialen Veränderungen der atlantischen Küsten Europas
und im Gefolge der dadureh _hervorgebrachten Klima-
änderungen gelangten derartige Mollusken nach Mittel-
europa.) Für Mitteleuropa, das uns hier in erster Linie
interessiert, ebenso aber natürlich auch noch für andere
Gebiete, können die Klimasehwankungen des postglazialen
Abschnittes des Eiszeitalters nicht nur quantitativ von den
grölseren älter plistozänen Klimaschwankungen verschieden
sein; es müssen auch qualitative Unterschiede vorhanden
sein, welche dadurch bedingt sind, dafs Lage und Klima
Mitteleuropas in der Postglazialzeit minder kontinental,
ozeanischer geworden waren. Und in der Tat haben die
1) Z. B. der $S. 193—194 aufgezählten.
2) Ich behandele diese Verhältnisse demnächst ausführlicher an
anderer Stelle.
®) Damit eröffnet sich ein Weg zur Ermittelung der Alters-
beziehungen zwischen binnenländischen postglazialen Ablagerungen
und Veränderungen an den atlantischen Küsten Europas.
240 EwaLp Wüsrt, | [80]
Untersuchungen über die postglazialen Klimasehwankungen !)
ergeben, dals Mitteleuropa in manchen postglazialen Zeit-
abschnitten?) ein wesentlich ozeanischeres Klima besessen hat,
als es sich in irgend einem Teile der aus der Untersuchung
der plistozänen Ablagerungen des Travertingebietes der
Gegend von Weimar abgeleiteten Klimafolge vom Ausgange
der dritten oder Rils-Eiszeit bis zum Beginne der vierten
oder Würm-Eiszeit erkennen lälst.
Tabelle der Verbreitung der Konchylien in den ver-
schiedenen Ablagerungen des Travertingebietes der
Gegend von Weimar.
Vorbemerkungen.
In der systematischen Anordnung und Nomenklatur der
in der Tabelle aufgezählten Arten schliefse ich mich an die
verbreitetsten der zunächst in Betracht kommenden Faunen
(von CLESSIN, GEYER, GOLDFUSS, WESTERLUND usw.) an.
Ich folge der Mehrzahl dieser Faunen auch in der weiten
Fassung des Gattungsbegriffes, welche zwar vom Standpunkte
des Systematikers aus betrachtet nieht mehr haltbar, jedoch
in Arbeiten, welehe sich nieht nur an Spezialisten wenden,
meines Erachtens im Interesse der leichteren Verständigung
vorzuziehen ist.
Die Spalten I bis III geben die Verteilung der *Kon-
chylien-Arten auf die 3 Travertingebiete von Weimar (W),
Taubach (T) und Ehringsdorf (E) nach den Veröffentlichungen
von A. Weıss (Die Konchylienfauna der altpleistozänen
Travertine - des Weimarisch-Taubacher Kalktuffbeckens,
Nachriehtsblatt der deutschen Malakozoologischen Gesell-
schaft, 26. Jahrg., 1894, S. 145—163 und 185—190, I. Nach-
irag ebenda, 28. Jahrg., 1896, S. 99—102 und Über die
Konchylien-Fauna der interglazialen Travertine des Weimar-
Taubacher Kalktuffbeckens, Zeitschrift der Deutschen geo-
logischen Gesellschaft, Jahrg. 1896, S. 171—182). Die von
!) Vgl. in erster Linie die schon oben, $S. 179—180 zitierten
Arbeiten von August Schulz.
2) In den „kühlen“ und manchen Abschnitten der „warmen
Perioden“ von August Schulz.
Zeitschrift für Naturwissenschaften Bd. 82 1910
Senkrechter Abstand von dem Rande der Ilm-Aue in Metern
In; 150 100 300 120 120 280 160 100 0 325 250 0
. . R a .
a ; fe Taubach Taubach Ehringsdorf Ehringsdorf Ehringsdorf Ehringsdorf Ehringsdorf Ehringsdorf Ober-Weimar Ehringsdorf Weimar Weimar
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in Metern SONNREIN GOTTSCHALG HACKEMESSER KAEMPFE niiSorwaer FISCHER SAALBORN HEYDENREICH Kiesloch ULLE Parkhöhle
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244,93
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240,8 239,59
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231,52 a 228,31
a Di f_| 230,74 227,74
229,74
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> 224,46
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(Ilm - Aue) 0
Die neben den Profilen stehenden Höhenzahlen sind dem REBLING schen :
Nivellement, die Höhenzahlen für die verschiedenen Punkte der IIm-Aue den Kies „Letten® „Pariser“ Travertine
Melstischblättern Magdala und Weimar entnommen.
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Zeitschrift für Naturwissenschaften Bd. 82 1910 Tabelle I
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2 brevipes Drap. 3 ö , r « . « * > 1
3] Vitrina (Eburanlkung) pellueida an, I r IH * ER R * 5 5 . ©
4 ” Semilimax) diaphana Drap. . . a “ = e K 4 & 5 +2
5 elongata Drap. 5 ol = 5 E ae | - # e
6 | Conulus (Trochulus) fulvus Drap. sp... . . EM |: = “ 3 * « P Br ‘ . R .
7 | Hyalinia (Euhyalinia) cellaria Müll. sp. . . I: x & ‘. R IN | b ;
8 in (Polita) nitens Mich. sp. . . . . e « * a E Fi 3 = 2
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12 Vitrea (Crystallus) contorta Held. sp. hi * E 2 ae une | 3
13 = “ subrimata Reinh, . ee re 5 | F
14 » n erystallina Müll. sp. SR * * “ 5 ol le * . . |
15 contracta West, . -I «* * 5 | . . * * 5 2 |
16. | Zonitoides nitidus Müll. De 2 1 « E h * 3 “| x ® ‘ a * |
17 | Zonites acieformis Klein sp... . . . Br vu = 12x x ee | * | E R 3.
18 | Punctum pygmaeum Drap sp. * ae Hi * ; * * * . . 2
19 | Patula (Discus) rotundata ai. sp * ul * 1 I 0 * . .
20 Fi n ruderata Stud. sp. x Elle 4 * * P ö . 3 .
21 (Goniodiscus) solaria Mke. sp N Sr « E 3 | ae “|»| | “ 4.
22 | Helix (Acanthioula) aculeata Müll. . - * * 5 . 5 a * * -
23 „ (Vallonia) pulchella Mill. . r = “ 1 Dies * £ «|. =, * “ . . . . } N
24 Re m costata Müll. . Ar Per * « 2 ı we: « «|» « . . le ” . . . R
25 Er 7 costellata A.Br. .. . .... = H E 3 = u ae = % £ : all & E 5 . 6.
236 . " tenuilabris Al.Br.. . . e N i | | SON
27 „ (Trigonostoma) obvoluta Müll. Alö * R & E * r *
25 „ (dIsogonostoma) personata Lam x E E ll : | 1.
20 „ (Petasia) bidens Chemn. sp. Se 5 E A| R * 8.
30 „ (Trichis) hispida L. . . Are | * 5 * | 3 ln r . * E * «| * 9
31 „ (Euomphalia) strigella Drap. s ee I * = P 5 1% " .
32 „ _(Monacha) incarnata Müll. R 5 * * ä 5 a * * . | 10.
33 „ (Eulota) fruticum Müll. . . ealing * E | a a ar Er . . . .
31 „ (Campylaea) banatica Partsch au Ru... * * 5 . | * .|. |: 11.
35 „ (Chilotrema) lapieida L. . . er: ung 3 51 i*| = . P;
36 „ (Arianta) arbustorum L. * | * . A| * * .
37 „» _(Xerophila) striata Müll. . & 11% R I R . ! . . 12.
38 „» _(Tachen) vindobonensis Fer. elf & | | “le - . 13.
sy » _Tonnensis Sandb. . ll "les : | | 14.
40 " „» nemoralis Mill. . . . le &; | | . . }
Aal " ” hortensis Müll. . - 0. - 3. (Fee “Ws « . 15.
42 „. ‚(Helicogena) Hoaue : : „|Im|% | I+|»| + | | A
43 | Buliminus (Chondrula) tridens Müll.sp.. . ©. I «| - M R 5 3 a) R & . ee - - | 16.
4 er (Napaeus) montanus Drap. , » .» . . Ö & PA o le le . el 0 . c I.
45 obscurus Mi .ep: IR * > . . . 15 18.
46 Pupa- (Oreula) doliolum Brug.sp. ae Ar, * * * * =
» (Pagodina) pagodula Des Moul. 5 = 5 x | 19
‘ (Pupilla) muscorum Müll. sp. | I er el: «| e|e . «|» «||» . . . “ln
E “ cupa Jan, . EL ee : - . + a: . . . Flirt s c Ir: 2 * . 20.
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” (Isthmia) claustralis Gredl. . . » 525 * * 3 F € ° : .
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„ (Vertigo) NEE UNE ALBr . Sl “ + . . . D + * * 23.
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Ollusilia Ölnusiliastr) laminata Mont. sp, „| % a | £ | P
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Cionella (Zua) lubrica Müll. sp. . : le Sale) al. 3 ler
„ _(Azeen) Schulziana Wiist 5 I | £ [FF 27.28.
Suceinea (Neritostoma) putris L.sp. » . . * R * . \ \ * |? . .
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Limnaea (Limnus) stagnalis L. sp. Dx E 3 el | + 30
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Planorbis (Tropidiscus) umbilicatus Müll, * * x . * | “|
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Bithynia tentaculata L.sp. » « » RR & * h [M} F $ ° a | =
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[81] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 241
Weıss selbst gefundenen Arten sind, gleichviel ob sie vor
ihm sehon von anderen — bei Weiss zitierten — Autoren
gefunden worden sind oder nicht, in den Spalten der Tabelle
dureh einen Stern (*) bezeichnet. Die von Weıss nur auf
Grund der Angaben früherer Autoren angeführten Arten
sind in den Spalten der Tabelle statt des Sternes, durch
Abkürzungen der Namen der betreffenden Autoren (S =
SANDBERGER, Se = ScHaMiprT) bezeichnet. Von den wenigen
in der Literatur vorhandenen Angaben über die Verbreitung
der Konehylien in den verschiedenen Ablagerungen des
Travertingebietes sind diejenigen, welche bei einer Gliederung
dieser Ablagerungen in der in der Tabelle vorgenommenen
Weise von Interesse sind, soweit sie nicht von mir selber
herrühren, in den Anmerkungen zu der Tabelle vollständig
angeführt. Solehe Angaben finden sich bei Weiss a.a. 0.
und in einer posthumen, vom Städtischen Museum in Weimar
herausgegebenen Druckschrift von O. SCHMIDT, betitelt „Die
Sammlung von Typen fossiler und rezenter Land- und
Sülswasser-Konehylien aus der Gegend von Weimar“, welehe
1908 gedruckt zu sein scheint und keine nicht schon aus
der Literatur bekannten Funde namhaft macht.!)
Die Spalten 1—15 geben auf Grund meiner eigenen
Beobachtungen eine Übersicht über die Konchylien-Bestände
der Hauptglieder der Ablagerungen der einzelnen Travertin-
gebiete:
l. Konchylien-Bestand a aus dem Ilmkiese der Unter-
terrasse am Eingange der Parkhöhle im Parke von
Weimar.
2. Konehylien-Bestand b aus den obersten Ilmkieslagen
und den mergeligen Ilmabsätzen (vulgo „Letten“) der
Unterterrasse sowie aus den unteren Lagen der Baum-
travertine im UrteEschen Steinbruche in Weimar.
3. Konchylien-Bestand b aus der untersten T'ravertinlage
(vulgo „Ratten“) im östlicheren der beiden SoNNREIN-
schen Brüche bei Taubach.
!) Diese Publikation des Städtischen Museums in Weimar ist durch
die Liebenswürdigkeit des Herrn Grofsh. Bauinspektors Rebling in
Weimar zu meiner Kenntnis gekommen.
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. S. Bd.82. 1910. 16
10.
IHR
13.
14.
15.
EwaALn Wüst, [82]
Konchylien-Bestand c aus dem Charensande an der
Basis der Unteren Travertine im SAALBORN schen Bruche
bei Ehringsdorf.
Konchylien-Bestane d aus der Hauptmasse der Unteren
Travertine im Utteschen Steinbruche in Weimar.
Konchylien-Bestand d aus der Hauptmasse der Unteren
Travertine im Taubacher Travertingebiete.
Konchylien-Bestand e aus Unteren Travertinen im
ScHwArZschen Bruche bei Ehringsdorf.
Konchylien-Bestand f aus den obersten Lagen der
Unteren Travertine im SAALBoRNschen und im
KAEMPFE schen Bruche bei Ehringsdorf.
Konehylien-Bestand g aus dem Pariser im HEYDEN-
REICHschen und im KAEnPFE schen Bruche bei Ehrings-
dorf.
Konchylien-Bestand h aus humosen Lagen nahe der
Basis der Oberen Travertine im FiscHerschen, Hauv-
BoLDschen und KAEMPFEschen Bruche bei Ehrings-
dorf.
Konchylien-Bestand i aus Oberen Travertinen im HEYDEN-
REICH schen, KAEMPFEschen und HackEMESSER schen
Bruche bei Ehringsdorf.
Konchylien-Bestand f aus höheren Lagen der Oberen
Travertine im FiscHerschen Bruche bei Ehringsdorf.
Konchylien- Bestand r aus den Ilmabsätzen einer tief
(unter dem Niveau der Unterterrasse) gelegenen Terrasse
bei Ober-Weimar.
Konchylien-Bestand ) aus den mergeligen Ilmabsätzen
(vulgo „Letten“) der Mittelterrasse im Taubacher
Travertingebiete.
Konchylien-Bestand y aus den mergeligen Ilmabsätzen
(vulgo „Letten“) der Mittelterrasse im Ehringsdorfer
Travertingebiete.
Es bedeutet:
das Vorkommen sicher bestimmter Reste,
? das Vorkommen nicht sicher bestimmter Reste,
das Vorkommen sicher bestimmter Reste, die wahr-
scheinlich nachträglich in die Ablagerung gelangt sind,
[83] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 243
'* das Vorkommen nicht genau bestimmbarer Reste, die
sicher oder doch sehr wahrscheinlich zu einer der Arten,
deren Namen von der Klammer umfalst wird, gehören.
Anmerkungen zu der Tabelle.
1. Daudebardia brevipes ist von den bisherigen Autoren
nieht angegeben worden. Ich vermute, dafs man die hier-
her gehörenden Stücke zu D. rufa gestellt hat. Die
Unterscheidung der beiden Arten ist jetzt durch die
Darlegungen von A. J. WAGNER, besonders über die
Unterschiede in der Beschaffenheit der Embryonalschale,
sehr erleichtert. Vgl. A. J. WAGNER, Die Arten des
Genus Daudebardia Hartmann in Europa und Westasien,
Denksehriften der k. Akademie der Wissenschaften, Math.-
nat. Kl., 62. Bd., Wien 1895, S. 609 ff. und Bemerkungen
zum Genus Daudebardia Hartmann, Nachriehtsblatt der
deutschen Malakozoologischen Gesellschaft, Jahrg. 1906,
S. 177 ff.
2. Ich habe bisher nur 1 Fragment gesammelt, von dem
ich nieht entscheiden kann, ob es zu Hyalinia nitens
oder zu H.nitidula gehört. Weiss bezeichnet H. nitens
als sehr selten.
3. Diese Form wurde von Weıss als Zonites verticillus Fer.
var. praecursor A. Weils bezeichnet. Die Synonymie
dieser Form ist am ausführlichsten von mir in den Ver-
handlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien
1907, S. 84 dargelegt. — Naeh Schmipr eharakterisiert
die von ihm als Zonites verticillus Fer. var. angeführte
Form „die unteren Lagen der Travertine“.
4. Charakterisiert nach ScHhmiprt „die unteren Lagen der
Travertine“.
5. Die provisorisch auf diese Arten verteilten Stücke be-
dürfen noch einer genaueren Prüfung.
6. Über diese ausgestorbene, trotz ihrer so ungemein
charakteristischen Berippung anscheinend immer noch
sehr wenig bekannte Art vgl. bes. AL. Braun, Amtlicher
Berieht über die 20. Versammlung der Gesellschaft
16*
244
>
10.
1d;
14.
EWALD Wüsr, [84]
Deutscher Naturforscher und Ärzte zu Mainz 1842,
Mainz 1843, S. 145; SANDBERGER, Die Land- und Süls-
wasser-Koncehylien der Vorwelt, Wiesbaden 1870—75,
S. 856— 857, Taf. 34, Fig. 10 und Wüst, Abhandlungen
der Naturforschenden Gesellschaft zu Halle, Bd. 23,
1901, S. 207, Taf. 1, Fig. 99—99.
Nach ScHımipt „bis zu den mittleren Lagen“.
Nach ScHMIDT „nur selten in den oberen Lagen“,
Die von SANDBERGER von Weimar angegebene H. (7.)
umbrosa Partsch ap. C. Pf., welche von niemandem
wieder gefunden wurde, habe ich weggelassen, weil
Schmipr angibt, dals die Provenienz der SAnD-
BERGERSchen Originalexemplare im Mineralogischen
Institute in Halle nach K. von Frırschs mündlicher
Mitteilung an Schmipr „zweifelhaft“ ist.
Die nur von PoHLıG von Weimar angegebene und sonst
von niemandem gefundene F. (M.) carpathica Friw. ap.
Rm. (= vicina Rm.) habe ich weggelassen, weil PoHLIGSs
Angaben über die Konchylien der Ablagerungen des
Travertingebietes von Weimar offensichtlich unzuverlässig
sind.
Von Weıss zu Unrecht als H. (C.) Canthensis Beyr. be-
zeichnet. Die Literatur über 4. Canthensis und die
irrtümlichen Zureehnungen plistozäner Stücke von H.
banatica zu H. Canthensis habe ich in den Verhand-
lungen der k. k. Reiehsanstalt, Wien 1907, S. 85—86
zusammengestellt und besprochen Danach hat sich
noch TH. Kormos im Földtani Közlöny, Bd. 39, 1909,
S. 207 zu der Angelegenheit geäulsert. — Nach ScHMIDT
„bis zu den mittleren Lagen“.
Nach ScHamiIpr „nur in den oberen Schichten bei Weimar“.
Nach ScHhmiprt den „oberen Lagen“ schon fehlend, was
nach meinem Nachweise der Art in dem als „£f“ be-
zeichneten Konchylienbestande aus den Oberen Traver-
tinen im Fıscherschen Bruche nicht zutrifft..
Die systematische Stellung dieser Art scheint mir noch
nieht genügend geklärt zu sein. Aus dem Travertin-
gebiete der Gegend von Weimar besitze ich nur spär-
liches Material. — In der von Cressın (Die Tuff-
[85]
15.
16.
17.
18.
19,
20.
Travertingebiet der Gegend von Weimar. 245
ablagerung im Tale der schwarzen Laaber, S.-A. aus
Berieht des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Regens-
burg, Jg. 1905/6, 4. 11, Regensburg 1908, 8.13) zu H.
Tonnensis gestellten rezenten Schnecke von Galway in
Irland, die mir durch die Güte des Herrn KENNARD
vorliegt, kann ich, ebenso wie Herr KENNARD, nur
H.nemoralis sehen. — Nach Scumipr fehlt 4. Tonnensis
„in den oberen Lagen der Travertine“.
Die von Weıss auf Grund eines nicht sicher bestimmten
Exemplares von Taubach angegebene H. (T.) syWwatica
Drap. habe ich weggelassen.
Nach Weıss nur in den „Oberen Schichten“.
Das einzige mir vorliegende Fragment gehört sicher
weder zu H. (Ch.) tridens noch zu B. (N.) obscurus nnd
gleicht B. (N.) montanus, doch kann ich seine Zu-
gehörigkeit zu dieser Art nieht sicher behaupten.
Nach Scuamipr „anscheinend nur in den oberen Lagen“.
Diese Angabe ist nach WeEısss und meinen Funden nicht
haltbar.
Charakterisiert nach Schmipr „die unteren Lagen“.
Von dieser bisher aus den Ablagerungen des Travertin-
gebietes der Gegend von Weimar nicht bekannten Art
fand ich nur wenige Stücke. Für tiergeographische
Zwecke ist es sehr wichtig, von der typischen P. cupa
Jan. (= P. Sterri Voith nach BoETTGER), welche in den
Alpen und zwar bis in die alpine Region hinauf, im
deutschen Juragebirge und in der Tatra vorkommt, die
var. twremenia Bttgr. ap. Andreae, welche „in Asien
(speziell Nord-Persien, Transkaspien und Turkestan)
weit verbreitet“ ist, zu trennen. Nach BoETTGER (bei
ÄNDREAE in FUTTERER, Durch Asien, Bd. III, Berlin 1902,
S. 71—72) zeichnet sich die var. turcmenia „namentlich
durch das Zurücktreten oder Fehlen der Zähne vor dem
Typus aus“, doch kommen bekanntlich auch bei der
typischen P. cupa zahnlose Stücke vor. Obgleich mir
nieht nur die typische P. cupa sondern auch — durch
die Güte des seligen ANDREAE — die var. turcmenia
vorliegt, kann ich mein Material aus dem Travertin-
246
21.
EwALp Wüst, [86]
gebiete der Gegend von Weimar nieht reinlich auf die
beiden so verschieden verbreiteten Formen verteilen.
Die 4 Stücke, welehe ich in den unteren Sehiehten des
Urre schen Steinbruches (b) gesammelt habe, trage ich
kein Bedenken für die typische P. cupa zu halten:
3 zeigen Parietal- und Basalzahn kräftig entwiekelt
und das vierte, wenn auch keinen Basalzahn so doch
wenigstens einen kräftig entwickelten Parietalzahn.
Umgekehrt trage ich kein Bedenken die 6 durchweg
zahnlosen Exemplare, die ich im „Letten“ von Taubach
und Ehringsdorf (y) gesammelt habe, zur var. tuwremenia
Bttgr. zu rechnen. Bei den 2 Exemplaren aus dem
Kiese vom Parkhöhleneingange (a), von denen das eine
anscheinend nieht ganz vollendete zahnlos ist, während
das andere einen allerdings schwachen Parietalzahn
zeigt, bin ich zweifelhaft und das um so mehr, als nach
dem tiergeographischen Charakter des Konchylien-
bestandes, in welehem Pupa cupa hier auftritt eher an
die typische Form als an die var. turcmenia zu denken
ist. Leider ist die Aussicht, reiehlicheres Material, das
zu einer sicheren Entscheidung führen könnte, zu er-
langen, gering.
Von dieser bisher aus den Ablagerungen des Travertin-
gebietes der Gegend von Weimar nieht bekannten Art
sammelte ich nur sehr spärliches Material. — P. bigra-
nata Rm., auf deren Abtrennung von P. muscorum
BoETTGER so viel Wert legt, scheint mir übrigens nach
Material, das ich der Güte des Herrn Professor Dr.
BoETTGER selbst verdanke, P. triplicata mindestens
sehr nahe zu stehen, während sie von P. muscorum
recht verschieden ist.
Ich betrachte diese Art als identisch mit der rezenten
P. Gredlerii Cless., mangels genügender eigener Er-
fahrung der Ansicht des kompetentesten Beurteilers,
BoETTGERS, folgend. Nach Weıss „in den tiefsten
Schichten Weimars“.
Die von mir gesammelten Exemplare gehören fast alle
zu der völlig zahnlosen var. Genesü Gredl., schliefsen
sich also der einzigen rezent bekannten Form an, was
[87] Travertingebiet der Gegend von Weimar. 247
für die tiergeographische Beurteilung der fossilen Vor-
kommnisse wesentlich ist.
24. Die ganz wenigen als P. aff. alpestris bezeichneten Stücke
unterscheiden sich von der rezenten P. alpestris konstant
durch den Besitz eines kleinen, angularwärts vom
Parietalzahne gelegenen Zähnchens. Auch auf diese
merkwürdige Pupa möchte ich erst nach Erlangung
reichlicheren Materials näher eingehen.
25. Weıss führt nach Schamipr noch (©. (A.) biplicata Mont.
von Weimar an. ScHMiDT gibt später — in seiner hier
mehrfach zitierten posthumen Veröffentliehung — aus-
drücklich an, dafs diese Art nieht im Plistozän von
Weimar vorkommt.
26. Die wenigen mir vorliegenden Bruchstücke gestatten
mir kein sicheres Urteil darüber, ob sie direkt zu
Clausilia (Kuzmiecia) bidentata Ström. sp. oder etwa zu
einer ganz nahe verwandten Form gehören.
27. Eine Azeca ist von den bisherigen Autoren in den Ab-
lagerungen des Travertingebietes von Weimar nicht
nachgewiesen worden, doch war eine allgemein zu
A. tridens Pult. gestellte Azeca aus verschiedenen Tra-
vertinen mit ähnlieher Fauna bekannt. Nachdem mir
schon mehrfach die Kleinheit dieser fossilen Vorkomm-
nisse unserer rezenten A. tridens gegenüber aufgefallen
war, veranlalste mich die tiergeographisch merkwürdige
Tatsache, dafs die Azeca dieser Travertine gewöhnlich
mit südosteuropäischen Arten vergesellschaftet ist,
während doch Azeca tridens heute eine westeuropäische
Form ist, zu einer genaueren Untersuchung. Diese
Untersuchung, die ich an zahlreichen Stücken aus den
Travertinen von Brüheim bei Gotha (meist von Herrn
HockEr gesammelt), Bilzingsleben bei Kindelbrück und
Österrode bei Hornburg vornehmen konnte, zeigte, dals
diese fossile Azeca von A. tridens abweicht und sich
in mehreren Punkten der A. Mabilliana Fag., von der
ich rezente, irrtümlich als 4A. tridens var. alzenensis
St. Sim. bestimmte Stücke von Lourdes in einer von
GoLprFuss gekauften Sammlung vorfand, nähert, doch
auch von dieser verschieden ist. Ich benenne die
248
29.
EwALp Wüsrt, [88]
interessante plistozäne Form nach dem Pflanzen-
geographen AuGust ScHUrZz, auf dessen auch für
Studien wie die in dieser Arbeit verfolgten grund-
legend wichtige Arbeiten in der vorliegenden Veröffent-
liehung mehrfach hingewiesen ist.
Azeca Schulziana gehört in die Gruppe der A.
tridens Pult., weicht aber von allen Vertretern derselben
dureh ihre sehr geringe Grölse (Höhe 4,3—5,5 mm,,
Breite 2,1—2,35 mm bei 61/,—71!/, Umgängen) ab.
Ähnlich wie bei A. Mabilliana Fag. nehmen die Um-
gänge langsamer und gleichmälsiger zu als bei A. tridens,
sodals das Gewinde relativ länger und der letzte
Umgang relativ kürzer wird. Ähnlich wie bei A. Ma-
billiana sind die Lamellen und Zähne schärfer aus-
geprägt, als es wenigstens bei der überwiegenden
Mehrzahl der Stücke von A. tridens der Fall ist. Die
Parietallamelle ist mit der oberen Spindellamelle durch
eine wohlmarkierte, scharf ausgeprägte Lamelle ver-
bunden, wie das bei A. Mabilliana die Regel ist,
bei A. tridens aber nur ganz vereinzelt vorkommt.
Ähnlich wie bei A. Mabilliana ist der Aufsenrand
sehr stark gelippt und oben etwas tiefer ausgebuchtet
als bei A. tridens. A. Schulziana ist eine der A.
Mabilliana am nächsten stehende Zwergform der
tridens-Gruppe.
In den Travertinen von Ehringsdorf konnte ich
nur wenige, durchweg in einem höchst üblen Erhaltungs-
zustande befindliche Exemplare sammeln. Soweit ihre
Eigenschaften beurteilbar sind, gehören sie — namentlich
nach ihrer geringen Gröfse zu urteilen — zu A. Schul-
ziana.
Die von SANDBERGER von Weimar angegebene Caecilia-
nella acicula Müll. sp. ist, wie Weıss wahrscheinlich
gemacht hat, rezent.
Ich betrachte nach wie vor Succinea (Lucena) Schu-
macheri Andr. als eine ausgestorbene, heutigen zentral-
asiatischen Formen wie namentlich $. (L.) Altaica v.
Mts. am nächsten stehende Art. Die angebliche rezente
S. (L.) Schumacheri aus Westmoreland, die mir durch
[89]
30.
31.
32.
39.
34.
Travertingebiet der Gegend von Weimar. 249
die Güte des Herrn KEnnarD zugekommen ist, kann
ich nieht als zu $S. Schumacheri gehörend aner-
kennen.
Nach Weıss „nur in den höheren Niveaus“, oder „oberen
Sehiehten“, nach ScHhmipr „nur in den oberen Lagen
bei Weimar“. Leider geht aus diesen Angaben nicht
hervor, ob Weiss und Scnumipr die Art unter oder
über dem Pariser gefunden haben. Ich selbst habe
sie nur einmal auf einer Halde im Urueschen Bruche
gefunden und konnte bisher ihre Fundschieht nicht
ermitteln.
Nach Weıss „in den tiefsten Schichten“.
Nach Weıss nur in den „oberen Schichten“.
Ich konnte nur einige wenige junge Stücke in den
obersten Lagen des Kieses im UrLteschen Bruche
sammeln. Die Stücke sind sehr diekscheibig. Eine
genaue Bestimmung ist mir bei der Dürftigkeit des
Materiales unmöglich; es kann sich um Pl. borealis
Loven selbst oder eine der beiden ganz nahe ver-
wandten Formen Pl. Gredlerü Blz. und Pl. Stroemü
West. handeln. Als ich zu Anfang des Jahres 1907 mit
Herrn Professor Dr. BOETTGER über einige kritische
Gyraulen korrespondierte, schrieb mir dieser, dafs er
einen von Herrn Dr. A. Weıss 1898 zu Weimar ge-
sammelten Gyraulus nach erneuter Prüfung für borealis
Loven halte. Leider steht nicht fest, ob das Stück aus
der gleichen Schicht wie die meinigen stammt.
Es handelt sich um den typischen Pl. Rossmaessleri
Auersw. Diese Form habe ich in früheren Veröffent-
liehungen aus verschiedenen plistozänen Ablagerungen
zunächst als Rossmaesslerd Auersw., dann aber, dem
Vorgange ANDREAES folgend als sibirieus Dunker an-
gegeben. Eine eingehendere Beschäftigung mit der
schwierigen Gruppe der Gyraulen hat mich gelehrt,
dafs diese Form niehts mit Pl. sibiriceus Dunker zu tun
hat. Verschiedene Bestimmungen von Gyraulus in
meinen Arbeiten bedürfen einer Berichtigung, die ich
an anderer Stelle im Zusammenhange geben will,
EwALp Wüsrt, [90]
Nach Weiss „als grofse Seltenheit in den untersten
Schiehten“.
Die Belgrandia der Travertine von Weimar wurde von
SANDBERGER (Die Land- und Sülswasserkonehylien der
Vorwelt, Wiesbaden 1870—1875, S. 915—916, T. 35,
Fig. 2—2b) als Bb. marginata Mich. sp. bestimmt.
Cuessin (Monographie des Genus Belgrandia, Malako-
zoologische Blätter, N. F., Bd. 5, 1882, S. 132—151,
S. 149) beanstandete diese Bestimmung mit den Worten
„Die Art ist keinesfalls mit Delgrandia marginata
identisch, da sie der Form nach mehr in die Gruppe
der Belgrandia gibberula (kurzes, mehr konisches Ge-
winde), als jene der Delgrandia gibba, in welche auch
Delgrandia marginata gehört, zu stellen ist“ und gab
der besprochenen, von ihm aber weder beschriebenen
noeh abgebildeten Form den neuen Namen Belgrandia
germanica. Seither wird die Weimarer Delgrandia in
der Literatur bald als 5. marginata Mich. sp., bald als
B. cf. marginata Mieh. sp., bald als D. germanica Cless.
bezeichnet. Cressins Urteil über die Weimarer Bbel-
grandia steht in einem so sinnfälligen Gegensatze zu
dem Aussehen dieser Form, dals man es nur allenfalls
verstehen könnte, wenn man annähme, dals CLESSIN
nur junge Stücke von Weimar gekannt hätte, die in
der Tat an Belgrandia gibberula erinnern können.
Allein Cressın zitiert SANDBERGERS Abbildungen,
welehe ausgewachsene Stücke darstellen und auf den
ersten Blick auf das deutlichste eine Form aus der
dureh verlängertes Gewinde ausgezeichneten Gruppe
der Belgrandia gibba Drap. erkennen lassen. Wie nun
auch CLessın zu seinem Urteile gekommen sein mag,
soviel steht fest, dals es sich um eine Form der gıbba-
Gruppe handelt. Mit welcher Form dieser Gruppe
unsere Delgrandia etwa zu identifizieren ist, vermag
ich aus Mangel an auch nur einigermalsen genügendem
Vergleichsmateriale nicht zu entscheiden. Nach der
Literatur zu urteilen, seheint mir unsere Delgrandia
nicht der französischen B. marginata Mich. sp., sondern
der italienischen D. Delpretiana Paulucei apud Olessin
[91]
97.
38.
Travertingebiet der Gegend von Weimar. 251
(a.a. O., S.138—139, Taf. 3, Fig. 19) am nächsten zu
stehen oder geradezu anzugehören. Auch zu der eben-
falls italienischen B. thermalis L. sp. scheint sie mir
noch eher nähere Beziehungen zu haben als zur BD.
marginata Mich. sp. Allein ohne Studium von Original-
materialien wird die Frage nicht sicher zu entscheiden
sein. Was die zahlreiehen von BOURGUIGNAT in seinem
Catalogue des Mollusque terrestres et fluviatiles des
environs de Paris ä lepoque quaternaire (Paris 1870)
beschriebenen Belgrandien betrifft, so finde ich — nach
BoursuigGnarts Abbildungen und Beschreibungen zu
urteilen — keine davon mit unserer übereinstimmend.
Unter den vorgetragenen Umständen bezeichne ich
unsere Delgrandia vorläufig als Belgrandia sp. Wo
diese kleine Quellschnecke in unseren Travertinen vor-
kommt, pflegt sie in gro[ser Menge aufzutreten. Eigen-
artig ist die Art ihres Vorkommens in den untersten
oder Baum-Travertinen des Urteschen Bruches.
Während sie hier oft ganz fehlt, liegt sie manchmal in
ungeheurer Menge zusammen mit Ostrakodenschälchen
und Gehäusen von Valvata cristata Müll. in losen An-
häufungen und ganz zweifellos sekundär eingeschwemmt
in Baumlöchern. Ich nehme an, dafs sie zur Bildungs-
zeit der Baumtravertine überhaupt bei Weimar noch
nicht lebte, weil ich sie in einer tonigen Einlagerung
in den Baumtravertinen nicht zu finden vermochte und
überhaupt ihr Vorkommen in diesen sehr porösen und
von vielen Baumlöchern durchzogenen Travertinen ganz
an Stellen gebunden ist, an denen eine sekundäre
Einschwemmung teils sicher, teils wenigstens sehr
leicht möglich ist. Auch der tiergeographische Cha-
rakter des Konchylienbestandes, der zweifellos der
Bildungszeit der Baumtravertine angehört, ist schwer
mit einem primären Vorkommen der Belgrandia ver-
einbar.
Die von mir zu Weimar gefundenen Unionen-Scherben
gestatten keine nähere Bestimmung.
Die Bestimmung der Pisidien bedarf noch weiterer
Prüfung.
952 Ewaun Wüst, Travertingebiet der Gegend von Weimar. [92]
39, In der Tabelle übergehe ieh die für die in dieser
Arbeit verfolgten Zwecke belanglose aber an sich sehr
merkwürdige Angabe von Weıss, dafs er in Weimar
zwei Schalen einer sehr kleinen Corbulomya nov. Sp.
gefunden habe. Sollte es sich nieht vielleicht um ganz
junge Schälehen von Corbieula fluminalis Müll. sp., wie
sie den Konehyliologen meist ganz unbekannt sind,
handeln?
Klimakurve zu S. 228.
zeıt
Eiszeit a nterglazial:
Der Kreislauf des Kohlenstoffs in der Natur
von
Dr. Otto Streicher
staatiich geprüfter Nahrungsmittelchemiker
Wenn man bei Stoffen, die sämtlich notwendig sind
zur Ernährung eines Organismus, überhaupt noch zwischen
wiehtigeren und unwichtigeren unterscheiden könnte, so
mülste man den Kohlenstoff unstreitig für den wichtigsten
unter den Nährstoffen einer Pflanze erklären. Da alle
und jede organische Substanz Kohlenstoff enthält, so gibt
es kein anderes Element, welches hier denselben zu ersetzen
und Substanzen in so unübersehbarer Mannigfaltigkeit und
Fülle zu bilden vermöchte, wie sie der Kohlenstoff in den
Organismen sowohl, als auch im chemischen Laboratorium
schafft. Die ganze organische Chemie ist ja bekanntlich
die Chemie des Kohlenstoffs. Die Möglichkeit ihrer Existenz
verdanken die aus organischen Stoffen aufgebauten Orga-
nismen in letzter Linie also den Eigenschaften des Kohlen-
stoffs. Letzterer spielt daher auf unserem Planeten im
Haushalte der Natur eine der wiehtigsten Rollen.
Das in Rede stehende Element kommt teils im freien
Zustande, teils in Verbindungen anorganischer und orga-
nischer Art vor. Man kann auch beobachten, dals der
Kohlenstoff durch die organische Welt eine Wanderung
unternimmt und zu seinem Ausgangspunkt wieder zurück-
kehrt, dafs er also auf seinen Wegen einen Kreis be-
schreibt, einen geschlossenen Ring bildet, dessen Glieder
das Menschen- bezw. Tierreich einerseits und das Pflanzen-
reich andererseits sind. Diesen Kreislauf des Kohlenstoffs
254 OTTO STREICHER, [2]
in der Natur näher zu betraehten, dürfte wohl für die
Gebildeten speziell für die für die Natur sieh Interessieren-
den ein Gegenstand sein, der des Nachdenkens gewils
nieht unwert ist.
Bevor jedoch auf den Kreislauf selbst des Kohlenstoffs
näher eingegangen wird, sollen letzterer zunächst als soleher,
d.h. wie er in der Natur in freiem Zustande auftritt, und
dann die Verbindungen desselben einmal kurz ins Auge
gefalst werden.
Der Kohlenstoff findet sich rein als Diamant und
Graphit, unrein in Formen von Anthraeit, Stein- und Braun-
kohle und Torf. Der Diamant kommt vor im Ural, Ost-
indien, Australien, Südafrika (Deutschsüdwest-) und Bra-
silien, erscheint in farblosen, durehsiehtigen, regelmäfsigen
Oktaödern, ist der härteste Körper, stark lichtbreehend
(funkelt), unlöslich in allen Lösungsmitteln und unschmelzbar
und verbrennt in sehr starken Hitzegraden zu Kohlendioxyd
CO,, Kohlensäureanhydrid. Wegen seiner Härte und seines
Liehtbreehungsvermögens ist er sehr geschätzt. Der Graphit
wird in Böhmen, Bayern, Spanien, Sibirien und anderwärts
angetroffen und kristallisiert in bleigrauen, metallglänzenden,
sechsseitigen Tafeln, welehe stark abfärben. Mit Ton ge-
mischt dient er zur Fabrikation von Bleistiften. Da er die
Elektrizität sehr gut leitet, wird er in der Galvanoplastik
angewendet. Er ist noch feuerbeständiger als der Diamant
und verbrennt selbst in reinem Sauerstoff aulserordentlich
schwierig. Neben Diamant und Graphit tritt der Kohlen-
stoff als dritte allotropische Modifikation in reinem Zustande
als amorphe Kohle auf, welche dureh Verkohlung organischer
Stoffe entstanden ist. Nach denselben bezeichnet man sie
als Kienruls, Holzkohle, Tierkohle (Knochen- und Fleisch-
kohle) usw. Der Kienruls ist, wenn nochmals geglüht der
reinste amorphe Kohlenstoff, leicht brennbar, porös und
spezifisch leicht. Frisch gebrannte Tierkohle vermag leicht
Gase in ihren Poren zu verdiehten und Farbstoff aus ge-
färbten Flüssigkeiten auf sich niederzuschlagen. Im Anschluls
an die eben erwähnte amorphe Kohle möge nochmals auf
die sogenannten fossilen Kohlen, deren Haupt- und wichtigster
Bestandteil gleichfalls amorpher Kohlenstoff ist, hingewiesen
[3] - Der Kreislauf des Kohlenstoffes in der Natur. 255
werden. Die schon oben aufgezählten mit dem ältesten
Gliede angefangenen unreinen Kohlenstoffformationen sind
aus untergegangener, begrabener Pflanzenwelt hervor-
gegangen. Der Anthrazit ist die älteste fossile Kohlenart
und beinahe reiner Kohlenstoff. Ihrem Alter nach etwas
jünger als der Anthrazit sind die Steinkohlen, jedoch noch
älter als die Braunkohlen und sind daher in ihrer Zersetzung
weiter vorgesehritten als die Braunkohleu. Der jüngsten
Periode gehört der Torf an. Besonders letzterer zeigt noch
sehr deutlich seine pflanzliche Abkunft durch die Holz-
strukturen an.
Der Kohlenstoff verbrennt bei Luftmangel zu einer un-
gesättigten Verbindung, dem giftigen und brennbaren Kohlen-
oxydgas CO, bei genügendem Luftzutritt zu dem nicht
brennbaren Kohlendioxyd, Kohlensäureanhydrid CO,. Das-
selbe ist zum Atmen untauglich und höchstens bis zu 0,30%,
ein normaler Bestandteil der Luft. Mit dem Wasserstoff ver-
mag sich der Kohlenstoff nieht unmittelbar zu verbinden.
Die riesig zahlreichen Kohlenwasserstoffverbindungen der
Fettsäurereihe und der aromatischen Reihe gehören der
organischen Chemie an und können wegen ihres allzu-
grolsen Umfanges hier nieht besprochen werden, da sie zu
weit führen und deshalb nieht in den Rahmen dieser Auf-
gabe passen würden. Der Kohlenstoff verbindet sich mit
dem Schwefel zu Schwefelkohlenstoff CS), einer als das
Wasser spezifisch schwereren, farblosen, stark liehtbrechenden
und äulserst brennbaren, flüchtigen und giftigen Flüssigkeit,
mit dem Geruch nach faulem Kohl.
Auf unserer Erde kommt der Kohlenstoff in an-
organischen Verbindungen am häufigsten als kohlensaures
Caleinm mit den Namen Kalkstein, Marmor, Kreide, Kalk-
und Doppelspath und als kohlensaures Magnesium mit der
Bezeichnung Magnesit und als Dolomit vor, welch’ letzterer
aus Caleium- und Magnesiumkarbonat besteht. Die mächtigen
Lager von kohlensaurem Caleium und Magnesium bilden
sogar riesige Gebirgsmassen. Es möge nur an die Dolomiten
der Alpen erinnert werden.
Nachdem man mit dem in der Natur in freiem Zustande
und dem in Verbindungen vorkommenden Kohlenstoff etwas
256 OTTO STREICHER, - [4]
bekannt geworden ist, kann man nun zu dem Kern der
Aufgabe, dem Kreislauf des Kohlenstoffs in der Natur über-
gehen und mit der grünenden Pflanze anfangen, welche,
wie man sehen wird, die Kohlensäure der Luft in ihre
Komponenten, in Kohlenstoff und Sauerstoff, zerlegt und
jenen in sich aufnimmt und verarbeitet und diesen, den
Sauerstoff, abgibt.
Nieht erst die chemische Analyse braucht zu beweisen,
dals die Pflanze, wie oben schon darauf hingewiesen,
wirklich Kohlenstoff, wenn auch in versteekter Form ent-
hält. Jedes glimmende Streichholz z. B. zeigt durch seine
Verkohlung den Gehalt an diesem Stoffe an. Der Kohlen-
stoff ist in der pflanzlichen Substanz nieht nur gleichmälsig
verteilt, sondern er macht sogar, wie genaue Wägungen
ergeben haben, etwa die Hälfte des Trockengewichts einer
Pflanze aus.
Die früher angenommene sog. Humustheorie, dafs der
kohlenstoffreiche Humus des Bodens die Kohlenstoffquelle
für die Pflanze sei, dafs der Kohlenstoff also ganz wie die
übrigen Nährstoffe, das Wasser mit den darin gelösten
Salzen, durch die Wurzeln aufgenommen werde, beherrschte
lange Zeit bis in das Ende des vergangenen Jahrhunderts
die Botanik und die Landwirtschaft. Pflanzen, welehe in
humusfreiem Sande oder gar in der Wasserkultur kräftig
wachsen und dabei ihre Trockensubstanz und demgemäls
ihren Kohlenstoff mehren, beweisen jedoch klar, dals diese
Humustheorie falsch war, dafs der Kohlenstoff der Pflanze
anders woher kommen muls. Der Kohlenstoff des Humus
stammt nämlich aus Pflanzenresten, deren Verwesung bei
unvollständiger Oxydation vor sich gegangen ist. Die Ent-
deekung, dafs der Kohlenstoff der Pflanze der Kohlensäure
der Luft entnommen und durch die grünen Blätter gewonnen
und in Kohlehydrate übergeführt wird, knüpft sieh vor-
nehmlich an die Namen InGENnHouss, JuL. SacHs und andere;
sie fällt in ihren Anfängen, wie oben schon gesagt, in das
Ende des verflossenen Jahrhunderts. Diese Entdeckung ist
eine der bedeutsamsten naturwissenschaftlichen Leistungen,
denn es war gewils nicht leicht, den unsichtbaren Gas-
austausch in der Luft als den wichtigsten Ernährungsvorgang
[5] Der Kreislauf des Kohlenstoffs in der Natur. 257
der Pflanze aufzufinden, und es gehörte der Mut einer festen
Überzeugung dazu, die Tausende von Zentnern Kohlenstoff,
welche ein Walddistrikt in sich aufhäuft, aus dem prozentisch
äufserst geringen Kohlensäuregehalt der Atmosphäre (0,033
bis 0,30°/,) herzuleiten.
Nieht alle Pflanzen und nicht alle Teile einer Pflanze
sind aber im Stande, der Kohlensäure der Luft den Kohlen-
stoff zu entreilsen. Nur die durch Chlorophyll grün ge-
färbten Organe einer Pflanze sind zu dieser Tätigkeit
befähigt, denn die Chloropbylikörper der Blätter und der
grünen Stengelteile selbst sind die Laboratorien, in denen
sich dieser für die gesamte Lebewelt wichtigste chemische
Prozefs ausschliefslich abspielt. Aus diesen Laboratorien
stammt der gesamte Kohlenstoff, weleher die organische
Substanz aller Lebewesen, aller Pflanzen wie aller Tiere,
zusammensetzt. Kein Tier ist im Stande, das wichtigste
Element seiner Körpersubstanz aus anorganischer Quelle zu
gewinnen, es kann dasselbe nur in organischer Substanz
aufnehmen, die in Pflanzen erzeugt worden ist.‘ Aber auch
alle chlorophyllfreien Pflanzen, wie Pilze und vereinzelte
höhere Schmarotzergewächse, sind bei ihrer Ernährung auf
die fertige organische Substanz angewiesen, die von Chloro-
phylikörpern ihren Ausgang nahm. Die cehlorophylilfreien
Teile grüner Pflanzen wie z. B. die Wurzeln, sind in ihrer
Ernährung von den grünen Pflanzenteilen abhängig, wie in
den grünen Zellen selbst das farblose Protoplasma von der
Tätigkeit der Chlorophylikörner. Die Wurzeln nehmen also
nicht die zur Ernährung einer Pflanze notwendige organische
Substanz auf, sondern nur Wasser und die darin gelösten
Salze.
Die Gewinnung des Kohlenstoffes aus der Kohlensäure
und seine Überführung in organische Substanz hat man
schlechthin als die Assimilation der Pflanzen bezeichnet.
Im weiteren Sinne, und besonders für das Tierreich, wird
zwar das Wort Assimilation von allen Ernährungsprozessen
gebraucht, bei denen eine Umbildung der gebotenen Nähr-
stoffe in die Körpersubstanz der Organismen stattfindet.
Es hat sich aber in der Botanik die Gewohnheit heraus-
gebildet, dals unter „Assimilation“ speziell die Kohlenstoff-
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.$S. Bd.82. 1910. 17
258 OTTO STREICHER, [6]
assimilation der Chlorophylikörper gemeint ist. Durch diese
vollzieht sich jedenfalls der wiehtigste Schritt aller weiteren
sog. „Assimilationsvorgänge“, die sich auf dieser ersten
Grundlage nur nachträglich fortzusetzen vermögen.
Sehr bemerkenswert ist es aber, dafs die Chlorophylil-
körper nur mit Hülfe von Liehtschwingungen aus Kohlen-
säure und Wasser organische Substanz bereiten können.
Im Dunkeln assimiliert der Chlorophyllapparat nicht, auch
wenn sonst alle Bedingungen für eine rege Assimilation
vorhanden sind. Mit eintretender Beleuchtung, die aus
künstlichen Liehtquellen ebenso wie aus kosmischen Quellen
stammen kann, beginnt dann erst die Assimilation und steigt
in gewissen Grenzen proportional mit der Intensität der
wirksamen Strahlen. Zum Betrieb der Assimilationstätigkeit
sind aber durchaus nicht alle Ätherschwingungen, die sich
unserem Auge als Lieht bemerkbar machen, gleich befähigt.
Wie die Strahlen von verschiedener Wellenlänge, welche das
uns weils erscheinende Mischlieht zusammensetzen, sowohl
auf unser Auge als auch auf die photographischen Zer-
setzungen verschieden einwirken, so beeinflussen sie auch
die Assimilation in ganz verschiedenem Malse. Man könnte
vermuten, dals die sog. chemisch-wirksamen Strahlen, also
die blauen und violetten, welche vornehmlich die Zersetzung -
der Silbersalze und anderer chemischer Verbindungen be-
wirken, auch bei den Umsetzungen im Chlorophylikorn die
wirksamen seien. Es hat sich aber gerade das Gegenteil
herausgestellt. Die stark breehbaren „chemischen“ Strahlen
sind bei der Assimilation viel schwächer beteiligt als die
roten, orangen und gelben Strahlen. Der sog. leuchtende
Teil des Spektrums, also die roten, orangen und gelben
Liehtstrahlen, sind für die Assimilation am wirksamsten.
Bei derselben wird die Kohlensäure der Luft zerlegt, indem
der Kohlenstoff derselben unter Abgabe von Sauerstoff mit
Hülfe des durch die Wurzeln aufgenommenen Wassers in
Kohlehydrate, welehe nur aus Kohlenstoff, Sauerstoff und
Wasserstoff bestehen und zwar die beiden zuletzt genannten
Elemente im Verhältnis der Zusammensetzung von Wasser,
übergeführt wird. Dieser Vorgang wird so erklärt, dals als
erstes Produkt der Assimilation aus Kohlensäureanhydrid
[7] Der Kreislauf des Kohlenstoffs in der Natur. 259
CO, und Wasser, also unter Abgabe von Sauerstoff Formal-
dehyd HCHO gebildet wird. Dasselbe polemisiert sich
dann zu Traubenzucker O0,H,s0;. Durch Einwirkung von
Kaliumnitrat auf letzteren entsteht Amidobernsteinsäureamid
CONB,
GENE op
Asparagin genannt, Wasser und Sauerstoff und als häufigstes
Nebenprodukt Oxalsäure in Verbindung von Kali als Kalium-
oxalat. Diese Prozesse können in folgenden Formeln zum
Ausdruck gebracht werden:
CO, + H,0= HCHO-+O0.
Kohlensäureanhydrid + Wasser — Formaldehyd + Sauerstoff
6HCHO = (,H120;
Formaldehyd Traubenzucker
C,H O; 4 2AKNO; = C,H;,N, O; + 0, O,K, + 6H, (0) + (0)
Traubenzucker + Kaliumnitrat — Asparagin + Kaliumoxalat + Wasser
+ Sauerstoff
Da die Oxalsäure als freie Säure wie auch als lösliches
Kaliumsalz auf sehr viele Pflanzen giftig wirkt, setzt letzteres
sich mit vorhandenen Kalksalzen um und scheidet sich als
sehr schwer lösliches und deshalb unschädliches Caleium-
oxalat in sog. Idioblasten aus. Der bedeutende Pflanzen-
physiologe PFEFFER in Leipzig nimmt nämlich das Asparagin
als einen Vorläufer der Eiweilsbildung an. Ihrer elementarer
Zusammensetzung nach bestehen die Eiweilskörper aus
Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und
häufig Phosphor. Das Eiweils entsteht nur in dem pflanz-
lichen Organismus und wird den Menschen und Tieren fertig '
gebildet durch die Nahrung zugeführt.
Bei der Assimilation des Kohlenstoffes wird eine an-
sehnliche chemische Arbeit geleistet und von den dadurch
geschaffenen Spannkräften werden vornehmlich die Lebens-
vorgänge der Organismen unterhalten. Auch die durch
unsere Dampfmaschine erzeugten und zu den mannig-
faltigsten Arbeitsleistungen verwandten Kräfte sind auf die
17*
260 OTTO: STREICHER, [8]
Assimilationsarbeit jener Pflanzen zurückzuführen, deren
verkohlte Reste unter dem Maschinenkessel verbrennen. Denn
beim Verbrennen der reduzierten Kohlenstoffverbindungen
zu Kohlensäure wird jene Arbeitsleistung wieder frei, welche
umgekehrt nötig war, die Kohlensäure der Luft in jene
Brennstoffe überzuführen. Der Kohlenstoff unternimmt also
in der Natur eine Wanderung, die zu einem Kreislauf wird,
indem die grünen Teile einer Pflanze, wie eingehend be-
sproehen worden ist, den Kohlenstoff der in der Luft ent-
haltenden Kohlensäure assimiliert und dann die Pflanze
beim Verbrennen oder bei der Verwesung, was ja nur eine
langsame Verbrennung ist, den Kohlenstoff in Verbindung
von Sauerstoff der Luft als Kohlensäureanhydrid wieder
abgibt.
Nur nebenbei sei bemerkt, dafs ein ganz verschwindend
kleiner Teil des durch die Assimilation freigewordenen
Sauerstoffs von den Pflanzen zur Atmung wieder aufgebraucht
wird, wenn auch alle Teile einer Pflanze Tag und Nacht
atmen.
Durch die überaus starke Assimilation des Kohlenstoffes
aber bei den zahllosen hier in Betracht kommenden Pflanzen
würde die Luft sehr bald frei von Kohlensäure und reich
an Sauerstoff werden, wenn nieht die Menschen und das
Tierreich hierin einen Ausgleich schafften. Alle lebenden
Wesen auf unserer Erdkugel atmen nämlich, indem sie
Sauerstoff zur Oxydation zurückbehalten und, was besonders
hervorgehoben werden soll und mu/s, Kohlensäureanhydrid
CO,, dessen Kohlenstoff von der grünen Pflanze unter gc-
wissen Bedingungen wieder assimiliert wird, ausatmen.
Dieses ausgeatmete Kohlensäureanhydrid CO, ist sowohl
ein Teil der eingeatmeten Luft als auch insbesondere der
zu Kohlensäureanhydrid oxydierte Teil des Kohlenstoffes
der aufgenommenen Nahrung. Nachdem letztere verarbeitet,
ausgesogen und die guten Bestandteile der Nahrung vom
menschlichen ‘bezw. tierischen Körper zum Aufbau oder
Erhaltung desselben verwendet worden sind, werden die
schlechten und unbrauchbaren als Faeces abgegeben und
verwesen und verfaulen, wobei infolge der langsamen
Oxydation Kohlensäureanhydrid entsteht. Jeder organische
[9] Der Kreislauf des Kohlenstoffs in der Natur. 261
Körper ist nach einer gewissen Zeit der Notwendigkeit
unterworfen, dafs er sich zersetzt, indem er entweder
verbrennt oder verwest oder verfault, wobei als Endprodukt
stets immer wieder Kohlensäureanhydrid (CO, gebildet wird.
So wird also das von den Pflanzen zerlegte und ver-
arbeitete Kohlensäureanhydrid in der Luft wieder ergänzt
und auf das riehtige Mals gebracht. Demnach ist ein Kreis-
lauf des Kohlenstoffes unverkennbar. Die lebenden Wesen
sind nicht im Stande den Kohlenstoff so herzurichten, dafs
letzterer ihnen selbst gleieh zur Nahrung dienen kann.
Vielmehr muls er erst von den grünen Pflanzen verarbeitet
und gewonnen werden. Danach erst wird er von den
lebenden Wesen als Nahrung teils als Kohlehydrate teils
als Eiweils aufgenommen. Der von den lebenden Wesen
in sich angehäufte Kohlenstoff wird nach dem Absterben
derselben durch Verwesung, wie oben schon darauf hin-
gewiesen, als Kohlensäureanhydrid CO, wieder frei, das
dann von den grünen Pflanzen wieder zerlegt wird, und
aus dem der Kohlenstoff von denselben schliefslich wieder
assimiliert wird.
Aus obigen Ausführungen geht nun hervor, dafs der
Kohlenstoff auf unserem Planeten im Haushalte der Natur
eine Wanderung unternimmt und einen Kreis beschreibt,
wobei er verschiedene Stadien zu durchlaufen hat und
hierbei die Menschen und das Tierreich einerseits und das
Pflanzenreich andererseits Glieder des geschlossenen Ringes
bilden. Die dem Kohlenstoff zugefallene äulserst wichtige
Rolle auf unserer Erdkugel ist also nicht zu verkennen.
Weiter geht aus Obigem hervor, dafs die Menschen und das
Tierreich ohne das Pflanzenreich nieht existieren können,
und umgekehrt das Pflanzenreich zu seinem Dasein die
Menschen und das Tierreich wiederum bedürfen. So stehen
also die lebenden Wesen zu dem Pflanzenreich in einer
merkwürdigen Beziehung und treten miteinander in eine
vorteilhafte Lebensgemeinschaft, welche man als Symbiose
bezeichnen kann.
Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora
von Burg
von
Dr. Walther Wangerin
Da ich infolge meiner am 1. April 1910 erfolgten
Übersiedelung nach Königsbesg i. Pr. keine Gelegenheit
mehr finden werde, die von mir begonnene systematische
Durehforschung der Flora von Burg zu Ende zu führen, so
will ich im Folgenden wenigstens noch diejenigen meiner
bisherigen Ergebnisse, die ich in meiner vorigen Arbeit!)
nieht berücksiehtigt habe, zusammenstellen als weiteres
Material für eine etwaige künftige Flora des nordöstlichen
Teiles der Provinz Sachsen. In der Anordnung der Arten
halte ich mich wieder an die letzte Auflage der GARCKE-
schen Flora, allen Ortsangaben sind in zweifelhaften Fällen
wieder die Melstischblätter zugrunde gelegt. '
Stratiotes aloides L. In einem Sumpf unterhalb der Sand-
berge bei Ihleburg, bestandbildend.
Scirpus maritimus L. Im Rohrsumpf (Seirpus lacuster als
Hauptleitpflanze) an der Potstrine bei Gerwisch in
kleinen Beständen.
Eriophorum vaginatum L. Torfmoor am Rande der Kähnert-
schen Forst (bei Grabow).
Oladium Mariscus R. Br. In den nassen Teilen des Lause-
bruches, zwischen Phragmites communis, ziemlich zahl-
reich.
1) Zeitschrift für Naturwissenschaften, Bd. LXXXI, Heft 4 (1909),
S. 272 — 276.
[2] Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora von Burg. 263
Rhynchospora alba Vahl. In nassen Torflöchern des Torf-
moores am Rande der Kähnertschen Forst, ziemlich
zahlreich.
Carex Oederi Ehrh. Moorige Fläche am Waldrand rechts
vom Wege von Theessen nach Tuchheim, sparsam.
Carex supina Wahlenberg. Am Weinberg zwischen Hohen-
warthe und Lostau (gesammelt von P. LEEKE).
Juncus obtusiflorus Ehrh. Im Lausebruch, in grofser Menge
und teils allein, teils mit Phragmites cummunis im
Torfsumpf wie auch im Sphagnetum bestandbildend.
Juncus supinus Moench. Sumpfige Niederung rechts von
der Berliner Chaussee hinter Hohenseeden, sparsam.
Anthericus ramosus L. Im Kiefernwald der Grabower Forst,
rechts vom Wege von Forsthaus Grabow nach Pietzpuhl,
ganz vereinzelt.
Ornithogalum umbellatum L. Wiesen diesseits des Ihle-
Kanals rechts von der Blumenthaler Chaussee, an einer
Stelle in grofser Menge; am Deichwall vereinzelt.
Allium acutangulum Schrader. An der Potstrine bei Ger-
wisch und von da auf feuchten Wiesen bis nach Lostau
hin in grolser Menge.
Allium Scorodoprasum L. Gebüschränder am Deichwall,
zahlreich.
Allium oleraceum L. Sandige Heide zwischen Gerwisch
und der Potstrine, ziemlich zahlreich.
Liparis Loeselii Rich. Blühte im Juni 1909 im Hungrigen
Wolf bei Bahnhof Möser, dem einzigen bisher aus der
Gegend bekannten Standort, zahlreich; aulserdem
sparsam im Torfsumpf des Lausebruches.
Listera ovata R. Br. Erlenbrüche im Bürgerholz, zerstreut.
Orchis incarnata L. Im Hungrigen Wolf, sparsam ; sumpfige
Wiese beim Brehm, ganz vereinzelt.
Orchis Traunsteineri Saut. Torfmoor am Rande der Kähneırt-
schen Forst; einer der bemerkenswertesten und inter-
essantesten Funde!
264 WALTHER WANGERIN, [3]
Polygonum Bistorta L. Auf Wiesen bei Brandenstein,
zahlreich.
Illecebrum werticillatum L. Auf einem sandigen Acker
zwischen der Grabower und der Kähnertschen Forst,
wie gesät.
Ranunculus divaricatus Wimmer. In einem Teieh der so-
genannten „Sieben Seen* im Külzauer Forst bei der
Rothen Mühle.
Ranmeulus Lingua L. Rohrsumpf unterhalb der Sandhügel
bei Ihleburg; bruchiger Wald beim Bahnhof Güsen; im
Torfkanal bei Karow im Fiener Bruch.
Thalietrum flavum L. Feuchte Wiesen an der Hedwigs-
brücke.
Turritis glabra L. Grasiger Damm des Karower Haupt-
kanals im Fiener Bruch, sparsam.
Arabis hirsuta Seop. Wie vorige, sparsam.
Drosera rotundifolia L. Im Sphagnetum des Lausebruches,
in üppiger Entwicklung; Torfmoor am Rande der
Kähnertschen Forst sowie besonders auf torfigen Wiesen
in der Nachbarschaft desselben in Sphagnum-Polstern.
Drosera intermedia Hayne. Torfmoor am Rande der Kähnert-
schen Forst, in nassen Torflöchern ziemlieh zahlreich.
Chrysosplenium alternifolium L. Erlenbrüche des Bürger-
holzes hinter dem Forsthaus; sumpfige Gräben am Rand
der Wiesen von der Hedwigsbrücke bis zum Brehm,
sehr zahlreich.
kibes nigrum L. Als Unterholz in den Erlenbrüchen des
Bürgerholzes, ziemlich zerstreut.
Ulmaria Filipendula J. Hill. Wiesen am Deichwall; Wiesen
bei der Hedwigsbrücke.
Genista tinctoria L. Am Deichwall, zahlreich.
Medicago falcata L. Kirehhofsmauer in Grabow; sonniger
Abhang bei Hohenseeden.
[4] Weitere Beiträge zur Keuntnis der Flora von Burg. 265
Trifolium fragiferum L. Trockene Stellen der Wiesen
zwischen der Stadt und der Hedwigsbrücke (Nacht-
weide), auf salzfreiem Boden.
Coronilla varia L. Am Deiehwall; Waldränder und Weg-
böschungen an der Berliner Chaussee hinter Hohen-
seeden.
Lathyrus platyphyllos Retz. Im Gebüsch an einem Ausstich
am Deichwall.
Lathyrus paluster L. Feuchte Wiesen im Lausebruch,
sparsam.
Polygala comosa Schkuhr. Sumpfige Wiesen zwischen Hohen-
seeden und Güsen.
Euphorbia palustris L. In Ausstichen am Deichwall.
Acer campestre L. In Erlenbrüchen des Bürgerholzes als
Unterholz zerstreut und sparsam; am Deichwall in
Menge, sowohl strauchförmig in Hecken und Gebüschen
wie auch in stattliehen baumförmigen Exemplaren.
Hypericum quadrangulum L. Wiesengräben der Nachtweide,
sparsam.
Helianthemum Chamaecistus Mill. Sonnige Kiefernschonung
zwischen Brandenstein und Krüssau.
Hippuris vulgaris L. In einem wassererfüllten alten Torf-
stich des Fiener Bruches zwischen Ziesar und Karow.
Peucedanum palustre Mnch. Wiesen an der Hedwigsbrücke;
Wiesen und Gräben beim Torfmoor am Rande der
Kähnertsehen Forst.
Vaceinium Oxycoccos L. Torfmoor am Rande der Kähnert-
schen Forst, in Sphagnum-Polstern sparsam.
Erica Tetralix L. Torfmoor am Rande der Kähnertschen
Forst, wie gesät; im Sphagnetum des Lausebruches,
zahlreich.
Menyanthes trifoliata L. Sumpfige, torfige Wiesen beim
Brehm; alte Torfstiehe bei Reesen; sumpfige Wiesen
bei Brandenstein; überall gesellig, aber meist nur
sparsam blühend.
266 WALTHER WANGERIN, [5]
Gentiana Pneumonanthe L. Sumpfige Niederung zwischen
Burg und Pietzpuhl; Lausebruch.
Stachys recta L. Sandhügel bei Ihleburg; sandiger Abhang
beim Vorwerk Hollandshof unweit Karow.
Gratiola officinalis L. Lehmige ausgetrocknete Gräben und
Niederungen am Deichwall, gesellig.
Linaria arvensis Desf. Sandige Äcker an der Blumenthaler
Chaussee, kurz vor dem Deichwall, vereinzelt.
Veronica spicata L. Sonniger Abhang am Lausebruch, nicht
zahlreich.
Pedicularis palustris L. Sumpfige Wiesen beim Brehm, wie
gesät, und von dort, jedoch sparsamer, bis zu den
alten Torfstichen bei Reesen; moorige Niederung am
Waldrand rechts vom Wege von Theessen nach
Tuchheim.
Melampyrum nemorosum L. Im Bürgerholz an lichten,
sonnigen Rändern hinter dem Forsthaus, zahlreich.
Plantago arenaria W. u. K. Wegränder im Gebiet der
Sandhügel bei Ihleburg, zahlreich.
Galium boreale L. Wiesen und Gebüsche bei der Hedwigs-
brücke.
Adoxa Moschatellina L. Im Bürgerholz im Laubwald am
Rand der Erlenbrüche, besonders in der Umgebung
älterer Baumstämme, gesellig; unter alten Bäumen beim
Forsthaus Grabow, desgl.
Scabiosa canescens W.u.K. Sonniger, von Calluna vulgaris
bedeckter Abhang beim Bahnhof Möser.
Bryonia alba L. In Hecken dicht bei der Stadt am Wege
nach der Holländer-Windmühle.
Senecio paludosus L. Bruchige Waldliehtung beim Bahnhof
Güsen.
Inula salicina L. Am Deichwall.
Ohondrilla juncea L. Sandhügel und sandige Triften bei
Ihleburg.
[6] Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora von Burg. 267
Den vorstehenden Standortsangaben für weniger ver-
breitete resp. seltene Pflanzenarten der Flora von Burg mögen
noch einige auf diese Gegend sich beziehende Hinweise zur
Frage des Naturdenkmälerschutzes beigefügt werden.
In forstbotanischer Hinsicht bietet die Gegend, so weit
ich es wenigstens nach meiner Kenntnis derselben zu be-
urteilen vermag, nur wenig; weder nehmen an der Zu-
sammensetzung der Wälder besonders bemerkenswerte Arten
von Holzgewächsen teil, auf die das Augenmerk zu richten
wäre, noch sind mir besonders ausgezeichnete Waldbestände,
die ungestört in ihrem heutigen Zustande zu erhalten
wünschenswert wäre, bekannt geworden. Auch von hervor-
ragenden Baumgestalten könnte ich nur die sogenannte
„Grofse Buche“ im Bürgerholz hinter dem Forsthaus nennen,
die sich allerdings durch einen recht beträchtlichen Stamm-
durehmesser und schöne Krone auszeichnet; sonst wären
etwa noch die beiden Linden (Tika parvifolia) zu nennen,
die unmittelbar vor der Försterei Pabsdorf stehen und unter
den mir bekannten nach Stärke des Stammes, Höhe und
Bildung der Krone die schönsten und stattliehsten sind;
ebenda stehen auch mehrere schöne alte Eichen. |
Anders dagegen liegen die Verhältnisse, wenn man für
den Schutz der Naturdenkmäler nicht blo(s das Material ins
Auge falst, das im allgemeinen in den forstbotanischen
Merkbüchern zusammengestellt wird, sondern wenn man,
worauf das Bestreben sich in neuerer Zeit vielerorts richtet,
weiter geht und den Begriff- „Naturdenkmal“ in seinem
eigentlichen umfassenden Sinne erfalst. Dann kommen in
botanischer Hinsicht in erster Linie bemerkenswerte Pflanzen-
bestände sowie Standorte von besonders seltenen oder aus-
gezeichneten Pflanzenarten in Betracht. Von ersteren sind
für unsere hiesige Gegend hauptsächlich die Moore von
Bedeutung, zumal diese auch infolge der immer intensiver
betriebenen Melioration als mit am meisten gefährdet an-
gesehen werden müssen. Zweifellos muls es aber, so er-
freulich an sich es auch ist, wenn früher öde und unfrucht-
bare, unzugängliche Gelände der Landwirtschaft erschlossen
wird, doch als dringend wünschenswert bezeichnet werden,
dafs diese Ausdehnung der Kultur nicht zu einem völligen
268 WALTHER WANGERIN, [7]
Verschwinden der Moore führen möchte, eine Gefahr, die
leider in vielen Gegenden Deutschlands besteht. Denn man
muls daran denken, dals die Sümpfe und Moore in älterer,
auch noch in historischer Zeit gerade im norddeutschen
Flachlande eine sehr bedeutende Rolle im Landschaftsbild
spielten, und dafs gerade die Moore eine sehr bezeichnende
Pflanzenwelt beherbergen, so manche seltene und pflanzen-
geographisch bemerkenswerte Art, die nur auf dem kalten,
nassen Moorboden sich bis auf unsere Zeit lebend erhalten
hat und noch Zeugnis ablegt von Vorgängen, die sich bei
der postglazialen Entwieklung unserer heiniischen Flora und
Pflanzendecke abgespielt haben. Von gröfseren Moor-
bildungen aus der hiesigen Gegend ist vor allem das
Fiener Bruch zu nennen. Dieses ausgedehnte Gebiet, das
sich bei einer durchschnittlichen Breite von 3—5 km auf
eine Länge von annähernd 18 km erstreckt, war in früherer
Zeit seiner ganzen Ansdehnung nach von Moorbildungen
erfüllt; doch ist jetzt bereits der weitaus gröfsere Teil
durch ein weit verzweigtes Netz von Gräben entwässert
und in Wiesen-, teilweise auch in Ackerland umgewandelt;
nur im östlichen Teil des Fiener Bruches, etwa zwischen
den Ortschaften Ziesar und Karow, hat die Moorlandschaft
noch ihren ursprünglichen Charakter bewahrt, so weit nicht
dureh die stellenweise lebhaft betriebene Torfstecherei auch
hier die natürlichen Verhältnisse modifiziert bezw. gar zer-
stört worden sind. Eine Wanderung durch diesen Teil des
Fiener Bruches, wie ich sie im Juni vorigen Jahres aus-
geführt habe, bietet einen ganz eigenartigen Reiz; 2 km
nördlich von Ziesar betritt man beim Fienerhof zuerst das
Gelände des „Fiener“, wie in der Gegend das Gebiet
kurzweg genannt wird; zuerst sind es nur mehr oder
weniger sumpfige Wiesen, die zu beiden Seiten den Weg
begleiten, dann trifft man bald auf die ersten Torfstiche,
die teils schon wieder zugewachsen, teils noch von dunklem
Moorwassez, erfüllt sind, und allmählich wandelt sich der
Charakter der Landschaft immer mehr: an Stelle der
sumpfigen Wiesen, auf denen zuletzt Arten wie Egquisetum
palustre u. dgl. neben Carex-Arten tonangebend wurden,
treten vielfach Schilfdiekichte, die den schmalen Weg zu
[8] Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora von Burg. 269
beiden Seiten umsäumen und die schon um diese Jahreszeit
den Wanderer überragen,; dann wieder wechselt mit dem
Phragmitetum ein Bestand von Equwisetum limosum, ab, der
einen freieren Blick über das ausgedehnte Moorgelände ge-
stattet, oder es sind grolse Flächen bedeckende Weiden-
gebüsche oder Bestände von Carex paniculata, die den
Bliek gefangen nehmen. Da diese erste Exkursion in das
Fiener Bruch, die leider auch meine letzte bleiben sollte,
nur einer vorläufigen Information dienen sollte, so kam ich
nicht dazu, genauere Bestandesaufnahmen der verschiedenen
Formationstypen zu machen, unter denen ich übrigens
eigentliche Hochmoorbildungen (Sphagneten) vermilst habe,
ohne aber deshalb behaupten zu wollen, dafs solehe in dem
weit ausgedehnten Gelände, von dem ich immerhin nur
einen relativ geringen Teil aus eigener Anschauung kennen
gelernt habe, überhaupt nieht vorkämen. Auch kann ich
zur Zeit keine detaillierten Angaben darüber machen, ob
dieser Teil des Fiener Bruches Pflanzenarten von besonderer
Bedeutung oder Seltenheit beherbergt; sind mir selbst auch
solehe trotz manches interessanten Fundes nicht aufgestolsen,
so glaube ich doch mit Recht annehmen zu dürfen, dals
auch in floristischer Hinsicht das Gelände manches Wert-
volle bieten dürfte. Aber wie sich das auch verhalten mag,
Jedenfalls muls ich es wegen des eigenartigen Landschafts-
eharakterss und der interessanten Formationsbildung als
dringend wünschenswert bezeichnen, dals von berufener
Seite dafür gesorgt werden möchte, dals dieser Teil des
Fiener Bruches oder doch wenigstens eine grölsere Fläche
desselben in seiner jetzigen Gestalt erhalten bleiben möchte.
Moorflächen, die sich an Ausdehnung auch nur annähernd
mit dem Fiener Bruch messen könnten, bietet die hiesige
Gegend sonst nieht mehr; wohl aber finden sich in nicht
geringer Zahl kleinere Moorbildungen, die wohl geeignet
sind das Interesse des Botanikers auf sich zu ziehen. Zu
diesen rechne ich in erster Linie den „Hungrigen Wolf“
beim Bahnhof Möser. Auch dieser besals in früherer Zeit
eine grölsere Ausdehnung als gegenwärtig; dureh die An-
lage der gegenwärtigen Eisenbahnstreeke Magdeburg— Burg
wurde er in zwei Teile zerschnitten, von denen nur der
270 WALTHER WANGERIN, [9]
grölsere westliche den ursprünglichen Formationscharakter
wenigstens der Hauptsache noch bewahrt hat; doch ist auch
dieser möglicherweise durch die in Ausführung begriffene
Erweiterung des Bahnhofs Möser gefährdet, wenigstens
machte ich die Wahrnehmung, dafs an einer Stelle vom
Rande her grölsere Erdmassen im Sumpfe zur Aufsehüttung
gelangten. Der Hungrige Wolf ist in erster Linie als
Standort seltener Pflanzenarten von Bedeutung; unter diesen
wieder verdient das Glanzkraut (Liparis Loeselü), das in
vielen Gegenden Deutschlands schon völlig vernichtet worden
ist durch Trockenlegung der Sümpfe und Moore, an erster
Stelle Erwähnung; genannt seien ferner noch Carex pulicaris,
O©. diandra, Erica Tetralix, Cladium Mariscus, Drosera
rotundifola, Utrieularia vulgaris, Epipactis palustris, Juncus
obtusiflorus und Gentiana Pneumonanthe Aber auch als
Pflanzenformation bietet der Hungrige Wolf mancherlei
Interessantes. Zum gröfsten Teil ist es ein Torfsumpf, der
von Phragmites communis und Carex-Arten ausgefüllt wird;
zwischen dem Schilf findet sich in grofser Menge als
Charakterpflanze das schon genannte Oladium Mariscus, im
Hoehsommer tritt ferner Juncus obtusiflorus in ungeheurer
Menge teils allein bestandbildend, teils zwischen dem Schilf
auf. Im torfigen Wasser schwimmt am Rande Utrieularia
vulgaris mit weithin leuchtenden gelben Blüten. In den
troekneren, mehr heideartigen Teilen ist Carex pulicaris als
Leitpflanze zu nennen; daneben treten auf Molinia coerulea,
Eriophorum angustifolium, Potentilla Tormentilla, Salıx
repens, Carex stellulata u. a.m.; hier ist, nach dem Rande
des Sumpfes zu, auf moosigen, feuchten Carex-Bulten auch
der eigentliche Standort von Liparis Loeselii, die ich im
vorigen Juni reichlich blühend fand. Am Rande endlich
finden sich, allerdings nur in ziemlich geringer Ausdehnung,
Sphagnum-Polster mit reichlicher Drosera rotundifolia. Da
der Hungrige Wolf zur königl. Forst Detershagen gehört,
so dürften Malsregeln zu seiner Erhaltung keine grolsen
Schwierigkeiten verursachen.
Eine dem Hungrigen Wolf überaus ähnliche Formation
fand ich im sogenannten Lausebruch (rechts vom Waldrande
am Fahrweg von Burg nach Hohenwarthe), das, obwohl
[10] Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora von Burg. 271
nahe bei der Stadt gelegen, dennoch merkwürdigerweise
bisher noch nie floristisch untersucht worden zu sein scheint.
Auch hier nimmt die nassesten Teile ein Torfsumpf ein, in
welehem zwischen dem Schilf Oladium Mariseus (für welches
bisher der Hungrige Wolf als einziger Standort galt) reich-
lich gedeiht und am Rande in nassen Bulten auch Liparis
Loeselii vorhanden ist. Auch Juncus obtusiflorus findet sich
in grofser Menge und im Hochsommer bestandbildend. An
den eigentlichen Torfsumpf schliefst sich ein Sphagnetum,
dessen Ausdehnung eine erheblieh grölsere ist als im
Hungrigen Wolf; auch auf diesen Sphagnum-Flächen spielen
Phragmites und Juncus obtusiflorus noch eine ziemliche
Rolle im Vegetationsbild, doch herrschen daneben Erica
tetralix (hier viel zahlreicher als im Hungrigen Wolf) und
Drosera rotundifolia vor. Es sind sonach die für den
Hungrigen Wolf bezeichnenden Arten grölstenteils auch hier
vorhanden; ob auch andere wie Carex pulicaris, ©. teretius-
cula usw. sich finden, muls ich dahingestellt sein lassen, da
ich selbst im Vorjahre erst in zu weit vorgerückter Jahres-
zeit an jene Stellen kam, um das etwaige Vorhandensein
dieser Arten noch konstatieren zu können.
Endlich möchte ich noch das am Rande der Kähnert-
schen Forst (bei Grabow) gelegene Torfmoor namhaft
machen, dessen Erhaltung ebenfalls recht wünschenswert
wäre. Hier hat allem Anschein nach eine Entwässerung
schon einmal stattgefunden; ihr ist es wohl zuzuschreiben,
dafs dieses Torfmoor zum grolsen Teil von einem Bestand
von Calluna vulgaris und vor allem von Erica tetralix ein-
genommen wird, der zur Blütezeit der letzteren, weitaus
dominierenden Art einen unbeschreiblieh reizvollen Anblick
gewährt. Immerhin sind noch nasse Torflöcher vorhanden,
in denen Arhynchospora alba und vor allem Drosera inter-
media (welche im Gegensatz zu der auch vorhandenen D.
rotundifolia das Sphagnum-Polster stets zu meiden scheint)
reichlich gedeihen. Gerade der letzteren Art wegen wäre
eine Erhaltung des fraglichen Geländes dringend zu wünschen,
denn es dürfte dies ihr einziger Standort in der ganzen
Gegend sein; bei Hohenseeden, von wo SCHNEIDER die Art
angibt, habe ich sie trotz genauen Suchens nicht mehr
272 WALTHER WANGERIN, [11]
finden können, das Gelände war auch sichtlich viel zu
troeken; und auch bei Rietzel, von wo sie in dem von
ASCHERSON herausgegebenen Nachtrag zu SCHNEIDERS Flora
angegeben wird, dürfte sie kaum mehr vorhanden sein, da
das am Mittelgraben gelegene moorige Gelände daselbst in
sehr weitgehendem Malse troeken gelegt worden ist. Von
sonstigen bemerkenswerten Hochmoorarten bietet das Torf-
moor am Rande der Kähnertschen Forst noch Vaceinium
oxycoccos und .Eriophorum vaginatum, sowie vor allem
Orchis Traunsteineri, die ich hier in ca. 8—10 Exemplaren
fand und die, so viel mir bekannt, für die ganze Gegend
neu ist.
Was die Frage angeht, ob einzelne seltene Pflanzen-
arten besonders des Schutzes bedürftig sind, so ist diese
für die hiesige Gegend minder aktuell; denn einerseits ist
die Zahl botanisierender Floristen, deren Sammeleifer diese
oder jene Seltenheit gefährden könnte, eine sehr geringe
und sind die Standorte zu zerstreut und die etwa in Betracht
kommenden Arten zu wenig bekannt, als dafs seitens des
grölseren Publikums eine Gefährdung zu befürchten wäre,
andererseits wäre bei diesen Verhältnissen eine wirksame
Durehführung von Schutzmafsregeln auch kaum möglich.
Ich will deshalb mich darauf beschränken, hier nur
eine Pflanzenart namhaft zu machen, das ist der Sumpfporst
(Ledum palustre). Der einzige mir aus eigener Anschauung
bekannte Standort dieser schönen Pflanze liegt nordöstlich
von Crüssau, zwischen dem Fliederbusch und dem so-
genannten Fenn, etwa am Rande der Kiehnlaake. Dort
ist Ledum palustre auf einem trocken gelegten Hochmoor,
sowie insbesondere in lichten, bruchigen Wäldern, die sich
an dieses anschliefsen, zahlreieh vorhanden und stand
Anfang Juni vorigen Jahres, als ich jene Gegend durch-
streifte, gerade in voller Blüte. Nach SCHNEIDER ist die
Art übrigens auch noch weiter östlich in den Forsten um
Magdeburger Forth an mehreren Standorten vorhanden.
Neben den oben ausführlich behandelten Mooren sei
von bemerkenswerten Pflanzenbeständen noch das sogenannte
Fenn bei Crüssau namhaft gemacht; es ist dies eine leicht
hügelige, reichlich 1 qkm grofse Fläche, welche — rings
[12] Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora von Burg. 273
von Kiefernwald umgeben — vollständig von einem fast
reinen Bestand der Calluna vulgaris (neben wenigen dürftigen
Gräsern sah ich nur hier und da noch Genista pilosa ein-
gestreut) bedeckt wird. Da ein Callunetum von ähnlicher
Schönheit und Gröflse sich in der ganzen Gegend nicht
wieder findet, so wäre es wohl wünschenswert, wenn der
Bestand erhalten bliebe und von einer Aufforstung, mit der
am Rande schon begonnen worden ist, abgesehen würde.
Als bemerkenswert und eventuell schutzbedürftig wurden
mir auch die Blauen Berge bei Pietzpuhl namhaft gemacht,
die ich aus eigener Anschauung nicht kenne; hier dürfte
Scorzonera purpurea die bemerkenswerteste Art aus dem
Kreise der dortigen „pontischen Hügelflora“ sein. Jurinea
cyanoides ist ebenfalls eine der bemerkenswerteren Pflanzen-
arten unserer Gegend, doch ist dieselbe an ihren Standorten
(Sandhöhen bei Ihleburg und Rand der Detershagener Forst)
wohl kaum gefährdet. Eher könnte letzteres für Olematis
recta zutreffen, welche nur am Deichwall in einigen wenigen
Gebüschen sich findet. Überhaupt ist der Deichwall Standort
für eine ganze Reihe von bemerkenswerten Pflanzenarten
und sei deshalb dem Schutze ebenfalls empfohlen.
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. $. Bd. 82. 1910. 18
Die
Etymologie der Pteridophytennomenklatur )
Eine Erklärung der wissenschaftlichen,
der deutschen, französischen, englischen und holländischen
Namen der Farnkrautgewächse
von
Dr. med. et phil. Friederich Kanngiesser
Es sollen die Namen der Pteridophyten, soweit sie über
Nordwesteuropa verbreitet, insbesondere in den Gattungs-
bezeichnungen erläutert werden. Einleitend sei eine Er-
klärung des Kollektivbegrifis „Farnkraut“ [der sich im
engeren Sinne nur auf die erste Klasse der Pteridophyten
bezieht] sowohl der klassischen wie volkstümlichen zu-
ständigen Benennungen vorausgeschickt.
gr. ITröoıs (wie aus dem Akkusativ zregıv hervorgeht
ist die Akzentuation zreois falsch) war die allgemeine Be-
zeichnung der Farne bei den Griechen des Altertums. Der
Name ist abzuleiten von xreovs, ateoov: Flügel, wegen
der Form der Blattspreite.
lat. Filix (bei VIRGIL und CoLUMELLA) und filex (bei
Vrrruv). Vielleicht verwandt mit filım Faden, wegen des
faserigen Stengels. Ital. felce; sard. filighe; sie. filiei; span.
falaguer und helecho (das span. h entsprieht oft dem ital. f);
portug. filifolha; rum. ferece (die Liquida ! und r wechseln
häufig, vgl. lat. morus, d. Maulbeere).
d. Farnkraut, Farn, Fahrenkraut, Faren, Farren; ahd.
faram und — mit Abschwächung des m zu n — faran,
ı) Vgl. Kanngiesser, Die Etymologie der Phanerogamen-
nomenklatur. Eine Erklärung der wissenschaftlichen, der deutschen,
französischen, englischen und holländischen Pflanzennamen. Gera 1909.
[2] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 275
farn; diese Formen werden mhd. mit » gesehrieben. Farn-
kraut soll soviel als Faserkraut bedeuten (s. u. Frlix): der
Semivokal s wäre demnach in einen anderen Semivokal,
nämlich », übergegangen. Nach anderer Erklärung ist Farn
verwandt mit skr. parna: Flügel (s. u. rr£gıs). Der Stamm
far entsprieht nach den Gesetzen der Lautverschiebung dem
russ. Stamm por, aus dem unter Reduplikation die russ. Be-
zeichnung für Farnkraut: paporoti, lit. papartis, kroat., serb.,
bulg. und böhm. paprat, wendisch paproschy, slow. kapradına,
ungar. haraszt und poln. paproc hervorgegangen ist. Ver-
gleicht man mit letzterem das dän. Wort bregne für Farn,
so ergibt sich hieraus m. E. die Etymologie der engl. Be-
zeichnung bracken und brake für Grolsfarne als im Ursprung
mit der von e. fern, d. Farn identisch. Ebenso dürfte m. E.
auch das russ. paporoti sich zum gr. zregız verhalten. Im
altgallischen heilst Farn ratis (aus pratis); wir finden diese
Form wieder in breton. raden und ir. raith. — Im d. wird
das Farnkraut auch noch Greinkraut genannt, weil es ins
Haus gebracht Zank und Streit verursache. — Der Name
Irrwurz für Farnkraut nimmt auf den Aberglauben Bezug,
dals jemand, der unversehens über Farnkraut ginge, sich
im Wald verirre. — Johanniskraut: nach dem Aberglauben
blüht der Farn in der Johannisnacht. Über den Geisterspuk
der mit dem Farnkraut getrieben wurde vgl. auch unter
‚botrychium.
f. Fougere aus dem spätlat. filicaria: das ! hat sich
noch erhalten in dem Dialekt der belgischen Provinz Hainault,
wo das Farnkraut fletiere genannt wird. Wallon. fechüre,
namur. fechere, ehamp. feuchiere.
e. Fern, ags. fearn und fern. Im schwed. Dialekt fünne.
Im isl. sowohl burkni als ferne; vgl. hierzu die e. Bezeich-
nung bracken für Grofsfarne und die allgemeine Bezeichnung
fern, ebenso das in dem Absatz über Farnkraut gesagte.
h. Varen, varenkrwid; im h. hat sich das v des mhd.
erhalten.
18*
276 FRIEDERICH KÄNNGIESSER, [3]
Adiantum capillus Veneris von 'THEOPHRAST
VII, 14.1 und von Diıoscoripes IV, 134 als adievrov be-
schrieben. Ableitung von « priv. und dıetvo: benetzen, da
wie THEOPHRAST 1. e. bemerkt, das Kraut (benetzt oder
selbst im Wasser untergetaucht) trocken bleibt. Man nannte
das Kraut auch xaAAirgıyov und zoAvrgıyov [von xaARog:
Schönheit resp. zoAvg: viel und Hoi, Genitiv roryog: Haar],
da es als Haarfärbemittel und gegen das Ausfallen der
Haare benutzt wurde. Nach PrLınıus 22, 30 nehmen diese
Synonyme auf die zarten, feinen Würzelehen Bezug, die
ihrerseits nach der schon im Altertum angewandten Signatur-
lehre die Veranlassung zum Gebrauch der Pflanze als Haar-
mittel gegeben haben mögen. Nach anderer Erklärung hat
es diese Namen, wie die Artbezeichnung capillus Veneris:
Venushaar, dem haarähnlichen Aussehen der Stiele zuzu-
schreiben. Der Neugrieche nennt die Pflanze roAvroixı, der
Italiener nennt sie capelvenere.
d. Frauenfarn. Haarfarn. Frauenzopf. Jungfernhaar.
f. Adiante. Capillaire. Cheveu de Venus. Capillaire
de Montpellier: wächst in Südfrankreich wild.
e. Maidenhair.
h. Haarkruid.
Allosorus von @44oc: der andere und owoog: Haufen.
Die Sporangien sind je nach dem Alter verschieden gestaltet.
d. Rollfarn. Die Fiederblättehen der Fruchtwedel sind
auf der Unterseite eingerollt.
f. Allosore.
e. Rockbracken: Felsenfarn. Parsley fern: Petersilien-
farn, wegen der Ähnlichkeit der krausblättrigen Pflanze mit
der Petersilie.
h. Allosorus.
Aspidium als Pflanzennamen weder im altgr. noch
im lat. bekannt. Ableitung von «oridıov: Schildehen, wegen
der Form der Sporangienschleier. Nach anderer Meinung
von doris: Schlange; ein Extrakt der Pflanze galt als Mittel
gegen den Schlangenbils.
[4] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 277
d. Sehildfarn. Punktfarn: Die Blätter von Aspidium
montanum sind unterseits mit goldgelben Drüsen besetzt.
f. Aspidie. — Polystice von Polystichum: einem Gattungs-
namen mit dem ein grolser Teil der Arten des Geschlechts
Aspidium synonym genannt wird. Ableitung von zoAvg:
viel und oriyos: Reihe; wegen der in Reihen angeordneten
Sporenhäufchen.
e. Shieldfern.
h. Niervaren: der Holländer vergleicht die Form des
Indusium mit einer Niere.
Aspidium fillie mas ist die ar£gıg des DIOSCORIDES
IV, 183. Filix mas: männlicher Farn; wegen der grölseren,
derberen Wedel, im Gegensatz zu Asplenum filix feminina
und Aspidium Thelypteris.
d. Männlicher Sehildfarn. Farnkrautmännlein. Waldfarn.
Wildfarn. Hirsehzehen. Johannishand: der Wurzelstock wird
mit einer Hand verglichen und um die Johanniszeit ge-
sammelt. Hexenkraut. Hurenkraut: ein Extrakt wird als
Abortivum benutzt. Schnakenkraut, Wanzenkraut: die Wedel
sollen Ungeziefer fern halten. Wurmfarn; der von den Blatt-
stielresten befreite Wurzelstock liefert ein wichtiges Mittel
gegen die Bandwürmer. Die Veranlassung zu dieser schon
den alten Griechen bekannt gewesenen Therapie mag die
Signaturlehre gegeben haben: in jugendlichem Zustand sind
die Wedel wurmförmig zusammengekrümmt. — „Bei CHAM
heilst die Pflanze auch Odarnkraut (Natternkraut), weil sich
darunter die Nattern besonders gerne aufhalten sollen. Da
seine Blätter in ihrer Entwicklung gekrümmt sind wie ein
Abtstab, heilst sie das Volk auch Walburgisstaberl.*“ Vgl.
J. BRUNNER, Deutsche Gaue, 1910, S. 112.
f. Fougere mäle: männlicher Farn.
e. Male fern.
h. Mannetjesvaren, Wornwaren.
Aspidium Thelypteris. Unter OnAvurtegıg ver-
stand THEoPHRAST 9, 18.8 Acrostichum thelypteris und
Dioscorıves IV, 184 die Pteris aquilina. Thelypteris |von
278 FRIEDERICH KANNGIESSER, [5]
9705 weiblich und xr£ors Farn] bedeutet weibliches Farn-
kraut: die Pflanze wird so wegen der zarteren Wedel im
Gegensatz zu Aspidium fix mas genannt.
d. Sumpfsehildfarn, wächst in Waldsümpfen.
f. Thelipteris.
e. Marsh shieldfern: Sumpfschildfarn.
h. Moerasvaren: Morastfarn, Sumpffarn.
Asplenum |Asplenium] bat nach Prinıus XXVI und
Isıpor, Orig. 9,87 seinen Namen daher, dafs es die Milz,
orAnv, zerstöre. Andere Erklärer hingegen halten das a
nieht für negierend, sondern als Intensivum und glauben
die Pflanze habe ihren Namen daher, dals sie gegen Er-
krankungen der Milz verwandt wurde. DiIoSCoRIDES ver-
stand III, 141 unter dorAnvo» (eterach officinale.
d. Streifenfarn, Striehfarn; wegen der streifenförmig
angeordneten Fruchthäufehen. — Milzfarn.
f. Capillaire 8. u. Adiantum. Doradille vom span. dora-
dilla, wegen der goldgelben Farbe der Sporenhäufchen.
e. Spleenwort: Milzkraut.
h. Streepvaren: Streifenfarn.
Asplenum Adiantum nigrum.
d. Schwarzer Streifenfarn, wegen des (purpurnen oder)
schwarzen Stengels; vielleicht auch wegen der dunklen
Wedel.
f. Doradille noire s. vorher. — Capillaire notre desgl.
e. black spleenwort: schwarzes Milzkraut.
h. Zwart miltkruid, zwartsteel, zwart Venushaar.
Asplenum filixe femina: Frauenfarn; wegen der
zarten und fein zerteilten Fiederblättehen, im Gegensatz zu
den zähen Blättern von Aspidium filix mas. Die Pflanze
wird auch Athyrium filixe mas genannt, von « priv. und
$voeos (türförmiger) Schild. Doch fehlt bei Asplenum sie
Athyrium filix femina der Schleier den Sporenhäufchen
nieht, wohl aber ist er bei dem nächsten Verwandten
Athyrium alpestre sehr verkümmert.
[6] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 279
d. Frauenfarn. Farnkrautweiblein. Hurenwurz: als
Abortivum; vgl. die portug. Kollektivbezeichnung für Farn-
kraut: Herva movedica: Abortierkraut.
f. Fougere femelle;, ital. felce femina.
e. Lady fern.
h. Varenwijfke.
Asplenum ruta murarum: Mauerrautenfarn: die
Blättehen der mit Vorliebe auf Gemäuer und an Felsen
wachsenden Pflanze sind rautenförmig.
d. Mauerraute. — Steinneidkraut: man gibt das Kraut
den Tieren gegen das Verneiden, d.h. Krankheitsgefahr. —
Eselsfarn: auch bei THEOPHRAST und D1oscorRIDES wird ein
Farnkraut nuiovıov: Mauleselkraut genannt, vielleicht dals
diese Tiere das Kraut fressen. Weinkräutel s. u. Lycopodium.
Meuchelkraut, d. h. wahrscheinlich soviel als heimliches, un-
heimliches Kraut, s. Einleitung und unter Botrychium. Das
Kraut wächst oft ganz in Felsnischen verborgen.
f. Rue-de-muraille. Doradille muraille Sauve-vie:
Lebensretter, wegen angeblicher Heilwirkungen.
e. Wallrue: Mauerraute. Maidenhair. Stone-fern:
Steinfarn.
h. Steenruit. Mwuurrwit. Miltkruid.
Asplenum Trichomanes ist die roıyouaves des
THEoPHRAST VII, 14.1, des Dioscorıpes IV, 135 und des
GALEn. Wird erklärt aus zoıyouavia: Leidenschaft lange
Haare zu tragen, resp. als „Wildhaar“ aus Hoi: Haar und
ualvouaı: rasen, verrückt sein. Besser ist die Erklärung
aus oiS, Genitiv tgıyög: Haar und wavog: dünn, wegen
der zarten Stiele.
d. Frauenfarn. Braunstieliger Streifenfarn. Steinfarn:
wächst auf Felsen und Gemäuer. Widerton, Aberthun, Ab-
thun: angeblich abzuleiten von wiedertun, wiederherstellen,
die Mannheit wiederbringen. Polytrichum commune und
Drosera rotundifolia: Sonnentau, werden ebenfalls Widerton
genannt. Sollte der Name nicht ursprünglich nur für Dro-
sera gegolten haben und von dieser auf die anderen Pflanzen
286 FRIEDERICH KANNGIESSER, [7]
übertragen worden sein? M.E. wäre dann der Name
Widerton, auch Aberthun genannt, als Abertau, d. h. falscher
Tau, zu deuten (vgl. Aberglaube — falscher Glaube; Eber-
esche statt Aberesche — falsche Esche), womit der Drüsen-
saft der fleischfressenden Drosera gemeint wäre. Aus Un-
verständnis mag Abertau in Aberthun und zu Abthun
verderbt sein, speziell als der Name von der eventuell
originären Bezeichnung auch auf die anderen Pflanzen aus-
gedelnt ohne Sinn blieb. Das „aber“ wurde dann später
als Synonym für „abermals, wieder“ gehalten und kann so
die ebenfalls gebräuchliche Schreibweise Wiederthon ent-
standen sein. Doch dies nur eine hypothetische Erklärung
für das merkwürdige Wort, das gerade weil es unverstanden
blieb zahlreiche Variationen erlebte, deren interessanteste
die Bezeichnung „Widertod“ ist;, gegen den Tod ist nun
aber doch noch kein Kräuflein gewachsen! Ubrigens wird
Widertod usw. auch — und wahrscheinlich ist dies am
zutreffendsten — als Assimilation aus Mithridat erklärt,
worunter man ein Kräuterheilmittel und Gegengift verstand;
vgl. Deutsche Gaue, Bd. XI, S. 175.
f. Capillaire. Polytrie s. u. Aspidium.
e. Common spleenwort 8. u. Asplenum. Maidenhair.
bBristle fern: Borstenfarn, die Stielehen gleichen Borsten.
h. Steenbreekvaren: wächst wie der Steinbreek in Fels-
spalten und trägt zu deren Verwitterung bei.
Azolla. Seit 1872 in die botanischen Gärten Europas
aus dem wärmeren Amerika eingeführt, hat sie sich speziell
aus dem botanischen Garten zu Leiden rasch verwildert.
Der Name (der vielleicht uramerikanisch ist?) wird mit
«Co: dörren und OAAvuc: vernichten in Beziehung gebracht,
da die Wasserpflanze durch Trockenheit zerstört wird.
d. Azolle.
f. Azolla.
e. Azolla.
h. Drijvende varen: treibende, schwimmende Farren.
Rood kroos, vielleicht wiederzugeben durch „rotes Kraut“
oder „rotes Gekröse‘, jedenfalls im Gegensatz zu Eenden-
kroos | Enten,kroos“: Lemna] genannt. — Azolla überzieht
[8] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 281
stehende und langsam fliefsende Wasser mit einer dicken,
rotbraunen Schicht.
Blechnum. Mit diesem Namen bezeichnet Prinıus
ein Farnkraut; der lat. Name wird mit dem gr. BAnyoos und
BAnx® resp. YAnyo in Beziehung gebracht, worunter aller-
dings Blütenpflanzen verstanden sind. M.E. ist blechnum
ursprünglich ein Synonym für filix. Gerade das französische
Wort für Blechnum: blegne zeigt eine auffallende Überein-
stimmung mit dem dänischen Wort bregne für Farn. Dals
die Semivokale /! und r häufig miteinander tauschen, habe
ich bereits eingangs erwähnt.
d. Rippenfarn, wegen der entfernt stehenden, schmal-
linealen, fertilen Fiederblättchen. Kammfarn desgl. Leiter-
farn desgl. Spicant ist der schwedische und offizielle Art-
namen der Pflanze. Brüschfarn, d.h. Moorfarn, wächst auf
moorigen, feuchten Waldstellen. Mit Brüseh, f. bruyere, be-
zeichnet man das Heidekraut Calluna vulgaris. Der Name
ist verwandt mit Bruch, es soll damit aufgebrochenes, auf-
gelockertes Moorland bezeichnet werden.
f. blegne.
e. Hardfern [?).
h. Dubbelloof: Doppellaub, wegen der auffallend ver-
schiedenen Form der tieffiederspaltigen Blätter: die sterilen
stehen genähert, die fertilen entfernt voneinander. — Panne-
koeken: Pfannkuchen. Dieser Namen, der eigentlich und
ursprünglich dem Tüpfelfarn, Polypodium, zukommt, ist für
blechnum deplaziert, da hier die Fruchthäufehen nicht
rundlich, sondern linearisch.
Botrychium, Ableitung von ßorgvs: Traube. Die
Sporen bilden sich an einem besonderen traubenähnlichen
Zweig; doch auch die Anordnung der Blätter hat entfernte
Ahnlichkeit mit einer Traube.
d. Rautenfarn, die Blättchen sind rautenförmig. Mond-
raute, die abgerundet rautenförmigen Fiederblättehen haben
mit der (Halb-) Mondscheibe entfernte Ähnlichkeit. Der
Aberglaube läfst an dem Wedel so viel Blättehen wachsen,
282 FRIEDERICH KANNGIESSER, [9]
als der betreffende Monat Tage hat. Mahenkraut vgl. h.
maanvaren, bedeutet soviel als Mondkraut. Walpurgiskraut,
als Wunderkraut so genannt. Die Walpurgisnacht, die
Nacht vom 30. April auf 1. Mai ist nach dem Volksglauben
die Nacht des Hexenspuks. April bis Mai erscheinen die
Wedel des Rautenfarn, der dieserhalb auch Maitraube und
Petersschlüssel genannt wird. Zu letzterer Bezeichnung vgl.
Himmelschlüssel für Primula, diese wie Botrychium werden
als Frühlingspflanzen geschätzt, mit deren Erscheinen sich
der Himmel wieder „öffnet“ und heiterer wird. Ankerkraut,
wegen der Form der Blättehen, die mit einem Anker ent-
fernte Ähnlichkeit haben. Mitzünglein, man vergleicht den
sterilen und den fertilen Wedel mit zwei Zungen. Leber-
raute, die Einzelblättehen haben im Umrifs mit einer Leber
entfernte Ähnlichkeit. Auch mag die Pflanze dieserhalb
der Signaturlehre entsprechend gegen Leberleiden gegeben
worden sein. Beseiehkraut, die salzburger Älpler glauben,
dals Kühe, die Botrychium fressen, weniger Mileh geben:
„sich beseiehen“. Geburtskraut und Hurengras: als Ab-
ortivruam, Allermannsharnisch, die Pflanze wurde als Wund-
heilmittel gebraucht, vielleicht trug man sie auch als
schützende Pflanze bei sich. Mit Allermannsharnisch be-
zeichnet man wegen der vielen Zwiebelschalen vornehmlich
das Allium victoriale, das man dieserhalb ja auch Neun-
hemdeben genannt hat. Der Signaturlehre entsprechend
hielt man eine so „geharnischte* Pflanze für besonders
schutzkräftig. Man übertrug den Glauben an diese Schutz-
kraft, die man für die Mannbeit spezialisierte, auch auf
andere Pflanzen. So also auch auf Botrychium, das wohl
dieserhalb auch „Treublätter“ genannt wird. Es ist nicht
ausgeschlossen, auch wenn es parodox scheint, dals der
erwähnten Bezeichnung Hurengras letztgenannte Etymologie
zu Grunde liegt. Wiedertod s. u. Asplenum Trichomanes.
Jammerkraut, Zankkraut vgl. unter Greinkraut in der Ein-
leitung. Den Pteridophyten haftete man in der Mythologie
allerhand Untugenden an, der Grund dafür mag in dem oft
düsteren, moorigen oder felsigen Waldstandort sein, der
ohnehin die Phantasie etwas zum Gespensterglauben anregt;
dann aber auch das seltsam biologische Verhalten der
[10] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 283
Farngewächse, von denen man nie Blüten und Samen sah.
Um so gröfser ist natürlich die Rolle, die die Farnblüte und
der Farnsamen im Aberglauben und in den Legenden spielt.
f. Lunaire: Mondkraut; vgl. die Artbezeichnung Bo-
trychium lunarium.
e. Moonwort. Grape fern: Traubenfarn.
h. Maanvaren. Druifkruid: Traubenkraut. Walpurgis-
kruid.
Ceterach. Ceterach officinale ist das «@orAnvov des
Drioscoriıpes III, 141. Ceterach ist abzuleiten von dem
spätgr. xitagxa, xırapaS und dem spätlat. ceterah, Namen,
die aus dem arab. chet(e)ra(c)k stammen sollen. Doch ist
Ceterach wahrscheinlich eine arabisierte Bezeichnung, deren
Etymologie im gr. xi$aoos: Brust und @xog: Heilmittel zu
suchen ist; in der Volksmedizin wird die Pflanze noch jetzt
als „Brustheilmittel“ benutzt.
d. Milzfarn s. u. Asplenum, dem Üeterach nächstverwandt
ist. Sehriftfarn, die Sporenhäufehen nehmen sich wie Schrift
aus. Vollfarn, wegen der büscheligen Blätter. Vielleicht
auch, dafs Vollfarn als Druckfehler aus Rollfarn entstanden
ist. Rollfarn könnte die Pflanze heifsen, weil sie bei heilsem
Wetter die Wedel einrollt. Zecht verderbt aus Ceterach.
f. Ceterach. Herbe-a-dorer, dorade, herbe doree, doradille:
wegen der schönen goldgelben (anfangs silberglänzenden,
später rostfarbenen) Spreuhaare an der Unterseite der
Blätter. Dieserhalb auch im ital. erba dorata: Goldkraut
und im neugr. yovooyoorov: Goldgras genannt.
e. Rusty back: rostiger Rücken, s. 0. Scaly spleenwort:
schuppiges Milzkraut, desgl.
h. Ceterach.
Cystopteris von xvorıg: Blase und reg: Farn;
wegen der membranösen, transparenten, bläschenförmigen
Indusien.
d. Blasenfarn.
f. Oystopteride.
e. Dladderfern: Blasenfarn.
h. Blaasvaren.
284 FRIEDERICH KANNGIESSER, [11]
Equwisetum von equus: Pferd und seta: Borste,
Haar. Wegen der Form der Halme wurde die Pflanze
„Pferdehaar“ genannt; vgl. Prinıus 18, 67 und 26, 83. Die
Griechen nannten die Pflanze innovgıs: Pferdeschweif
von Ianos: Pferd und ovo«: Scehweif. Auch oaAriyyıov:
Trompetehen wurde die hohlstengelige Pflanze genannt;
vgl. Gkopon. 2. 6, 26; 8,27. Im ital. heilst die Pflanze
equiseto und cola di cavallo: Pferdeschweif; desgl. span.
cola de caballo und portug. equiseto und rabo de cavallo.
In Schweden werden angeblich Pferde mit Equwisetum sil-
vaticum gefüttert, doch sind andere Eqwisetum-Arten den
Pferden, dem Rindvieh und den Schafen gefährlich: starker
Durehfall, Blutharnen, Abortus, Titubation, Krämpfe und
Lähmungen, sogar Todesfälle sind nach Genus von
Schachtelhalmarten bei genannten Tieren gesehen worden. !)
Wenn die Pflanze in vielen Sprachen „Pferdeschweif“ ge-
nannt wird, so ist dies also lediglich als Vergleich aufzu-
fassen und nicht etwa weil die Pflanze gleichzeitig als
Futter diene. Die holländischen Namen Schaafstroo, Schaaf-
gras sind daher als unglückliche Assimilationen aus Schab-
gras zu bewerten; s. u.
d. Sehachtelhalm statt Schaftelhalm; dieses eine Di-
minutivform zu Schafthalm, niederdeutsch „ch“ für hoch-
deutsch „f“.. Die Pflanze wird auch direkt Schafthalm,
Schaftheu wegen der schaftähnliceh aufgesehossenen, heu-
artig trockenen Stengel genannt. Nach anderer Meinung
hat Schachtelhalm seinen Namen wegen der ineinander-
geschachtelten Halme. M. E. ist Sehachtelhalm, resp. Schaft-
halm aus Schabhalm assimiliert, wie denn noch heute der
Schachtelhalm im dän. scavgras und im schwed. skafgräs,
1) Bei Korrektur vorstehender Zeilen finde ich bei R.Kobert,
Intoxikationen II, 1906, S. 1014, folgende Notiz: „Die Landwirte, die
die Schachtelhalme als Duwockheu gelegentlich in reichlicher Menge
mit verfüttern, haben schon längst festgestellt, dafs nach dieser
Fütterung manchmal eine Taumelkrankheit auftritt, bei der Pferde,
Rinder und Schafe im Gang unsicher werden, ja wie betrunken
taumeln, nachdem vorher eine gesteigerte Reflexerregbarkeit und
Schreekhaftigkeit bestanden hat. Zuletzt kommt es zu aufsteigender
Lähmung.“
[12] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 285
also Schabgras genannt wird, weil die kieselsäurehaltige
Pflanze zum Sehaben, Scheuern und Polieren von Holz und
Metallgefälsen benutzt wird. Daher denn die Namen: Feg-
kraut, Scheuerkraut, Zinnkraut (in Würzburg), Keibisch [?]
und Kandelwüsch, d. h. Kannenwäsche. Betreffs der Namen
Rolswedel, Katzenschwanz usw. s.o. Mit „Rattenschwanz“
wird speziell der fertile, unverzweigte Sprols von Equisetum-
Arten bezeichnet. Spargelkraut wird die Pflanze ihrer
Ähnlichkeit mit dem Spargelgewächs wegen benannt.
Falbenrock, wegen der falben, d.h. fahlen, fertilen Stengel
und dem spinnrockähnlichen Aussehen der Sporenähre.
Taubenrock, Taubenkunkel (Kunkel: f. guenowille, d. Spinn-
roeken), Taubenrode: Rode desgl. Rade bedeutet ein auszu-
rottendes Unkraut, wie denn Equisetum als lästiges Acker-
unkraut auch im engeren Sinn „Unkraut“ genannt wird.
Mit „Tauben-“ werden die vorstehenden Namen gleichsam
als Synonym für „unecht“ verbunden; vgl. Rolskastanie,
d. h. unechte Kastanie, Hundsrose, d.h. die wilde, nieht die
edle Rose usw. Taubenrode wird also Equwisetum im
Gegensatz zur echten Rode [Agrostemma]| genannt. Die
deutsche Bezeichnung Duwok für Equwisetum findet sich
wieder im böhm. und im dän. duwock, doch ist mir die
Etymologie unbekannt.
f. Prele, Asprele, Asperelle vom ital. asparella; vgl. die
ital. Bezeichnung für Equisetum „rasperella“, verwandt mit
ital. raspa: die Raspe, s.o. Der f. und ital. Name pr£le
resp. asparella ist abzuleiten vom lat. asper: rauh. Das
„a“ hat sich aus Verwechslung mit dem weiblichen Artikel
„la“ verloren: aus l’asprele la prele. Die Akademie schreibt
noch heute die alte Orthographie: presle. Dals der accent
eireomflexe einem ausgefallenen nachfolgendem s entspricht
ist eine wohl zur Genüge bekannte Tatsache. Prele des
tourneurs: Drechslerschachtelhalm. Queue de cheval: Rols-
schweif; queue de renard: Fuchsschwanz; queue de rat:
Rattenschwanz.
e. Horse-tail: Pferdeschweif. Scouring rush: Scheuer-
binse. Mare’s tail: Stutenschweif.
h. Paardestaart: Pferdeschweif. Kattestaart. Schabgras.
Lidruske: Gliederbinse. Koevergif: Kuhgift, s.0. Unjer aus
286 FRIEDERICH KANNGIESSER, : [13]
Oneet: unefsbares Kraut, Unkraut. Schrinwerkersbiezen:
Schreinersbinsen.
Hymenophyllum von öunv: Membran, Häutchen
und gvAAon: Blatt, wegen der zarten, fast durehseheinenden
Blättehen. Hymenophyllum tunbridgense, die Pflanze wächst
u.a. bei Tunbridge in England.
d. Hautfarn.
f. Hymenophylle.
e. Filmy fern: häutiger Farn.
h. Hymenophyllum.
Isoetes. Mit diesem Namen aus dem gr. loosr&c von
(sog: gleich und Erog: Jahr wird im 24. Buch des Prwıus
eine Sempervivum-Art bezeichnet, weil sie das ganze Jahr
hindureh grünt und sich stets ähnlich bleibt, wie das auch
für unsere Gattung IZsoetes zutrifft.
d. Brachsenkraut, d. h. Karpfenkraut. Die Pflanze
wächst am Grund von Teichen.
f. Isoetes.
e. Quillwort: Federkielkraut. Die Halme haben mit
einem Federkiel Ähnlichkeit. Small houseleek: kleiner
Hauslauch, kleines Sempervivum, 8.0. Aye-green: Immer-
grün. Merlin’s grass. MERLIN ist der Stifter der ARTHUR-
schen Tafelrunde, von dem die Sage geht, dafs er nicht
gestorben sei, sondern noch fortlebe. Die Pflanze wurde
also wegen ihrer immergrünen Halme nach dem Waldgeist
benannt.
h. Biesvaren: Binsenfarn, wegen des binsenähnlichen
Aussehens.
Lycopodium von Avxog: Wolf und rodıov: Fülschen.
Die merkwürdige und giftige Pflanze wird mit allerhand
mythologischen Namen bedacht.
d. Bärlapp [ahd. lappo: Hand], Bärenklaue, Löwenfuls,
Teufelsklaue, Druidenfuls, Zigeunerkraut, Köhlerkraut, W olfs-
fuls |dän. ulvefod| usw. Weinkraut: soll den sauren Wein
[14] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 287
wieder gut machen. Purgierbärlapp, Fieberranken, Neunheil
(als Universalmittel), die Pflanze wird als gefährliches Volks-
mittel gebraucht, u. a. auch um Abortus bervorzurufen; auf
letztere Verwendung weist der Name Jungfernkraut [dän.
Jomfruurt.. Doch ist dieser Name wohl auch darauf
zurückzuführen, dafs das Sporenpulver intravaginal an-
gewendet die Konzeption verhindern soll, weswegen die
Pflanze im slav. auch netata: Niehtvater genannt würde.
Wegen des gelben Sporenstaubs wird Lycopodium auch
Puderkraut genannt. Wegen des langen kriechenden
Stengels, den gleichen Sprolsteilen und den Abzweigungen
hat Lycopodium die folgenden Namen: Gürtelkraut, Schlangen-
-moos, Seilkraut, Katzenleiterlein, Haarschauer [d. h. Haar-
regen vgl. Goldregen: Oytisus und Silberregen: Prunus Padus
und Robinia Pseudacacia]. Wegen des moosähnlichen Aus-
sehens wird die Pflanze Langmoos und Tangelmoos genannt,
leizterer Ausdruck weil die Pflanze im Tann wächst und
mit Tannenzweigen entfernte Ähnlichkeit hat. Vielleicht
nach dem Algentang benannt. Diesem Wort Tang wie dem
Wort Tanne soll ja der Begriff „dehnen“ zu Grunde liegen,
der ja auch für das Tangelmoos, das Lycopodium, zutrifft.
Übrigens wird Lycopodium im Volksmund auch Sautanne
genannt. Mörsemau [?].
f. Lycopode [ital. und span. licopodio, portug. Iycopodio].
Pied de loup: Wolfsfuls. Herbe aux massues: Keulenkraut,
wegen der Form der Sporangienträger. Herbe aux porcs:
Schweinekraut; ob die giftige Pflanze den Schweinen un-
schädlich ist? Mousse terrestre: Erdmoos. Aiguaires (Nor-
mandie) angeblich von aqua: Wasser abzuleiten, weil manche
Arten feuchten Boden lieben.
e. Olubmoss: Keulenmoos. Tree-moss: Baummoos, hohes
Moos. Firmoss: Föhrenmoos; groundpine: Erdpinie, s. o.
Wolf’s-dlaw: Wolfsklaue; fox’s-claws: Fuchsklauen; fox-tail:
Fuchssehwanz. sStag’s-horn: Hirschhorn, wegen der ver-
zweigten Stengel. Duch’s-horn: Bockshorn, wegen der Form
der Sporangienträger.
h. Wolfsklauw. Wolfspoot. Beerenvoet. Aardmos:
Erdmoos. Kruipmos: Kriechmoos. Glimkruid. Hertshoorn:
Hirschhorn. Heksenkrans.
288 FRIEDERICH KANNGIESSER, [15]
Das Sporenmehl von ZLycopodium, das zum Bestreuen
der Pillen in den Apotheken, gegen Würmer, gegen das
Wundliegen der Kinder und als leicht entzündbare Masse
zu Blitzpulver im Theater verwandt wurde, hat viele volks-
tümliehe Bezeichnungen.
d. Hexenmehl. Druidenmehl. Alpmehl [Alp: ein böser
Geist). Erdschwefel. Wurmmehl. Blitzpulver.
f. Soufre vegetal: Pflanzenschwefel.
e. Witch-meal: Hexenmehl.
h. Heksenmeel.
Marsilia [Marsilea]. Zu Ehren von A. MarsıLı, einem
italienischen Naturforscher, genannt. &
d. Kleefarn, wegen der vier Blättehen. Vgl. die Art-
bezeiehnung M. quadrifoliata.
f. Marsilee.
e. Marsilia.
h. desgl.
Ophioglossum von ögıs: Schlange und yAoooa,
yAorta: Zunge. Die Pflanze besteht aus einem einzigen,
ovalen, schlangenkopfähnliceh zugespitzten Blatt; aus der
Mitte des Blattansatzes ragt die schmale Sporenähre wie
eine Schlangenzunge heraus. Die Pflanze ist mit der Lingua
herba oder Linguicula, dem Zungenkraut des PrLınıus 24,
84 und 108, identisch.
d. Natterfarn. Natternzunge. Mutterkrautwurz, vielleicht
wegen der vermeintlichen Wirkung bei Mutterleiden.
f. Ophioglosse. Lance du Christ: Christusspeer. Herbe
sans couture: Ohnnahtkraut, das Blatt zeigt keine Nerven.
Herbe aux cent miracles: Hundertwunderkraut, wegen der
der Pflanze zugedachten Heilwirkungen. Luciole: Glüh-
würmehen, Johanniswürmchen [?]. LZangue de serpent:
Schlangenzunge.
e. Adder’s-tongue: Otternzunge, Natternzunge; in alt-
englischen Handschriften: nedderis -tonge.
h. Addertong, Natertong, Christilancet, Ons-heeren-
speerkruid.
[16] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 239
Osmunda. Dieser Name wurde der Gattung 1700 von
TOURNEFORT gegeben. Osmunda stammt aus dem Latei-
nischen des Mittelalters und wird abgeleitet von Osmunder,
einem keltischen Namen des Gottes Thor. Wegen der Kraft
der Heilwirkungen habe die Pflanze den Namen erhalten.
d. Königsfarn, dieser Name wie die Erklärung von
Osmunda aus os mundi: Antlitz der Welt nehmen Bezug
auf die Schönheit dieses Farnkrauts. Traubenfarn, Rispen-
farn, Maiträubehen;; die Sporenbehälter finden sich an einer
im Mai erscheinenden Rispe oder Traube.
f. Osmonde royale vgl. die Artbezeiehnung Osmunda
regalis: Königsfarn. Fougere flewrie: Blütenfarn, wegen der
gelbbraunen fertilen Rispe, die sich von fern betrachtet wie
ein Blütenstand ausnimmt. Fougere aquatique: Wasserfarn,
die Pflanze vegetiert auch in Waldsümpfen.
e. Fern Royal oder Royal fern. Osmund royal. King-
fern. Flowering fern: Blütenfarn. Buckhornbrake: Bocks-
hornfarn, die fertilen Blätter haben entfernte Ähnlichkeit
mit Bockshörnern. Ditch-fern: Grabenfarn. St. Christopher’s
herb, Waterfern: der Farn kommt in Gräben, stehenden
Wassern und Waldsümpfen vor. ST. CHRISTOPHERUS hat,
wie der Mythos berichtet, das Jesuskind übers Wasser
getragen. Manche Wasserpflanzen werden daher diesem
Sehutzgeist zu Ehren benannt.
h. Koningsvaren. Bloeiend varenkrwid. Druivenvaren,
trosvaren: Traubenfarn. Sint-Jansreinvaar. St. Johanns
Rainfarren. Die Pflanze hat mit dem Rainfarn (Tanacetum)
ganz entfernte Ähnlichkeit und „blüht“ zur Johanniszeit.
Phegopteris [Phaegopteris| von gryos, die nach Voss
gewöhnlich mit „Buche“ übersetzt wird [eigentlich aber die
Kastanie bedeutet] und von zregıg: Farn. Der Farn kommt
mit Vorliebe im Buchenwald vor, eine Art desselben: Phego-
pteris Dryopteris [von doög: Eiche und xregıs] gedeiht
hauptsächlich im Eichwald.
d. Buchenfarn.
f. Phegopteris.
e. .beechfern.
h. Beukvaren.
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. S. Bd. 82. 1910. 19
290 FRIEDERICH KANNGIESSER, [17]
Pilularia von pilula: Kügelehen; wegen der kugeligen
Sporenbehälterhüllen „Pillenkraut“: Pilularia sc. herba be-
nannt.
d. Pillenfarn.
f. Pilulaire.
e. Pillwort. Peppergrass: wegen der pfefferkornähn-
liehen Sporenbehälterhüllen und der grashalmähnliehen
Stengelchen.
h. Pilvaren.
Polypodium von zoAvs: viel und odıov: Fülschen,
wegen des verzweigten Wurzelstocks. Nach THroPHRAST
— das aoAvnodıov dieses Autors [9, 13.6] wie das des
Dioscoripes |IV, 185], ebenso das polypodium des Pummrus
[26, 58] ist mit unserem Polypodium vulgare identisch —
habe es den Namen nach dem xoAvunovg: dem Meerpolypen
erhalten, da die Wurzel Kotyledonen habe, wie sie an den
Armen der Polypen sitzen. Unter Kotyledonen versteht
THEOPHRAST sowohl die Saugnäpfehen der Polypen als die
Narben, die die abgefallenen Blätter am Wurzelstock zurück-
lassen (vgl. hierzu das „Salomonssiegel“: Convallaria poly-
gonata). Dioscorives beschreibt den Tüpfelfarn 1. e.
folgendermalsen: „Das Polypodion wird auch Polyrhizon,
d. h. Vielwurzler genannt. Es wächst auf moosbewachsenen
Felsen und alten Baumstämmen am liebsten von Eichen,
ist eine Spanne hoch, dem Wurmfarn ähnlich, eingesehnitten,
nicht aber so fein zerteilt. Der Wurzelstock ist etwa klein-
fingerdiek, von herbsülslichem Geschmack und mit Fasern
wie der Polyp mit Fangarmen versehen.“ Neugr. wird die
Pflanze roAvrodı genannt; in Italien heilst sie polipodio
quereino, felce quercina, mosco quercino: Eichenfarn, Eichen-
moos; span. polipodio und portug. polypodio. Der Araber
nennt die Pflanze wegen der tief eingeschnittenen Blätter
adhräs elkab: Hundszahn.
d. Tüpfelfarn und Hoffarn wegen der runden Sporen-
häufehen. Engelsüfs, Bittersüfßs, Steinlakritz, Eichenfarn,
daraus auch Eisenfarn. Zur Erklärung siehe die Beschrei-
bung des Dioscoripes. Windfarn wächst auch an sonnig
windigen Stellen, wo er dann kleinere und derbere Wedel
[18] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 291
bildet. Kreuzfarn, wegen der zur Blattachse reehtwinklig
gerichteten Einschnitte. Korallenwurzel, wegen der Form
des Wurzelstocks. Kropfwurz und Tropfwurz, vielleicht als
Mittel gegen diese Erkrankungen; unter Tropf versteht man
in Norddeutschland den sogenannten „Schlagfluls‘“.
f. Polypode. Polypode de chene: Eichenfarn. Fougere
douce: sülser Farn. Reglisse des bois: Waldlakritz, Wald-
sülsholz.
e. Polypody. Polypody of the oak: Eichenfarn. Wood-
fern: Waldfarn. Wallfern: Mauerfarn, wächst an Gemäuer
und Felsen.
h. Enngelzoet. Wildzoethout: wildes Sülsholz. Veelvoet:
Vielfuls. Boomvaren wächst am Wurzelanlauf und zuweilen
als Epihyt in den Gabelungen alter Bäume. Pannekoeken:
Pfannkuchen, wegen der Form der Sporenhäufehen. Hane-
kammen, wegen der tieffiederteiligen Blätter.
Pteris aquilina sive Pteridium aquilinum ist die
ategıg usyaAn des TuEorHrAsT IX, 13.6. und die 9n7Av-
ategız des Dioscorives IV, 184. Über Pteris [rt£gız] siehe
die Einleitung; aguwilina ist das Adjektiv von agwila: Adler,
zur Erklärung vgl. unter Adlerfarn.
d. Adlerfarn, der Stiel zeigt am Grunde von der Rinne
nach unten schräg durchschnitten infolge der Anordnung
der Gefälsbündel die braunschwarze Zeichnung eines öster-
reichischen Doppeladlers, in Form eines „X“. Man hat
diese Zeichnung auch mit einem Eichbaum oder einem „JC“
verglichen und der Pflanze daher den Namen Jesus-Christus-
Wurzel gegeben. Eine treffende Bezeichnung für den gesellig
auftretenden oft mannshohen Farn, der erst hoch am Stiel
seine Wedel abgibt, ist der einfache Name „Hochfarn“.
Saumfarn wird die Pflanze genannt, weil die Sporenkapseln
dem Rand der Fiederblättehen parallel laufen. Flügelfarn,
wegen der hoch ausgebreiteten Wedel. Da Farn schon
selbst wahrscheinlich Flügel bedeutet (s. Einleitung), wäre
der Name Flügelfarn eventuell eine Tautologie; vgl. Sauer-
ampfer (Rumex) und h. Okkernoot (Juglans). Die Bezeich-
nung Rofsfarn bedeutet wohl soviel als falscher, unechter,
ungebräuchlicher Farn im Gegensatz zu dem als Wurmmittel
19*
292 FRIEDERICH KANNGIFSSER, [19]
gebräuchlichen Aspidium filix mas; vgl. Rolskastanie (Aes-
culus), d.h. unechte Kastanie. Pferden ist dauernder Genufs
von Adlerfarnkraut jedenfalls sehr gefährlich. Es treten
u.a. Krämpfe und Lähmungen auf, sogar Todesfälle sind
beobachtet worden.
f. Aigle imperiale: Kaiseradler; vgl. ital. felce imperiale.
Agqwiline. Grande fougere: grolser Farn. Fougere commune.
Fougere femelle: weiblicher Farn; vgl. das Synonym des
DıioscorIDES ImAvrtegıgs und unter Aspidium thelypteris
und Asplenum filix femina.
e. Dracken und brake: darunter versteht man alle
grölseren Farne, insbesondere aber den Adlerfarn; betr. der
Etymologie s. die Einleitung.
h. Adelaarsvaren. Boomvaren: wegen seiner Höhe; die
eigentlichen Baumfarne wachsen in Australien und auf
Ceylon. Gewoon varenkruid.
Salvinia, zu Ehren von SALvını, einem griechischen
Professor zu Florenz.
d. Schwimmblatt. Büschelfarn, wegen des unteren
Blattes, das in zahlreiche fadenförmige, ins Wasser tauchende
Zipfel geteilt ist.
f. Salvinia nageante: schwimmende Salvinia.
e. Salvinia.
h. Watervaren. Trosvaren: Traubenfarn, die dicht an-
einandergedrängten länglichrunden Blättehen einer Salvinia-
Kolonie haben mit Traubenbeeren entfernte Ähnlichkeit.
ZiWwerschoon: Silberschön, wegen der oberseits hellbläulich-
grünen Blättehen.
Scolopendrium (officinale) ist die gpuvARirıg [d. h.
eine aus lauter Blättern: gvAA« bestehende Pflanze] des
Droscorıpes III, 111. Der Gattungsname ist abzuleiten von
0xoAonevdoa: Tausendfülsler. Die zahlreichen linearen
Sporenhäufehen sind mit diesen Insekten verglichen worden;
Dıoscorıpes bemerkt: Das Blatt sieht an der Unterseite
aus als ob kleine Würmer darauf verteilt wären. Unter
0xoAone&vdgıov selbst versteht Dioscorıdes III, 141 jedoch
unser (Asplenum) Ceterach, von dem er bemerkt, es habe
[20] Die Etymologie der Pteridophytennomenklatur. 293
Blätter ähnlich dem gegürtelten Tausendfuls (Scolopender
cingulata). Ngr. heilst Scolopendrium wegen der Zungen-
form des Blattes einfach YAoooa.
d. Zungenfarn. Hirschzunge.
f. Scolopendre. Langue de cerf: Hirschzunge. Langue
de beuf: Ochsenzunge. Herbe a la rate: Milzkraut s. u.
Asplenum.
e. Hart’s-tongue: Hirschzunge. Lamb’s-tongue: Lamms-
zunge. Adder’s-tongue: Natternzunge. Fox-tongue: Fuchs-
zunge. Buttonhole: Knopfloch, wegen der linearen Sporen-
häufchen, die sich wie eingesäumte Knopflöcher ausnehmen.
h. Hertstong: Hirschzunge. Tongvaren. Miltkrurd.
Selaginella. Diminutiv zu Selago, worunter PLIinIus
vielleicht Zycopodium selago verstanden hat. Auf -ago
enden bekanntlich verschiedene lateinische Namen; vgl.
Bor(r)ago, Medicago, Tussilago usw. Unter selas (oeAag)
verstand man eine feurige Lufterscheinung. Wegen des
Sporenpulvers [vgl. Blitzpulver unter Lycopodium] mag man
die Pflanze vielleicht (!) selago von selas und agere: herbei-
führen benannt haben. Doch dies nur eine Vermutung über
die Entstehung des Wortes, für das keine Etymologie ge-
funden werden konnte.
d. Mooskraut, das zierlich fein verzweigte Pflänzehen
hat mit dem Moos grofse Ähnlichkeit. Zwergbärlapp.
f. Selaginelle.
e. Lesser club moss: kleineres Keulenmoos, im Gegen-
satz zu dem nächstverwandten Lycopodium. Rock-Kly, Rock-
rose: das zierliche, schöne Pflänzehen wächst auf Felsen.
h. Enngelsch mos: die Selaginella kommt wild in Holland
nieht vor.
Woodsia. Die Pflanze wurde 1815 durch R. Brown
zu Ehren von J. Woops, einem englischen Botaniker, benannt.
d. Wimperfarn, die Blättehen sind unterseits behaart.
f., e. und h. Woodisia.
r *
204 F.KANNGIESSER, Etymologie d. Pteridophytennomenklatur. [21]
Literaturnachweis.
Theophrast, Curavit Link et Schneider, Lipsia 1818—1821.
Dioscorides, übersetzt und erläutert von J. Berendes, Stuttgart 1902.
I['hesaurus Graecae Linguae ab H. Stephano, Paris 1831—1865.
Totius Latinitatis Lexicon, Aeg. Forcellino, Prati 1858s—1875.
H. 0. Lenz, Botanik der alten Griechen und Römer, Gotha 1859.
(Grolses Universallexikon von J. H. Zedler, 1733—1750.
J. und W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854—1908.
F. Holl, Wörterbuch deutscher Pflanzennamen, Erfurt 1833.
J. Rhiner, Volkstümliche Pflanzennamen der Waldstätten, Schwyz 1866.
OÖ. Wünsche, Die Pflanzen Deutschlands, Leipzig und Berlin 1901,
E. J. Klein, Die Flora von Luxemburg, Diekirch 1897.
O.v. Hovorka und A. Kronfeld, Vergleich. Volksmedizin, Stuttgart 1908.
H. Heukels, Woordenboek der Nederland. Volksnamen van Planten, 1907.
G. Bentham, Handbook of the British Flora, London 1904.
J. A. H. Murray, A new English Dictionary, London 1884—1900.
The Century Dietionary, W. D. Whitney, New York — London.
G. Bonnier et &. de Layens, Flore complete de la France, Paris.
Toussaint, Etude &tymol. s. ]. Flores Normande et Parisienne, Rouen 1905.
E. Littre, Dietionnaire de la Langue Frangaise, Paris 1873—1875.
A. Scheler, Dietionnaire d’Etymologie Francaise, Bruxelles 1888.
A. Darmsteter et A. Hatzfeld, Dietion. general de le Langue Frang., Paris.
L. Lewin et G. Pouchet, Trait& de Toxicologie, Paris 1903.
Ferner verschiedene fremdsprachliche Lexica.
Beiträge zur Microlepidopteren - Fauna
von Halle a. S.
von
Bernhard Füge
Seitdem A. STAnGE im Jahre 1869 sein „Verzeichnis der
Schmetterlinge der Umgegend von Halle a. 5.“ herausgab,
ist nichts mehr über die Hallischen Kleinfalter veröffentlicht
worden. Wenn ich nun im folgenden meine Sammel-
ergebnisse der Öffentlichkeit unterbreite, so mache ich damit
keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Gegenteil, da ich
die Umgegend der alten Salzstadt nur kurze Zeit durch-
forschen konnte, bin ich überzeugt, dafs dieses schöne
Gebiet mit seinen Sand- und Auengegenden, seinen Stein-
brüchen und Ödländereien bei längerer Sammeltätigkeit
eine grolse Zahl weiterer Arten liefern, wird. Meine vor-
läufige Zusammenstellung soll nur zu ferneren Publikationen
über diese so schmählich vernachlässigte und doch so reiz-
volle Schmetterlingsgruppe anregen.
In der systematischen Anordnung folge ich dem neuen
SPULER, trotz der vielen Umstellungen und Auseinander-
reilsungen, die er bringt. In der üblichen Weise setze
ich R. für Raupe und die entsprechenden Ziffern für die
Monate.
Mannigfache Unterstützung durch Überlassung ge-
fangenen oder gezogenen Materials erfuhr ich durch gleich-
gesinnte Freunde aus der hiesigen „Entomologischen
Gesellschaft“, die ich am betreffenden Ort namentlich an-
führe, und denen ich auch an dieser Stelle meinen herz-
liehsten Dank auszusprechen nieht unterlassen möchte.
3 *
%
290 BERNHARD FÜGE, [2]
Psychidae.
Talaeporiinae.
Talaeporia Hb.!)
tubulosa Retz. (pseudobombycella Hb.). Heide häufig. R.
an allen Bäumen hängend.
Pyralidae.
Galleriinae.
Achroea Hb.
grisella F. In Bienenstöcken. Das ganze Jahr hindurch.
R. den Wachswaben sehr schädlich.
Melissoblaptes 2.
bipunctanus Z. Petersberg 27. 6. vereinzelt. Auf Brach-
feldern.
Galleria F.
mellonella L. Mit Achroea aus Wachswaben gezogen.
Crambinae.
Crambus F.
fascelinellus Hb. Petersberg 2.8. Auf Grasplätzen häufig.
R. 4.5. an Gras.
inquinatellus Schiff. Im ganzen Gebiet mit Ausnahme des
Ostens. 7.8. auf trockenen Wiesen. R. 4.5. an Gras.
siculellus Dup.?) Petersberg 6. einmal frisch geschlüpft ge-
funden. Steinbruch.
tristellus Schiff. Petersberg; Heide 8.—9. überall auf Gras-
plätzen. R. 5. an Gras.
!) Ich führe die Art mit an, weil sie bisher stets als Tineine an-
gesehen ist.
2) Da ich angesichts des ungewöhnlichen Vorkommens dieser
von Rebel nur für Sizilien im Juli angegebenen Art an der Richtig-
keit meiner Bestimmung irre wurde, liels ich sie von Herrn Hauder,
Linz (Donau) nachprüfen, der das Stück mit Sicherheit als siculellus
bestimmte.
[3] Beiträge zur Microlepidopteren -Fauna von Halle a. S. 297
perlellus Se. Überall 6. auf Wiesen.
var. warringtonella Stt. Verbreitet, im Osten viel häufiger.
R. 4.5. an Gras.
margaritellus Hb. Bitterfeld 8. auf feuchten Wiesen, selten.
Halle einmal am Licht gefangen. R. 4.5. an Gras.
conchellus Sehiff. Bitterfeld 8. vereinzelt. R. 5. an Moos.
falsellus Schiff. Halle 18./8. ein Stück am Licht gefangen.
R. 3.—4. an Moos.
chrysonuchellus Se. 6. Diese schöne Art traf ich nur'am
Petersberg; nieht selten. R. 3.4. an Gras.
hortuellus Hb. Im ganzen Gebiet gemein 6. R. 4.5. an
Gras.
ab. cespitella Hb. Sehr selten.
culmellus L. Heide 6.7. sehr häufig. R. 5. an Gras.
pratellus L. Heide, Petersberg 6.7. nicht selten. R. 3. 4.
an Gras.
pascuellus L. Petersberg 6. Auf Wiesen nicht selten.
Platytes Gn.
cerussellus Schiff. Im ganzen Norden und Westen 6.7. Auf
steinigen Grasplätzen sehr häufig. R. 5.6. an Gräsern.
Schoenobiinae.
Acentropus.
niveus Oliv. 7. am Sülsen See und Teichen. R. 4.—6. an
Ceratophyllum demersum und submersum unter Wasser
zwischen den Blattachseln. Haupt fand die R. im
Bindersee an Naias maior.
Phyeitinae.
Homoeosoma Curt.
nimbellum Z. Heide 6. vom Gebüsch geklopft; häufiger am
Lieht gefangen. R. 9. in Blüten von Hieracium pilosella.
Ephestia Gn.
elutella Hb. Petersberg 5. im Laubwald geklopft; nieht
häufig. R.?
298 BERNHARD FÜGE, [4]
Pempelia Hb.
subornatella Dup. Petersberg zusammen mit P. ornatella
gefangen. R. auf Thymus serpyllum 5.6. In röhren-
förmigem Kotgespinst am Boden.
ornatella Schiff. Petersberg 6.7. auf steinigen Grasplätzen;
nicht häufig. R. wie vorige.
Selagia Hb.
spadicella Hb. (ianthinella Hb.). Petersberg 7. vereinzelt an
Steinbrüchen. R. 6. an Calluna vulg. In Gespinst an
unteren Zweigen.
argyrella Schiff. Petersberg 7. mit voriger Art, doch seltener.
R. 6.7. wie vorige.
Salebria 2.
semirubella Se. var. sanguinella Hb. Petersberg 7. auf
steinigen Grasplätzen nicht selten. Ich habe nur die
Varietät gefangen. R. 9.—5. an Lotus corniculatus in
Gespinströhren am Boden.
Acrobasis 2.
zelleri Rag. Heide 7. sehr häufig am Köder. R. 5. an Eiche.
Rhodophaea Gn.
rosella Se. Petersberg 7. Steinbrüche und Grasplätze sehr
selten. R. 8. in der Blüte von Seabiosen.
advenella Zek. Halle 7. Am Licht. R. 5. an Pirus malus
und communis.
Myelo:s Hb.
cribrella Hb. Halle 6.7. überall häufig. R. 5.—9. in Distel-
stengeln.
Endotrichinae.
Endotricha 2.
flammealis Schiff. Heide 7. an sumpfigen Waldrändern sehr
häufig geködert. R. frilst welke Blätter am Boden,
[5] Beiträge zur Microlepidopteren-Fauna von Halle a. S. 299
Pyralinae.
Aglossa Latr.
pinqwinalis L. Halle 7. Am Licht. R.? Dr. ScHMIEDE-
HAUSEN referierte in einer Vereinssitzung über eine
Mitteilung in der Münchner Med. Zeit., wonach diese
Raupen in jungem Stadium einige Tage im Darm eines
Kindes gelebt haben.
Herculia Wk.
glaucinalis L. Heide 7.8. sehr vereinzelt. R.6. Ich fand
dieselben an einem hängenden, trockenen Eichenast
zwischen Blättern versponnen.
Cledeobia Stph.
angustalis Schiff. Petersberg 7. häufig auf steinigen Gras-
plätzen; sehr selten. R. 6. unter Moos und anderen
Pflanzen.
Hydrocampinae.
Nymphula Sehrk.
stagnata Don. Halle, Dieskau an sumpfigen Gewässern.
R. 9.—4. an Sparganium ramosum und simplex.
nymphaeata L. Überall nicht selten. An Teichen. R.
4.—9, am Alisma plantago in einem Gehäuse an den
Blättern.
stratiotata L. Wie vorige.
Cataclysta Hb.
lemnata L. 6. überall an sumpfigen Gewässern. R. das
ganze Jahr an Lemna minor und trisulca.
Stenia Gn.
punctalis Schiff. Petersberg, Galgenberg. In Steinbrüchen;
nicht häufig. R. 9.; nährt sich von welken Blättern
an der Erde.
Psammotis Hb.
pulveralis Hb. Bitterfeld 7. 8. auf feuchten Wiesen. R. 8.
an Mentha aquatica.
300 BERNHARD FÜGE, [6]
Eurrhypara Hb.
urticata L. Heide 6. häufig an Brennessel sitzend. R.
8.—10. an Urtica urens; in Blattgespinst.
Scoparüinae.
Scoparia Hw.
ambigualis Tr. Überall 7.8. an Baumstämmen sitzend. R.?
dubitalis Hb. Peifsnitz 6. 7. an Pappelstämmen häufig.
Pyraustinae.
Syllepta Hb.
ruralis Se. Heide 6.7. In Gemüsegärten häufig. R. 5. an
Grossulariaceen in Blattrollen.
Nomophila Hb.
noctuella Schiff. Petersberg 7. 8. auf trockenen Grasplätzen.
R. 6. 7. an Polygonum persicaria und bistorta; am
Boden in Röhrengespinst.
Phlyctaenodes Hb.
palealis Schiff. Petersberg 6. 7. In Steinbrüchen nicht
selten. R. 8. im Blütenschirm von Peucedanum.
stieticalis L. Petersberg 7. mit voriger Art, doch seltener.
R. 8. 9. an Artemisia im Gespinst zwischen Blättern
und Blüten.
Diasemia Gn.
litterata Se. Dieskau 7. 8. auf feuchten Wiesen vereinzelt.
Schkeuditz, Flutrinne nicht selten. R. 4.—7. an Hiera-
cium pilosella, umbellatum; in leichtem Gespinst am
Boden.
Pionea Gn.
forficalis L. 6.7. in Gemüsegärten häufig. R. 6. und 9. 10.
am Sisymbrium.
olivalis Schiff. 6. im Osten des Gebietes nicht selten. R.
3.—5. zwischen versponnenen Blättern von Aciaea
spicata.
[7] Beiträge zur Mierolepidopteren-Fauna von Halle a.$. 301
Pyrausta Sehrk.
sambucalis Schiff. Halle 6. 7. an Gärten nicht selten. R.
im Herbst an Syringa vulg. in versponnenen Blättern.
flavalis Schiff. Petersberg 7. in Steinbrüchen nicht selten.
Im Osten nie gefangen. R. an Galum verum und
mollugo.
cespitalis Schiff. Petersberg, Städtische Sandgrube 7. häufig.
R. 6. und 10. an der Wurzel von Plantago maior und
media.
purpuralis L. Petersberg 6. und 9. häufig; liebt trockene,
sonnige Plätze R. 6. 7. und 10. in Gespinst an den
unteren Blättern von Mentha arvensis und silvestris.
aurata Se. 6. 7. Heide von Lassmann ein Stück gefangen.
R. wie purpuralis.
nigrata Se. Petersberg 6. 7. auf Brachfeldern häufig. Fehlt
im Süden und Osten. R. 6. und 9. an Salvia off. und
prat. im Gespinst am Boden.
eingulata L. 5. 6. Nietlebener Bruchfelder. Dort von
BANDERMANN in Menge gefangen. Liebt Sandboden.
R. 6. 8. 9. mit voriger.
Tortrieidae.
Tortrieinae.
Acalla Hb.
boscana F. Heide 6. Nicht häufig. R. 5. an Ulmus camp.
zwischen zwei Blättern.
niveana F. Heide 4. 5. Vereinzelt im Gebiet. R. 5. 6. an
Birken in Blattgespinst.
holmiana L. 6. 7. überall häufig. R. 5. und 7. an Rosen;
oft schädlich.
contaminana Hb. Petersberg 8. Ich klopfte den Falter mit
allen Var. häufig von Esehengebüsch. R. 5. 6.; soll auf
Prunus leben; von DAEHNE auf Pirus in Anzahl ge-
funden.
Capua Stph.
favillaceana Hb. Heide 7. 8. vereinzelt geklopft; auch am
Köder. R. 8. 9. auf Laubhölzern.
302 BERNHARD FÜGE, [8]
Cacoecia Hb.
podana Se. 6.7. Heide überall häufig. R. 5. 6. (polyphag)).
crataegana Hb. Heide 6. 7. Häufig. R. 5. an Laubhölzern.
xylosteana L. Bergholz 6. 7. Sehr gemein. R. polyphag
in Blattrollen.
rosana L. Halle 7. 8. an Hecken und Zäunen. Sehr
variabel an Grölse und Färbung. R. 5. 6. polyphag.
sorbiana Hb. Bergholz 6. 7. Nicht selten. R. 5. an Laub-
holz, auch niederen Pflanzen.
musculana Hb. Petersberg 8. von Haupt gefangen. R. 10.
polyphag.
lecheana L. Heide 6. 7. am Köder gefangen. R. 4.5. an
Laubhölzern.
Pandemis Hb.
corylana F. Heide 7. Nicht selten. R. 5. 6. an Laubholz.
ribeana Hb. Heide 6. 7. häufig am Köder. R. 5.6. an
Laubhölzern.
heparana Schiff. Uberall 7. 8. Auch in Gärten. R. 5. 6.
an Laubhölzern.
Eulia Hb.
cinctana Schiff. Petersberg 6. 7. Auf Wiesen häufig. R.
6. und 9. an niederen Pflanzen; von DAEHNE aus
Potentilla fragaria gezogen.
ministrana L. Heide 6. von KLEINE gefangen. R. 10. an
Laubhölzern.
Tortrix Meyr.
bergmanniana L. 6. überall in Gärten, nicht selten. R. 5.;
den Rosen sehr schädlich.
loefflingiana L. Heide 6. 7. Überall, doch nicht häufig.
R. 4. 5. an Laubbäumen.
viridana L. Heide, Bergholz 6. sehr ee R. 4. 5. an
Eiche und anderem Laubholz.
Cnephasia Curt.
wahlbomiana L. Heide 6.7. Überall gemein. Sehr variabel.
R. 5. polyphag; von DAEHNE in diesem wie im vorigen
Jahre schon 20./4. und 16./4. angetroffen.
[9] Beiträge zur Mierolepidopteren-Fauna von Halle a.8. 303
Oporinia Hb. (C’heimatophila Stph.).
tortricella Hb. Im Wörmlitzer Kirschberg einmal ein ab-
geflogenes Stück im 4. gefangen. R. 5. an Corylus
avellana.
Phaloniinae (Conchylinae).
Phalonia Hb. (Conchylis Ld.).
sanguinama Tr. Dieskau 6. 7. auf feuchten Wiesen. R. 6.
im Stengel von Eryngium campestre.
woliniana Schleich. Petersberg 6. nicht selten auf blumen-
reichen Wiesen. R. 9.—4. im Stengel und Zweigen
von Artemisia vulgaris und campestris.
smeathmanniana F. Halle 6. Sandgrube, Steinbrüche R.
9. 10. zwischen dem Samen von Centaurea.
zephyrana Tr. Petersberg 6. auf Brachfeldern; nieht häufig.
R. 10.—4. im Stengel von Daucus carota.
curvistrigana Wilk. Petersberg 6. Sehr selten. R. 10;
soll in dem Samen von Prenanthes purpurea leben.
posterana Z. Petersberg 6. vereinzelt. Von KLEINE aus
Distelköpfen, von DAEHNE aus Samenköpfen von Üen-
taurea jacea gezogen. R. 6. 8. 9.
dipoltella Hb. Petersberg 6. auf Brachfeldern häufig. R.
10. in den Blüten von Matricaria chamomilla.
albipalpana Z. Petersberg 6. an Stralsengräben häufig.
(Südtier! Sizilien, Pisa.) R.?
Euzxanthis Hb.
straminea Hw. Petersberg 6. 7. auf Brachfeldern; nicht
häufig. R. 7. in den Blüten von Üentaurea.
hamana L. Halle 7. Im ganzen Gebiet. In Gemüsegärten.
R.? Disqu& gibt an: R. soll an Ononis leben, doch
vermute ich eher, dals sie irgendwie an Disteln lebe.“
DaEnnE traf den Falter 1909 häufig in den Feldmarken
der Gemeinden Petersroda und Roitzsch bei Bitterfeld
und vermutet die Raupe nach einer milsglückten Zucht
an Klee.
zoegana L. Halle, Sandgrube 6. 7. häufig. Umschwärmt
nach Sonnenuntergang die Blüten von Centaurea. R.
304 BERNHARD FÜGE, [10]
5. 6. an der Wurzel von Centaurea jacea, nigra und
cyanus unter Gespinst.
Epibleminae (Olethreutinae).
Evetria Hb.
pinworana Z. Heide 6. nur einmal in einem Spinngewebe
gefunden. R. 4.5. in Knospen und Trieben von Pinus
silwestris.
turionana Hb. Petersberg 6. nicht selten. R. 9.—4. in
Trieben von Pinus silvestris.
buoliana Schift. Petersberg 7. nicht häufig. R. 5. 6. in
Knospen von Pinus silwestris.
resinella L. Heide, Petersberg 5. 6. Manche Jahre häufig.
R. 10.—4. in Harzgallen an Pinus silwestris.
Argyroploce Hb. (Olethreutes Hb.).
salicella L. Heide 6. Überall nicht selten. R. 7. in ver-
sponnenen Trieben an Populus und Salıx.
scriptana Hb. Dieskau 6.7. am Köder. R. 4.5. auf Salıx.
betulaetana Hw. Bitterfeld, Heide 6. nicht selten; nach
DAEHNE 1909 gemein in der Goitzsche, in den Elster-
hölzern und in dem Feuerschutzstreifen (Kleinbahn
Bitterfeld— Zörbig) des sonst nur aus Nadelholz be-
stehenden Stakendorfer Busches. R. 5. 6. auf Betula
alba in Blattgespinst.
variegana Hb. Halle 5. 6. Überall häufig. R. 4.5. an
Laubbäumen; trat nach DAEHNE im 5. 1908 und 1909
im Obstgarten des Rittergutes Roitzsch II als Schäd-
ling auf.
ochroleucana Hb. Petersberg 6. nicht selten. R. 5. 6. an
Laubhölzern; wurde 1909 von DAEHNE im Roitzscher
Gutspark als Rosenschädling beobachtet und aus ver-
sponnenen Rosenblättern gezogen.
dimidiana Sodof. Heide 6. vereinzelt. R. 8. auf Tilia
europaea.
micana Hb. (olivana Tr.). Halle 7. am Lieht vier Stücke
gefangen. R.?
[11] Beiträge zur Microlepidopteren-Fauna von Halle a. S. 305
lacunana Dup. Petersberg 6. 7. auf Wiesen nicht selten.
R. 4. 5. polyphag.
cespitana Hb. Petersberg 7. auf Brachfeldern nicht selten;
sitzt gern auf der Erde. R. 5. an niederen Pflanzen.
antiquana Hb. Halle 7. am Licht gefangen. R. 10.—5. in
den Wurzelausläufern von Mentha arvensis und silvestnis.
striana Schiff. Petersberg 6. 7. auf feuchten Wiesen nicht
selten. R. 4. 5. an der Wurzel von Lemna minor und
trisulca in Gespinst.
rufana Se. Petersberg 6. 7. häufig aus Rosengebüsch ge-
klopft. R. 3.—6. an der Wurzel von Sonchus oleraceus,
auch Tanacetum vulgare.
Olethreutes Hb.
arcuella Cl. Heide, Petersberg 6. sehr häufig. R. 4. am
Boden unter Laub.
Ancylis Hb.
achatana F. Heide, Petersberg 6. 7. auf Wiesen vereinzelt. R.?
lundana F. Lindenbusch; nieht häufig. R.?
siculana Hb. Petersberg überall gemein. R. 10. an Cornus
mas, sanguinea.
Bactra Stph.
lanceolana Hb. Heide, Exerzierplatz 7. nieht selten an Binsen.
R. im unteren Stengelteile von Cyperus flavescens, longus.
furfurana Hw. 8. Petersberg an Teichen vereinzelt; bei
Schkeuditz sehr häufig. R. wie vorige.
Enarmonia (Hb.) Meyr. (Steganoptycha Stph.).
profundana F. Heide (Erholungsheim) 8. an Eichenstämmen.
R. 5. am Laubbäumen.
corticana Hb. Heide 6. 7. in allen Laubhölzern. R. 5.
zwischen versponnenen Blättern. var. obtusana im
Bergholz nicht selten.
ratzeburgiana Rtzb. Heide 7. in einem Stück gefangen. R.
soll in versponnenen Knospen von Pinus leben.
oppressana Tr. Petersberg 6. 7. nicht häufig. R. 4. an
Populus-Knospen.
Zeitschr, f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.82. 1910. 20
306 BERNHARD FÜGE, [12]
Cydia (Hb.) Meyr. p. p.
ramella L. Petersberg 7.8. vereinzelt. R. 4. 5. in Knospen
von Pappeln.
trimaculana Don. Heide 6. vereinzelt. R. 5. 6. zwischen
den Trieben von Ulmus campestris.
minutana Hb. Petersberg 6. 7. nicht häufig. R. zwischen
zwei Pappelblättern versponnen.
Semasia Stph.
pupillana Cl. Petersberg 7.; nicht häufig. R. 9.—4. im
Stengel von Artemisia absynthrum.
hypericana Hb. Petersberg, Heide 6. sehr häufig. R.
zwischen versponnenen Trieben von Hypericum per-
foratum.
Thiodia (Hb.) Ken.
citrana Hb. Petersberg 6. auf Brachfeldern häufig. R. 8. 9.
auf Tanacetum vulgare (Blüten und Herztriebe).
"Tmetocera Ld.
ocellana F. Heide 6. nicht selten. T. 4. 5. in Trieben von
Betula alba.
Notocelia (Hb.) Meyr.
uddmanniana L. Heide 6. sehr häufig. R.5. an Brombeere
zwischen zusammengezogenen Trieben und Blättern.
DAEHnE zog den Falter aus Himbeere.
‚Epiblema Hb.
albidulana H.S. 6.7. im Norden und Westen häufig. Gegen
Abend die Blüten von Centaurea umschwärmend. R.
8. 9. in der Blüte von Centaurea jacea, nigra, cyanus.
fulvana Stph. Petersberg 7.; nicht häufig. R. 8. 9. Blüten
von Carduus nutans.
luctuosana Dup. Galgenberg 6. nicht selten. R. 10.—4.
SPÖTTEL überbrachte sie mir aus den Stengeln von
Carduus nutans.
foenella L. Halle, Galgenberg 6. häufig. R. 4. 5. in Stengel
und Wurzel von Artemisia vulgaris und absynthium.
[13] Beiträge zur Microlepidopteren-Fauna von Halle a. S. 307
graphana Tr. Petersberg 7. nicht häufig. R. 5. 6. an Wurzel
von Achillea.
tripunctana F. Petersberg 6. nicht häufig. R.?
subocellana Don. Heide 6. vereinzelt. R. 9.10. auf Salızx
caprea.
immundana F.R. Petersberg 7. Überall, doch selten. R.
9. an Erle, in den männlichen Kätzehen überwinternd.
nisella Cl. Heide 6. Überall gemein. R. 4. 5. in der
Samenwolle von Betula und Populus.
bilunana Hw. Heide 6. nieht häufig. R. 3. 4. in männ-
lichen Blüten von Betula alba.
solandriana L. Bitterfeld 6. nicht selten. R. 5. in Blatt-
rollen von Haselnuls und Sakx caprea, nach DAEHNE
in der Goitzseche 1908 häufig auf Espe und Faulbaum.
Hemimene Hb. (Dichrorampha Gn.).
petiverella L. Halle 5. 6. auf Wiesen. R. 3. 4. in der
Wurzel von Achillea millefolium.
Lipoptycha Ld.
saturnana Gn. Petersberg 5. vereinzelt auf Wiesen. R. 4.
in der Wurzel von Tanacetum vulgare.
Carpocapsa Tr.
pomonella L. 6. überall an Apfelbäumen sitzend. R. 8. in
der Frucht, 10.—4. unter der Rinde an kranken Stellen
überwinternd, wo auch die Puppe sitzt.
splendana Hb. Heide 7. am Köder. R. 10. in Frucht von
Quercus robur.
Laspeyresia Hb. (Grapholitha |Tr.] Hein.).
woeberiana Schiff. Kirschberg bei Beesen nicht selten. R.
9.—5. im Bast und unter Rinde an Kirschbäumen.
caecana Schläg. Petersberg 6. auf Wiesen vereinzelt. R.
in den Stengelspitzen von Ononis repens.
aurana F. Dieskau 6. vereinzelt; bei Schkeuditz auf
Sehirmblüten in grölserer Anzahl gefunden. R. 8. 9.
im Samen von Heracleum sphondylium.
20*
308 BERNHARD FÜGE, [14]
Pamene Hb.
argyrana Hb. Heide, Petersberg 4. 5. nicht selten. R.
7.—10. unter Rinde von Quercus.
gallicolana Z. Heide 4. vereinzelt. Von Haupr aus Gallen
von Uynips quercus und terminalis gezogen. R. 10.—3.
in obigen Gallen.
Pterophoridae.
Platyptiliinae.
Eucenemidophorus Wlsghm. (Platyptilia Hb.).
rhododactylus F. Galgenberg 7.8. Überall in Steinbrüchen,
doch vereinzelt. R. 5. 6. an Rosa canina, centifolia;
Knospen und Blüten fressend.
Stenoptilia Hb.
bipunctidactyla Hw. Überall im Gebiet, doch vereinzelt.
R. 5. 7. 9. wie vorige.
Marasmarcha Meyr.
phaeodactyla Hb. Petersberg 6. nicht selten. R. 6.7. an
Ononis spinosa.
Oxyptilus 2.
pilosellae Z. Petersberg 7. auf dürren Gräsern; selten. R.
5. an Hieracium pilosella und umbellatum.
Pterophorus Geoffr.
monodactylus L. Heide 3. und 10. an Kiefernstämmen
häufig. R. 8. 9. an Antirrhinum maius, linaria und
genistifolium.
Alueita (L.) Wlsghm. (Aciptika Hb.).
pentadactyla L. 7. überall gemein. R. 5.—8. auf Rosaceen.
[15] Beiträge zur Microlepidopteren-Fauna von Halle a. S. 309
Gelechiidae.
Chimabacchinae.
Ohimabacche 2.
fagella (S.V.) F. Halle, Heide 5. überall häufig. R. 9. 10.
an Betula.
Depressartinae.
Psecadia Hb.
bipunctella F. Petersberg 7. nicht selten; zwei Generationen.
R. fand ich 6. und 9. an Blüten von Anchusa off.
Depressaria Hb.
flavella Hb. Petersberg 6. nicht selten. R. 5. in Röhren-
gespinst an Centaurea cyanus.
putridella Schiff. Schkeuditz 6. häufig. R. 5. in ver-
sponnenen Trieben an Peucedanum off.
liturella Hb. Galgenberg 6. Überall häufig. R. 5. 6. an
Eryngium campestre, verrät sich durch feuchte Kot-
haufen auf der Pflanze.
Schistodepressaria.
Iibanotidella Schläg. Petersberg 7. Nicht häufig. R.8. an
Peucedanum cervaria.
herachana De Geer. Galgenberg 8. sehr häufig. R. 7. 8.
im Schirm von Pastinaca sativa.
pulcherrimella Stt. Petersberg 7. vereinzelt. R. 5. an
Pimpinella saxifraga.
nervosa Hw. Petersberg 5. vereinzelt. R. 6 7. an Carum
carvi, bulbocastanum.
Hofmannophila Spul.
pseudospretella Stt. Halle 7. einmal am Licht gefangen. R.?
Carcina Hb.
quercana F. Heide 6. 7. Uberall. R. 6. an der Unterseite
der Blätter von Quercus robur in leichtem Gespinst,
310 BERNHARD FÜGE, [16]
Oecophorinae.
Harpella Schrk.
forficella Se. Petersberg, Heide 6. vereinzelt. R. 4. in
faulem Holz.
Borkhausenia Hb. (Oecophora auct.).
similella Hb. Heide 5. an Kieferstämmen häufig. R. 10.—4.
an Pinus zwischen der Rinde.
angustella Hb. Petersberg 7. Ich fand die schöne Art an
Pappelstämmen. R.? Wahrscheinlich unter Rinde.
formosella F. Halle 7. nieht selten an Obstbäumen. R.
10.—4. unter Rinde von Pirus malus, comm.
schaefferella L. Petersberg 6. Von Haupr in Anzahl ge-
funden. Ich fand den Falter sehr häufig in Kirsch-
plantagen. R. 10.—4. an Pinus unter Rinde; jedenfalls
auch an anderen Pflanzen.
Blastobasinae.
Endrosis Hb.
lacteella Schiff. Halle 4. 5. häufig; auch in Wohnungen.
R. 3. 4.; ich zog sie aus einem vorjährigen Puppen-
kasten.
Gelechiinae.
Sophronia Hb.
humerella Schiff. Petersberg 6. 7. vereinzelt. R. 5. 6.; soll
an Artemisia vulgaris leben.
Nothris Hb.
verbascella Hb. Petersberg 7. nicht selten. R. 3. 4. und
7. 8. in den jungen Stauden von Verbascum lychnitis,
thapsus und blattaria.
Tachyptilia Hein.
populella Cl. Halle 7. an Pappelstämmen, meist in den
Ritzen verborgen; häufig. R. 6. in Blattrollen von
Salix, Populus, Betula.
[117] Beiträge zur Microlepidopteren-Fauna von Halle a. S. sll
Recurvaria (Hw.) H.S.
leucatella Cl. Halle 7. an Gartenheeken aus Ürataegus
geklopft. R. 4. 5. in den Trieben von COrataegus.
Teleia Hein.
fugitivella Z. Halle 6. nicht selten. R. 4. 5. an Ulmus in
Blattgespinst.
proximella Hb. 6. im ganzen Gebiet nicht selten. R.5. 8. 9.
an Betula, Alnus.
notatella Hb. Galgenberg 8. häufig. R. 6. 9. 10. Nach
Disqu& soll sie an Salix leben; ich zog den Falter in
srolser Zahl aus den Gipfelblättern einer Atriplex-Art.
luculella Hb. Heide 5. an Eichenstämmen sehr gemein. R.
6. 9. 10. im Moos am Stamm.
Gelechia 2.
pinguinella Tr. Halle 8. Überall nicht selten. R.4.5. an
Populus nigra zwischen Blättern versponnen.
scalella Se. Petersberg 5. an Eichenstämmen in Ritzen. R.
6. 10. im Moos am Stamm von Quercus robur.
Lita Tr.
atriplicella F.R. Halle 8. überall gemein; überwintert. R.
7.8.zwischen den Samen von Atriplex patula, laciniatum.
Bryotropha Hein.
terrella (S. V.) Hb. Schkeuditz 6. vereinzelt auf Wiesen. R.?
senectella Z. Galgenberg 8. nicht selten. Ich zog den
Falter in Anzahl aus einer Atriplex-Art. R. 6.7.
Metzneria Z. (Parasia Dup.).
lappella L. Halle 4. 5. vereinzelt; von Haupt aus Blüten-
köpfen von Üentaurea gezogen. R. 10.—3.
Paltodora Meyr. (Cleodora Curt.).
eytisella Curt. Dieskau, Schkeuditz 6. sehr selten. R. 6,
an Pteris aquilina,.
312 BERNHARD FÜGE, [18]
Ohrysopora Clem. (Nannodia Hein.).
stipella Hb. var. naeviferella Dup. Schkeuditz 4. aus Reisig-
haufen geklopft. R. soll an Atriplex minieren.
hermannella F. Halle 6. nicht häufig. R. 7. 8. miniert an
Atriplex patula.
Momphidae.
Momphinae.
Mompha Hb. (Laverna Curt.).
conturbatella Hb. Heide 6. nicht selten. R. 5. in Gipfel-
blättern von Epelobium versponnen.
fulvescens Hw. Heide 8. häufig. R. 7. in Trieben von
Epilobium.
Anybia Stt.
epilobiella Römer. 6. nicht selten. R. 5. in Epilobium
minierend.
Tebenna H.S.
raschkiella Z. Schkeuditz. 6. vereinzelt. R. 6. 8.; miniert
Eprlobium angustifolia.
Chrysochsta Stph.
lineella Cl. Halle 7. einmal gefangen. R.?
Cosmopteryginae.
Batrachedra Stt.
praeangusta Hw. Halle 7. an Pappelstämmen häufig. R. 5.
ebenda zwischen Samenwolle und Blättern.
Coleophoridae.
Metriotes H. S. (Asychna Stt.).
modestella Dup. 5. auf Wiesen vereinzelt. R. 6. nach
HorMmanN auf Stellaria holostea,
[19] Beiträge zur Mierolepidopteren-Fauna von Halle a.5. 313
Coleophora 2.
frischella L. Halle, Sandgrube 7. nicht selten. R. 8. an
Samen von Mellotus off.
currucipennella Z. Halle 5. häufig, R. 4. an Carpinus
betulus.
Gracilariidae.
Gracilariinae.
Gracilaria 2.
alchimiella Se. Halle 5. an Kirschbäumen nicht selten. R.?
Xanthospilapteryx Spul.
syringella F. Halle 5. Von Haupr im Zoologischen Garten
zu Hunderten schwärmend beobachtet. Drei Genera-
tionen. R. miniert an Syringa.
Orniz 2.
awellanella Stt. Halle 5. vereinzelt. R. 9. 10. an Corylus
avellana.
torquillella Z. Heide 5. von Crataegus geklopft. R.?
Lithocolletinae.
Lithocolletis 2.
sylvella Hw. Heide 7. an Eichenstämmen häufig. R. ebenda.
tenella Z. Heide, Petersberg 6. 7. nieht selten. R. 9. 10.
an Carpinus unterseitig.
alniella Z. Dieskau 5. nieht selten. R. 6. 7. 9. 10. an
Alnus unterseitig minierend.
strigulatella Z. Wie vorige.
sorbi Frey. Halle 6. überall. R. miniert an Prunus padus.
froehlichiella Z. Dieskau 5. häufig. R. 7. 9. 10. an Erle.
klemannella F. Dieskau, Beesen 5. nicht selten auf Erle.
R. miniert ebenda 6. 7. 9. 10.
Buceulatrix 2.
ulmella Z. Heide (Nietleben) 6. vereinzelt. R. 9. 10. miniert.
314 BERNHARD FÜGE, [201
Lyonetiidae.
Lyonetia Hb.
clerkella L. Heide, Petersberg häufig. R. miniert Prunus-
Arten, auch Betula.
Elachistidae.
Elachista Tr.
quadrella Hb. Am See 8. einmal gefangen. R. 5.6. an
Luzula pilosa, albida.
cerusella Hb. Petersberg auf Wiesen vereinzelt. R. 4. 6.
an Phalaris arundinacea.
Seythrididae.
Seythridinae.
Scythris Hb. (Butalis Tr.).
punctivittella Costa. Petersberg 7. einmal gefangen. R.?
chenopodiella Hb. Halle 7. überall häufig. R. 7. 8. an
Chenopodium- Arten. i
inspersella Hb. Heide (Erholungsheim) 8. auf blühender
Kamille nicht selten. R. 6. an Epilobium angustifolium.
Hyponomeutidae.
Hyponomeutinae.
Hyponomeuta Latr.
plumbellus Schiff. Halle 7. nicht selten. R. 5. in Gespinst
an Obstbäumen.
malinellus Z. Petersberg 7. sehr häufig. R. 5. gesellschaft-
lich in Gespinst an Evonymus europaeus.
Swammerdamia Hb.
pyrella Vill. Halle 5. an Orataegus-Hecken häufig. R. 6,
9, 10, ebenda,
[21] Beiträge zur Mierolepidopteren-Fauna von Halle a.S. 315
Argyresthiinae.
Argyresthia Hb.
ephippiella F. Heide 6. nicht selten. R. in Trieben von
Crataegus.
nitidella F. Kirschberg bei Beesen von ROSENBAUM ge-
fangen. R.?
goedartella L. Überall an Birkenstämmen sitzend. R. 3.
an Betula; in den Kätzchen, später unter der Rinde.
certella Z. Petersberg 7. einmal gefangen R.?
Plutellinae.
Cerostoma Latr.
radiatellum Don. Petersberg 6. nicht häufig. R. 5. an
Prunus-Arten.
parenthesellum L. Heide, Petersberg 8. vereinzelt. R.?
lucellum F. Heide 6. nicht selten. R. 6. 7. an Quercus.
Plutella Scehrk.
maculipennis Curt. Halle 6. auf Brachfeldern häufig. 'R.
9.—10. an Arabis petraea.
Acrolepiidae.
Roesslerstammia 2.
erxlebeniella F. Petersberg 6. sehr vereinzelt. R. 9. an
Tiha europaea.
Tineidae.
Tineinae.
Scardia Tr.
boleti F. Heide 8. von KLEME gefangen. R. 3.—5. in
Baumschwämmen.
Trichophaga Rag.
tapetiella L. Halle 6. Ich fing einige Stücke in einem
Kaninchenstall. R. 9,—4. in Gewölle und Federn,
316 BERNHARD FÜGE, [22]
Tinea 2.
granella L. Heide 5. Uberall häufig. R. 9.—3. unter
Rinde und Löcherschwamm.
fuseipunctella Hw. Halle einmal am Licht. R.?
Tineola H.S.
biselliella Hummel. Überall in zwei Generationen. R. an
Biskuit und Federn.
Monopidae.
blabophanes (Z.) H.S.
ferruginella Hb. Halle 6. in Gärten auf Nelken. R.?
Monopis Hb.
rusticella Hb. Halle 5. nicht selten; zwei Generationen. R.
an tierischen Stoffen, in Vogelnestern.
Incurvariidae.
Incurvarünae.
Incurvaria Hw.
morosa Z. Petersberg 7. aus Rosengebüsch geklopft. R.
3. 4.; frilst Rosentriebe.
muscalella F. Heide 5. häufig. R. 4. an Fragarıa vesca.
pectinea Hw. Heide 4. häufig; im Sonnenschein fliegend.
R. 9.; miniert jung an Detula; später als Sackträger
am Boden.
Nemophora Hb.
swammerdamella L. Bitterfeld 5. sehr häufig. R.?
Adelinae.
Nemotois Hb.
fasciellus F. Halle 7. Von Haupt auf Windenblüten ge-
funden. .R. 6. 7. an Lamium album, purpureum,
[23] Beiträge zur Mierolepidopteren-Fauna von Halle as. 317
Adela Latr.
viridella Z. Heide 4. Eichen umsehwärmend. R.?
degeerella L. Heide 6. auf Brombeergebüsch häufig. R.?
rufifrontella Tr. Petersberg 6. einmal gefangen von Lass-
MANN. R. an Capsella bursa pastoris,; jung in Samen,
später am Boden.
fibulella F. Petersberg 5. häufig auf Blüten von Veronica off.
R. 7. ebenda in den unreifen Samen, später als Sack-
trägerin.
Heliozelidae.
Antispilia Hb.
pfeifferella Hb. Halle 8. In manchen Jahren nicht selten.
Dr. von SCHLECHTENDAL zog den Falter in grolser
Anzahl. R. 6. 7.; miniert Cornus.
Nepticulidae.
Nepticulinae.
Neptieula 2.
oxyacanthella Stt. Halle 7. vereinzelt. R. 6. 10. an Sorbus.
salkcis Stt. Beesen 5. an einer Uferweide in Anzahl ge-
fangen. R. 7. 10. an Sal.
trimaculella Hw. Mit voriger Art vereinzelt. R.?
Mieropterygidae.
Micropteryx Hb. (Eriocephala Curt.).
aureatella Se. Bitterfeld 5. an sumpfigen Waldstellen an
Stämmen sitzend. R.?
Somit ergibt eine zahlenmälsige Zusammenstellung
meiner Funde folgendes Bild:
318 BernHarp Füge, Beiträge zur Microlepidopteren-Fauna. [24]
Familie Zahl der Arten Familie Zahl der Arten
Esychidae er 21 Elachistidae 7 2. 7.2.0252
Pyralidae 2... .258 (incl. 2 var. |ESeythrididserse
und 1 ab.) | Hyponomeutidae . . . 11
Tortriidae . . 88 (incl. 1 var.) | Acrolepiidae 1
Pterophoridae . 6 Tineidae . 5
Gelechiidae . . 34 (inel. 1 var.) Monopidae 2
Momphidae . . 6 Ineurvariidae g
Coleophoridae . 3 | Heliozelidae . 1
Graeilariidae . . 12 | Nepticulidae . 3
Lyonetiidae . . 1 Miecropterygidae 1
Summa 247 (inel. 4 var. und 1 ab.)
Das ist noch nicht einmal die Hälfte der von STANGE auf-
geführten 578 Formen. Wie schon gesagt, dürfte dies haupt-
sächlich an der kurzen Dauer meiner Sammeltätigkeit im
fraglichen Gebiet liegen. Ferner habe ich manche von
STANGE regelmälsig explorierten Fanggebiete, wie z. B. die
Mosigkauer Heide, nicht besuchen können. Endlich haben
sich in den seither verflossenen vier Jahrzehnten unver-
kennbar die faunistischen Verhältnisse im Hallischen Gebiet
verschlechtert: durch das Abholzen verschiedener Wäldchen
wie durch Separationen und Meliorationen aller irgendwie
landwirtschaftlich ausnutzbaren Flächen sind ergiebige Fang-
plätze verschwunden, und jahraus jahrein liehtet die abend-
liche Liehtfülle des zur Grolsstadt aufgeblühten Halle und.
der vielen neuerdings auch mittels Elektrizität oder Gas er-
leuchteten umliegenden Ortschaften die Reihen der flammen-
tollen Geschöpfe. Trotzdem habe ich eine Anzahl von
STANGE nicht genannter Formen aufgefunden. Indessen
sind davon manche erst nachdem neu beschrieben, andere
verdanken ihr Leben nur der neuerdings beliebten Zer-
spaltung damals noch vereinter Formen, bei wieder anderen
ist die Synonymie unsicher. Dadurch wird eine einwandfreie
Feststellung der wirklich für das Gebiet neuen Formen so
erschwert, dafs ich lieber ganz davon absehe.
Über zwei Zuchten von Abweichungen des
Wolfsmilehschwärmers
von
Franz Bandermann, Halle a. S.
Im Herbst 1908 trug ich 90 Raupen von Deilephila
euphorbiae L. ein, in der Hoffnung, unter der Menge einige
Abänderungen zu erhalten. Nach dreimonatlicher Ruhezeit
nahm ich die Puppen im Januar 1909 in ein geheiztes
Zimmer von etwa 15—20° Wärme, wo ich sie leicht ange-
feuchtet auf dem Fensterbrett stehen liels. Am 3. März sals
der erste normale männliche Falter im Kasten. Bis zum
1. Mai schlüpften dann 53 Falter, darunter 6 Stück (2 Männ-
chen und 4 Weibchen) der stark rot bestäubten ab. rubescens
Garb., und 2 Stück der v. paralias Niek., die nur in Süd-
europa vorkommt und den direkten Übergang zu der
v. grentzenbergi Stgr. von Capri und Portugal bilden soll.
Da die Temperatur am Tage schon ziemlich hoch stieg,
stellte ich die übrigen Puppen vor das Fenster ins Freie,
wo bis zum 4. Juni noch 25 Falter schlüpften. Darunter
befand sich ein Männchen der sehr seltenen ab. helioscopiae
Sel.-Longeh., bei der die schwarze Binde der Hinterflügel
vollständig fehlt, und ein Weibehen, das auf den Vorder-
flügeln graubraun gefärbt war, sonst aber die gewöhnliche
Zeiehnung aufwies, 9 Puppen waren eingegangen; 3 sind
bis zum Herbst noch nicht geschlüpft, ich will aber ab-
warten, ob sie nicht doch noch die Falter ergeben. — Da
ich einen zweiten Versuch im Herbst 1909 machen wollte,
sammelte ich schon im Juli 43 ausgewachsene Raupen, von
denen sich bis zum 8. August 39 verpuppten; 4 gingen ein.
Die Puppen stellte ich bis zum 28. September in einen Keller
320 F. BAnDERMANN, Zwei Zuchten d. Wolfsmilchschwärmers. [2]
von 8—10° und nahm sie dann in ein geheiztes Zimmer
von 18—240 (., wobei ich sie alle 3 Tage etwas anfeuchtete.
Am 12. Oktober war der erste Falter, ein normales Männ-
chen, geschlüpf. Am 15. und 16. Oktober schlüpften ein
Männchen und ein Weibchen, welche auf den Hinterflügeln
etwas helleres Rot als gewöhnlich hatten; am 23. und
26. Oktober 2 Stücke mit der gelblichen Färbung der sehr
seltenen ab. lafitolei Th.-Mieg. Da der Oktober zu Ende
ging und durch das frühe „Treiben“ eine Menge Puppen
zu Grunde gingen, wollte ich nicht mehr so viel Puppen
opfern und daher den Versuch am 3. November abschliefsen.
Da fand ich bei gründlicher Untersuchung des Kastens in
einer Ecke einen prächtigen Falter, der auf der Oberseite
der Vorderflügel der v. paralias Niek. gleicht, während die
Oberseite der Hinterflügel stark ins Gelbe geht und etwa
die Farbe des Weibehens von Lasiocompa quercus L. zeigt.
Das Stück sieht dadurch ganz merkwürdig aus; man könnte
es für einen Exoten halten. 18 Puppen waren eingegangen;
15 blieben lebend liegen.
Als ich 1908 bei Massenzuchten von Weilslingen !) aus
hallischen Puppen ohne jede künstliche Beeinflussung Stücke
erhielt, die von weitem heimischen Formen täuschend gliehen,
sah sich STicHEL veranlalst, im Interesse exakter Begriffs-
bestimmung den neuen Terminus „f. fue.* (= forma fucosa,
Seheinform) aufzustellen.?2) Für die Berechtigung einer derart
strengen Unterscheidung dürften die vorstehenden Deilephila-
Zuchten einen weiteren Beleg liefern. Im allgemeinen ergab
sich aus meinen gesamten bisherigen Wolfsmilchsehwärmer-
Zuchten, dals die im Frühjahr getriebenen Puppen mehr
nach Rot, also nach der normalen Färbung schlagen, während
die im Herbst getriebenen sichtlich zu hellerer Färbung neigen.
1) Vgl. diese Zeitschrift Bd. 81, S. 182 [Mitt. a. d. Ent. Ges. Halle,
Heft 1, S. 2—3].
2) Int. Ent. Zeitschr. IV (1910), Nr. 5, Leitbericht $. 23.
Über sudetische, prätertiäre junge Krusten-
bewegungen und die Verteilung von Wasser
und Land zur Kreidezeit in der Umgebung
der Sudeten und des Erzgebirges.')
Eine Studie zur Geschichte der Kreidetransgression
von
Prof. Dr. Hans Scupin.
Mit 2 Figuren im Text.
Die prätertiären jungen Krustenbewegungen, wie sie be-
sonders in den letzten Jahren in verschiedenen Gegenden
Deutschlands festgestellt worden sind, rückten auch die
Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit näher, dafs sich in
gleicher Weise auch im Gebiete der Sudeten Ähnliches be-
obachten lassen werde. Die Untersuchung der nieder-
schlesischen Kreide in dem ganzen Gebiete zwischen Hirsch-
berg, Görlitz, Sagan und Goldberg, die mich in den letzten
Jahren beschäftigte (Löwenberger Kreide in weiterem Sinne),
bestätigte diese Erwartung und ergab das Vorhandensein
einer Krustenbewegung, die sich wohl schon in der älteren
Kreidezeit äulserte, dann während der ganzen jüngeren
Kreide anhielt und schliefslieh ihre Fortsetzung in der
grolsen tertiären Faltung fand, welche das in der Kreide-
zeit entstandene Bild der Sudeten vervollständigte bezw.
umformte.
Das Vorhandensein einer jungen prätertiären Bewegung
ergibt sich zunächst aus dem Auftreten einer Diskordanz
zwischen älterer Trias und dem Cenomanquader,
1) Vorgetragen in der Sitzung des Naturwissenschaftlichen Vereins
für Sachsen und Thüringen zu Halle am 24. Februar 1910.
Zeitschr. f. Naturwiss, Halle a,S. Bd, 82. 1910. In
322 HAnß Scupin, 12]
die allerdings da, wo die Auflagerung des letzteren zu sehen
ist, wie besonders in der Umgebung Löwenbergs im einzelnen
Aufschlusse nieht zum Ausdruck kommt, die aber aus der
Auflagerung des Cenomanquaders auf verschieden
alten Horizonten der Trias folgt. So liegt die Kreide
bei Löwenberg auf mittlerem Buntsandstein,t!) bei Armeruh
nördlich des Heiligen Berges auf Röt, im Katzbachtal, wie
es scheint, auf unterem?) Buntsandstein, wobei die Grenze
vielfach eine ganz scharfe, mit der Hand zu bezeichnende ist.
Muschelkalk tritt als Liegendes der Kreide nur nordöstlich
einer Linie Hermsdorf an der Katzbach— Gr.-Hartmannsdorf
und deren nordwestlicher Fortsetzung auf. Bei Hermsdort
verrät sich die Auflagerung auf Muschelkalk nur durch eine
kleine in der Hermsdorfer Spalte eingeklemmte Scholle von
Buntsandstein und unterem Muschelkalk, wogegen der Muschel-
kalk bei Gr.-Hartmannsdorf in mächtigen Steinbrüchen auf-
geschlossen eine grölsere Fläche einnimmt. Die Fortsetzung
dieses Muschelkalkzuges wird durch den Muschelkalk von
Alt-Warthau gebildet und ebenso stölst bei Wehrau und
Klitsehdorf am Queis der mit dem Röt steil aufgerichtete
untere Muschelkalk an das kohlenführende Untersenon, den
Überquader BeyrıcHs,3) der an einem mächtigen Bruch von
etwa 400 m Sprunghöhe abgesunken ist.
Dals es sich hier nieht um eine Erosionsdiskordanz auf
ungestörter, nur verschieden tief erodierter Unterlage handelt,
ergibt sich daraus, dals nirgends gegenüber der Auflagerung
auf Buntsandstein eine merkliche Unvollständigkeit der
!) Man vergleiche zur Orientierung die Roth-Beyrichsche geo-
logische Karte des Niederschlesischen Gebirges, Blatt Löwenberg und
Liegnitz.
2) Vorausgesetzt, dafs die Vermutung Zimmermanns richtig ist
nach der nicht nur die tiefsten, auch von mir noch zum Zechstein ge-
rechneten Bänke der roten Sandsteine (auf der Roth-Beyrichschen
Karte von Niederschlesien, Blatt Liegnitz, als Buntsandstein kartiert)
sondern auch noch ein Teil der jüngeren Bänke zum Zechstein gehört,
was Zimmermann aus dem Auftreten von Plattendolomit folgert.
®) Roth, Erläuterungen zur geognostischen Karte vom Nieder-
schlesischen Gebirge, S. 288. Vgl. aulserdem Scupin, Die strati-
graphischen Beziehungen der obersten Kreideschichten in Sachsen,
Schlesien und Böhmen. Neues Jahrb. f. Min. 1907, Beil., Bd. 24, 8. 695.
[3] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 323
basalen Schichten zu bemerken ist. Bei Hermsdorf und
Wehrau-Klitsehdorf sind diese durch die beiden Längsbrüche
allerdings der Betraehtung entzogen, dagegen sind sie
zwischen Alt- und Neu-Warthau, wo die Fortsetzung des
Wehrauer Bruches erst im Hangenden des Cenomans vorbei-
läuft, hier den unteren Emscher (die bekannten Neu-
Warthauer Schichten) gegen unterturonen Quader verwerfend,
in durchaus typischer Weise entwickelt. Das Gleiche gilt
von den basalen Schiehten in der südöstlichen Fortsetzung
bei Gr.-Hartmannsdorf, wenn auch natürlich kleinere Ver-
schiedenheiten in der Mächtigkeit des Cenomans vorkommen,
die auf Ungleichmälsigkeiten des Untergrundes zurück-
zuführen sind; im gröfsten Teil war dieser aber wohl ziemlich
eben, wodurch eine an den meisten Stellen einigermalsen
gleichmälsige Mächtigkeit des Cenomans von etwa 30 m
bedingt wurde.
Man wird daher zur Annahme einer Krustenbewegung
genötigt, die allerdings nicht sehr erheblich war. Das Auf-
treten des Muschelkalkes nordöstlich der Linie Hermsdorf
an der Katzbach—Gr.-Hartmannsdorf erklärt sich dann
vielleieht durch eine alte Bruchlinie, die den Muschelkalk
ins Niveau des Buntsandsteins warf, wenn man nicht eine
ganz flache dem Auge unmerkliche präcenomane Faltung der
Triasschiehten annehmen will, die neben dieser Bruchlinie
auch noch zur Erklärung der Auflagerung auf den oben
genannten verschiedenen Buntsandsteinhorizonten heran-
gezogen werden könnte. Ganz gewils wird eine Neigung
der Scehiehten, die um nur etwa 1° von der des Cenomans
abweicht, dem Auge entgehen und doch würde sie bereits
in 10 km Entfernung eine Niveaudifferenz von etwa 200 m
hervorbringen. Auch die Messung mit Bergkompals und
Senkel wird hier versagen, da ein soleh geringer Betrag
noch innerhalb der Grenzen der Fehlerquellen liegt. Übrigens
würde die Richtung einer derartigen Verwerfungslinie Herms-
dorf—-Gr.-Hartmannsdorf nur wenig von der späteren post-
kretazischen Hermsdorfer Spalte (Hermsdorf— Hoekenberge)
abweichen.
Uber das genaue Alter dieser Störungen lälst sich
zunächst Bestimmtes nieht aussagen, vermutlich dürften
21*
324 HANS Scupın, [4]
sie spätjurassisch oder altkretazisch sein. Jedenfalls
war diese Geländeverschiebung der jurassisch-altkretazischen
Landmasse beim Einbruch des Kreidemeeres schon wieder
mehr oder weniger durch Denudation eingeebnet.
Weiter wird das Auftreten prätertiärer gebirgsbildender
Kräfte bewiesen durch das Auftreten von Geröllen älterer
Schichten in der Kreide. Abgesehen von den für die Be-
trachtung fortfallenden basalen Schichten, die stellenweise
aus Geröllen gebildet sind, welche die eindringenden Wogen
des Kreidemeeres vielleicht bereits vorfanden und in ihre Sand-
massen aufnahmen, sind Gerölle, die Nähe des Landes an-
zeigend, in verschiedenen jüngeren Horizonten der Kreide, im
Unter-,Mittel-und Oberturon (Rabendocken-Sandstein, Ludwigs-
dorfer Sandstein) im Emscher und Untersenon (Oberquader und
Überquader)!) zu finden, doch sind es fast ausschliefslich
Quarzgerölle, über deren Herkunft sich Genaues nicht aus-
sagen lälst. Ursprünglich den Quarzgängen der nieder-
schlesischen Tonschieferformation entstammend, haben sie
wahrscheinlich zuletzt dem Buntsandstein angehört, der an
verschiedenen Stellen geröllführend, gelegentlich sogar als
konglomeratischer Sandstein, so bei Lähn, entwickelt ist.
Von Bedeutung wird erst ein einzelnes Geröll, das ich
im Untersenon nördlich Langenau unweit Görlitz aus dem
anstehenden konglomeratischen Sandstein des Untersenon
herausschlug. Das Stück selbst besteht wieder aus einem
verfestigten konglomeratischen Sandstein und zeigt kleine
Milehquarzgerölle, die durch einen gelbliehen, kaolinisierten
Feldspat führenden Sandstein verkittet sind. Die bei der
Kaolinisierung frei gewordene Kieselsäure hat einzelne kleine
Quarzkriställehen gebildet. Nach meiner Kenntnis der Ge-
steine der ganzen Gegend kann das Geröll nur ein ge-
bleiehtes Stück der rotliegenden geröllführenden
Arkosen sein, wie sie besonders im Mittelrotliegenden in
der sich weit nach Westen erstreckenden Löwenberger
Hauptmulde sehr verbreitet sind, die also ursprünglich von
Zechstein und Trias bedeckt, zur Zeit des Untersenon stellen-
weise bereits freigelegt sein mulsten.
1) Über die Lokalbezeichnungen für die einzelnen Kreidehorizonte
hier und weiter unten vgl. die zitierte Arbeit des Verfassers.
a.
[5] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 9325
Gesichtspunkte allgemeinerer Art sind es endlich, die
ebenfalls die Annahme einer prätertiären Krustenbewegung
im Vorlande der Sudeten fordern. Es ist die Verteilung
von Wasser und Land, wie sie auf Grund der
petrographischen und faunistischen Verhältnisse zur
Kreidezeit in Schlesien, Böhmen und Sachsen wohl
anzunehmen ist.
Die positive Strandverschiebung am Beginn der oberen
Kreide, welehe den Einbruch des Meeres nach Sachsen,
Sehlesien und Böhmen verursachte, vollzog sich hier offen-
bar nieht gleichmälsig, vielmehr scheinen ausgedehnte
Sehollen der altkretazischen Landmasse in der Umgebung
stehengebliebener Pfeiler, die unten näher zu kennzeichnen
sind, abgesunken zu sein. Lepsrus!) hat sich bereits bei
Behandlung der sächsischen Kreide in ähnlichem Sinne
geäulsert, indem er für den Einbruch des Kreidemeeres eine
grabenartige Einsenkung zwischen Erzgebirge und Lausitzer
Platte annahm, die nach ihm ebenso wie das Riesen- und
Isergebirge aus dem Meere hervorragten.
Allerdings möchte ich Lersıus bezüglich dieses präcene-
manen Grabens nicht beipflichten. Ich glaube, dafs die
Lausitzer Platte und mindestens ein sehr grolser Teil des
Erzgebirges, dessen östlichen Teil bei Tharandt, Dippoldis-
walde, Markersbach und Nollendorf Lersıus allein vom
Meere bedeckt sein läfst, zur Kreidezeit unter Wasser
lagen.
Man darf aus dem Fehlen von Kreideablagerungen hier
keinen Schluls auf fehlende Meeresbedeekung ziehen. Mit
ParrscH?) glaube ich vielmehr, dafs über die Lausitzer
Platte hin ein unmittelbarer, höchstens ganz lokal unter-
brochener Zusammenhang zwischen den sächsischen und
den Ablagerungen der Bunzlau-Löwenberger Kreidemulde
bestanden hat. Erst am Beginn des Senons könnte die
Verlandung vom Süden aus solche Fortschritte gemacht
haben, dafs auch ein Teil der Lausitzer Platte trocken
gelegt war. Die niederschlesische Kreide ist z. Zt. bis etwas
1) Geologie von Deutschland II, S. 174, 175 Fulsnote.
#) Schlesien 8. 149.
326 Hans Scupin, [6]
westlich der Neisse im Untergrunde nachgewiesen.!) Wenig
östlich der letzteren fallen die Schiehten des oberen Emschers
(schlesischer Oberquader) bei Nieder-Bielau in etwa 180 m
Höhe (unweit der Bahnstrecke Kohlfurt—Horka) mit steilem
Fallen von 60° von dem Lausitzer Granit gegen NO. ab,
den sie einst, wenigstens zum grolsen Teil, bedeckt haben
dürften, und an dessen Nordostrand die sonst ziemlich
flaches Einfallen von etwa 10—15° zeigende Mulde in die
Tiefe geglitten ist.
In der böhmiseh-sächsischen Kreide überragt das mittlere
Turon des hohen Schneeberges mit 720 m Höhe bereits er-
heblieh die höchsten Erhebungen des Lausitzer Hügellandes,
die etwa 600 m erreichen. In der Südwestecke des Blattes
Rosenthal — Hoher Schneeberg liegt sogar schon die Basis
des Cenomans 550 m hoch. Wird man auch diese Teile
als gehoben betrachten müssen, so steht dieser Hebung
wiederum auch die sehr bedeutende Hebung des Lausitzer
Granits gegenüber. Auch an der Lausitzer Überschiebung
liegt der Brongniarti-Quader schon in beträchtlicher Höhe,
die am Oybin mit 580 m fast den höchsten Erhebungen des
Lausitzer Granits gleichkommt.
Da die etwa 300 m tiefer liegende Unterkante des
Cenomans natürlich in jedem Falle über die Lausitzer Spalte
übergegriffen haben muls, so ergibt sich hierdurch eine
Höhendifferenz in positivem Sinne gegenüber dem Lausitzer
Bergland, deren Ausgleich dann nur durch eine sehr viel
energischere Abtragung des Lausitzer Granits und der ihm
aufgelagerten Schollen gegenüber dem Quadersandstein ge-
dacht werden könnte. Sollte ein Teil der Lausitzer Platte
vom Meere unbedeckt geblieben sein, so könnte dieser jeden-
falls infolge des anzunehmenden Übergreifens der Kreide-
ablagerungen auf diese im Nordosten und Südwesten also
wohl nur recht unbedeutend gewesen sein, zumal auch
noch in der Überschiebungsspalte, dieht bei Hinterdaubitz,?)
1) Vgl. K. Priemel, Die Braunkohlenformation des Hügellandes
der preufsischen Oberlausitz, Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- und Salinen-
wesen, 55, 1907, 8.53.
2) Blatt Hinterhermsdorf—Daubitz der geol. Spezialkarte des
Königreichs Sachsen.
[7] Sudetische prätertiüre junge Krustenbewegungen usw. 327
Cenoman in mergeliger Fazies (Plenus-Zone) erhalten ist,
das mit dem gleichen Rechte als etwas küstenfernere Ab-
lagerung angesprochen werden kann, wie umgekehrt die
konglomeratischen Sandsteine, die in der Nähe der Über-
schiebungsspalte am Oybin sowie auch zwischen Hinter-
daubitz und Hinterhermsdorf auftreten, als Zeichen einer
alten Küste betrachtet worden sind.
In gleicher Weise ist bezüglich des Erzgebirges das
Auftreten von Cenomanschollen am Sattelberge nördlich
Sehönwalde!) mit einer Unterkante von 670 m Höhe sowie
weiter westlich in etwa 850 m Höhe bemerkenswert, so
dafs wohl nur die allerhöchsten Erhebungen des überfluteten
Gebietes aus dem Meere hervorgeragt haben dürften.
Dagegen kann man aus den Faziesverhältnissen in
der sächsischen Kreide auf ein weiter südöstlich ge-
legenes Festland schlielsen, das etwa in der Gegend des
Iser- und Riesengebirges gesucht werden muls.
In den meisten Horizonten der sächsischen Kreide geht
die sandige Fazies mehr oder weniger deutlich gegen Süd-
osten in die mergelige über.?) Es zeigt sich das besonders
gutin der Labiatus-, Brongniarti- und Scaphiten-Zone (= oberer
Brongniarti-Quader und -Pläner der sächsischen Geologen).
Auch der Baculiten-Mergel von Zatzschke (= oberste Sca-
phiten-Zone) keilt gegen Südosten aus, und ebenso wird im
Cenoman der Pläner der Zone des Actinocamaz plenus im
Südosten allmählich durch Plänersandstein ersetzt. Aller-
dings ist die Faziesänderung in dieser Zone keine so gleich-
mälsige; die Gesetzmälsigkeit wird hier lokal gestört durch
die Unregelmälsigkeit der von der Transgression betroffenen
Fläche, die infolge der erst allmählich eintretenden Über-
flutung der höchsten Erhebungen Veranlassung für die Bil-
dung der bekannten Klippenfazies und wohl auch der
zwischen Dresden und Freiberg vorkommenden Pläner-
sandsteine wurde, was jedoch für die Betrachtung selbst
belanglos bleibt. Ebenso kann man diese Faziesverschiebung
1) Vielfach auch als Spitzberg bezeichnet.
2) Vgl. hierüber auch Petraschek, Studien über Faziesbildungen
im Gebiete der sächsischen Kreideformation. Abhandl. d. naturw. Ges.
Isis, Dresden 1899, II, S. 53.
328 HANS ScuPIn, [8]
im unteren Cenoman natürlich nieht erwarten, da hier beim
Vorrücken des Meeres jeder Punkt einmal Küste war.
Auch in Böhmen sind ganz ähnliche Fazies-
verschiedenheiten bemerkbar. Die sandigen Iserschiehten
sind in der Nähe des Gebirgsrandes, die mehr mergeligen
Weilsenberger, Malnitzer und Teplitzer Schichten in grölserer
Entfernung von dem Gebirge zur Ablagerung gelangt. Sehr
gut veranschaulichen das auch die Karten des Komitees
für die naturwissenschaftliche Landesdurehforsehung von
Böhmen, auf der die ersteren mit gelb-grünen, die letzteren
mit blauen Tönen angelegt sind, so dals der Gegensatz
trotz einzelner Ungenauigkeiten der Karte besonders an
der sächsischen Grenze, gut zum Ausdruck gelangt. Auch
auf der neuen OREDNERSschen geologischen Übersichtskarte
von Sachsen wird durch die Farbenwahl die eben ge-
schilderte Verteilung deutlich veranschaulicht. Näher an
den Gebirgsrand rücken nur die mergeligen Priesener
Sehiehten heran, die in ihrem untersten Teile den Baeuliten-
Mergeln von Zatzschke entsprechen, während sie in ihrem
oberen Teile in der Nähe des Gebirgsrandes das mergelige
Äquivalent des sächsischen Überquaders (Cuvieri - Zone'),
weiter ab vielleicht noch die küstenfernere Fazies der san-
digen Chlomeker Sehiehten (Emscher) darstellen. Auch sie
keilen gegen den Gebirgsrand hin aus und sollen nach
Frırsch am Jeschkengebirge nordöstlich von Turnau bei
Vorderad und Zbiroh bereits zwischen den Sandsteinen
der Iserschiehten und Chlomeker Sechiehten nicht mehr vor-
handen sein.
Man ist daher wohl genötigt, das Riesen- und
Isergebirge als landfest anzunehmen, um sie herum
gruppieren sich im Nordwesten, Westen und Südwesten
Zonen zunächst mehr grobklastischer, peripherisch dann
feinklastischer Sedimente, wobei der Gürtel der fein-
klastischen, mergeligen Sedimente sich bald enger um dieses
Zentrum sehlielst, bald wieder weiter abrückt, den Fazies-
wechsel nun auch im Vertikaldurchschnitt zum Ausdruck
bringend. Die Form der Gürtel ist natürlich nicht überall
1) Sceupin a. a. 0. S. 698.
[9] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 929
die gleiche in den einzelnen Horizonten, sie überschneiden
sich vielmehr und sind bald mehr, bald weniger gegen
Norden vorgeschoben. Im Norden haben sich diese Zonen
dann wohl über die Lausitzer Platte fortgezogen, wo sie
später wieder abgetragen wurden, und so schoben sich
zur Zeit des Mittelturons, in der die Bildung klastischer
Sedimente besonders intensiv war, offenbar auch jene
geröllführenden Sande nach Norden weit ins Meer vor, die
dann zur Bildung des „geröllführenden Brongniarti-Quaders“
Anlafs gaben,!) der in der Gegend von Oybin stellenweise
geradezu konglomeratisch wird. Man darf sich vorstellen,
dafs sich diese grobklastischen Sandsteine mit Geröllen bis zu
Taubenei-Gröfse, die Lepsıus zur Annahme eines im Norden
liegenden Festlandes der Lausitzer Platte veranlalsten, eben-
falls einst über die jetzige Überschiebungslinie fort auf der
dem Jeschkengebirge nördlich vorgelagerten Lausitzer Senke
ausgebreitet haben.
Im Nordosten, in der niederschlesischen Kreide, speziell
der Kreide der schlesischen Oberlausitz, sind die älteren in
Betracht kommenden Horizonte, jüngeres Cenoman (Plenus-
Zone) Labiatus, Brongniarti- und Scaphiten-Zone, die bei
Löwenberg mergelig oder mergelig-sandig entwickelt sind
— das untere Cenoman scheidet wieder für die Betrachtung
aus —, durch Diluvium verdeckt. Das Gleiche gilt von
der auch bei Löwenberg sandig entwickelten Cuvieri-Zone
(Ludwigsdorfer Sandstein) und dem tonig-sandigen bezw.
mergelig -sandigen unteren Emscher (Neu-Warthauer
Schiehten). Die in Böhmen und Sachsen beobachtete Zu-
nahme des grobklastischen Charakters der Sedimente nach
dem Gebirgsrande hin, lälst sich daher in diesen Schicht-
gliedern hier nicht feststellen. Auffallenderweise ist eine
solche von Löwenberg aus nur gegen Osten hin von der
Plenus-Zone an bis in die Scaphiten -Zone zu beobachten,
so dafs wir hier eine Landmasse anzunehmen haben, von
der noch weiter unten die Rede sein soll.
Dagegen zeigt sie sich wieder im oberen Emscher (Ober-
!) Blatt Zittau—Oybin-Lausche der geologischen Spezialkarte des
Königreichs Sachsen.
330 Hans Scupin, [10]
quader) und Untersenon (schlesischer Uberquader), die beide ge-
legentlich grobe konglomeratische Bänke enthalten. Besonders
gut sind diese in dem oben genannten Steinbruche in Nieder-
Bielau an der Neilse (Emscher), ferner in einigen Stein-
brüchen zwischen den Bahnstrecken Horka-Kohlfurt und
Görlitz-Kohlfurt, sowie nördlich Langenau unweit Görlitz
(Untersenon) zu beobachten.!) Auch weiter östlich zwischen
Tiefenfurt und Wehrau am Queis sind konglomeratische
Untersenonschichten an der Chaussee aufgeschlossen, ebenso
tragen die kohleführenden Untersenonschichten im Queis-
tal bei Wehrau-Klitschdorf einen stärker grobklastischen
Charakter als sonst. Es scheint, als ob am Beginn des
Untersenons die Verlandung im Norden und Nordosten des
Festlandes bereits grolse Fortschritte gemacht habe, so dals
sich die grobklastischen Sedimente nun auch weiter vorschoben.
Im Osten des Riesengebirges sind mergelige Schichten der
Plenus-Zone, sowie der Labiatus-, Brongniarti- und Scaphiten-
Zone am Grunauer Spitzberg bei Lähn in nur ungefähr 12 km
Entfernung vom Gebirgsrand vorhanden; man wird daher
annehmen müssen, dals die in einer Höhe von 380—480 m
auftretenden vom Gebirgsrande abfallenden Ablagerungen
sich noch bis über den nachträglich eingesunkenen Hirsch-
berger Talkessel erstreekten, wie auch GürıcH?) schon die
Vermutung ausgesprochen hat, dals dieser einst eine Kreide-
scholle getragen habe, die erst der starken Erosion der
Gebirgswässer zum Opfer gefallen sei. Ebenso haben sich
wohl die Ablagerungen der Löwenberger Gegend bis etwa
in die Gegend des heutigen (jungen) Gebirgsrandes am
Isergebirge erstreckt, der ähnlich scharf ausgeprägt ist wie
der Hirsehberger Kessel und bemerkenswerter Weise in die
Richtung der oben genannten Linie fällt, an der die nieder-
schlesische Dyas-Trias-Kreidemulde gegen die Lausitzer
Platte ins Liegende verschoben ist.
In gleicher Weise zeigen auch am Erzgebirge aulser
den hoch liegenden Kreideschollen die Faziesverhältnisse,
1) Näheres über die Kreide dieses ganzen Gebietes bringt eine
unlängst abgeschlossene in der Paläontographica erscheinende umfang-
reichere Abhandlung: Die Löwenberger Kreide und ihre Fauna.
2) Geologischer Führer ins Riesengebirge, S. 27.
[11] _Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 331
dals dieses wenigstens zum grolsen Teil noch nieht land-
fest war. Auch die durch den Randbruch vom heutigen
Erzgebirge getrennten böhmischen mergeligen Kreide-
ablagerungen sind offenbar in grölserer Entfernung von
der Küste abgelagert und gehören derselben oben genannten
peripherischen Randzone feinklastischen Charakters an, wie
die mergeligen Ablagerungen im Nordwesten des sächsischen
Kreidegebietes, mit denen sie über den Rücken des heutigen,
erst in tertiärer Zeit herausgehobenen Erzgebirges hinfort
in Verbindung gestanden haben dürften.
Man wird sich das Auftreten einer Landmasse innerhalb
des Kreidemeeres, wie sie oben nachzuweisen versucht wurde,
am ungezwungensten wohl durch tektonische Vorgänge,
Bildung eines Horstes, erklären. “Natürlich wäre dasselbe an
sich selbst kein Beweis gegen die Süsssche Auffassung der
positiven Strandverschiebung, deren Bedeutung neben tek-
tonischen Vorgängen nicht abzustreiten bleibt, dagegen
gewinnt es in Verbindung mit den anderen oben angeführten
Tatsachen erhöhte Bedeutung. Die anzunehmenden kreta-
zischen Krustenbewegungen können als Fortsetzung der
älteren oben geschilderten aufgefalst werden, die nordöstlich
der Linie Hermsdorf an der Katzbach — Gr.- Hartmannsdorf
den Muschelkalk ins Niveau des Buntsandsteins verschob und
sind Vorläufer der jungen wohl tertiären!) Bewegung, welche
1) Da Obersenon in Schlesien nicht vorhanden ist, wie früher an-
genommen wurde, so läfst sich das Alter der jüngeren Gebirgsbildung
nicht mit voller Schärfe präzisieren. Die jüngsten gehobenen Kreide-
schollen in der Heuscheuer gehören dem Emscher an, die jüngsten an
der Faltung beteiligten Kreideschichten nördlich des Riesengebirges
dem Untersenon. Der frühestens oberoligocäne Knollenstein unter der
miocänen Braunkohle liegt bereits diskordant über der Kreide. Da es
ganz allgemein nicht gerade wahrscheinlich ist, dafs die bis zur Ab-
lagerung der Knollensteine erfolgte Abtragung nur genau gerade bis
zu den zuletzt abgelagerten Kreideschichten vorgedrungen sein sollte,
mit anderen Worten, dafs alle abgetragenen Schichten diskordant über
dem Untersenon gelegen haben sollten, so wird es wahrscheinlich, dafs
auch noch jüngere gefaltete Schichten abgetragen worden sind. Die
Faltung könnte also dann frühestens in der allerobersten Kreide ein-
gesetzt haben. Die auf der Beyrichschen Karte in übergreifender
Lagerung eingetragenen, angeblich noch zur Kreide gehörigen Ab-
lagerungen sind bekanntlich schon Tertiär,
332 Hans Scupin, [12]
nach wie vor den Hauptanteil an der Herausbildung der
Sudeten trägt und die Kreide in Böhmen und der Grafschaft
Glatz in so bedeutende Höhe hob, die in der Heuscheuer
mehr als 900 m erreicht. Sie muldete die Kreidegebiete
im Norden und Süden des Riesengebirges, die doch
wohl einst am Landeshuter Pals in einem erst
später abgetragenen Sattel in Verbindung standen.
PArrscH!) hat die Möglichkeit des einstigen Zusammen-
hanges dieser jetzt räumlich getrennten Kreidegebiete, der
sich bis Grüssau erstreekenden Adersbach -Weckelsdorfer
Mulde und des südlichsten Zipfels der Löwenberger Kreide,
der Lähner Grabenmulde, bereits in Erörterung gezogen,
meint aber, dals sich der Zusammenhang nieht strikt be-
weisen lasse. Immerhin scheint mir doch nach den neueren
Untersuchungen von FLEGEL?) die Wahrscheinlichkeit eine
ziemlich grofse. Bemerkenswert ist besonders, dafs sich
die feinklastischen Sedimente am Ende des Cenomans und
am Beginn des Turons hier so weit gegen einander vor-
schieben. Sie sind in beiden Mulden noch in den äulsersten
einander zugekehrten Zipfeln zur Ablagerung gelangt; so
ist das obere Cenoman (Plenus-Zone) in der Lähner Kreide
am Grunauer Spitzberg als Mergel, in der Adersbach-
Weekelsdorfer Kreide bei Grüssau als Plänersandstein, die
Labiatus-Zone am Grunauer Spitzberg als Mergelsandstein,
bei Grüssau als Pläner entwickelt. Die Entfernung beider
beträgt nur etwa 30 km. In der Brongniarti-Zone ist dieser
Meeresarm, der also die „Riesengebirgsinsel“ südöstlich
umschlang, dann zeitweise versandet, wie die Vorkommen
von Brogniarti-Quader beweisen, ob bis zur völligen Aus-
füllung, ist nicht zu sagen.
Dieser Meeresarm dürfte nicht allzu breit gewesen sein,
denn bereits wenig weiter gegen Südosten ragte offenbar
eine zweite alte Landmasse aus dem Kreidemeere
heraus, die in gleicher Weise wie die Riesengebirgsinsel
!) Partsch, Schlesien S. 149.
2) Heuscheuer und Adersbach-Weckelsdorf. Eine Studie über die
obere Kreide im böhmisch-schlesischen Gebirge. Festschr. d. schles.
Ges. f. vaterl. Kultur z. Tagung d. deutsch. geol. Ges. in Breslau,
Sept. 1904, IH.
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334 Hans Scurin, [14]
durch Absinken der umgebenden Landschollen als Pfeiler
stehen geblieben war (vgl. vorstehende Kartenskizze.)
Auch hier sind es die Faziesverhältnisse, der Aders-
bach-Weckelsdorfer sowie der Heuscheuer Kreide,
die auf eine derartige Landmasse hinweisen. Wie PETRA-
SCHEK!) und FLEGEL?) erkannten, geht der Turonquader
auf der Südwestseite der Wünschelburger und Braunauer
Lehne infolge von Fazieswechsel in Mergel über. In
gleicher Weise hat Sturm?) auf das Vorhandensein sandiger
Bildungen in der Brongniarti-Zone westlich und nordwestlich
Habelschwerdt hingewiesen, während diese weiter südlich
mergelig entwickelt ist. Wir gelangen also auch hier zu
der Vorstellung einer Landmasse im Nordosten, die
etwa im Eulengebirge, sowie den später durch den ost-
sudetischen Randbruch getrennten Reiehenbacher und
Strehlener Gneisen gesucht werden könnte.
Im tiefsten Turon und wenigstens in der obersten Sea-
phiten-Zone ist ein solcher Fazieswechsel innerhalb des
einen Horizontes nicht wahrzunehmen; der JImoceramus
brongniarti führende Quader wird sowohl von Mergeln unter-
wie überlagert und wir müssen daher annehmen, dafs vorher
und nachher die Küste weiter gegen Nordost vorgesehoben
war und die hier gebildeten grobklastischen Küstensedimente
der Erosion zum Opfer gefallen sind. Das unterste
Turon ist hier ebenso wie die jüngere Scaphiten-
Zeitundauch vorherschon das oberste Cenoman eine
Periode verstärkter positiver Strandverschiebung,
die Brongniarti-Zeit eine Periode verstärkter Sedi-
mentation, die möglicherweise noch bis in die ältere Sea-
phiten-Zeit hineinreieht.t) Ob sich auch hier wie in Sachsen
1) Zur Geologie des Heuscheuergebirges. Verhandl. d. k. k. geol.
Reichsanst., 1903, N. 13.
20a a 0 ST:
®) Der Sandstein von Kieslingswalde in der Grafschaft Glatz und
seine Fauna. Jahrb. d. preuls. geol. Landesanst. 1900, S. 43.
*) Flegels Brongniarti-Pläner in der Heuscheuer umfalst, wie ich
glaube, noch die Labiatus-Zone, der vielleicht auch noch der unterste
Teil des sie im Nordosten des Gebietes überlagernden Quaders an-
gehört. Andererseits könnte dieser Quader möglicherweise, was jedoch
nicht erwiesen ist, ähnlich wie in den sog. Brongniartischichten in
[15] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 335
und an anderen Punkten der Iserschiehten Böhmens infolge
erneuten Vordringens des Meeres wieder Mergel zwischen
die sandigen Schichten des Unter- und Mittelturons drängen
(Brongniarti-Mergel s. str. des hohen Schneeberges, Zwischen-
pläner der Iserschichten)') ist auch nach den Untersuchungen
FLEGELS noch nicht entschieden.)
Die eben genannte Landmasse im Nordosten der Aders-
bach -Weckelsdorfer und Heuscheuer-Kreide stellt wohl einen
Teil eines Festlandes dar, das sieh zwischen die ober-
schlesischen und böhmischen Kreideablagerungen
schob und das auch aus faunistischen Gesichts-
punkten heraus vermutet werden kann. LEONHARD°) hat
in seiner Abhandlung über die oberschlesische Kreide bereits
darauf hingewiesen, dafs wohl das oberschlesische Kreide-
meer in keinem unmittelbaren Zusammenhange mit dem
böhmischen bezw. dem Löwenberger gestanden habe, und
dals vielmehr engere faunistische Beziehungen zu den bal-
tischen Kreideablagerungen vorhanden seien. Die Neu-
bearbeitung der Löwenberger Fauna hat diese Auffassung
bestätigt. Es fehlen in Oberschlesien die für die Seaphiten-
zone der böhmisch-sächsisch-niederschlesischen Kreide so
bezeiehnenden Formen wie Nucula producta auct.*) Leda
Sachsen, noch in die Scaphiten-Zone hineinreichen, da nach Jahn (Jahrb.
der k.k.geol. Reichsanstalt, 1895, S.215) auf den Iserschichten, zu denen
der Quader gehört, im östlichen Böhmen nirgends Teplitzer Schichten
(untere Scaphiten-Zone) beobachtet sind. Alle früher als Teplitzer
Schichten angesprochenen Schichten über den Iserschichten haben sich
vielmehr als Priesener Schichten (obere Scaphitenschichten bezw. Mergel
von Zatzschke + Cuvieri-Zone) erwiesen. Es ist daher auch nicht aus-
geschlossen, dafs auch an der Heuscheuer die den Quader über-
lagernden Mergel erst dem oberen Scaphitenhorizont zuzurechnen sind,
dessen untere Abteilung dann im Nordosten noch sandig vertreten wäre.
ı) Fritsch, Iserschichten, Archiv für Landesdurchforschung v.
Böhmen, V, 1883, S. 5.
2?) Die Kreide an der böhmisch schlesischen Grenze, Jahrb. d. k.
k. geol. Reichsanstalt, Bd. 55, 1905, 8. 55.
®) Die Fauna der Kreideformation in Oberschlesien, Paläonto-
graphica, 44, 1897/98, S. 20.
4) Besser mit dem neuen Namen Nucula productoides zu bezeichnen,
unter dem sie in der angekündigten Abhandlung beschrieben und ab-
gebildet ist.
336 HANS, SCUPIN, [16]
semilunaris Reuls, Pleurotomaria baculitarum Gein., Den-
talium medium Sow.; umgekehrt ist Ananchytes ovata Leske
Oberschlesien und Wollin gemeinsam, während diese sonst
so häufige Form in der böhmiseh-sächsisch-niederschlesischen
Entwicklung der Kreide fehlt.
Im Süden legt sich zwischen die glätzischen und ober-
schlesischen Kreideablagerungen das Reichensteiner und
Altvatergebirge, die als südliehe Fortsetzung dieser
Landmasse aufgefalst werden können. Diese kann hier
stellenweise nur eine geringe Breite gehabt haben. Die
Entfernung zwisehen der Kreide bei Leobschütz und den
Kreideablagerungen im Graben der Glatzer Neilse bei
Kieslingswalde beträgt nur etwa SO km. Nun ist der, wie
bekannt, zum Emscher gehörige Kieslingswalder Sandstein,
der sich natürlich noch über seine jetzigen, durch Brüche
bezeichneten Grenzen hinaus erstreckt haben muls,1) sicher
bereits in grölserer Küstennähe zur Ablagerung gelangt als
das ihn unterlagernde mergelige, mittlere und obere Turon,
die Kieslingswalder Tone, die den böhmischen Teplitzer
und Priesener Schichten entsprechen. Der trennende Land-
streifen muls also am Ende der Turonzeit eine noch ge-
ringere Breitenausdehnung gehabt haben.
Nach Norden hin könnte sich diese Landmasse vom
Eulengebirge über das Zobtengebirge und etwa den
Granit und die alten Schiefer bei Striegau-Jauer
fortgesetzt haben. Weiter nördlich, östlich von Goldberg,
war die Landmasse dann wohl ebenfalls zum grolsen Teil
aus den alten Schiefern der niederschlesischen
Tonschieferformation zusammengesetzt.
Auch hier im Löwenberger Becken?) weist, wie schon
oben angedeutet, die Zunahme des grobklastischen
Charakters der Kreideablagerungen in verschiedenen
Zonen nach Osten auf ein dort liegendes Festland
hin, eben dieser nördlichen Forsetzung der Eulengebirgs-
!) Vgl. Sturm, Der Sandstein von Kieslingswalde und seine
Fauna, Jahrb. d. preufs. geol. Landesanstalt, 21, 1900, 8. 39.
2) Nicht „Löwenberger Bucht“, wie ziemlich allgemein auch noch
in neueren Werken zu lesen. Dafs es sich hier nicht um eine solche
handelt, ergibt sich aus den obigen Ausführungen.
[17] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 3837
landmasse, die wohl als im Süden wurzelnde Halbinsel an-
zusehen ist.
Bereits am Ende des Cenomans zeigt sich eine Fazies-
versehiebung in der genannten Richtung, indem der Pläner
der Plenus-Zone in der Goldberger Gegend teilweise durch
Plänersandstein ersetzt wird.!) In gleicher Weise ist die
Labiatus- und Brongniarti-Zone bei Löwenberg als Mergel-
sandstein entwickelt, der zwischen Löwenberg und Gold-
berg durch einen mittel- bis grobkörnigen, stellenweise
konglomeratische Bänke enthaltenden Sandstein (Raben-
dockensandstein) vertreten wird und besonders schön im
Katzbachtal sowie östlich desselben aufgeschlossen ist.
Ebenso scheinen die tonigen Mergel der oberen Seaphiten-
zone (Gr.-Raekwitzer Seaphitenmergel = Baculitenmergel
von Zatzschke) unweit Löwenberg, im Osten in der Gold-
berger Gegend nicht mehr vorhanden zu sein, hier wurden in
der Seaphiten-Zone nur Mergelsandsteine beobachtet. Wie
sich die Halbinsel weiter nach Norden erstreckt hat, ist
natürlich nieht zu sagen.
Die Senkung des Gebietes in der Umgebung der
eben geschilderten Landmassen hielt während des
ganzen Cenomans und Turons an und kam erst im
Laufe des Senons zum Stillstand. Durch die Senkung
des Mündungsgebietes der einmündenden Flüsse wurde deren
Gefälle und damit ihre erodierende Kraft erhöht, und es
zeigt sich nunmehr gewissermalsen das Bestreben, die
Senkung des Meeresgrundes durch vermehrte Sedimentation
wieder auszugleichen, wobei bald die erstere bald die letztere
das Übergewicht erlangt.
Gegen Ende des Cenomans ist infolge des Vorrückens
des Meeres im weiteren Umkreis der geschilderten Landmassen
feinklastisches Material auf dem gröberen des tieferen
Cenomans niedergeschlagen worden; es bilden sich die Pläner
und etwas weiter gegen die Küste hin die Plänersand-
!) Vgl. Seupin, Die Gliederung der Schichten in der Goldberger
Mulde, Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges., 1902, S. 106 und Zimmer-
mann, Der Bau der Gegend bei Goldberg, Jahrb. d. preuls. geolog.
Landesanst. für 1902 (1905), S. 679; ferner Seupin, Neues Jahrb. f. Min.,
Beil. 24, 1907, 8. 679.
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.82. 1910. 22
338 Hans Scupin, [18]
steine der Plenus-Zone in Saehsen, Böhmen und Nieder-
schlesien.
Vom Turon an beginnt allmählich die Aufschüttung
zuzunehmen, die nun an der Küste stärker wird als der
Betrag der Senkung. Neue Sandmassen schieben sich über
das feine Material der Plenus-Zone und rücken allmählich
von der Küste aus vor; es entstehen der Labiatus- und
Brongniarti-Quader Sachsens, die Iserschiehten Böhmens,
denen auch der oben genannte Brongniarti-Quader der Aders-
bach-Weckelsdorfer Felsen und der Heuscheuer zuzuzählen ist,
und der sog. Rabendocken-Sandstein der Löwenberger Kreide
in der Katzbaeh-Gegend. Erst in etwas grölserer Entfernung
von der Küste werden diese Sandmassen, bei denen vielleicht
auch ins Meer gewehte Dünen eine Rolle gespielt haben
mögen,!) wieder durch Sedimente mergeligen Charakters ver-
treten, die Labiatus-, Brongniarti- und Scaphiten- (Strehlener)
Mergel in Sachsen und Nordböhmen, die Weissenberger,
Malnitzer und Teplitzer Schiehten Böhmens, die Mergel-
sandsteine der Löwenberger Gegend und weiter südlich der
Lähner Mulde. Während diese im Norden sich bald weiter
vorschieben, bald wieder mehr vom Gebirge entfernen, in
mehrfacher Wechsellagerung mit sandigen Ablagerungen,
schliefslich aber im mittleren Turon (untere Seaphiten-Zone)
den vordringenden Sandmassen weichen, macht das Meer
in Schlesien, wo der Labiatus- und Brongniarti-Quader der
Katzbach-Gegend (Rabendockensandstein) wieder von mer-
gelig-sandigen Schichten (Hermsdorfer Mergelsandstein) über-
lagert wird, am Beginn der Seaphiten-Zone wieder weitere
Fortschritte. Nieht ganz sicher ist der Zeitpunkt des er-
neuten Vordringens des Meeres südwestlich des Eulengebirges?)
im Heuscheuer-Gebirge und bei Adersbach - Weckelsdorf.
Allgemein wird das Vorrücken des Meeres jedoch erst
gegen Ende des Turons (obere Scaphiten-Zone). In Schlesien
legt sich über den stellenweise auch reine Sandsteinbänke
enthaltenden Löwenberger Mergelsandstein der stark thonige
ı) Eine Auffassung, der Herr Professor J. Walther in der Dis-
kussion dieses Vortrages Ausdruck gab und die jedenfalls nicht von
der Hand zu weisen ist.
2) Vgl. S. 334.
[19] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 339
Seaphiten- Mergel von Grofs-Rackwitz, in Sachsen schiebt
sich der petrographisch und faunistisch vollständig gleich-
artige Bakuliten-Mergel von Zatzsehke weit über die Sand-
massen des Brongniarti-Quaders der sächsischen Sehweiz.
In Böhmen zeigt sich das gleiche Schauspiel. Wie die
Karten des Komitees für Landesdurehforschung von Böhmen
erkennen lassen, ist keines der älteren mergeligen Schichten-
systeme so weit gegen das Gebirge vorgeschoben wie die
Priesener Sehiehten, deren tiefsten Horizont die Baku-
liten-Mergel von Zatzschke darstellen, die hier vielfach die
sandigen Iserschichten überlagern. Eine an Fischen und
Cephalopoden reiche Fauna nimmt ihren Einzug.!) In dieser
Zeit dürfte die grölste Meerestiefe der ganzen Kreide-
transgression in Sachsen und Schlesien erreicht sein.
Von jetzt ab zeigt sich hier ein ziemlich stetiges Flacher-
werden, das nur gelentlich zum Stillstand kommt und vielleicht
auch wiederum einen kleinen Rückschritt erfährt. Es erfolgt
wieder stärkere Zufuhr gröberen klastischen Materials, neue
Sandmassen schieben sich in Sachsen über die mergeligen
Ablagerungen der jüngsten Scaphiten-Zone, es entsteht der
sächsische Überquader. Derselbe Vorgang vollzieht sich in
der nördlichen schlesischen Kreide, wo sich ein ebenfalls
zur Cuvieri-Zone gehöriger Quader, der Ludwigsdorfer Sand-
stein über die Gr.-Rackwitzer Scaphiten-Mergel legt. Be-
merkenswert ist das Auftreten zahlreieher Kaolinpartikelehen
in dem eingespülten Material, während solehe in den älteren
Sandsteinen des Mittelturons nur ausnahmsweise auftreten.
Immer grölsere Flächen des krystallinen Gebirges der
Riesengebirgsinsel scheinen jetzt freigelegt zu werden, wenn
auch die Kaolinbildung erst im Untersenon einen erbeblicheren
Umfang erreicht.
Während in Sachsen?) die Kreide mit dem Turon ab-
schliefst, läfst sich die geologische Entwicklung in Schlesien
noch weiter verfolgen, wo im unteren Emseher die be-
!) Auffallend ist übrigens die Kleinheit sehr vieler Arten.
2) Dafs in der sächsischen Kreide Senon nicht vorhanden ist, wie
dies u. a. neuerdings auch Reinisch noch in seiner Geologie der
deutschen Mittelgebirge angibt, glaube ich in dem oben genannten Auf-
satz einwandsfrei bewiesen zu haben.
22*
340 Hans Scupin, [20]
kannten Neu-Warthauer-Schiehten, wenn auch toniger, als
die vorgenannten Sandsteine und gelegentlich mergelig-sandig
werdend, durch die eingeschwemmten Reste von Landpflanzen,
Blätter und Zweige, Zeugnis für die Nähe des Landes ab-
legen. Noch deutlicher kommt die Küstennähe zum Ausdruck
in den sich auflegenden, wieder rein sandigen, lokal sogar
konglomeratischen Schiehten des oberen Emschers, des sog.
schlesisehen Oberquaders, in dem sich ebenfalls derartige
Pflanzenreste, sowie besonders auch diekschalige Gastro-
poden (Nerineen und Omphalien), zum Teil in massenhafter
Anhäufung, und widerstandsfähigere Zweischaler (Ostreen,
Panopaeen) finden. Vielleicht darf man aus dem Auftreten
konglomeratischer Bänke in diesen Schichten im Norden
des Gebietes bei Nieder-Bielau an der Neisse im Gegensatz
zu den weiter südöstlich gelegenen Gegenden der Mulde,
wo Konglomerate erst wieder im Untersenon (Überquader)
auftreten, den Schluls ziehen, dafs die Verlandung im Norden
schnellere Fortschritte gemacht habe und erst allmählich auch
mehr gegen Nordosten bezw. Osten vorgedrungen sei.
Anders wie in Sachsen und im nördlichen Schlesien
äulserte sich die Strandverschiebung im grölsten Teile
Böhmens und dem südlichen Schlesien, in der Grafschaft
Glatz. Das Meer behielt hier noch länger seine bedeutendere
Tiefe. Wohl treten auch in Böhmen in der Nähe des alten
Gebirges aın Schlusse der Turonzeit sandige Bildungen auf
— das Vorkommen von Turnau bei Vorderrad und Zbiroh
am Jeschkengebirge wurde schon erwähnt —, doch dringen
auch in weit gegen das Gebirge vorgeschobenen Gegenden,
in der Heuscheuer, bei Kieslingswalde, bei Kreibitz erst
gegen Beginn des Senons im Emscher wieder küstennahe
Sedimente rein sandigen Charakters über die mergeligen
der Seaphiten- und Cuvieri-Zeit vor, wenn auch bei Kieslings-
walde die Cuvieri-Zone (obere Kieslingswalder Tone) bereits
etwas sandiger als die Scaphiten-Zone (untere Kieslings-
walder Tone) entwickelt ist. Noch weiter westlich sind viel-
leicht, was noch nieht sicher zu entscheiden, auch nach
Beginn des Senons küstenfernere Sedimente (oberste Priesener
Sehiehten?) abgelagert worden, so dals dann also die Ver-
landung hierher noch später vorgedrungen wäre.
[21] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 34]
In Schlesien, wo die geologischen Urkunden am weitesten
reichen, hat das Land wohl am Beginn des Untersenons,
wie schon angedeutet, bereits einen Zuwachs erfahren. Es hat
sieh ein schlammiges Becken gebildet, in dem Brackwasser-
muscheln stellenweise in grolsem Individuenreichtum aber
artenarm erscheinen. In massenhaften Anhäufungen bedeckt
Oyrena cretacea Dreseh. den zeitweise aus feinstem Ton-
schlamm bestehenden Boden dieses Beekens; nur einige in
stärker salzigem Wasser heimische, schon aus den älteren
Meeresablagerungen bekannte Tiere sind daneben noch zu
finden, wenige davon wie Cardium pectiniforme J. Müll.
auch in grölserer Häufigkeit. Die eingeschwemmten Land-
pflanzenreste häufen sich. Blätter, Zweige und auch grölsere
Stammstücke sind den eingespülten Ton- und Sandmassen
beigemengt, daneben auch feine Partikelehen von Pflanzen-
resten, die stellenweise, jedoch immer nur während relativ
kurzer Zeit allein das Material der Sedimentbildung aus-
machen und die hier vorkommenden nur wenig mächtigen,
höchstens etwas mehr als 1/, m erreichenden Kohlenflöze
bilden.
Ich halte diese Kohlen, wie an anderer Stelle!) aus-
einandergesetzt, im wesentlichen nieht für autochthon.
Nirgends wurden etwa Wurzeln im Liegenden oder sonstige
für Authochthonie spreehende Merkmale beobachtet, dagegen
spricht für Alloehthonie die Beschaffenheit der liegenden,
dureh Kohle verunreinigten Bildungen, die echte mechanische
Ablagerungen sind und stellenweise durch Abnahme der
beigemengten anorganischen Sedimente in die Kohle über-
gehen, ferner die Unregelmälsigkeit in der Verbreitung der
meist nur auf kurze Strecken hin aushaltenden Kohlen-
flöze und der sie einschliefsenden Sedimente. An der
angegebenen Stelle ebenfalls erwähnt wurde auch das Auf-
treten von Kaolinen an sekundärer Lagerstätte, das zu
meiner Auffassung gut palst, nach der hier besonders
umgelagerte Moore bei der Kohlenbildung eine Rolle ge-
are haben.
!) Die Entstehung der niederschlesischen Senonkohlen, Zeitschr.
f. prakt. Geologie 1910, Juliheft S. 254.
342 Hans Scurın, [22]
Dals in diese Becken, wohl infolge weiterer Senkung
des Meeresbodens, vielleicht auch infolge klimatischer
Änderungen, gelegentlich wieder das Meerwasser eindrang,
zeigt das Auftreten von Sandsteinen mit reicher mariner,
wenn auch dem flachen Meere angehöriger Fauna, in der
besonders Zweischaler sowie auch Schneeken eine Rolle
spielen, während Cephalopoden bemerkenswerter Weise so
gut wie ganz fehlen; nur ein einziger kleiner Hamitenrest
wurde in der grolsen Menge der tierischen Reste gefunden.
Hier weicht der Individuenreiehtum bezeichnenderweise
wieder der Artenfülle des normal gesalzenen Wassers.
Krocke!) hat die Vermutung ausgesprochen, dals der Ein-
bruch des Meeres vielleicht auch dureh Stürme bedingt ge-
wesen sein könnte, doch glaube ich, dais diese im vor-
liegenden Falle nieht allein zur Erklärung ausreichen würden.
Im Untersenon reifst der Faden der geologischen Über-
lieferung für das ganze Kreidegebiet in der Umgebung der
Sudeten ab: was später noch zur Ablagerung gelangte, ist
der Erosion zum Opfer gefallen.
Man ist vielfach geneigt, den Wechsel mergeliger und
sandiger Schichten auf eine oszillierende Bewegung der
Küste bezw. auf abwechselnde Hebungen und Senkungen
zurückzuführen. In der südostdeutschen Kreide, wie
man die schlesisch-sächsisch-böhmisehe Kreide einschlielslich
der fränkischen zweckmälsig vielleicht bezeichnet, wenn man
nieht etwa den Ausdruck „sudetische Kreide“ vorzieht,?)
ist eine Annahme wiederholter Hebung und Senkung
jedenfalls nicht nötig.
Der mannigfache Wechsel von Mergeln und Sandsteinen
läfst sich hier unsehwer durch einen einheitlichen Vorgang
erklären, durch einen Kampf zwischen Senkung und
Aufscehüttung. Erstere verursacht lokal positive Strand-
verschiebung, auf die ganze Fläche des Meeres bezogen,
dem dadureh neue Gebiete erschlossen werden, dagegen
1) Lausitzer Magazin, Bd. 41, S. 260.
?) Die mitunter gebrauchte Bezeichnung „hereynische Kreide“
für das ganze Gebiet scheint mir nicht empfehlenswert, wenn man den
Begriff hereynisch im Sinne von Lepsius (Geologie von Deutschland,
IT2S: S)nEalstaner
[23] Sudetische prätertiäre junge Krustenbewegungen usw. 343
entsprechend verminderte, oft wohl nur minimale, negative
Strandverschiebungen. Letztere veranlalst lokal ein Zurück-
weichen des Meeres, auf die ganze Meeresfläche bezogen
dagegen ein entsprechend minimales, erst durch ihre Dauer
wirksam werdendes Vordringen desselben. Erhält die Senkung
das Übergewicht, immer neue Küstengebiete in Mitleiden-
schaft ziehend, so schieben sieh die küstenferneren mer-
geligen Ablagerungen über die küstennahen sandigen fort,
erhält die Aufschüttung durch die Senkung des Küsten-
gebietes infolge nunmehr stärker wirkender Erosion die
Oberhand, so schieben sich umgekehrt die küstennahen
Sandmassen über die küstenferneren mergeligen der ver-
flossenen Periode.
In der oberen Kreide ist es, wie auseinandergesetzt,
besonders die Zeit des oberen Cenomans und der oberen
ce £ : e su
pl Sc
Fig. 2. Schematische Darstellung der Veränderung der Meerestiefe
während der oberen Kreide für die Gegend zwischen Bunzlau und
Löwenberg in Schlesien
ce = Üenoman sc — Seaphiten-Zone
pl = Plenus-Zone e = Emscher
Te luron sw = Untersenon
Seaphiten-Zone, in der die Senkung ein merklicheres
Übergewicht über die Aufschüttung erlangt und ein stärkeres
Vordringen gegen die stehengebliebenen alten Landmassen
erfolgt. Andererseits ist der Rückzug des Meeres am Ende
der Kreidezeit wohl im wesentlichen durch Verlandung zu
erklären, die von den Landmassen aus allmählich vor-
schreitet.
Die Verschiebungen in der Meerestiefe lassen sich durch
obenstehende Kurve zum Ausdruck bringen, die etwa für die
Gegend zwischen Bunzlau und Löwenberg in Schlesien zu-
trifft, wo die Schiehtenfolge am vollständigsten entwickelt ist.
Überblicken wir noch einmal das oben Gesagte, so
sehen wir zunächst eine ältere, verhältnismälsig schwache
344 H. Scurin, Sudet. prätert. junge Krustenbeweg. usw. [24]
Krustenbewegung wahrscheinlich spätjurassischen
oder altkretaeischen Alters. Ihr folgte eine stärkere
mit dem Cenoman einsetzende Krustenbewegung,
die das Absinken grolser Sehollen in der Umgebung
einerseits des Riesen- und Isergebirges, anderseits
der geschilderten schmalen, sich vom Altvater-
gebirge über das Eulengebirge gegen Norden er-
streekenden Landmasse zur Folge hatte und den
Einbruch des Kreidemeeres wohl ganz allein ver-
anlalste.
Die Hauptteile des böhmisch-schlesischen
Grenzgebirges waren nach oben Gesagtem also
bereits zur Kreidezeit vorhanden, und zwar in zwei
getrennten Massen. Erst die tertiäre Faltung aber
hob sie an der nordost-sudetischen Randlinie zusammen mit
den inzwischen gebildeten Kreigeablagerungen stärker heraus
und schweilste sie am Landeshuter Pals zu dem
heutigen grolsen Gebirge zusammen.
Die Larve von Simulia ornata Me.
von
Johannes Liebe, Gandersheim
Mit 16 Figuren im Text
Die Dipteren-Gattung Simulia (oder Simulium) ist in
weiten Kreisen bekannt geworden durch den Schaden,
welchen die Imago von Simuhia columbaczensis Schönbauer
unter den Viehherden Serbiens, Ungarns und Rumäniens
gestiftet hat und noch immer von neuem anrichtet, ohne
dals man imstande wäre, dieser Gefahr wirksam entgegen-
zutreten. Nach der Berechnung des Bezirks-Physikus
Dr. Mevovıcst) beträgt der Schaden in Serbien jährlich
drei Millionen Kronen im Rinderbestande. Daneben fallen
den Mücken aber noch recht erhebliche Mengen von
Pferden, Sehafen und Schweinen zum Opfer.?) Ausführliches
über die bisherigen Forsehungen über diese Mücke findet
sich zum grölsten Teile in Werken ungarischer Zunge,
speziell in denen des früh verstorbenen Gelehrten Dr.
E. TömösvÄry, welcher sich auch um die Entwicklungs-
geschi®hte dieser Art grolse Verdienste erworben hat, da
er „1883 im Auftrage des ungarischen Ackerbauministers
an der unteren Donau nahezu drei Monate ausschliefslich
dem eingehenden Studium dieser Mücke oblag“.!). Auf grund
seiner Veröffentlichungen und hinterlassenen Aufzeichnungen
!) v. Aigner-Abafi, „Die Kol. Fliege“. Allgem. Zeitschr. für
Entomologie. Neudamm 1903, Nr. 5, 6/7.
2) Vgl. F.Plettke, „Über das massenhafte Auftreten einer Simulie
in Nordwestdeutschland. Jahrb. d. ver. Naturf. a. d. Unterweser. 1901/02,
S. 44—AT.
346 JOHANNES LIEBE, [2]
stellte Dr. G. HorvArn eine Lebensgeschichte der Mücke
zusammen. Im 8. Bande der allgemeinen Zeitschrift für
Entomologie, Neudamm 1905, Nr. 5 und 6/7 hat der Buda-
pester Gelehrte L. v. AIGNEr-ABarı eine deutsche Über-
setzung dieser interessanten Arbeit sowie auch die nötigen
Literaturnachweise für die älteren Aufzeichnungen über
dieses Thema gegeben.
Diese sämtlichen Veröffentliehungen bringen indessen
keine Beschreibung des feineren Baues der Larve oder der
Puppe des Insekts. Vielmehr scheinen gerade die relativ
vollständigsten Beobachtungen, die von G. HorVÄTH einer
Ergänzung bezw. Berichtigung zu bedürfen. Freilich ist
dabei natürlich auch zu beachten, dals von dem ungarischen
Forscher die Kolumbaezer Mücke, von mir dagegen die Art
ornata untersucht wurde; im entwickelten Zustande sind
sich 8. columbaezensis und $. ornata, wie man in jeder
grölseren Dipteren-Sammlung feststellen kann, zum Ver-
wechseln ähnlich.
Nachdem er die entwickelte Mücke beschrieben hat,
fährt HorvArH folgendermalsen fort (nach der deutschen
Übersetzung von v. AIGNER-ABArFT):
„Das Weibehen legt die mit freiem Auge nieht siecht-
baren winzigen Eier (im Durchschnitt 5000 bis 10000) in
der zweiten Hälfte Mai und ersten Hälfte Juni in das
kristallbelle Wasser der von den bewaldeten berggegenden
herabströmenden Bäche. Die Eier sind mit einem schleimigen,
gallertartigen, gelblieh-weilsen Stoff umgeben und in flachen
kleinen Bündeln an im Wasser befindliche oder beständig
vom Wasser bespülte Steine, Grashalme und ähnliche nu
stände befestigt.
Aus den Eiern schlüpfen nach zwei bis drei Wochen
die winzigen Larven aus, welche sich vermittelst der am
hinteren Körperende befindlichen zwei sägeförmigen Lamellen
an die am Grunde des Wassers liegenden Steine, Blätter,
Äste usw. anheften und sich nun zu nähren beginnen. Ihre
Nahrung besteht aus Algen und sonstigen winzigen Pflanzen-
partikeln, welehe sie vermittelst des auf dem Kopfe sich
erhebenden eigentümlichen Rotationsorgans und des dadurch
verursachten Wasserwirbels ihrem geräumigen Munde zu-
08 Die Larve von Simulia ornata Mg. 347
führen. Die anfänglielı weilsen Larven nehmen, nach mehr-
maliger Häutung, allmählieh eine grünlich-braune Färbung
an; nach der vierten Häutung erreichen sie eine Länge
von 6—7 mm und erhalten eine annähernd einer Biskote
gleichende Form. Untersucht man im Juni und Juli das
Bett eines kleinen Bergbaches mit Aufmerksamkeit, so sieht
man zerstreut Hunderte der kleinen an Steinen befestigten
Larven, mit dem Kopfe nach oben ausgestreckt, wie sie
vom Wasser hin- und herbewegt werden. Rührt man an
dem betreffenden Steine, so ziehen sie sich zusammen
und richten sieh erst wieder auf, wenn die Störung
aufhört. Das Leben der Larven ist entschieden an das
Wasser gebunden; denn nimmt man sie heraus, so gehen
sie, gleich den Fischen, zu grunde, weil sie die zum
Atmen erforderliche Luft nur dem Wasser zu entnehmen
vermögen.
Nach 6—8 Wochen erreichen die Larven ihre volle
Eutwieklung und verwandeln sich zur Puppe. Das erfolgt
gewöhnlich im August oder September, obgleich man auch
schon Ende Juli zahlreiche Puppen findet. Zur Verpuppung
sucht die Larve an der Unterseite eines im Wasser liegenden
Steines oder ins Wasser hängenden Grashalmes eine ge-
eignete Stelle, wo sie sich anheftet und aus einem eigen-
artigen spinnwebeartigen Stoffe eine triehterförmige, am
breiteren (oberen) Ende offene Cyste von der Grölse eines
Reiskernes spinnt, worin sie sich verpuppt. Die Cysten
stehen immer so, dafs ihre Öffnung der Strömung folgt,
nie gegen dieselbe. In der ÖOyste verbringt die Puppe den
ganzen Herbst und — erstarrt — den Winter, um im
Frühling wieder erwacht das Wasser als vollkommen ent-
wickelte Fliege zu verlassen.“
Wir sehen, die Beschreibung von Larve und Puppe der
Kolumbaezer Kriebelmücke ist äufserst lückenhaft. Auch
die Entwicklung anderer Arten der Gattung Simulia ist
nur von wenigen Forschern genauer studiert worden, eine
ausgeführte Beschreibung der Larve findet sich nirgends,
höchstens eine solche der Puppe. Eine Darstellung des
Entwicklungsganges von Simulia auf grund von eigenen
und fremden Beobachtungen gegeben, verdanken wir dem
348 JOHANNES LIEBE, [4]
Londoner Professor L. ©. Miauı.!) Er stützt sieh zum Teil
auf Untersuehungen von HAGEN über Sim. pictipes?) und auf
VERDATS Geschichte der Simulien,?) welch letztere Ab-
handlung neuerdings vom Baron ÖSTEN-SACKEN ins Englische
übertragen ist.) Die ungarischen Veröffentliehungen über
S. columbaczensis erwähnt Mrauı, nirgends. Er beschreibt
nun die Larve und Puppe von Simulia mit folgenden Zeilen
(das Original ist englisch):
„In lebhaft strömenden Gewässern kann man die nied-
lichen schwärzlichen Larven von Simulium oft in zahllosen
Mengen finden. Sie sitzen je nachdem an Wasserkräutern
wie Nixenhaar, Wasserkresse, Wasserschlingen u. dergl. Man
findet sie auch an Steinen, doch ich bin der Ansicht, dals
diejenigen Larven, welche man in steinigen Bächen findet,
zu einer anderen Spezies gehören. In einem Bachlauf, wo
alle nötigen Bedingungen ausreichend erfüllt sind, das sind
ein nie aufhörender Zufluls sauerstoffreichen Wassers, eine
Menge untergetauchter Blätter, eine Menge mikroskopischer
Organismen, da sind die Larven oft im Überfluls vorhanden,
kleine schwarze Würmer von höchstens 5/; Zoll Länge. Unter-
sucht man das Laub mit unbewaffnetem Auge, so entdeckt
man vielleicht keine einzige Larve. Sie sind meistenteils
an der Unterseite zusammengedrängt und werden nur sicht-
bar, wenn man das Blatt abpflückt oder umdreht. Sie sind
am zahlreiehsten, wo die Strömung rasch ist. In York-
Shire finde ich sie massenhaft in pflanzenreichen Bächen,
welche von den Mooren herabkommen, und zwar besonders
in den reifsenden obe en Wasserfällen. HAGEN nennt die
Larve und Puppe von Simulium pictipes häufig im Ausable-
River in den Adoniraek-Bergen. Hier befinden sieh die
Puppengehäuse angeheftet an die Felsen in Haufen, welehe
kleinen Wespennestern ähneln. Wenn auch die Larven
sauerstoffreiehes Wasser verlangen, so darf es doch nicht
!) Miall, The natural history of aquatie inseets. London, Mac-
millan and Co. 1895.
2) H. A. Hagen, Proc. Boston Soc. Nat. Hist. Vol. XX, S. 305
= 071880.
s) Naturw. Anzeiger der allgem. Schw. Gesellsch. 1822.
4) Amer. Ent. Vol. II, S. 229.
[5] Die Larve von Simulia ornata Mg. 349
rein sein. Durch Abwässer verunreinigte Bäche enthalten
sie oft in grolser Zahl.
Dals Futter der Larve ist völlig mikroskopisch. Ich
fand den Magen mit den Kieselsehalen von Diatomeen und
Desmidien, hin und wieder auch mit Stücken von einem
niederen Krebse gefüllt. Ein Paar gefranster Anhänge,
einer auf jeder Seite des Kopfes, werden wie der ähnliche
Apparat der Gmnitzenlarve (Öulex) dazu gebraucht, um die
Partikelehen in die Larve hineinzufegen.
Der Rumpf der Larve ist zylinderförmig und im hinteren
Teile des Abdomens erweitert. An die Mundwerkzeuge
angefügt sieht man die fächergleichen Anhänge, jeden
mit etwa fünfzig langen Filamenten versehen, welche auf
einer Seite gefiedert sind und die Nahrung in die Kehle
hineinfegen. Da das Leben der Larve von diesen zarten
Organen abhängt, überrascht es nicht, wenn man grolse
Sorgfalt darauf verwendet findet, sie vor dem Zusammen-
kleben zu bewahren. Mit Hilfe einer Lupe kann man oft
bemerken, wie die Larve sie mit ihren Mandibeln auskämmt.
Es sind zwei Paar auf zahlreiehe Pigmentflecken reduzierte
Augen und kleine dreigliedrige Antennen vorhanden.
Es sind zwei Paar Beine vorhanden, wie bei der Larve
von Chironomus, und diese endigen in Hakenkränze. Allein
die Simulienlarve hat keine Höhle um sich festzuhalten,
und die Beine werden daher stark umgebildet. Jedes Paar
verwächst zu einem einzigen Organ, welches durchaus wie
ein Saugnapf angewendet wird. Das vordere Paar, welches
am 1. Thorakalsegment entspringt, wird indessen gewöhnlich
als Greifwerkzeug gebraucht, indem es dem Kopf opponier-
bar ist. Die Funktion dieser Saugnäpfe zeigt sich leicht,
wenn man eine Larve frisch aus dem Bache in eine Unter-
tasse mit Wasser befördert. Sie kriecht umher wie ein
Blutegel, indem sie die beiden Enden ihres Körpers ab-
wechselnd an die glatte Oberfläche der Untertasse anheftet.
Sogar in einem rasch flielsenden Gewässer sieht man sie
nie wider ihren Willen losgerissen werden. Die Haken,
welehe denen an den Beinen der Uhironomus-Larve nicht
unähnlich gestaltet sind, bilden an der aus den ver-
schmolzenen Beinen gebildeten Extremität der Simulienlarve
300 JOHANNES LIEBE, [6]
konzentrische Kreise. Sie dienen jedenfalls dazu das Ab-
gleiten von dem glatten Blatte oder schlammigen Steine zu
verhindern. Bei den Saugnäpfen des Tintenfisches ist zu
demselben Mittel gegriffen worden. Jeder Saugnapf ist ein
Becher, dessen Höhluog durch Muskelzug ausgedehnt werden
kann derart, dals der Druck innerhalb des Bechers geringer
als der Aufsendruck wird. Der Rand des Bechers ist wie bei
Simulium dureh zahlreiche winzige Zähnchen, welehe das
Ausgleiten verhindern, raub gemacht.
Beim Fressen hält sieh die Larve mit ihrem hinteren
Saugnapfe fest und streckt ihren Rumpf ausgereckt ins
Wasser. Ist aber die Strömung ungewöhnlich heftig, so
schlägt die Larve oft, indem sie nicht mehr frilst, ihren
Körper um und hält sich an der Oberfläche des Blattes
mit beiden Saugnäpfen an.“
Nun geht der Verfasser auf die eigentümliche Fähigkeit
der Larve, Gespinstfäden zu produzieren, ein. Dann folgt
noch einiges über den inneren Bau und die Puppenruhe, was
hier ebenfalls in Übersetzung wiedergegeben werden mag:
„Die Speicheldrüsen, welche den Gespinstfaden ab-
sondern, sind bei dieser Larve ungewöhnlieh lang. Sie
durehziehen die ganze Länge des Rumpfes und krümmen
sich dann um ein Drittel ihrer Länge nach vorn. Die
Tracheenröhren sind weit und geben ein Netzwerk feiner
Seitenzweige an die Haut ab. Diese scheint Sauerstoff aus
dem Wasser zu absorbieren; denn es ist keine Öffnung in
das Tracheensystem vorhanden.
Naht die Zeit der Puppenruhe, so bedarf es in An-
betracht der eigenen Umstände, unter welchen das ganze
Wasserleben bei Simulium vor sich geht, besonderer Sorg-
falt. Eine untätige und freie Pappe wie die von Ohironomus
mag wohl in dem weichen, schlammigen Grunde eines träge
flielsenden Gewässers lebensfähig sein, allein soleh eine
Puppe würde in einem Augenblick hinweggeschwemmt
werden von den Gielsbächen, in welehen Simulkum meist
heimisch ist. Vor der Verpuppung verfertigt sich das Insekt
eine Art Nest, in Gestalt nicht unähnlich den Nestern
mancher Sehwalben. Dieses Nest ist an der Oberseite einer
Wasserpflanze festgeklebt. Die Speicheldrüsen, welche die
[7] Die Larve von Simulia ornata Mg. sl
Ankerfäden liefern, stellen auch das Material, aus welchen
das Nest gebaut wird. Eingeschlossen in diesem weichen,
spitzzulaufenden Cocon, dessen verjüngtes Ende strom-
aufwärts gerichtet ist, während die offene Mündung strom-
abwärts gekehrt ist, bleibt die Puppe während ihrer Ver-
wandlung in Sicherheit.
Solange der Cocon noch gebildet wird, ist er vollständig
geschlossen, wenn aber das Insekt die Larvenhaut abgeworfen
hat, wird das eine Ende des Cocons aufgestolsen, und die
Puppe steekt nun den vorderen Teil ihres Körpers in den
Wasserstrom. Die Atemfäden, welehe unmittelbar hinter
dem zukünftigen Kopfe hervorspringen, genau wie bei
Chironomus, entnehmen dem sauerstoffreichen Wasser rings-
um einen genügenden Luftvorrat. Die Ringe des Abdomens
sind mit einer Anzahl vorragender Häkchen versehen und
in dem Malse, wie das Innere des Cocons infolge von
Gespinstfäden filzig ist, bekommt die Puppe festen Halt in
ihrem Coeon. Wenn sie aber sehr erschüttert wird, wird
eine Anzahl Gespinstfäden aus dem filzigen Futter heraus-
gerissen.“
So weit Mar! Auch von anderen Autoren ist die
Puppe besonders besprochen; so hat VoGLER!) in einem
kleinen Aufsatze die Tracheenkiemen der Simulienpuppen
behandelt. Über die Prothorakal-Stigmen der Dipteren-
puppen gibt J. C. H. DE MEJERE?) im Zoologischen Anzeiger
einen Beitrag. Die Embryologie von Simulia hat eingehend
ELıas Mecznıkow°) geschildert, wobei der Bau der Larven-
organe natürlich nieht berücksichtigt wird. Während also
Puppe und Eier hinreichend deutlich beschrieben sind, so-
dals man sich ein Bild von ihrer äufseren Gestalt und —
in Analogie zu denselben Stadien anderer Dipteren von
ähnlichem Bau — auch eine Vorstellung von ihrer inneren
Organisation machen kann, so fehlt eine ins einzelne gehende
Beschreibung des vom Gewöhnlichen sehr abweichenden
1) Mitteilungen der Schweizer Ent. Gesellsch. Bd. 7, Heft 7, S. 277
bis 382.
2) Zool. Anzeiger, Bd. 23, Nr. 632, S. 676—678.
>) E. Meeznikow, „Über die Embryologie von Simulia ete.“.
Zeitschr. für wissensch. Zoologie, 1866, Bd. 16, S. 392—406.
352 JOHANNES LIEBE, [8]
Baues der Larve. MiaLL gibt uns zwar ein besseres und voll-
ständigeres Bild von der Lebensweise und dem Entwieckelungs-
ablaufe der Mücke als HorvÄrH, hat aber kein Interesse
daran, die Beschreibung der Larve bis ins einzelne zu
verfolgen. Wir erfahren durch ihn nichts von der Gestalt
der Mundwerkzeuge oder anderer Teile des Kopfes, ins-
besondere der Bestandteile des Fächers; wie die Bewegung
des Fächers vor sich geht, und wie die Körperextremitäten
sich einstülpen, bleibt ungewils. Auch wird der Ausdruck
„Saugnapf“ „sucker“ bei der Vorderextremität zu Unrecht
angewendet. Im folgenden soll nun die eigenartige Or-
ganisation der Larve von Simulia möglichst eingehend
beschrieben und, soweit angängig, auch gedeutet werden.
Einige Vorbemerkungen mögen hier Platz finden. Die
erste Bekanntsehaft mit den Simulienlarven machte ich vor
vielen Jahren auf einer von meinem damaligen Lehrer
Privatdozent Dr. BRANDES veranstalteten Exkursion zwischen
Ziegenrück und Triptis, wo wir in den kleinen Abflüssen des
Kulmplateaus u. a. unsägliche Mengen von diesen Larven
antrafen und für ihre sonderbare Lebensweise interessiert
wurden. Von der Gattung Simulia sind mir zwei in Larven-
und Puppenzustande verschiedene Formen bekannt geworden.
Die eine Art konnte ich, da mir das Imagostadium dazu
fehlte, nicht bestimmen. Von der anderen habe ich im
August 1901 ein Exemplar der entwickelten Mücke aus der
Larve gezüchtet und damit die Herkunft einwandfrei er-
mittel. Die Imago wurde von Herrn v. RöDER-Hoym in
Anhalt, dem ieh die Mücke einsandte, freundlich bestimmt
und als Simulia ornata Mg. erkannt.
Die kleinen dreieckigen Eier habe ich immer erst in
der vorgerückten Jahreszeit gefunden, weshalb ieh vermute,
dals die von mir beobachteten Arten im Eistadium über-
wintern. Sehr zeitig im Frühjahr, schon Anfang April
begegnete ich ausgewachsenen Larven, was auf ein frühes
Verlassen der Eihülle schliefsen lielse. Das von mir
gezogene Tierchen hat im August genau vierzehn Tage in
der Puppe geruht. Dies ist um so bemerkenswerter, weil
columbaczensis ja meist als Puppe überwintern soll. Am
deutlichsten prägt sich der Gegensatz der beiden von mir
[9] Die Larve von Simulia ornata Mg. 359
untersuchten Formen im Puppenstadium aus. Bei der nicht
bestimmten Art sind die Stigmenschläuche am Prothorax in
ein diehotomiseh verästeltes Büschel von jederseits vier,
bei ornata in ein solehes von acht Fäden zerteilt.
Die Larven beider Arten stimmen in ihrer Lebensweise,
von noch anzuführenden Punkten abgesehen, völlig überein.
Sie krieehen mit Hilfe des vorderen Hakenkranzes, der
Mundwerkzeuge und des hinteren Haftapparates nach Art
und Weise der Spannerraupen. Hierzu tasten sie zuerst
mit der Unterlippe im ganzen Umkreise die Gegend ab und
spinnen schlie[slich an einem geeigneten Punkte plötzlich
einen Faden, an dem sie sich mit den Mundwerkzeugen
und dem an diese hinaufgestreckten vorderen kleinen Haft-
organe festzuhalten verstehen. Nun ziehen sie, das Abdomen
nach oben krümmend, schnell das Leibesende nach und
setzen den hinteren grofsen Hakenkranz von der Seite
zwisehen Mund und Vorderextremität, die sofort losläfst.
Darauf machen sie auch die Mundwerkzeuge los und
suchen nach einem neuen Befestigungsort — wofern sie
nämlich noch keinen endgültigen Ruhepunkt gefunden haben.
Sitzen sie aber einmal in dieser Lage fest, so vermag keine
noch so starke Strömung sie loszureilsen, und gerade an
den stärkstflielsenden Stellen der Bäche halten sie sich
mit besonderer Vorliebe auf. Es leuchtet ein, dals sie
hierbei in eine Stellung kommen, bei der die ventrale
Seite nicht der Strömung entgegengerichtet ist, obwohl dies
zur Nahrungsaufnahme das Beste wäre. In der Tat findet
man auch den aboralen Hakennapf immer mit seiner
dorsalen Seite dem Wasserstrom entgegen festgeheftet. Um
nun trotzdem am Kopfende die ventralen Gliedmalsen
dem Wasserstrom zuzuwenden, wird der Rumpf um seine
Achse um zwei Rechte gedreht und so die Nahrung auf-
genommen.
So fand ich S. ornata oft zu hundert Individuen,
einen schmutzfarbenen, rasendichten Überzug bildend, an
Steinen oder Stengeln nebeneinander. Die Larve der
anderen beobachteten Art bevorzugt steinige Bäche in der
Nähe der Quellen; man findet diese Art auch meist einzeln
oder zu wenigen beisammen, und die Tierehen sind daher
Zeitschr. f. Naturwiss. Hallea.S. Bd. 82. 1910. 23
354 JOHANNES LIEBE, [10]
sehr schwer zu finden, zumal sie heller wie ornata gefärbt
und dem Untergrunde der Bachkiesel sehr angepalst sind.
Der walzenrunde Körper der Larve mifst nach der
letzten Häutung mit Kopf 71/, bis 81/), mm in der Länge
und 1,4 mm an der dieksten, 0,75 mm an der Stelle der
stärksten Einschnürung, welche etwa in der Mitte der
ganzen Körperlänge liegt. Er besteht aus Kopf und Rumpf,
welch letzterer Brust und Hinterleib ohne deutliche Abgrenzung
enthält. Der Hinterleib gliedert sich nieht sehr deutlich in
neun Segmente. Die Farbe des diekeren Chitinbezuges ist
dunkelbraun, rostbraun bis gelb; die Bedeekung des Thorax
(Brust) und des Abdomen (Hinterleib) hat, wo sie nicht
durehsiehtig lederfarben ist (wie an den segmentalen
Grenzmembranen) einen fleischfarbenen Ton. Die ganze
Oberfläche ist fein gerunzelt und infolgedessen im auf-
fallenden Lichte irisierend. Bei der unbestimmten Larven-
art ist auch, wie erwähnt, eine Zeichnung vorhanden. Jedes
Segment weist auf der Bauchseite beiderseits einen schräg
von aulsen und vorn nach der Mitte und hinten verlaufenden
dunkelbraunen Strich auf; der Thorax besitzt drei soleher
Strichpaare, ein Zeichen dafür, dafs er aus der entsprechen-
den Zahl von Segmenten zusammengesetzt ist. Diese Zeiehnung
ist bei manchen Larven von ornata auch zu sehen, jedoch
ganz undeutlich.
Der tonnenförmige Kopf ist von einem Chitinpanzer
bekleidet, weleher ungefähr die Gestalt eines Hohlzylinders
hat. Ventral und hinten befindet sich an diesem Kopf-
panzer ein dreieckiger Einschnitt, wo die weichere Chitin-
bekleidung des übrigen Körpers die Haut bildet, um dem
dahinter am Thorax ansitzenden beweglichen Stiel des
vorderen Hakennapfes freien Spielraum zu gewähren. Der
vordere wie der hintere Rand der Chitinbedeekung des
Kopfes weist gewisse Verdiekungen auf, welche Muskeln
als Ansatzstellen dienen. Die vordere Öffnung wird durch
ein Kopfschild überwölbt, welches am Rücken angefügt ist.
Am ventral gerichteten Ende dieses den Kopf haubenartig
bedeekenden Stückes erhebt . sich die Oberlippe; diese
bedeckt die Innenseite der ventral gegenübersitzenden Unter-
lippe. An beiden Seiten der Oberlippe erheben sich zwei
[11] Die Larve von Simulia ornata Mg. 355
eigenartige Auswüchse, welehe zu Fangorganen ausgebildet
sind. An sie schliefsen sieh seitlich nach unten je ein Ober-
kiefer und je ein Unterkiefer mit Taster an. Aulsen an
dem Stiel des erwähnten Fangorganes bemerkt man jeder-
seits einen Fühler. Soweit die Aufzählung der Kopfglied-
malsen, Fig. 1 und 2.
Hinter den Fühlern, ungefähr in der Mitte des Kopfes
liegen jederseits zwei Flecken schwarzen Pigments, die
Augen, von denen das hintere grölser ist als das vordere.
23*
356 JOHANNES LIEBE, [12]
Der ganze Kopf ist, zum Teil sehr reichlich mit kurzen
Borsten besetzt.
Der Thorax ist unbehaart, äufserlich nieht gegliedert.
Auf der ventralen Seite sitzt vorn der schon erwähnte
Hakennapf an einem beweglichen Stiele auf. Dieser Stiel
ist so mit Muskeln versehen, dals das napfförmige Ende
aus seiner gewöhnlichen oralen Lage (a) heraus auch nach
unten fast senkrecht zur Körperachse gestellt werden
kann (b).
Von den neun völlig glatten Segmenten des Abdomens
sind die ersten sieben deutlich gegeneinander abgesetzt und
schmäler als die beiden letzten. Das neunte trägt an seinem
Ende einen komplizierten Haken- und Saugnapf, dessen
Öffnung etwas ventral gedreht ist. Dorsal, unmittelbar
darüber sitzen drei bandschuhfingerförmig ausgestülpte
Oberflächenverbreiterungen der Haut, unter denen der After
mündet. Fig. 3.
Der Sinnesapparat.
Das Nervensystem, dessen Hauptstrang schon äulserlich
dureh dunklere Färbung auf der Bauchseite sichtbar wird,
kennzeichnet sich bei näherem Zusehen als ein gewöhnliches
Striekleiternervensystem; sämtliche elf Ganglienpaare des
kumpfes sind so miteinander verwachsen, dals nur eine
einfache Ganglienkette vorhanden zu sein scheint. Die drei
letzten Paare sind sehr dieht aneinander gerückt und liegen
im zehnten Körpersegment. Das letzte Paar sendet vier
[13] Die Larve von Simulia ornata Mg. 357
Nervenstränge nach hinten. Die Längskommissuren sind
überall getrennt. Die anderen Sehlundganglien sind zu
einem dreieckigen Gebilde vereinigt, an dem man aber
deutlich die Grenzen der symmetrischen Hälften erkennt.
Sie senden ihre vorderen Nervenfortsätze um den Ösophagus
herum zu den unmittelbar darüber-
liegenden beiden oberen Schlund-
ganglien, welche über dem Öso-
phagus durch eine breite Quer-
kommissur verbunden sind. Diese
entsenden ihre Nerven vorzugs-
weise nach den Muskeln der
Mundwerkzeuge sowie nach den
Augen und Antennen.
Von Augen sind jederseits
zwei vorhanden; sie haben Ähn-
liehkeit mit denen der Culieiden.
Nach aufsen schliefst sich an sie
eine ovale Scheibe von Zellen an,
welche vielleicht die Bildungs-
zellen der Kristallkegel für das
Imagoauge sind.
Die Antennen sind deutlich
dreigliedrig. Das Basalglied ist
etwa halb so lang, über doppelt
so stark als das Endglied; vom
Mittelgliede, welches sich nach
dem Endgliede konisch verjüngt, Fig. 4.
wird es um das Dreifache an
Länge übertroffen. Am vorderen Ende sitzt ein Leypi@scher
Sinneskörper,!) zu welchem ein Nerv leitet. Dasselbe
Ganglion (innerhalb des Basalgliedes), von welchem dieser
Nerv enspringt, sendet noch zwei Nerven zu zwei am Ende
des mittelsten Gliedes befindlichen Sinneskörperchen. Fig. 4.
Die Maxillartaster bestehen aus einer wulstförmigen
Basis und einem zapfenartigen Hauptteil. Sie sind reichlich
1) Zoolog. Anzeiger, 9. Jahrg., Nr. 222, S. 284—291 und Nr. 223,
S. 308— 314.
358 JOHANNES LIEBE, [14]
mit Haaren bedeckt, die grölstenteils, an dem Zapfen sogar
alle, mit Nerven in Verbindung stehen, also wohl sieher
Sinnesfunktion versehen. Auch in die Maxillen selbst führen
Fig. 6.
Nerven, gewils ein Beweis, dals auch sie Sinnesempfindungen
vermitteln können. Fig. 5.
Zu erwähnen sind an dieser Stelle noch rätselhafte
Bildungen an den Fangfächern, die mit Nerven in Verbindung
[15] Die Larve von Simulia ornata Mg. 359
stehen. Am höchsten Punkte der Aulsenseite des Stieles
sitzen auf einer Membran, welehe die beweglichen Teile
des Fächers verbindet, drei kleine Chitinringe. In diese
verlaufen die Enden von Nerven, welche den Stiel durch-
ziehen. Ob diese Organe etwa Druckänderungen übermitteln,
wage ich nieht zu entscheiden. Fig. 6.
Fig. 7.
Der Bewegungsapparat.
Nieht Beine oder Flossen bilden die Bewegungsorgan
dieses merkwürdigen Geschöpfes, sondern neben den Mandibeln,
die gelegentlich zum Festklammern des Körpers verwandt
werden, dienen dazu die beiden einander bis zu gewissem
Grade ähnlichen Hakennäpfe, deren vorderer auf einem
muskulösen Fuls an der Ventralseite des Prothorax aufsitzt
(Fig. 7), und deren hinterer den analen Abschluls des
Leibes bildet. (Fig. 3—10).
Der Fufs, welcher den vorderen Hakennapf trägt, liegt
nach vorn gerichtet, unterhalb der Stelle, wo die Kopfkapsel
360 JOHANNES LIEBE, [16]
dünneres Chitin aufweist, sodals in der Ruhelage die dureh
den Körpersaft ausgestülpte Hakenkrone des Napfes in die
Nachbarsehaft der Mundgliedmalsen und auf eine eben
verfertigte Gespinstfläche reicht. Der Durchmesser des
vorderen Napfes beträgt 0,2 mm, seine Haken sind zurück-
gebogen, mit einer breiten Basis versehen und alle unter-
einander von gleicher Grölse. Sie laufen links und rechts
sowie an der Vorderseite am Stiel ein Stück herab, und zwar in
ungefähr sechsundzwanzig Längsreihen, welche jede durch-
schnittlieh sieben Widerhaken enthalten. Der hakenbesetzte
Kopf der Extremität ist einziehbar durch vier Muskeln,
welehe paarig den Stiel durehziehen und an seinem Fulse
in der Leibeswand inseriert sind. Hervorzuheben ist, dals
die Hakenkrönung in toto eingezogen, also nieht umgestülpt
wird. Von einer Verschmelzung aus zwei Hälften ist aulser
dem paarigen Muskelsystem nichts zu bemerken. Doch ist
es höchstwahrscheinlich, dafs wir es hier mit einem um-
gebildeten Extremitätenpaare zu tun haben.
Der hintere Hakennapf (Fig.8) ist wesentlich kom-
plizierter gebaut, über doppelt so grofs im Durchmesser und mit
zahlreicheren Widerhaken versehen als das eben beschriebene
Organ. Er ist in der Ruhelage im Verein mit den Segment-
[17] Die Larve von Simulia ornata Mg. 361
muskeln, welehe sieh in der Längsriehtung unter der
Hypodermis durch den ganzen Körper binziehen, das Haupt-
bewegungsorgan des Tieres.!) Der Ausdruck Napf kann bei
beiden Extremitäten nur für den Zustand gelten, in welehem
sie, fest an den Untergrund angeprelst, Scheibengestalt an-
nehmen. Betrachtet man den hinteren Körperpol des toten
Tieres, so erbliekt man auf der Chitinhaut einen Kranz von
Dornen. Es sind Widerhaken von derselben Form, nur
etwas kleiner wie beim vorderen Napfe. Sie verlaufen in
diehtgedrängten Reihen von ungefähr je sechzehn strahlen-
förmig nach einem Punkte im Innern, ihre Spitzen nach
der Peripherie gerichtet. Die Anzahl der Radialreihen
kann schätzungsweise auf 24 angegeben werden. An der
Peripherie verlaufen zahlreiche Muskeln nach den Seiten-
wänden des Rumpfes, welche den Kranz befähigen, sich
wieder einzustülpen, nachdem er durch den Blutdruck
herausgequollen ist. Auf der Dorsalseite wird die Basis
‘ dieses sonderbaren Kranzes von einem zangenförmigen Spreiz-
apparat begrenzt, dessen Enden oben durch starke Zug-
muskeln mit der Seitenwandung des Körpers in Verbindung
stehen. Die Zange besteht aus zwei Winkelhebeln, die am
Drehpunkt dureh ein Scharnier verbunden sind, und ist im
eingestülpten Zustand zusammengeklappt. Fig. 9. Durch
das Auseinanderspreizen dieser Zange wird die Ausbreitung
des Hakenkranzes eingeleitet und in der Form reguliert.
1) Horväth nennt „zwei sägeförmige Lamellen“ als das kaudale
Befestigungsorgan von S. columbaczensis. Sicherlich meint er nichts
anderes als unseren hinteren Hakennapf.
362 JOHANNES LIEBE, [18]
Dann treibt der Körpersaft den einwärts gekehrten Haken-
kranz heraus. Jemehr von den Widerhaken, deren Spitzen
ja nach auflsen gerichtet sind, hervorquellen, desto fester
wird die Verankerung des Körpers; von aufsen nach innen
fortschreitend, rücken schnell mehrere hervor und hängen
sich in dem Untergrunde fest, wobei der dorsale Teil des
Napfes anfangs etwas zurückbleibt. Sehliefshieh sind alle
gleichmälsig zu einem Fünfeck zusammengetreten. Diese An-
heftung geht fast in einem Augenbliek von statten. Fig. 10.
Wie erwähnt wird der Untergrund sehr sorgfältig
ausgewählt, aulserdem aber stets mit einer Gewebsschicht
von Gespinstfäden überzogen, die die Larve fortwährend
erzeugen kann. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn
der Sitz eine so bedeutende Festigkeit erlangt, dals er viele
Stunden, ja Tage lang für das Geschöpfehen derselbe bleibt.
Hierzu kommt noch folgendes: Das Körperende bildet mit
dem Hakenkranze ein ringförmiges Polster und schlielst,
fest angeprelst, den vom Ringe eingeschlossenen Raum vom
Wasser ab. So wird die Bedeutung eines Längsmuskels
klar, weleher im Inneren des Hakenkranzes inseriert ist
Fig. 10 m. Durch seine Kontraktion muls ein Vakuum
entstehen, ähnlich wie bei den Saugnäpfen des Tinten-
fisches oder denen der Larve von Liponeura.!) Der Druck
des Wassers also ist es zuletzt, das last not least dem
Organ den festen Halt verleiht, und wir müssen es als
1) Fritz Müller, A metamorphose de uno insecto Diptero, Archivo
Mus. Nacion. Rio de Janeiro, Vol. 4, p. 4, 1885,
[19] Die Larve von Simulia ornata Mg. 363
einen Saugnapf ansprechen. Den vorderen Hakenkranz
dagegen habe ich weder je als Saugnapf fungieren gesehen,
noch habe ich an ihm eine das Ansaugen ermöglichende
luftdieht sehliefsende Fläche gefunden. Der Ausdruck
sueker-Saugnapf bei Miaur trifft also nieht das Richtige,
soweit die orale Extremität in Frage kommt.
Der Ernährungsapparat.
Dem Sehlunde wird die Nahrung durch ‘die Mund-
sliedmalsen zugeführt; zugleich bilden diese auch den oberen
Verschluls des gesamten Verdauungstraktus. Der Sehlund
erweitert sich nach oben ventral zu einer unbeweglichen
Unterlippe. Diese ist horizontal nach aulsen umgebogen
und wird ventral von einer senkrechten Platte, der Kehle,
welche eine Verlängerung des Kopfskeletts darstellt, ver-
deckt. Von oben her wird der Schlund durch die
übrigen Mundgliedmalsen geschlossen, welehe die Nahrungs-
aufnahme besorgen. Die Oberlippe, welche jedenfalls auch
beim Fadenspinnen eine wichtige Rolle spielt, deckt den
Schlundkopf von oben; seitlich sitzen die paarigen Ober-
und Unterkiefer, welehe zusammen besonders die Zer-
kleinerung der Nahrung bewirken. Die Unterkiefertaster
und gewisse Stellen der Unterkiefer selbst sind vielleicht
mit Tast- und Geschmackskörperehen versehen. Dorsal er-
heben sich zu beiden Seiten der Öberlippe, wie schon erwähnt,
zwei grolse fächerförmige Strudelapparate (Fig. 1 und 2).
Sie sind viel verwickelter im Bau als dem gleichen Zweck
dienende und homologe Bildungen der Larve von Cule«. !)
Die Oberlippe, welche mit einem halbmondförmigen
Basalstick an dem gewölbten Kopfsehild aufsitzt, ist
schnabelförmig nach vorn gebogen und hohl, trägt an ihrem
Vorderende auf der oberen Seite einen diehten Haarwall
und eine doppel-T-trägerförmige Chitinversteifung. Das
gebogene Basalstück setzt die Oberlippe mit den beiden
seitlichen Fächerorganen in Zusammenhang; diese Anhänge
sind nämlich Erweiterungen der Oberlippe, des Labrums.
!) Raschke, Die Larve von (Oulex nemorosus. Inaug.-Dissert.
Leipzig und Arch. f. Naturgesch. 53. Jahrg., 1887, Bd. 1, Heft 2, S. 133
bis 163,
364 JOHANNES LIEBE, [20]
Dieses kann durch zwei Retraktoren nach unten gezogen
werden. Beweglieher sind seine Appendices, die Fangorgane.
Sie gleiehen ihrer Gesamtgestalt nach einem Fächer
auf breitem Stiele. Ihre Mechanik ist sehr kompliziert.
Der Stiel ruht auf einem eigenartigen Gerüst von Chitin-
balken und gleieht in seiner Gestalt einem abgestumpften,
an der Spitze abgerundeten halben Kegel. Der Rückenteil
Fig. 11.
des Stieles besteht aus steifem Chitin, geht in das Kopf-
schild über und ist wie dieses mit zahlreichen Sinnesbaaren
besetzt. Auf der fast halbkreisförmigen oberen Kante sitzt
der bewegliche Hauptfächer (Fig. 11). Die ventrale, ebene
Fläche des Stieles wird auf den Seiten und unten durch
Chitinleisten begrenzt, welehe untereinander und mit einem
etwa die Mitte des Stiels bildenden Balken, der den Fächer
stützt, gelenkig verbunden sind. Der Balken geht oben
allmählich in ehitinige Membran über. Solche füllt auch an
seinen Seiten die Felder zwischen den Randleisten aus.
Sie hat die Eigenheit, dals sie sich in bestimmten Falten
zusammenlegt. Am Oberende des Balkens sitzt in der
[21] Die Larve von Simulia ornata Mg. 365
Sagittalebene, nach der Leibesachse gerichtet, nur durch
Chitinhaut verbunden, ein Querbälkehen (Fig. Ila u. b) an.
Von der Ansatzstelle dieses Bälkehens zieht sich eine Falte
nach dem oberen Rande der Membran. An dem obersten,
"halbkreisförmigen Rande des Stieles sitzt, durch feine, bieg-
same Membran verbunden, der grolse Fächer. Er wird beim
De
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erwachsenen Tiere aus etwa fünfzig (bei eben geschlüpften
aus neun) S-förmig gebogenen Chitinstäben von der Länge
des Stieles gebildet, welche auf einer Seite mit kurzen
Fiedern besetzt sind (Fig. 12 u. 13). In grölseren Abständen
finden sich Fiedern von der doppelten Länge als die anderen.
Jeder Stab bildet an der Basis eine ein wenig windschiefe
Lamelle, die ungefähr das unterste Drittel der Gesamtlänge
einnimmt. In der Mitte dieser Lamelle besitzt jeder Stab
Fig. 13.
JOHANNES LIEBE, [22]
einen schräg nach unten und innen
gerichteten ziemlich langen Fortsatz.
Bis zu diesen Fortsätzen breitet sieh
nämlich die Membran aus, welehe
von dem Mittelbalken des Stieles
ausgeht, setzt sich zwischen den
Lamellen hindurch als feine Ver-
bindungshaut der einzelnen Lamellen
auf der Rückenseite fort und ver-
läuft, bausehige Säckehen bildend,
auf dem Rücken des Stieles.
Zwischen je zwei Stäben streckt
die Membran noch einen Zipfel aus.
Es entsteht auf diese Art ein Hohl-
raum, welcher vom Stiel, von den
Fächerstäben und von der Membran
allseitig geschlossen wird. Nach
der Medianebene hin, wo die nasen-
artigen Vorsprünge immer dichter
an die Basis ihrer Fächerstäbe
heranrücken, schliefst sieh ein frei
hängender, sonst gleichartig ge-
bildeter Fächerstab mit längeren
nach unten gerichteten Fiedern und
in weiterer Folge eine Reihe an der
Basis miteinander verwachsener ähn-
licher Stäbe an, deren Ansatzstelle
unterhalb des genannten Quer-
bälkehens liegt. Auf der anderen
Seite, aulsen variieren die Fächer-
stäbe. plötzlich zu eigentümlichen
Plättchen, deren jedes einzelne
andere Form hat, und welehe nicht
mehr an die Membran angeschlossen
sind. An sie reiht sich, nach innen
und oben geschlagen, ein der
Membran ansitzender kleiner Fächer, dessen fiedrige, wie
ein S gestaltete Bestandteile ziemlich in einen Punkte ent-
springen und sich zu einer etwa halbkreisförmig begrenzten
[23] Die Larve von Simulia ornata Mg. 367
Sehraubenfläche ausbreiten. Auch der grofse Fächer bildet
im aufgerichteten Zustande eine solche Schraubenfläche
(Fig. 14).
Die Entfaltung dieses eigenartigen doppelten Fächer-
systems wird allein dureh den Blutdruck bewirkt. Im Ruhe-
zustand des Tierchens ist der Fächer eingeklappt und bis
Fig. 14.
Fig. 15.
auf den Stiel unsiehtbar. Den Hohlraum des Stieles erfüllt
dann zwar die Leibesflüssigkeit, doch nieht prall, sodals
die blasigen Aussackungen der Fächerbasis schlaff hängen.
Die Fächerstäbe liegen umgeklappt, parallel so dieht neben-
einander, als möglich ist, etwa wie die Stäbe eines Schirmes,
auf der Innenseite des Stieles. Dieser ist beinahe senk-
reeht nach oben gerichtet. Man sieht am ruhenden Indivi-
duum daher die Fächerapparate lediglich als eine Art
Hörner (Fig. 15). Will das Tier Nahrung zu sich nehmen,
368 JOHANNES LIEBE, [24]
so legen sich durch verstärkten Blutdruck zunächst die
beiden Stiele etwas nach aulsen. Diese Stellung wird da-
durch eine dauernde, dafs sich an der Basis seitwärts und
aulsen eine Falte bildet, welehe durch eine gewisse Steif-
heit des Chitins erhalten bleibt. Die beiden Stiele stehen
dann mit ihren Enden schräg nach aufsen. Dadurch wird
der Hohlraum bedeutend verengert, und die Leibesflüssigkeit
füllt auch die Falten des Fächerhohlraumes. Auf diese
Weise wird durch den Druck der Leibesflüssigkeit der
Fächer in die Höhe geklappt und, während sich die Lamellen
noch teilweise decken, strahlenförmig auseinandergebreitet
(Fig. 16). Nun steht der Blutdruck und die Elastizität des
Stieles einerseits in Wechselwirkung mit der Tätigkeit eines
Muskels andererseits, welcher an der Basis des Mittelbalkens
mit Pseudosehnen ansetzt und sich durch den Kopf bhin-
dureh in der Längsriehtung bis zum unteren Rande des
Kopfskeletts hinzieht. Seine Kontraktion übt einen Zug
auf den Mittelbalken aus. Dadurch wird, unterstützt dureh
das Querbälkehen (das dann einen rechten Winkel, nieht
mehr einen stumpfen bezw. spitzen bildet), das Volumen
des Stieles vergrölsert. Der Druck des Körpersaftes kann
den Fächer nieht mehr ausgebreitet halten, und dieser fällt
augenblieklich zusammen, hebt sich aber noch schneller
[25] Die Larve von Simulia ornata Mg. 369
wieder, da der Zug des Muskels nur ein momentaner ist
und die Elastizität des ganzen Stieles ihm entgegenwirkt.
Über 90 mal in der Minute wird der Fächer auf- und zu-
geschlagen. Die Bewegung erfolgt auf beiden Seiten nicht
gleichzeitig, sondern links und rechts abwechselnd, mitunter
auch auf kurze Zeit nur mit dem einen Fächer allein,
während der andere ausgebreitet ruht.
Seiner Form nach stellt der Apparat ein Greiforgan
dar. Die Betrachtung des lebenden Insekts beweist auch
die Richtigkeit dieser Auffassung. Das Geschöpf ist kein
Räuber wie etwa Corethra; es sitzt am liebsten fest und
erbeutet auch in selshafter Stellung seine Nahrung. Einen
wesentlichen Teil derselben machen die im Wasser befind-
liehen mikroskopischen Lebewesen aus — ich fand im Darm-
lumen unter anderem Panzer von Rädertierchen. MiıALL
nennt als gewöhnliche Nahrung der Simulien Diatomeen
und Desmidien und in zweiter Linie niedere Kruster. Diese
Nahrung ist in reichem Mafse in dem umgebenden Elemente
vorhanden und wird dureh die Strömung immer von neuem
zugeführt. Sie in möglichst grolser Menge dem Munde zu-
zustrudeln, ist Aufgabe des Fächerorgaus, und mit seinen
befiederten Stäben dient dieses zugleich als ein Seihapparat.
HorvÄtH nennt Algen und Pflanzenpartikel als Nahrung
von 8. columbaezensis. Mit der Nahrungsgewinnung durch
den Fächer steht dies nun in vollem Einklange; denn pflanz-
liche Teilchen flottieren so gut im Wasser wie tierische,
und ich bin fest überzeugt, dals manche Pflanzenstoffe auch
von unseren deutschen Simulien mitgefischt werden, wenn
auch die Hauptnahrung nicht daraus besteht.
Zu beiden Seiten der Mundöffnung stehen in unmittel-
barer Nähe der eben beschriebenen Fächer die Oberkiefer,
denen die Unterkiefer sieh anschlielsen. Der Zwischenraum
zwischen rechtem und linkem Unterkiefer wird durch die
Unterlippe ausgefüllt.
Der ÖOberkiefer macht in seinem Gesamthabitus den
Eindruck eines grolsen Zahnes. Sein Drehpunkt befindet
sich oberhalb einer doppelten Chitinverstärkung des Kopf-
skeletts. Die Muskeln greifen so an, dals die Beuge-
bewegung sich etwa in der Sagittalebene vollzieht. Der
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.8. Bd.82. 1910. 24
370 JOHANNES LIEBE, [26]
Oberkiefer besitzt eine äufsere, d. h. auf der dem Unterkiefer
zugewandten Seite liegende und eine innere, auf der anderen
Seite gelegene Krönung. Die äulsere trägt ein diehtes Büschel
steifer Haare und Borsten; die innere läuft spitz aus und
ist ziemlich am Rande mit etwa zehn einwärts gerichteten
Zähnen bewehrt, von denen sich besonders der drittoberste
durch Gröfse auszeichnet. An der Basis entspringt, dem
Unterkiefer zugekehrt, ein besenartiges Bündel sehr langer,
steifer Borsten, welche in den Schlund hineinragen. Einige
davon sind gefiedert, andere einfach, die meisten enden
eigentümlich stufig abgeschnitten und mit einer Endborste.
Sie dienen zweifellos als Putz- und Fegewerkzeuge.
Die Unterkiefer sind dieke löffelförmige Gebilde, stark
behaart, mit Flexor und Extensor versehen; sie senden nach
aulsen einen Taster und sind selbst reichlich mit Tasthaaren
versehen. Die Basis des Unterkiefers und seines Tasters
berührt einen medianen unpaaren Kopfteil, die Kehle.
. Dies ist eine vertikal nach oben ragende trapezförmige
Platte, deren kürzere obere Kante stark verdickt ist und
elf Zähne trägt, von denen der mittelste bei weitem am
längsten ist. Auch ihre Seitenkanten sind höckerig gezähnt.
Ein Stück einwärts erhebt sich, den beiden Seiten parallel,
je eine Reihe von fünf langen, in Gelenkgruben aufsitzenden
Borsten. So wie diese sind die meisten der am Kopfskelett
sitzenden Borsten gelenkig inseriert wie bei den Larven von
Ütenophora.')
Die Unterlippe bildet den verbreiterten Rand des
Sehlundes. Sie steht horizontal und hat die Gestalt einer
Sehaufel. An ihrem Vorderrande und parallel dahinter ist
sie durch gebogene Leisten versteift, welche feine nach
aulsen gerichtete Börstehen tragen. In der Mitte der
hintersten Spange oder Leiste ist die Behaarung etwas nach
hinten gerückt. Der Vorderrand ist lang und kräftig be-
haart. In seiner Mitte zwischen zwei Polstern mündet
innerhalb eines kleinen diehten Haarbüschels der gemein-
same Ausführungsgang der Spinndrüsen, die ungeheuer lang
1) Weyenbergh, Beiträge zur Anatomie und Histologie der
hemiceph. Dipt.-Larven. Inaugural-Diss. Göttingen 1873.
[27] Die Larve von Simulia ornata Mg. 371
sind und bis tief ins Abdomen reichen. Die seitliche Be-
festigung der Unterlippe geschieht dureh Doppelspangen,
welche dureh balkenartige Träger mit der äulseren Körper-
wandung verbunden sind. Nach innen schliefst eine breite
gebogene Spange den Schlundkopf ab.
Die Spinndrüsen, durchziehen, indem sie von ihrer
Ursprungsstelle im drittletzten Abdominalsegment aus zu-
nächst in den hinteren Segmenten eine Windung vollführen,
unverästelt den ganzen Körper. Ihre einfache Wand besteht
aus verhältnismälsig grolsen Zellen, welehe die Eigentümlich-
keit einer an der Aulsenseite der Drüsen verdiekten Membran
besitzen. Ihr Produkt, der Speichel, verhärtet an der Luft
und liefert den Stoff zu Spinnfäden, welche bei der Fort-
bewegung als Brücke und Halt und bei der Verpuppung als
Bestandteile des Cocongewebes eine wichtige Rolle spielen.
Der Verdauungs- und der Atmungsapparat.
Mit dem Darmtraktus hängen sämtliche Mundgliedmalsen
durch Bindegewebe zusammen; keines von allen setzt sich
so direkt in den Schlund fort wie die Unterlippe, indem
sich deren seitliches Gestänge bis zu den Enden eines Chitin-
bogens ausdehnt, der sich um die Ventralseite des Schlundes
schlingt. Dort kreuzt dieser einen zweiten aulsen darüber
verlaufenden Bogen zweimal. Die Auskleidung der Intima
des Sehlundes wird von einer muskulösen gestreiften Schicht
gebildet. Besonders die erste Hälfte bis zu den beiden
sich kreuzenden Bögen ist stark horizontal gestreift; die
Streifung zeigt, dafs die Muskelfasern längs gerichtet sind.
In der sich anschliefsenden Speiseröhre geht die eben
behandelte Muskelschicht in gleicher Beschaffenheit weiter
bis zum Anfang des Hinterleibes, wo der Magen beginnt.
Das Bindegewebe, welches die ganze Unterlippe stützt,
bekleidet auch die Speiseröhre und schlielst sie an die
Bauchwand an. In ihrer oberen Hälfte bildet die Speise-
röhre eine Art Kropf.
Mit dem Eintritt in den Hinterleib nimmt die Intima
die gewöhnliche glatte Struktur an; sie verliert die Muskel-
schicht. Die Speiseröhre erweitert sich zum Magen. Auf
ihn folgt im Mittelbruststück der eigentliche Darm. Er ver-
24*
372 JOHANNES LIEBE, Die Larve von Simulia ornata Mg. [28]
läuft gestreckt, ungeteilt, verjüngt sich, wird dann zum
Enddarm und bildet als soleher eine Schleife. Das Rektum
ist sehr kurz und mündet im neunten Hinterleibsringe in
den After. Malpighische Gefälse oder sonstige Blindsehläuche
der Verdauungsorgane sind nieht vorhanden.
Die Intima des Darmes ist ein Plattenepithel aus grofsen,
vieleckigen, deutlich gekernten Zellen. Genau so ist auch
die äulsere Körperhaut der Larve zusammengesetzt.
Die Atmung erfolgt, da das Tracheensystem wie bei
Chironomus vudimentär ist und blind schliefst, durch die
Haut. Besonders bemerkenswert sind drei zwischen dem
After und den Spangen des hinteren Hakennapfes hervor-
tretende Hautverbreiterungen von Fingerform, welche sonst
keinerlei Struktur aufweisen. Sie sind sicher als Atmungs-
werkzeuge aufzufassen. Ihr Inhalt ist nicht etwa Luft,
sondern Körperflüssigkeit, sodals sie wie entsprechende Ge-
bilde bei der verwandten Chironomus-Larve als echte Kiemen
des lakunären Blutkreislaufes angesehen werden können.
Eine für Deutschland neue Noctue
von
E. Bauer, Referendar.
Wenn wir heute grolse Originalsendungen von Schmetter-
lingen aus Gegenden fremder Länder bekommen, über deren
Fauna bisher nur wenig bekannt ist, ist es keineswegs eine
auffallende Tatsache, wenn sich unter den Fremdlingen aulser
bekannten Sachen auch ein oder das andere neue, noch
unbeschriebene Tier befindet. Es würde durch die gegen-
teilige Entdeckung nur die unter diesen Umständen wohl-
begründete Hoffnung auf eine Neuentdeckung zu nichte
gemacht! Wie viel schwieriger ist es da, in unserem deutschen
Heimatlande bisher unbeschriebene Tiere zu finden, ein Fall,
der schon zu den gröfsten Seltenheiten gehört und sich
meines Wissens seit langer Zeit nicht ereignet hat. Ist es da
doch schon eine das Herz jedes lokalfaunistisch arbeitenden
Entomologen erfreuende Sache, wenn er ein für eine Gegend
‘ seines Heimatlandes bisher nieht bekanntes, wenn auch schon
sonst beschriebenes Tier der Fauna neu einverleiben kann!
Bei dem immer mehr gesteigerten Interesse für die Ento-
:mologie und besonders für die Makrolepidopteren ist unser
deutsches Faunengebiet hinsichtlich dieser Insektengruppe
so genau durchforscht, dafs es jetzt nur noch selten gelingt,
Spezies, die in Deutschland bisher noch nieht beobachtet
waren, zu erbeuten.
Dieses Glück sollte mir an einem an und für sich sonst
recht wenig erfolgreichen Leuchtabend vergönnt sein. Ich
hatte mich an einem warmen Frühlingsabend Ende Mai 1904
von Freiburg im Breisgau aus in die ausgedehnten Laub-
und Nadelwaldungen der Umgebung dieser Stadt begeben,
374 E. BAuER, Eine für Deutschland neue Noetue. - [2]
um mit meiner Acetylenlaterne dem Lichtfang obzuliegen.
Es flog jedoch nur wenig an: einige Scoria lineata, 1 Larentia
silaceata, 2 Mamestra leucophaea und eine Eule, die mir
unbekannt war. Jahrelang befand sieh diese Eule unbestimmt
in meiner Sammlung, bis ich mieh vor einiger Zeit auf das
fast vergessene Exemplar hbesann und sie als Dianthoecia
(Harmodia) magnoli Bsd. feststellen konnte. Nach der mir
zur Verfügung stehenden Literatur ist das Tier bis zum
Jahre 1904 in Deutschland noch nieht beobachtet worden;
auch Reurrı führt in seinem die fragliche Gegend so er-
schöpfend behandelnden Werke: „Die Schmetterlinge des
Grolsherzogtums Baden“ Dianth. magnoli nieht für dieses
Gebiet auf.
Durch Feststellung dieser Spezies in Deutschland ist
wiederum ein Beweis für die Tatsache erbracht, dafs manche
Insekten ihr Wohngebiet durch Überwandern weiter aus-
zudehnen bestrebt sind. Dianth. magnoli galt bisher für
ein in dem südliehen Europa und einigen Gegenden Asiens
heimisches Tier, doch reichte seine Verbreitung bis Österreich
und in die Schweiz. Wenn nun jetzt diese Spezies gerade in
der Südwestecke von Deutschland gefunden ist, also einer
Stelle, die ihrem schweizerischen Fluggebiet am nächsten
liegt, so dürfte der Annahme nichts entgegenstehen, dals
sie von der Schweiz aus in Deutschland einzuwandern be-
ginnt und bald zu unseren heimischen Arten zu zählen sein
wird. Da die Nahrungspflanze der Raupe — Stlene nutans
— sich in ganz Deutschland findet, dürfte der weiteren
Verbreitung des Tieres nichts im Wege stehen.
Wie ich aus einer Notiz in einer entomologischen Zeit-
schrift ersah, sollen zwei Exemplare dieses Falters in den’
letzten Jahren — meine Beobachtung stammt, wie oben
erwähnt, bereits aus dem Jahre 1904 — in Oberschlesien
gefangen worden sein. Auch diese neuerliche Beobachtung
würde meine Annahme, dals der Falter von seinen Deutsch-
land benachbarten Flugorten, in diesem Falle also von Öster-
reich aus, allmählich einwandert, unterstützen.
Kleinere Mitteilungen.
Ein Verfahren zur Abformung von Pflanzenblättern.
Die grolsen gefärbten Sehnitte z. B. von menschlichen
Gehirnen wurden bisher in Kanadabalsam eingebettet und
zwischen zwei Glasplatten aufbewahrt. Es gelang mir,
einen Ersatz für dieses sehr teure Verfahren dadurch zu
schaffen, dafs ich die Glasplatten mit 5,prozentiger Gelatine-
lösung übergols, den aus lauwarmem Wasser kommenden
Gehirnsehnitt darauf legte und dann nach erfolgter Er-
starrung nochmals mit Gelatinelösung übergols. Nach der
Troeknung erfolgte noch eine Lackierung der Oberfläche.
Der Breehungsindex der getrockneten Gelatine besitzt hin-
reichende Ähnlichkeit mit demjenigen des Schnitts.
Es lag nahe, dieses Gelatine-Einbettungsverfahren auch
einmal für Pflanzenblätter zu versuchen. Denn es war zu
erwarten, dafs sich dann Form und Farbe besser kon-
servieren würde als nach den bisher üblichen Verfahren.
Die zuerst mit den flachen Blättern der Kapuzinerkresse
angestellten Experimente ergaben jedoch etwas Unerwartetes:
Die Gelatine, welehe unterhalb des Blattes lag, wollte nicht
ihr Wasser verlieren. Infolge des vieltägigen Feuchtbleibens
trat eine Zersetzung der Gelatine ein: sie ging in Gelatose
über, und damit war die Herstellung eines Dauerpräparates
ausgeschlossen. Es war dies deshalb nicht vorauszusehen
gewesen, weil die Zwischenlagerung der Gehirnschnitte
durehaus nieht die Trocknung der Gelatine verzögert hatte;
selbst dann nicht, wenn noch ein Unter- und Überguls
mit Celloidin, wie es bei manchen histologischen Färbe-
verfahren üblich ist, die Scehieht wesentlich verstärkt hatte.
Und sogar solehe Schichten hatten eine Trocknung gestattet,
376 Kleinere Mitteilungen.
bei welchen diese theoretisch ganz ausgeschlossen hätte
sein sollen, nämlich Blattsilber. Die stets vorhandenen
feinen Löcher waren daran schuld gewesen. — Bei den
Pflanzenblättern bildete der dünne Wachsüberzug das grolse
Hindernis für die Passage des Wassers. Die Einbettungs-
versuche mulsten aus diesem Grunde aufgegeben werden,
obgleich sieh Form und Farbe sonst wirklich tadellos zu
konservieren schienen.
Dieser Wachsüberzug der Blätter ermöglichte aber ein
anderes: Während Gehirnschnitt und trockne Gelatine ganz
fest zusammenhängen, lälst sich letztere vom Pflanzenblatt
leicht abziehen. Es sind dann alle Details der betreffenden
Blattoberfläche darin abgeformt. Da diese Struktur der
mikroskopischen Untersuchung sonst nieht leicht zugänglich
ist, dürfte die Benutzung der Gelatine für diesen Zweck
Wert haben. 4
Glasplatten werden reichlich mit einer 5 prozentigen
Gelatinelösung übergossen, und vor deren Erstarren Blätter
darauf gelegt. Dann wird weiter so viel Gelatinelösung
darüber gegossen, dals alles davon bedeckt ist. Wieder ist
es die Wachsschieht, die hier einige Schwierigkeit macht.
Die Gelatinelösung wird nämlich stark davon abgestolsen.
Wenn man aber das Aufgegossene fast bis zur Erstarrung
abkühlen und dadureh schwerflüssig werden lälst, gelingt
die gleiehmälsige Überbreitung doch. — [Vor der Verteilung
verhalten sich die Gelatinemassen wie Tautropfen. Man
erkennt daran, wie am Leuchten der letzteren im Sonnen-
lieht eine dünne adsorbierte Luftschieht zwischen Blatt und
Wasser als spiegelnde Fläche viel mehr beteiligt ist, als
die Liehtbrechungen im Tropfen selbst] — Je nach der
Dieke der obenstehenden Gelatineschieht ist deren Troek-
nung in ein oder zwei Tagen beendigt. Diese vollkommene
Troeknung reicht dann genau bis zum Blatt; unter diesem
ist auch nach zwei Wochen die Gelatine ganz wasserhaltig.
— Schneidet man an den Rändern die Folie durch, so kann
man sie leicht abziehen und ihre Struktur der mikro-
skopischen Untersuchung unterziehen.
Eine Verstärkung der Reliefbild-Wirkung durch Zusatz
von Farbstoffen zur Gelatine erwies sich als nicht nötig.
Kleinere Mitteilungen. 377
Ein soleher z. B. von Chlorophyll oder ähnlichen grünen
Pigmenten würde nur dann in Betracht kommen, wenn
man die Präparate nieht zur wissenschaftlichen Untersuchung,
sondern für dekorative Zwecke benutzen wollte.
Frankfurt a. M., Neurolog. Institut.
RAPHAEL ED. LIESEGANG.
Aus den Sitzungen der Entomologischen Gesellschaft
zu Halle a. 8. (E.V.)
Sitzung vom 4. April 1910. Herr HAupr zeigte eine
neue Auswahl exotischer Singeieaden, vornehmlich Ost-
asiaten. Da die Unterordnung der Ciecaden meist kleine
bis kleinste, unscheinbare Formen enthält, fallen die bis
fingerlangen Platypleuren, die zudem an Farbenpracht mit
den schönsten Schmetterlingen wetteifern, umsomehr ins
Auge. Ihrer Gröfse entsprechend vollführen die Riesen-
eicaden einen ziemlichen Lärm; eine javanische Form erzeugt
einen weit hörbaren, klingenden Ton, ähnlich dem Hämmern
eines Schmiedes auf dem Ambols. Der Fang der teilweise
recht gefährlich aussehenden Tiere ist schwierig, da sie
gewöhnlich hoch auf den Bäumen sitzen und sehr scheu
sind. — Herr Spörreu I legte frische Frühlingskäfer vor.
Wenn nach REICHARDT Tropinota hirta gelbe Blüten bevor-
zugen soll, so erklärt sich dies nach Ansicht des Vor-
tragenden einfach dadurch, dafs unsere Frühlingsblumen
fast sämtlich gelb blühen; wenn später andersfarbige Blüten
kommen, findet sieh der Käfer auch in diesen, z.B. gern
in Kirschblüten. — Herr RosEnßAum sprach unter Vorlegung
lebender Blattfulskrebschen (Branchipus) von der Rabeninsel
iiber die Biologie dieses interessanten Phyllopoden. — Herr
KLEineE führte als bemerkenswertestes Ergebnis einer Oster-
fahrt nach Regensburg umfangreiche Fralsstücke von Ory-
phalus fagi und piceae, Phthorophloeus spinulosus, micro-
graphus und chalcographus sowie von Polygraphus poly-
graphus vor.
Sitzung vom 18. April 1910. Herr Haupr besprach
eine Reihe Lege-Immen, darunter eine bisher nur als Primär-
378 Kleinere Mitteilungen.
schmarotzer bei Schmetterlingen und bei Chrysopa perla
bekannte Zehrwespe (Perilampus sp.), die von Herrn KLEINE
als Sekundärparasit aus einer Tachina gezogen ist, die
ihrerseits bei Taeniocampa stabilis schmarotzte. Ferner aus
der Dübener Heide die 4,5 mm grolse Pimpla angens, die in
den Eiersäcken von Arachniden schmarotzen soll. Endlich
Männchen und Weibehen der P. terebrans Ratz., von Herrn
KLEINE aus Pissodes notatus gezogen, die bisher nur als
Scehmarotzer anderer Pissodes-Arten und nur im weiblichen
Geschlecht bekannt war. Ist schon bei dem Weibehen in der
Segmentierung der Übergang zu Ephialtes angedeutet, so
zeigt das neue Männchen direkt einen ausgeprägten Ephialtes-
Habitus, — Herr KLEınE sprach über unsere Bremsen
(Tabanidae). Die Tabaniden, sämtlich Blutsauger, lieben
lichte Waldstellen, besonders in der Nähe von Viehweiden,
nur T. spodopterus zieht Obstplantagen und Alleen vor. Bei
uns sind 13 Arten festgestellt, darunter als Seltenheiten
maculicornis, solstitialis, sudeticus und ein Überbleibsel aus
der Eiszeit: tarandınus. Bei der Bearbeitung eines grölseren
Materials des häufigen 7. luridus fand der Vortragende ver-
schiedentlich leicht irreführende Unregelmälsigkeiten im
Flügelgeäder, indem am oberen Sector der Radialis eine Ver-
längerung auftrat, was er mit Hilfe des die Schwierigkeiten
derartiger Untersuchungen spielend bewältigenden Zeils-Bino-
eulars an mehreren Stücken veranschaulichtee — Herr
BANDERMANN zeigte eine von ihm täuschend zusammen-
gesetzte Nachbildung des im Posener Kaisermuseum auf-
bewahrten MANGELSDoRFschen Wolfsmilchsehwärmers, den
REBEL für eine Kreuzung von Deilephila livornica mit 2ygo-
phylli, JoRDAN von lwvornica mit euphorbiae, ev. auch mit
dahli hält. — Herr Spörter demonstrierte die Blattkäfer-
gruppe der Crioceridae, von denen das rote Lilienhähnchen
durch seine Zirptöne bei Jung und Alt bekannt ist. Dals
sich die Larven in eine Kotdecke hüllen, dürfte wohl nicht
als Sonnenschutz aufzufassen sein, wie einige wollen, sondern
eher als Schutzmittel gegen Feinde, z.B. Vögel. — Bei
Laccophilus hyalinus sind Stridulationsorgane bekannt, nicht
aber bei Gyrinus. Herr Krüger teilte jedoch mit, dafs auch
eine Gyrinusart Töne hervorbringe, wie er in seinem Aquarium
Kleinere Mitteilungen. 379
unzweideutig beobachtet habe. Der Käfer klammerte sich
dabei an Pflanzen fest und rieb mit den Hinterbeinen den
Rand der Flügeldecken.
Sitzung vom 2.Mai 1910. Herr BAuEr hielt die
zweite diesjährige botanische Demonstration. Seit den ver-
heilsungsvollen Anfängen in den paar warmen Märztagen
ist das Pflanzenleben bei Halle fast auf demselben Fleck
stehen geblieben, so dals der Vortragende kaum ein Dutzend
Arten vorlegen konnte, über deren Bewohner dann die Kenner
der jeweils in Betracht kommenden Insektenordnungen
sprachen. Herr Bauer legte auch einen Nachtkerzen-
schwärmer (Pterogon proserpina) vor, den er an den
Blüten des Gundermann gefangen hatte. — Unter Vor-
legung von 21 Arten sprach Herr Haupr über die Schlupf- _
wespengattung Pimpla, deren Larven in den verschie-
densten Sehmetterlingen schmarotzen. Obwohl die Gattung
meist grolse bis sehr grolse und auffallend gezeichnete
Arten enthält, ist ihre Systematik schwierig. Gleich ein
hauptsächliches Trennungsmerkmal, ob nämlich die Atem-
löcher an der Brust oval oder rund sind, ist, wie SCHMIEDE-
KNECHT selbst bemerkt, oft Gefühlssache. Ein von Herrn
KLEINE aus Spinnenkokons gezogenes, in die Nähe von P.
oculatoria gehörendes Stück ist mindestens eine noch un-
bekannte Farbvarietät, wahrscheinlich sogar eine neue Art.
Von gleichzeitig vorgelegten anderen seltenen Hymenopteren
von allgemeinerem Interesse seien erwähnt die erst 1898 publi-
zierte, bisher nur je einmal bei Hamburg und bei Schwerin
gefangene Clkstopyga sauberi BRAUNs, oder der mächtige,
vom Vortr. in grofser Anzahl aus einem Birkenknüppel ge-
zogene Tremex fuscicornis, der ausnahmsweise einmal aus
Sehwarzpappel gezogen ist und sonst als Buchenzerstörer
gilt. Die seltene, zwischen Blatt- und Holzwespen stehende
Xyela juli soll sich nach Harrıgs Vermutung in trockenen
Kiefernästen entwickeln, ist aber bereits von ZETTERSTEDT
auf einer gänzlich kiefernlosen Insel bei Tromsoe erbeutet
worden, und Herr Haupr fand sie in diesem Frühjahr zahl-
reich in der Dölauer Haide an Gräsern. — Herr KLEınE
brachte einen neuen Beleg für die Annahme, dafs die Fliegen
mit untingierten Flügeln zu Reduktionen im Geäder neigen: er
380 Kleinere Mitteilungen.
fand bei einer aus dem Erzgebirge stammenden Leptis aequalis
den Sektor von der unteren Abbiegung bis zum Rand, also
den ganzen konkaven Teil, erloschen.
Sitzung vom 6. Juni 1910. (Statt der Sitzung vom
16. Mai eine Exkursion in die Goitzsche) Herr Dr. med.
SCHWARZENBECK legte einen Schmetterlingsbastard vor, der
einer Kreuzung von Smerinthus populi mit ocellata ent-
sprossen sein dürfte Das Stück ist insofern von hohem
theoretischen Interesse, als man zwar wiederholt, z. T. unter
Anwendung ganz verschmitzter Kunstgriffe, experimentell
Schwärmerbastarde erzielt hat, dieses Exemplar jedoch ein
Hybrid aus der freien Natur ist, da es bei gewöhnlicher
Haltung (Futter: Weide) neben zehn normalen Geschwistern
‘ von demselben Baum auskam. — Herr KLEINE erläuterte
an farbigen Tafelzeichnungen den normalen Bau des Leptiden-
flügels (Dipt.) und die von ihm mehrfach beobachteten Re-
duktionen im Geäder, die in verschiedener Hinsieht die
Apoupusche Theorie stützen. — Herr Haupr referierte über
den Feldzug, der angesichts der bedrohliehen Zahl von Malaria-
fällen in Deutschland (jährlich über 1000!) zurzeit von der
Senekenbergischen Naturforschenden Gesellschaft gegen die
keimübertragende Anopheles- Mücke organisiert wird. In
der Debatte wurden von den Herren Dr. JaruA, Pastor
Manrrıus, und dem Referenten diesbezügliche Beobachtungen
aus verschiedenen Gegenden unseres Vaterlandes mitgeteilt. —
Herr DAEHNE sprach unter Vorlegung der Hallischen
Arten über Bau und Lebensweise der hübschen, sattgelbe,
rostbraune, zartgraue und silberweilse Farbtöne in aparter
Zusammenstellung vereinenden Wicklergattung Kuzxanthis.
Die in Norddeutschland im allgemeinen seltene E. zoegana
ist hier nicht selten; E. straminea zeigt einen deutlichen
Sexualdimorphismus dadurch, dafs das Männchen hellgraue,
das Weibehen braungraue Hinterflügel hat; von der hier
häufigsten Art, E. hamana, ist weder die Raupe, noch die
Futterpflanze, noch die Generationenzahl sicher festgestellt. —
Herr Spörtet I zeigte aus Spickendorf zur Bestimmung ein-
gesandte Exemplare des Pilzkäfers Atomaria linearis, der
dort als Rübenschädling aufgetreten ist, so dals bereits ein
Kleinere Mitteilungen. 381
1/, Morgen grolses Feldstück umgepflügt werden mulste. Die
etwa 1 mm grolse Oryptophagide frilst tagsüber an den
Wurzeln und schwärmt nur abends zur Begattung umher.
Die Rüben gehen dureh die Schädigung entweder ganz ein,
oder sie bilden statt der Pfahlwurzel eine Reihe wertloser
Nebenwurzeln. Die Aussichten für eine erfolgreiche Be-
kämpfung sind leider sehr gering; der Vortragende empfahl
möglichst spätes Verziehen. Herr SPÖTTEL zeigte ferner
unter einer gröfseren Käferkollektion eine aus der Heide
stammende, auf beiden Elytren verschieden gezeichnete
Synharmonia conglobata (Coccinellidae) nebst farbiger Zeich-
nung in starker Vergröfserung.
Sitzung vom 20. Juni 1910. Zunächst kamen zwei
Arten aus der Stadt zur Bestimmung eingesandter kleiner
Insekten zur Vorlage. Die Tierchen sollten in Unmenge als
Zerstörer von Reisekörben (Weide) auftreten, und zwar ab-
wechselnd in einem Jahre immer das eine viel häufiger als
das andere. Sie wurden gleich in der Sitzung als ein Poch-
käfer (Anobium) und eine zu den Braconiden gehörende
Sehmarotzerwespe (Spathius) erkannt; als bequemste Be-
kämpfung wurde Übergabe der Körbe an ein mit Schwefel-
kohlenstoff arbeitendes Mottentötungs-Institut empfohlen. Mit
seiner Beobachtung hat der Einsender übrigens einen Ein-
blick in das Walten eines allgemeinen Naturgesetzes ge-
wonnen: Tritt ein Tier in grolser Menge auf, so vermehren
sich infolge der günstigen Nahrungsbedingungen auch seine
Scehmarotzer bis zum Überwiegen; mit dem nunmehr ein-
tretenden Nahrungsmangel geht ihre Zahl zurück, und der Wirt
gewinnt wieder die Oberhand. — Herr Dr. von SCHLECHTEN-
DAL zeigte lebende, auf der sog. Turmschwalbe (Oypselus
apus) schmarotzende Lausfliegen (Stenopteryx hirundinis) und
sprach dann über seine Impfungen ausländischer Eichenarten
mit verschiedenen Gallenerzeugern, wodurch er u. a. bei einer
amerikanischen Art die Zusammengehörigkeit einer ge-
schleehtslosen mit einer geschlechtlichen Form hier in Halle
eher nachwies als die Amerikaner selbst. — Herr Haupr legte
eine Auswahl Hautflügler vor, und zwar die dureh einen
sehr dieken Kopf und eine nach vorn gerichtete scheinbare
382 Kleinere Mitteilungen.
Mundspalte ausgezeichneten Xoridinen, darunter vier
Gattungen und fünf Arten neu für Halle.
Ferner von Herrn SPöTTEL 1 gezogene Töpferwespen
(Trypoxylon) mit ihren Kunstbauten in Brombeerstengeln und
eine der seltensten Hymenopteren Europas, Trigonalys hahni
Curt. (nec Pseudogonalos hahni Spin.!), den Sehreeken der
Systematiker, weil sie ihrem Geäder nach eine Blattwespe,
dem Leib nach eine Scehlupfwespe ist und nach ihren zwei
Scheukelringen beides sein könnte. — Herr Kern teilte die
beachtenswerte Beobachtung mit, dals die fleischfressenden
Laufkäfer Carabus clathratus und violaceus rohe Äpfel an-
fressen. — Herr KLEINE demonstrierte von einer Kgl.
Bayrischen Versuchanstalt eingesandte Espenhölzer mit Frals-
gängen des Espenbocks (Saperda populnea) und Fliegen-
kokons. Der Bock wird sehr stark von Schmarotzern heim-
gesucht — der Vortragende hat bereits über 30 Arten fest-
gestellt —, das Vorkommen einer Sarcophaga ist aber neu,
zumal sich die Fliege gewöhnlich in Faulstoffen entwickelt.
Der Befall dürfte, da die Fliege nur wenige Wochen zu
ihrer Entwicklung braucht, im zweiten Larvenjahre er-
folgen und wahrscheinlich, da sie vivipar ist, in der Weise,
dafs die Fliegenmaden dureh die Bohrlöcher in die Gänge
kriechen. — Herr BAUER zeigte eine Hallische Spezialität,
die begehrte Eule Plusia consona, deren Raupe in vorzüg-
lieher Anpassung auf der Kalk, Lehm und Löls bevorzugenden
Boraginee Nonnea pulla frilst.
Sitzung vom 4. Juli 1910. Unter Vorlegung von
52 Hallischen Wiecklerarten sprach Herr DAEHNE über die
ohne Zweifel allgemein unterschätzte Bedeutung dieser Klein-
schmetterlingsgruppe im Haushalt der Natur. Wegen ihrer
Kleinheit und ihrer verborgenen Lebensweise werden die
Räupehen gewöhnlich kaum beachtet; durch ihre Zerstörung
der lebenswichtigsten Teile unserer Kulturpflanzen vermögen
sie aber, besonders bei Massenvorkommen, der Land- und
Forstwirtschaft, dem Gartenbau und der Obstzucht erheblichen
Schaden zu bereiten. Leider stehen wir dieser ständigen
Schädigung unseres Nationalvermögens so gut wie machtlos
gegenüber und müssen die Bekämpfung der Wickler in der
Kleinere Mitteilungen. 383
Hauptsache ihren natürlichen Feinden überlassen. Die allein
1006 paläarktische Arten zählende Gruppe wird in geradezu
merkwürdiger Weise von den Sammlern vernachlässigt, ob-
wohl sie durch gefälliges Äufsere, durch hochinteressante
Lebensweise und durch ibre praktische Wichtigkeit besticht,
und obwohl ihr Studium infolge der grofsen Lücken in ihrer
Biologie und Morphologie von vornherein verlockend erscheint.
— Herr Bauer besprach etwa 20 Nährpflanzen von Schmetter-
lingen, Käfern und Fliegen, dabei besonders betonend, dafs
auch einige vor nicht allzu langer Zeit neu eingeführte
Pflanzen regelmälsig von alteinheimischen Insekten befallen
werden. — Herr KLEine sprach über die Larven des Feuer-
käfers Pyrochroa coceinea, die in vermorschtem Holz von
Eiehen — nur einmal fand er sie in Rüster — stets im
Cambium leben, vielleicht erst nach vorhergehendem Bock-
käfer- Befall. Auch er beobachtete den von DAEHNE in
wiederholten Zuchten festgestellten Kannibalismus der assel-
artig flachen, gelbroten Larven, die ebenso geschickt rück-
wärts wie vorwärts laufen. In vier verschiedenen Versuchs-
anordnungen fand er, dafs die als Steigeisen gedeuteten
Anhänge keinesfalls zu diesem Zwecke dienen; die Larven
verwenden vielmehr zum Klettern ein drüsenartiges, aus
dem After hervortretendes Organ, mit dem sie sich fest-
saugen. — Herr HemPRricH zeigte Seidenspinner-Kokons vom
Gardasee, die dort anscheinend nach einem neuen Verfahren
behandelt werden. Denn während bei dem altbekannten
Dämpfungsverfahren die Puppen abgetötet werden, fanden
sie sich in den vorgelegten abgehaspelten Kokons sämtlich
lebend vor. Herr BANDERMANN führte die neuesten Ergeb-
nisse seiner in grolsem Malsstabe angelegten Weilslingszuchten
vor, darunter ein durch Treiben erzieltes Stück der forma
immaculata von Pieris brassicae.
Sitzung vom 18. Juli 1910. Herr RosEnBAuMm legte
lebende, aus dem Ei gezogene Larven von Libellula quadri-
maculata im jüngsten Stadium vor. — Herr DaEHNE sprach
an der Hand zahlreicher Tafelzeichnungen über die um-
fassenden Vererbungsversuche, die W.L. Tower an der von
Carnegie eigens für experimentelle Entwicklungsgeschichte
384 Kleinere Mitteilungen.
gegründeten und reieh dotierten (!) „Carnegie institution of
Washington“ durchgeführt hat. Abgesehen von einer ganzen
Anzahl anderer wichtiger Feststellungen erzielte Tower durch
Sinwirkung äulserer Reize (Kälte, Wärme, Feuchtigkeit) auf
den Kartoffelsehädling Leptinotarsa decemlineata — 1875
als „Koloradokäfer“ auch in Europa eingeschleppt — künst-
lich eine Reihe in der freien Natur vorkommender Lokal-
varietäten. Und zwar nach Belieben mit unvererbbaren oder
mit vererbbaren Charakteren, je nachdem er die Reize erst
auf die Puppen oder schon auf die fertigen Käfer zur Zeit
der Eireife wirken liels. Sogar von denselben Mutterkäfern
erhielt er sowohl weiter vererbbare Abänderungen als auch
den Eltern genau gleiche Nachkommen, indem er die Mutter-
käfer z. B. zur Reifezeit der drei ersten Eiportionen beein-
flulste, zur Reifezeit der zwei letzten Eiportionen aber unter
normalen Verhältnissen liefs. So hat in dem grolsen Streit
der Vererbungslehren, der durch Darwın in den Vorder-
grund des öffentlichen Interesse gerückt in der ganzen Kultur-
welt wiederhallt und sich neuerdings immer mehr zu einem
Zweikampf zwischen Lamarekismus und Weismannismus zu-
gespitzt hat: die Entomologie ein ausschlaggebendes Gewicht
in die Wagschale des letzteren gelegt. — Herr RoSENBAUM
schilderte den anatomischen Aufbau eines Filterapparates
im Pylorusmagen der höheren Krebse (Malakostraka). In
der Mitte des Magens drückt eine unten ausgehöhlte, ehitinöse
Platte die autgenommene Nahrung gegen ein diehtes, von
der unteren Magenwand schräg nach oben gerichtetes
Borstensystem, das die flüssigen Bestandteile in den resor-
bierenden Teil des Mitteldarmes abfiltriert, während die
harten, unverdaulichen Reste in den ehitinisierten Enddarm
abgeleitet werden. Ferner skizzierte Herr RoSENBAUM die
JorDANschen Untersuchungen über die Leistungen des Ge-
hirns bei Krebsartigen. Im Gegensatz zu den Schnecken,
bei denen das Gehirn alle Muskeln gleichmälsig quantitativ
beeinflufst, wirkt es bei den Krebsen nur auf besondere
Muskelgruppen, was sich anschaulich nachweisen läfst,
wenn man bei einseitig enthirnten Krabben die Wirkung des
Gehirns durch elektrische Reizung der vom Gehirn aus-
gehenden Nervenstränge der Schlundkommissur ersetzt.
Kleinere Mitteilungen. 385
Herr Spörteu I hielt einen Demonstrationsvortrag über
die Käferfauna von Schmiedefeld (Thür.), die, entsprechend
der Höhenlage von 700-800 m eine Anzahl bei Halle nieht
vertretener Bergformen aufweilst. — Herr Dr. med. SCHWAR-
ZENBECK sprach über die Verbreitung und die Gewohnheiten
des sehr flüchtigen grauen Prachtkäfers Anthazxia quadri-
punctata, den er im Stakendorfer Busch (Bitterfeld—Zörbig)
auf Habiehtskräutern auffand. — Die Herren DAEHNE, KLEINE
und Dr. SchwArZENBECK teilten neue eigene Beobachtungen
über Fang und Verzehren verschiedener Schmetterlingsarten
durch einheimische Vögel mit. Diese Tatsache wird bekannt-
lieh von angesehenen Fachgelehrten, hauptsächlich aus
theoretischen Erwägungen heraus, ebenso energisch bestritten,
wie von praktischen Entomologen auf Grund eigener Be-
obaehtungen behauptet.
Sitzung vom 1. August 1910. Die Sitzung diente
gröfstenteils der Sichtung verschiedener Ferienausbeuten, und
zwar besprach Herr BAUER Schmetterlinge aus den Hach-
alpen, Herr Haupr Hautflügler und Fliegen aus der Dres-
dener Heide und vom Erzgebirge, Herr KLEIneE Fliegen aus
den Alpen und Herr SpörteuL I Käfer aus dem Mittelgebirge
(Thür. Wald) von 800 m und aus den Hochalpen von 2000 m
Höhe. Allgemein wurde über zu geringe Ausbeute geklagt; die
langen Regenwochen scheinen vielerorts fast alles Insektenleben
vernichtet zu haben. — Herr Haupr referierte über Nonnen-
schäden und ihre Bekämpfung, die gerade jetzt wieder Gegen-
stand eines hitzigen Streites zwischen den beiden Richtungen
der „Leimfreunde“ und der „Leimgegner“ ist. Zwar vermag
das Leimen eine Nonnenkalamität nicht radikal zu beseitigen,
aber ebenso falsch ist es, dieses kostspielige Bekämpfungs-
mittel als gänzlich nutzlos, wenn nicht gar schädlich zu ver-
schreien: entschieden führt es eine progressive Entlastung des
Waldes und eine Linderung der Krankheit herbei. Allerdings
muls man sich dabei hüten, das Kind mit dem Bade aus-
zuschütten, und muls nicht blindlings alle von den Leimringen
abgefangenen Raupen töten. Dadurch würden auch die von
verschiedenen Feinden — namentlich von dem Erbfeind der
Nonne, der Raupenfliege Parasetigena segregata — befallenen
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a.,$S. Bd.82. 1910. 25
386 Kleinere Mitteilungen.
Raupen mitsamt den nützlichen Schmarotzern verniehtet werden.
Unumgänglich nötig ist es vielmehr, mit dem Töten der Raupen
dann aufzuhören, wenn ein bestimmter Prozentsatz — die Säch-
sische Regierung schreibt z. B. 50 %/, vor — angestochen ist,
damit die natürlichen Feinde sich mögliehst vermehren und
das Ende der Kalamität beschleunigen können. — In einem
seiner regelmälsigen Berichte über den Fortsehritt der ento-
mologischen Wissenschaft referierte Herr DAEHNE über eine
sehr beachtenswerte Arbeit des dänischen Forschers KryGER
aus dem wenig bebauten Gebiete der Spinnenschmarotzer.
Dureh planmälsige Zuchten erhielt Kryger aus den Eiern
von 56 Spinnenarten nicht weniger als 75 verschiedene Para-
siten, darunten 68 Hautflügler und 4 Fliegen. Von den
Hymenopteren leben bezeiehnender Weise 60 Ichneumoniden
frei in der ganzen Eiermasse, 3 Proetotrupier in den einzelnen
Eiern, während 4 Chaleidier als Secundärparasiten wiederum
die Schmarotzer ersten Grades befallen. — Herr KLEINE er-
läuterte die Variabilität der Fliegengattung Heteroneura; die
Arten pieipes und albimana scheinen häufig zu bastardieren. —
Herr Haupr schilderte die systematischen Schwierigkeiten
die aus der aufserordentlichen Geäder-Variation der Holz-
wespe Xiphydria camelus entspringen. Von 20 Staudinger-
schen Exemplaren wiesen kaum 2 genau gleiche Aderung
auf; ein Stück zeigte sogar auf beiden Vorderflügeln ver-
schiedenes Geäder. — Herr SPöTTEL I zeigte Bockkäfer aus
der Gattung Leptura, darunter die bei Halle nicht vor-
kommende maculicornis, und die 2 Kurzdecekflügler Lomechusa
strumosa und Dinarda dentata, bekannt durch ihre merk-
würdige Lebensweise bei Ameisen. — Herr DAEHNE sprach
über das Vorkommen und über strittige Punkte in der Biologie
des viersehrötigen peehsehwarzen Gerberbocks Prionus
coriarius und des eleganten, von Unkundigen regelmäfsig
für eine Wespe gehaltenen Fliegenbocks Necydalıs mavor.
Sitzung vom 15. August 1910. Herr BAuEr zeigte
eine südamerikanische, aber neuerdings gern bei uns kulti-
vierte Pflanze, Asclepias syriaca, die mittels kleiner, zwischen
den Staubgefälsen sitzender Sperrblättehen Insekten fängt;
und zwar nicht nur kleine Schwebfliegen — die in den vor-
Kleinere Mitteilungen. 387
gelegten Blüten dutzendweis hingen — sondern vereinzelt
sogar robuste Honigbienen. Ferner wies er in den Hoch-
alpen erbeutete Stücke eines Schmetterlingshaftes (Ascala-
phus) vor, der bei 2000 m Höhe Jagd auf Schmetterlinge
machte. Die Tiere sind echte Netzflügler, nach ihrer
prächtigen, Goldgelb mit Samtbraun vereinenden Färbung
und den wie bei den Tagfaltern durch einen Endknopf
ausgezeichneten, langen Fühlern könnte man sie jedoch
beinahe für Schmetterlinge halten. — Als einzige Ausbeute
einer Sammeltour durch den Böhmerwald legte Herr Spörter II
ein Kästehen Grolsläufer (Carabini) und Bockkäfer (Ceram-
byeidae), sowie ein Hornissennest mit lebenden Larven vor.
In auffallendem Gegensatz zu den entmutigenden Er-
fahrungen sämtlicher übrigen Mitglieder brachte Herr
HEMmPRICH von einer Sammelreise dureh die Lausitz drei
Riesenkästen voll Schmetterlinge, Käfer und Libellen heim.
Herr Haupr zeigte eine neue Auswahl exotischer Laternen-
träger (Hom.), die an Farbenpracht nach einstimmigem Ur-
teil den schönsten Schmetterlingen mindestens gleichkommen.
Die Deutung des grolsen Stirnfortsatzes als Balanzierorgan er-
. seheint insofern nieht einwandfrei, als es auch Arten ohne diesen
Fortsatz gibt. Herr BANDERMANN legte ein halbes Dutzend
lepidopterologischer Kostbarkeiten vor, eine aus Pyrameis
atalanta gezogene Theronia atal. Poda und 3 Abarten eines
Bären (Arctia hebe), die er neben 29 normalen Geschwistern
gezogen hat. — Herr SpörtEL I demonstrierte ein Exemplar
des Leinkrautes (Linaria vulgaris), in dem zwei verschiedene
Rüfsler hausten: Gymnetron antirrhini in den Fruchtkapseln
und @. linariae in Wurzelgallen. — Unter Vorlegung lebender
Ameisenlöwen sprach Herr RosEnBaum über die Biologie von
Myrmecoleon formicarius. Aus wenigen, verhältnismälsig
grolsen Eiern schlüpfen die Larven, die in den bekannten
Fangtrichtern zwei Jahre lang als blutdürstige Wegelagerer
hausen und sich dann in einem kugelförmigen Sandkokon
verpuppen. — Den Hauptteil des Abends füllte ein Demon-
strationsvortrag des Herrn Haupr über die Schlupfwespen-
gruppe der Evaniidae, die durch die ungewöhnliche Ein-
lenkung ihres Hinterleibs ganz oben am Rücken schon be-
sonders auffallen. Zudem ist der Hinterleib bei manchen Arten
20° .
388 Kleinere Mitteilungen.
so stark seitlich zusammengedrückt, dals er von oben gesehen
fast verschwindet, das Tier also nur aus dem Vorderkörper
zu bestehen scheint. Während die Gattungen Evania, Aulacus,
Brachygaster und Stephanus nur wenige Arten enthalten,
umfalst die Gattung Gasteruption deren 120, die trotz ihres
sehr zarten Legebohrers empfindlich stechen können, und
dadurch ein merkwürdiges Flugbild zeigen, dafs sie die
langen Beine schräg nach unten und den Hinterleib schräg
nach oben halten. Die Gruppe scheint sehr altertümlich zu
sein. Denn erstlich besitzt sie ein sehr einfaches Geäder
und ferner schmarotzt sie teilweise bei sehr altertümlichen
Wirtstieren. So hat sich Evania appendigaster mit ihren
Wirten, den Schaben Periplaneta orientalis und americana
fast über die ganze Erde verbreitet — beiläufig erregt sie
durch ihr häufiges Auftreten auf den modernen Ozeandampfern
öfter die Bewunderung der Reisenden, die sich nicht erklären
können, wie die grolsen schwarzen Tiere an Bord gekommen
sein mögen!. — sie ist aber merkwürdiger Weise noch nicht
bis zu uns vorgedrungen. Bei einer Schabe (Eetobia lapponica)
schmarotzt auch brachygaster minuta, dagegen Aulacus bei
Käfern und der Holzwespe Xiphydria, und Gasteruption bei
Bienen.
Sitzung vom 5. September 1910. Unter Vorlegung
einer Auswahl Hallischer Wanzen sprach Herr MEYER über
Bau und Lebensweise dieser arg verkannten Sippe. Er-
fahrungsgemäfs löst bei dem grolsen Publikum, das die
ganze Unterordnung nach dem einem widerwärtigen Bett-
bewohner beurteilt, schon die blolse Erwähnung des ver-
pönten Namens die Vorstellung von etwas Häflslichem und
Ekelhaftem aus. Dabei erfreut aber die Mehrzahl der Wanzen
ebenso durch schöne Färbung, eigenartige Zeichnung oder
bizarre Form das Auge, wie durch interessante Lebensweise
den denkenden Sinn. Manche Gruppen fallen als Schmarotzer
lästig, manche werden als Pflanzenfeinde direkt schädlich,
andere aber sind uns willkommene Bundesgenossen im Kampfe
gegen unsere vielen kleinen Feinde. Gelegentlich findet
sich auch Futterwechsel; so wird die gewöhnlich von Tier-
säften lebende Strachia oleracea bei Massenauftreten zu
Kleinere Mitteilungen. 389
einem Kohl- und Rübenschädling. — Mit Hilfe zahlreicher
Präparate und Zeiehnungen führte Herr Haupr in das wenig
gekannte Gebiet der Cieadinen-Schmarotzer, dabei auf Grund
sorgfältiger Zuchten verschiedene Irrtümer älterer Autoren
berichtigend. Einen sehr merkwürdigen Parasitismus übt
z.B. die zu der eigentümlichen Gruppe der Betylidae ge-
hörende Wespe Gonatopus spec. an der Larve von Cicadula
sexnotata insofern, als sie ihr Opfer zur Verwandlung kommen
läfst. Der Parasit sitzt, ohne erkenntliche Belästigung seines
Wirts, in einer grofsen, runden Kapsel hinter dem zweiten
Segment der Cieadenlarve und macht — wie der Vortragende
im Gegensatz zu Mıks, auf einer unrichtigen Übersetzung
einer Perrısschen Beschreibung beruhenden Angaben mit
Sicherheit nachwies — zwei richtige Häutungen durch. Erst
nach der Verwandlung platzt die Kapsel auf, die Wespen-
larve drängt, sich auf die doppelte Länge ausdehnend, ein
rüsselartiges Organ in den Körper der Cicade und zehrt
diese so vollständig auf, dals nur der sauber ausgeräumte
Balg übrig bleibt. Dann wandert sie, auf dem Rücken
kriechend, zum Einspinnen ab und entläfst schliefslich die
5—8 mm grolse Imago, die im weibliehen Geschlecht ein
zu einer Schere umgebildetes Klauenglied besitzt, wohl um
sich an den Cieaden beim Belegen festhalten zu können. —
Im Anschluls an die Kuhntschen Untersuchungen kam Herr
BAUER in einer technischen Erörterung über den Schutz der
Insektensammlungen gegen Zerstörer zu dem Schlufs, dals
nur Schwefelkohlenstoff unbedingte Sicherheit gewährleiste,
alle anderen gepriesenen Schutzmittel aber teils nutzlos, teils
sogar schädlich seien. — Herr RosEnBAUM erbrachte an
einem überzeugenden Belegmaterial den Nachweis, dals unsere
beiden einheimischen Dornschrecken Tettix subulatus und
T. bipunctatus lückenlos ineinander übergehen! — Herr BAUER
erläuterte an seiner Kleefalter-Spezialsammlung die Systema-
tik der etwa 40 paläarktische Arten umfassenden Gattung
Oolias. — Herr SpörreL I sprach über Futterwechsel bei
Laufkäfern (Carabidae). Mit Ausnahme des bekannten Ge-
treideschädlings Zabrus tenebrioides gelten die Raubläufer
durchweg als reine Fleischfresser, doch sind gerade in letzter
Zeit mehrere Arten von den Mitgliedern der E. G. als Gelegen-
390 Kleinere Mitteilungen.
heits-Vegetarier festgestellt worden. Als neues Beispiel führte
der Vortragende den Pseudophonus pubescens an, den er auf
der Passendorfer Wiese beim Verzehren der Früchte von
Pastinaca sativa beobachtete. — Herr HEMPRICH demon-
strierte Gold- und Schlupfwespen aus der Niederlausitz sowie
einige Kästen Riesenschmetterlinge aus Java.
Sitzung vom 19. September 1910. Herr LassmAnNn
demonstrierte eine mehrere Hundert Teile umfassende Zu-
sammenstellung der hauptsächlichsten Feinde unserer ge-
meinen Kiefer mitsamt den von ihnen hervorgerufenen Zer-
störungen in Rinde und Holz, den Blütenteilen und Wurzeln.
Die Kiefer ist einer unserer meistbefallenen Waldbäume; sie
vereinigt Angehörige aller Insektenordnungen, höchstens die
Scheinnetzflügler und Netzflügler ausgenommen, zu einer
Lebensgemeinschaft, in der sich die verschiedenartigsten
Interessen kreuzen. Ein grolser Teil ihrer Bewohner be-
wirkt nur leiehtere Deformationen; viele Arten sind selbst
als Freunde der Kiefer zu betrachten, da sie als Räuber
oder Schmarotzer unter den Kieferfeinden aufräumen. Die
meisten jedoch gefährden als physiologische Sehädlinge das
Leben des Baumes oder machen sogar als technische Schäd-
linge die Verwertung der Baumprodukte, vor allem des
Holzes, teilweise oder ganz unmöglich. Die gefährlichsten
physiologischen Feinde finden sich unter den Schmetterlingen:
Kiefernspinner, Nonne, Kiefernspanner; die gefährlichsten
technischen Feinde unter den Käfern: Borkenkäfer, Rülsler,
Pracht-, Schnell- und Bockkäfer. — In einer seiner regel-
mälsigen botanischen Demonstrationen zeigte Herr BAUER
u.a. einen Büschel Artenusia absynthium mit Eulenraupen
(Oueullia sp.), deren orangebraune Wülste den Blütenköpfen
täuschend gliehen. Ferner zeigte er mehrere Stücke des
Wicklers Argyroploce schultziana, der an Pinus, vielleicht
auch an Vaccinium vorkommen soll, den er aber bei Lettin,
weit entfernt von diesen beiden Nährpflanzen, an Erica auf-
fand. — Herr KLEıne sprach über die in den Kambial-
schichten der Kiefer bei Spannerfrals (bupalus piniarius) auf-
tretende Temperatursteigerung um 5—6 Grad, die aus der
geminderten Respiration resultieren dürfte. — Unter Vor-
Kleinere Mitteilungen. 391
legung reichlichen lebenden und präparierten Materials sprach
Herr Lassmann über die Biologie der „Wachsmotte“ (Galleria
mellonella). Das wegen seiner Verschiedenheit vom Männ-
chen früher für eine eigene Art gehaltene Weibchen legt
seine Eier in Bienenstöcke. Die Raupen, die ihre Fralsgänge
mit einem stichfesten Seidengewebe auskleiden, leben vom
Wachs und können durch ihre Zerstörungen, namentlich
durch das tötende Blolslegen der Bienennymphen, den ganzen
Stock vernichten. Bis vor kurzem schien es, als ob dieser
von den Imkern bitter gehafste Schädling zu einem Segen
für die Menschheit werden würde, weil er uns eine schneidige
Waffe gegen den schlimmsten Menschenwürger, die Tuber-
kulose, zu liefern versprach. Die Tuberkelbazillen verdanken
nämlich ihre aulserordentliche Widerstandsfähigkeit einer
feinen Wachsumhüllung, und da allein die Zünslerraupen
Wachs schlankweg verdauen, so hoffte man, aus ihnen das
wachsspaltende Ferment gewinnen und damit die Bazillen
abtöten zu können. Leider sind die in der Theorie so aus-
sichtsvollen Versuche vorläufig auf dem toten Punkt ange-
kommen. DAEHNE.
Literatur-Besprechungen.
Hersen, C. und Hartz, R., Telegraphen-Ingenieure bei
der Telegraphen-Apparatwerkstatt des Reichspostamts in
Berlin, Die Fernsprechteehnik der Gegenwart (ohne
die Selbstanschlulssysteme). 686 S. Mit mehr als 600
Abbildungen und einer Tafel. Braunschweig, Friedrich
Vieweg & Sohn. Geheftet 30,— M., in Leinwand ge-
bunden 32,— M.
Das Werk, auf dessen Erscheinen sehon in einer früheren
Nummer unserer Zeitschrift (Heft 1—3, 1910) hingewiesen
ist, bildet die V. Abteilung der „Telegraphen- und Fernspreeh-
technik in Einzeldarstellungen von Tu. Karrass“, deren
bereits erschienene Bände zum Teil von uns bereits be-
sprochen sind. Wie seine Vorgänger gibt es eine er-
schöpfende Darstellung seines Gebiets und was die Haupt-
sache ist, es füllt eine fühlbare Lücke aus, denn aulser
den in den Fachschriften zerstreuten einzelnen Abhandlungen
und oberflächlichen populären Darstellungen hat die deutsche
elektrotechnische Literatur seit WIETLISBACHS grundlegendem,
klassischen „Handbuche der Telephonie“ kein zusammen-
hängendes Werk mehr zu verzeichnen. In der Auswahl
und Begrenzung des Stoffes haben sich die Verfasser sicher
in schwieriger Lage befunden. Hätten sie, wie es WIETLIS-
BACH noch konnte, das gesamte Fernsprechwesen be-
handelt, also geschiehtliche Entwiekelung, wissenschaftliche
Grundlagen, technische Einrichtung und Betrieb der Sprech-
stellen und Ämter, sowie endlich den Leitungsbau mit dem
aulserordentlich wichtigen Kapitel der Sprechfähigkeit, von
dem Fernsprechen ohne Draht ganz zu schweigen: so hätte
Literatur-Besprechungen. 393
bei der riesigen Entwickelung, die das Fernsprechwesen
im letzten Jahrzehnt genommen hat, ein vielbändiges Werk
entstehen müssen, in welehem möglicherweise die eigentliche
Technik zu kurz gekommen wäre. Diese aber nach dem
heutigen Stande gründlich zu behandeln, war das Ziel des
Buches und dieses Ziel ist erreicht, bezüglich der deutschen
Einriehtungen vollkommen, hinsichtlich des Auslandes in
ausreichendem Malse. Besonders haben die amerikanischen
Einriehtungen eingehende Berücksichtigung gefunden und
das mit Recht, denn es gibt keinen Zweig der Fernsprech-
technik, der nieht seine Wurzeln oder seine Entfaltung auf
amerikanischem Boden gehabt hätte. Bei den meisten
Apparaten und Schaltungen ist ihrer geschichtlichen Ent-
wiekelung gedacht und, wo deren verschiedene noch jetzt
gleichzeitig verwendet werden, fehlt es nieht an einem zu-
treffenden Urteil über ihre Vorzüge und Nachteile. Auf
diese Weise ist zwar kein Werk entstanden, das der ge-
bildete Laie mit Genu[s zum Selbststudium verwenden könnte,
auch ist das Verhältnis zwischen der Wichtigkeit einzelner
Apparate und Einriehtungen und der auf ihre Besprechung
verwendeten Zeilen nieht immer richtig — z.B. sind dem
Wecker 24 Seiten gewidmet, während das wichtige Kapitel
tiber die Bauart der Fernsprechämter sich mit 14 Seiten
begnügen muls — aber der Fachmann findet ein gründliches
Nachschlagewerk und der junge Telegraphenbeamte ein
sehr brauchbares Lehrbuch.
Die Zeiehnungen sind klar und übersichtlich; die Aus-
stattung ist gediegen.
O. ScHÜTz.
Pohl, Robert, Dr., Assistent am Physikalischen Institut der
Universität Berlin, Die elektrische Fernübertragung
von Bildern. Heft Nr. 34 der Sammlung naturwissen-
schaftlieher und mathematischer Monographien „Die
Wissenschaft“. 45 S. Mit 25 Abbildungen. Geheftet
1,80 M., in Leinen gebunden 2,50 M.
Das Büchlein gibt eine kurze Darstellung der wissen-
schaftlichen Grundlagen für die Fernübertragung der mensch-
394 Literatur-Besprechungen.
liehen Handschrift sowie von Zeiehnungen und Bildern, an-
knüpfend an die geschiehtliche Entwiekelung dieses Zweiges
der Telegrapbie. In übersichtlicher Weise sind die physi-
kalischen Bedingungen erörtert, auf denen sieh die drei
Haupttypen dieser Art von Telegraphen aufbauen. Zunächst
ist der sogenannten Kopiertelegraphen von BAKEWELL und
CAsELLı gedacht, die bereits vor ungefähr 60 Jahren er-
fanden wurden. Sie bedürfen synchron laufender Sender
und Empfänger und liefern dureh elektrolytische Strom-
wirkungen schraffierte Bilder der Urschrift. Hieran schlielst
sich der Kopiertelegraph von LAcoInE, der keiner Syn-
ehronismuseinriehtungen, dafür aber zweier Leitungen bedarf
und gestattet, die Bewegung der schreibenden oder zeich-
nenden Hand unmittelbar zu übertragen. Schliefslich ist
etwas eingehender das eigentliche fernphotographische Ver-
fahren beschrieben, welches nieht nur: die Umrisse der Ur-
bilder, sondern auch die Feinheiten der Schattierungen
weitergibt, wie sie etwa gut durehgearbeitete Photographien
enthalten. Man benutzt denn auch als Sender die photo-
graphische Platte, deren Bild plastisch gemacht wird, z. B
durch Anwendung der Bichromate des Kaliums, Natriums
usw., so dafs der durch die aktive Schicht fliefsende Strom
bald diekere, bald schwächere Stellen trifft und damit mehr
oder weniger in seiner Stärke und folglich auch in seiner
Wirksamkeit beeinfiulst wird. Am Empfangsorte erscheint
ein dementsprechend abgetöntes Bild. Noch feiner, und zur
Zeit am brauchbarsten ist das Verfahren unseres Lands-
manns, des Prof. Korn. Er läfst durch ein gewöhnliches
photographisches Negativ Licht auf eine Selenzelle fallen,
deren Ohmscher Widerstand bekanntlich bei der Belichtung
sinkt. Derartige Zellen sind gegenüber Liehtschwankungen
so empfindlich, dals sie die feinsten Abstufungen wieder-
geben, selbst auf grolse Entfernungen. So gelang es dem
Erfinder, das Bild des Kronprinzen von München nach
Berlin klar zu übermitteln.
Auf die technische Ausgestaltung der verschiedenen
Verfahren geht der Verfassser nicht näher ein, wohl um
den Rahmen der rein wissenschaftlichen Abhandlung, auf
die er es abgesehen hatte, nieht zu überschreiten. Daher
Literatur-Besprechungen. 395
wird sich der Leser, der nieht schon einigermalsen mit dem
Stoffe vertraut ist, kaum ein deutliches Bild über die
Wirkungsweise der verschiedenen Apparate und Einrichtungen
machen können, denn gerade die technische Seite bietet
die grölsten Schwierigkeiten auf diesem Gebiete und nur
ihrer Ausgestaltung ist der schliefsliehe Erfolg zu danken.
Es wäre daher sehr erwünscht gewesen, Hinweise auf die in
den Fachschriften zerstreuten, umfassenderen Abhandlungen
zu geben. Aber auch so bietet das Werk einen willkommenen
Beitrag zur Schwachstromliteratur.
O. ScHÜTz.
Zittel, Karl A. von, Grundzüge der Paläontologie
(Paläozoologie). 1. Abteilung: Invertebrata. Dritte ver-
besserte und vermehrte Auflage. Mit 1414 in den Text
gedruckten Abbildungen. Neubearbeitet von Ferdinand
Broili. München und Berlin 1910. 607 8.
ZITTELS Grundzüge der Paläontologie waren als der
beste kurze Ausdruck unseres Gesamtwissens von den
fossilen Tieren nicht nur in Deutschland, sondern in allen
Ländern der Erde, in denen Paläontologie getrieben wird,
ein durchaus unentbehrliches Buch geworden. Nach der
Fertigstellung der I. Abteilung der zweiten Auflage!) setzte
der Tod dem eminent arbeitsreichen Leben des Verfassers
(am 6. Januar 1904) ein Ende. Da die zweite Auflage der
II. Abteilung bis heute nieht erschienen ist, und auch die
zweite Auflage der I. Abteilung bereits wieder vergriffen
war, mulste uns bange Sorge um das unentbehrlicehe Buch
ergreifen. Jetzt liegt eine dritte Auflage der I. Abteilung
(Invertebrata) aus der Feder eines Schülers und langjährigen
Assistenten des Altmeisters vor. Sie rechtfertigt die Hoffnung,
dals uns das Werk Zırreus in der altbewährten Form er-
halten bleibt, und dafs es dem Neubearbeiter gelingen wird,
dem Werke seinen Weltruf zu erhalten.
Die Form des Werkes ist unverändert geblieben, den
Förtschritten unserer Wissenschaft aber nach Kräften
!) Besprochen in dieser Zeitschrift, Bd. 76, 1903, S. 377—378,.
396 Kleinere Mitteilungen.
Reehnung getragen. Da der Neubearbeiter die Aufforderung
zur Herausgabe der dritten Auflage erst im Herbste 1909
erhielt, war es ihm nicht möglich alle Abschnitte in dem
von ihm selbst gewünschten Umfange neu durehzuarbeiten.
Gleichwohl zeigt die Neuauflage umfangreiche und be-
deutungsvolle Änderungen. Die Seitenzahl ist um etwa 50
gewachsen. Die Zahl der Abbildungen ist nur unbedeutend
vermehrt, doch sind etwa 60 Abbildungen durch neue er-
setzt worden. Zudem sind dankenswerter Weise einer Reihe
älterer Abbildungen das Verständnis erleichternde erklärende
Buchstaben zugefügt worden. In den Literaturangaben sind
nieht nur die wiehtigeren Neuerscheinungen, sondern auch
manche Arbeiten der älteren Literatur nachgetragen worden.
Völlig umgearbeitet ist der Absehnitt über die Insekten, dem
HaAnDLigscHhs Handbuch zu Grunde gelegt worden ist. Aber
auch sonst, z.B. in den Abschnitten über Foraminiferen,
Graptolithen, inartikulate Brachiopoden usw., finden sich er-
hebliehe Umarbeitungen und Zusätze. Den Flagellaten ist
ein besonderer Absehnitt gewidmet und die Receptaculida,
die ZiTTEL in der zweiten Auflage als vermutlich zu den
Pflanzen gehörend weggelassen hatte, sind neu aufgenommen.
Ew. Wüsr.
Reinisch, R., Entstehung und Bau der deutschen
Mittelgebirge. Mit 48 Abbildungen. Leipzig 1910. VIII
und 206 Seiten. Leipzig, Dieterich. Geheftet 3,50 M.
Eine brauchbare kurze zusammenfassende Darstellung
der erdgeschiehtliehen Entwicklung und des geologischen
Baues Deutschlands ist ein für weiteste Interessentenkreise
dringendes aber leider bisher unbefriedigtes Bedürfnis. Auch
das vorliegende Buch trägt nur wenig zur Befriedigung
dieses Bedürfnisses bei. Es beschränkt sich auf das deutsche
Mittelgebirgsland, für das eine zusammenfassende Darstellung
am dringlichsten ist. Es ist nicht zu verkennen, dals
Reınısch mit Fleifs — aber oft ohne zureichende Kritik —
ein nieht unbeträchtliches Material, vor allem eine ganz gute
Sammlung von Profilen und Kartenskizzen zusammengetragen
hat, aber er steht im allgemeinen zu wenig über dem be-
Literatur-Besprechungen. 397
handelten Stoffe und läfst die erdgeschichtliehen Momente
zu wenig in den Vordergrund treten, als dafs wesentlich
mehr als eine ziemlich dürftige Kompilation herausgekommen
wäre, welehe immerhin ihre Dienste tun kann, bis einmal
etwas brauchbareres vorliegen wird.
Ew. Wüsr. '
Schurig, Walter, Dr., Biologische Experimente nebst
einem Anhang: Mikroskopische Technik. 8°%. 1908.
Leipzig, Quelle & Meyer. Gebunden 2,80 M.
Das Buch gliedert sich in drei Abschnitte. Teil I und II
bringen eine Zusammenstellung meist einfacher und in-
struktiver Versuche aus dem Gebiet der Pflanzen- und Tier-
biologie; Teil III enthält einen kurzen Abrils der mikro-
skopischen Technik, soweit deren Kenntnis zur Ausführung
der behandelten Experimente notwendig ist.
Das Werk wird als erste Anleitung manchem Natur-
freund willkommen sein. Insbesondere scheint es mir brauch-
bar für die immer noch grolse Zahl derjenigen Lehrer, die
— ohne eine besondere praktische Ausbildung in diesen
Fächern erfahren zu haben — naturkundlichen Unterricht
erteilen müssen und dabei auf das wertvolle Hilfsmittel des
Versuches nicht verzichten wollen. Diese werden vorzüglich
die Zusammenstellung der wichtigsten Konservierungs- und
Färbemethoden gern benutzen. Auch dem Fachlehrer wird es
angenehm sein, ein bequemes Nachschlagebuch zu besitzen,
das ihm der Mühe überhebt, die einzelnen Versuche selbst
zusammenzustellen. Dr. LEERE.
Uhlenhuth, Eduard, Vollständige Anleitung zum
Formen und Gie[sen nebst genauer Beschreibung aller
in den Künsten und Gewerben dafür angewandten
Materialien. 192 S. 22 Abbild. VI. Aufl. Chemisch-
Technische Bibliothek Bd. 49. Wien, A. Hartleben. Ge-
bunden 2,— M.
Die vorliegende Neuauflage des Buches hat eine er-
hebliehe Erweiterung erfahren. In der ersten Hälfte desselben
398 Literatur-Besprechungen,
werden ausführlich das Formen und Giesen in Gips, ferner
die Fabrikation und Verwendung der verschiedenen Zemente,
die Fabrikation von Tonwaren und die neuerdings so be-
deutungsvoll gewordene Herstellung von Zelluloidwaren be»
handelt. Die zweite Hälfte ist der Bespreehung der Metall-
gielserei gewidmet. Hier sind besonders die Ausführungen
über die in der Praxis verwendeten Legierungen von Inter-
esse. In dem Abschnitte über Bronzegielserei ist auch die
Herstellung japanischer Bronzen, ferner die Verwendung
elastischer Formen bei der Herstellung der Wachsmodelle
für den Metallguls berücksiehtigt worden. Das umfangreiche
Kapitel über Eisengielserei enthält u. a. eine Beschreibung
des GoLpscHMIDTschen Thermitverfahrens. Der Stahlgielserei
ist in der Neuauflage entsprechend ihrer Entwicklung ein
eigener Abschnitt vorbehalten. Neu aufgenommen sind
ferner noch eine Besprechung der Bleigielserei und, nach
einer ausführlieberen Behandlung der Patina, eine Anleitung
zum Reinigen und Konservieren antiker Bronzen.
Dr. LEERE.
Hegi, 6., Dr., Illustierte Flora von Mitteleuropa. Mit
besonderer Berücksichtigung von Deutschland, Osterreich
und der Schweiz. München, Verlag von J. F. Lehmann.
Die inzwischen erschienenen Lieferungen 23—25 (160 8.
mit 12 Tafeln und 68 Abbildungen im Text) schreiten in
der Behandlung der Dicotyledonen fort bis zu den Cheno-
padiaceae. Die textliche Bearbeitung ist eine recht aus-
führliehe. So wird bei der Besprechung der Fagaceae die
Physiognomie der mitteleuropäischen Flora besonders hervor-
gehoben; auch werden — und in gleicher Weise geschieht
das auch bei anderen wichtigen Arten — die typischen Be-
gleitpflanzen zusammengestellt. Unter den @Quercus-Arten
erfahren die häufiger kultivierten und gelegentlich ver-
wilderten amerikanischen Arten Berücksichtigung. Hier wie
bei den Ulmen werden anhangsweise die mannigfachen
Gallbildungen behandelt.
Als Kulturpflanzen werden insbesondere Feige, Hopfen
und Hanf gewürdigt; auf die interessanten Geschlechts-
Literatur-Besprechungen. 399
verhältnisse und Bestäubungsvorgänge der ersten wird be-
sonders eingegangen. Bezüglich der Mistel wird die von
TusBEUrF kürzlich aufgestellte Einteilung in die drei bio-
logischen, ernährungsphysiologischen Rassen, Laubholz-,
Tannen- und Führen-Mistel übernommen.
Dr. LEERE.
Artus, W., Dr., Grundzüge der Chemie für Gewerbe-
treibende sowie für Lehrer an Gewerbeschulen.
II. Aufl. Neu bearbeitet von E. Nicolas. 8%. 424 8.
62 Abb. Chemisch-Teehnisehe Bibliothek Bd. 64. Wien,
A. Hartleben. Gebunden 6,— M.
Das Werk stellt ein kurzes Handbuch der Chemie vor,
der im Titel ausgesprochenen Tendenz entsprechend, ist, ohne
die wissenschaftliche Behandlungsweise des Stoffes ganz
fallen zu lassen, die Verwendung chemischer Fachausdrücke
und Formeln auf ein geringes Mals beschränkt worden.
Dafür erfahren dann die technisch wichtigeren Verbindungen.
und ihre Darstellung, sowie die gegenseitigen Beziehungen
der einzelnen Zweige der chemischen Industrie eine weiter-
gehende Berücksichtigung, als dieses sonst üblich ist.
2 Dr. LEERE.
Schuster, Fr., Oberstleutnant a.D., Der Einflufs des
Mondes auf unsere Atmosphäre. 318. 2 Taf. Karls-
ruhe, Fr. Gutsch. Broschiert 1,40 M.
Verfasser will eine Lanze brechen für den alten Glauben
an den Einfluls des Mondes auf den Stand des Barometers
und damit auf das Wetter. Die wechselnde Stärke der
Anziehung des Mondes soll eine Barometerwelle von 1 mm
Höhe und 23 Tagen Länge hervorrufen, welehe sich mit
einer anderen, durch die Mondphasen bedingten Wellen-
bewegung zu einem — dem Verfasser übrigens selbst nicht
ganz klaren — kombinierten Wellensystem vereinigen und
in periodischen Schwankungen unseres Wetters ihren Aus-
druck finden soll. Der Theorie FaLzs kann Verfasser auf
Grund seiner Untersuchungen eine gewisse Berechtigung
nieht absprechen. Dr. LEEKE.
400 Literatur-Besprechungen.
Binz, Artur, Prof. Dr, Kohle und Eisen. IV, 137 8.
„Wissenschaft und Bildung“, Nr. 69. (Leipzig, Quelle &
Meyer.)
Es ist zweifellos keine leichte Aufgabe über ein so
umfangreiches Stoffgebiet, wie „Kohle und Eisen“, auf wenig
Seiten zu beriehten; insbesondere erscheint es schwierig, die
mannigfachen, scheinbar weit voneinander entfernt liegenden
Sondergebiete organisch mit dem Ganzen zu verknüpfen
und in einer ihrer Bedeutung entsprechenden Weise zu
berücksichtigen. Dieses aber hat Verfasser in dem genannten
Büchlein in vortrefflieher Weise verstanden.
In der ersten Hälfte desselben erfährt der Leser über
die Entstehung und Gewinnung der Holz-, Braun-, Steinkohle
und über ihre Bedeutung vorzüglich für die Eisenbereitung in
früherer und jetziger Zeit alles wichtige; von dem einfachen
„Herdfrischen“ mit der Holzkohle durchleben wir den langen
Gang der technischen Entwicklung der Eisenindustrie bis
zur Herstellung der Kruppschen Panzerplatten. In der
zweiten Hälfte werden wir mit der Industrie des Leucht-
gases und seiner Konkurrenten, sowie derjenigen des
Ammoniaks und der Gewinnung der Farbstoffe aus dem
Steinkohlenteer bekannt gemacht. Auch hier wird durch
Schilderung des genetischen Zusammenhanges der einzelnen
Industriezweige ein tieferes Verständnis angebahnt.
Die Darstellung ist aulserordentlich klar und frei von
jener Trivialität, die man heute leider so häufig in sogen.
populären Arbeiten findet. Insbesondere muls der Versuch,
die Bedeutung der KrkuLeEschen Benzolformel für die Ent-
wicklung der Farbstoffindustrie in einer auch dem Nicht-
fachmann verständlichen Weise klar zu legen, als gelungen
bezeichnet werden. Unter den Abbildungen erregen vor-
züglich einige aus dem Kgl. Materialprüfungsamt zu Grols-
Lichterfelde stammende mikrophotographische Aufnahmen
unser Interesse, welche deutlich die Abhängigkeit der Be-
schaffenheit des Eisens und Stahls von Kohlenstoff und
anderen Beimischungen zeigen.
Dr. LEERE.
Druck von Ehrhardt Karras, Halle a. S.
Über den Formenkreis der Statice Limonium
und ihrer nächsten Verwandten
Vorstudien zu einer Monographie
von
Dr. Walther Wangerin
Der Formenkreis der Statice Limonium und ihrer
nächsten Verwandten, der im Folgenden einer eingehenderen
kritischen Untersuchung unterzogen werden soll, gehört
innerhalb der Gattung Statice, die ja bekanntlich der
systematischen Gliederung und Artunterscheidung überhaupt
nieht unerhebliche Schwierigkeiten bereitet, mit zu den
schwierigsten und kompliziertesten, sowohl was die gegen-
seitige Abgrenzung der Formenkreise und die systematische
Wertung der einzelnen Glieder, als auch was die Synonymie
anlangt. Die Schwierigkeiten, welche diese Gruppe bereitet,
liegen nicht allein in der starken Variabilität der meisten
zur Artunterscheidung gebrauchten Charaktere begründet,
sondern vor allem auch darin, dals mehrere der hierher
gehörigen Arten ursprünglich vorzugsweise auf Grund ihres
abweichenden Habitus aufgestellt wurden und sich infolge-
dessen später, bei erweiterter Kenntnis des Formenkreises,
die Notwendigkeit ergab, diese mehr oder weniger schwan-
kenden Habitusmerkmale durch bestimmter definierte Charak-
tere zu ersetzen, was aber keineswegs immer in einwand-
freier Weise möglich ist. Einen Teil der hierher gehörigen
Arten hat neuerdings bereits SALmon!) einer Revision unter-
zogen; indessen kann ich mich, worauf weiter noch zurück-
!) Salmon, Notes on Limonium in Journal of Botany XLIII
u. XLVIl.
Zeitschr, f. Naturwiss. Halle a.S. Bd.82. 1911. 26
402 WALTHER WANGERIN, [2]
zukommen sein wird, mit seinen Ergebnissen nicht in allen
Punkten einverstanden erklären, auch hat er lediglich die
bekanntesten europäischen Glieder des Formenkreises be-
rücksichtigt, während nur eine alle Glieder der Gruppe
gleichmälsig umfassende Betrachtung zu einer befriedigenden
Darstellung und Klärung führen kann; es dürfte daher der
folgende, auf Sichtung eines sehr umfangreichen Materials
beruhende Versuch nicht unangebracht sein.
I.
Der Formenkreis der eigentlichen Statice Limonium
und der St. bahusiensis.
Linn& !), auf den der Name Statice Limonium zurück-
geht, kannte nur eine Gesamtart, die bei ihm nicht weiter
gegliedert erscheint, da die von ihm aufgeführten Varietäten
8—6 sämtlich anderen, unserer Gruppe ferner stehenden
Arten zugehören; sein Name umfalst indessen im heutigen
Sinne mindestens drei verschiedene Arten, nämlich aufser
der eigentlichen St. Limonium noch die St. bahusiensis (ein
Exemplar derselben liegt in seinem Herbar unter dem Namen
St. Limonium) und die St. caroliniana, da er auch die
Küsten von Virginien als Heimatsgebiet seiner St. Limomium
angibt. Ebenso falste auch WILLDENOW?), der der Gruppe
in St. Gmelini und St. scoparia zwei neue Arten hinzufligte,
denen der zweite Abschnitt dieser Arbeit gewidmet sein
wird, die gesamten mittel- und südeuropäischen Formen als
St. Limonium zusammen. Der erste Versuch einer Gliederung
des Formenkreises rührt von REICHENBACH?) her; er bezog
den Lınneschen Namen auf eine bestimmte südeuropäische
Form, neben der er noch eine zweite Art als St. serotina
aus dem Mediterrangebiet beschrieb, während er die an den
Küsten des nördliehen Mitteleuropa vorkommende Pflanze
mit dem Namen St. Pseudolimonium belegte. Durch Fries?)
!) Linn, Spee. pl. ed. 1 (1753) 274.
2) Willdenow, Sp. pl. I (1797) 1524.
®) Reichenbach, Ie. pl. erit. VIII (1830) fig. 959, 997 u. 998 und
Fl. Germ. exeurs. (1830) 191.
*) Fries, Nov. Fl. Suec. Mant. I (1832) 10.
[3] Über den Formenkreis der Staticee Limonium ete. 403
wurde letztere zerlegt in St. Limonium scanica und St. Limo-
nium bahusiensis; erstere wurde von DREJER!) sechs Jahre
später unter dem Namen St. Behen zur eigenen Art erhoben,
von letzterer eine in Dänemark vorzugsweise vorkommende
niedrige Form als St. rariflora beschrieben. Die Darstellung
in der Monographie von BoiIssier?) schlielst sich im wesent-
liehen an REICHENBACH an, nur dafs er dessen drei Arten als
Varietäten unter dem Namen St. Limonium vereinigt und
daneben St. bahusiensis, wenn auch mit einigen Bedenken,
als eigene Art aufführt; die übrigen von BoıssIErR in unserer
Gruppe unterschiedenen, zum grolsen Teil neu aufgestellten
Arten sind entweder amerikanisch oder gehören zum Formen-
kreis der St. Gmelini. Später hat allerdings Bo1ssıer°)
seine Meinung insofern geändert, als er seine früheren Varie-
täten «a. genuina (= St. Limonium Rehb.) und y. macroclada
(= St. serotina Rehb.) einfach als Synonyme zu St. Limonium
aufführt, so dafs er also diesen Namen in erster Linie eben-
falls auf die südeuropäische Form bezieht und die nord-
europäische als besondere var. Behen ansieht. Schon vor
Boissier hatte übrigens REICHENBACH FIL.*) einen ähnlichen
Schritt getan, indem er (abgesehen von St. bahusiensis) nur
noch zwei Arten, die nordeuropäische St. Pseudolimonium 5)
und die südeuropäische St. serotina unterscheidet, so dals hier
also, wie es schon FrıEs vorgeschlagen hatte, der Name St.
Limonium ganz fallen gelassen wird. Ähnlich ist auch die Dar-
stellung bei JAnKA®) nur mit der Abweichung, dals dieser für
die nordeuropäische Form den Linx&schen Namen beibehält,
wie es ähnlich z. B. schon GRENIER und GODRON’’) getan hatten.
Was nun zunächst die an den Küsten des nördlichen
Mitteleuropa vorkommenden Formen der St. Limonium an-
!) Drejer, Fl. exceurs. hafn. (1838) 122.
2) Boissier in DC. Prodr. XII (1848) 644— 645.
°) Boissier, Fl. orient. IV (1879) 858 — 859,
*) Reichenbach fil., Ic. Fl. Germ. et Helvet. XVII (1855) 62.
°) Die zugehörige Tafel trägt merkwürdigerweise den Namen
St. Behen, obwohl im Text die Priorität des Namens St. Pseudolimonium
ausdrücklich betont wird.
°) Janka, Plumbaginaceae europaeae in Termöszetrajzi Füzetek
VI. 1 (1882) und Engl. Bot. Jahrb. IV (1883) 117—125.
‘) Grenier et Godron, Fl. de France II (1850) 739 —740.
26*
404 WALTHER WANGERIN, [4]
geht, so können dieselben als in Habitus und Charakteren
verhältnismälsig konstant bezeichnet werden. Die Höhe
der Pflanzen beträgt im allgemeinen 20—40 em; zwergige
Exemplare sind gelegentlich nur 7—12 em hoch. Die
Blätter sind lang elliptisch bis umgekehrt lang eiförmig
oder lanzettlich, durehsehnittlich 21/),—3!/,mal so lang als
breit, seltener erheblich schmäler; die Länge des Stieles
beträgt gewöhnlich !/, bis 1/, von derjenigen der Spreite,
doch habe ich auch Exemplare mit fast sitzenden Blättern
gesehen, andererseits aber auch solche, bei denen der Blatt-
stiel ungefähr die Länge der Spreite erreichte. Der blatt-
lose, stielrunde Schaft ist etwa von der Mitte an wiederholt
gabelig verzweigt; die primären Äste, die nicht allzu weit
voneinander entspringen, gehen unter einem ziemlich spitzen
Winkel ab, sie sind steif aufrecht und gewöhnlich gerade,
nur am Ende etwas nach aulsen gebogen. Auch die
sekundären Äste, welehe entweder selbst oder erst an den
Auszweigungen dritter Ordnung die Blüten tragen, sind
einander ziemlich genähert und gerade aufrecht; die blüten-
tragenden Äste, welehe die „Spieulae“ in diehter, regelmälsig
zweizeiliger Anordnung zu 1—2 em langen kleinen Ähren
vereinigt tragen, sind ziemlich diek und ebenfalls aufrecht
oder nur wenig gebogen. Die Gesamtinfloreszenz ist daher
in der Regel eine dichte, wenig ausgebreitete, ebensträulsige
Rispe. Die Spieulae sind zumeist zweiblütig; die äufsere
Braktee, aus deren Achsel die Spieula entspringt, ist
mindestens halb so lang wie die obere, die Blüten um-
schlielsende oder noch etwas länger, von lang eiförmiger
Gestalt, zugespitzt oder meist deutlich mukronat, mit
schmalem bis mälsig breitem Hautrand und auf dem Rücken
mit starkem, diekem Kiel versehen; die mittlere Braktee
ist von gleicher Länge wie die untere, und mit Ausnahme
des gekielten Rückennerven wie bei fast allen Arten der
Gruppe vollständig hyalin; auch an der obersten Braktee ist
der Rückennerv bisweilen etwas gekielt, und fast bis zum
oberen Rande durehgezogen, der Hautsaum ist mälsig breit
und meist von weilslicher Farbe. Der Kelch ist 7 mm lang;
sein weilshäutiger, bisweilen etwas blau überlaufener Saum
ist reichlieh halb so lang wie die Röhre, die Zipfel sind
[5] Über den Formenkreis der Staticee Limonium ete. 405
grols, dreieckig bis lanzettlich und spitz, in den Buchten
zwischen ihnen befinden sich (wie bei den meisten Arten der
Gruppe) noch fünf sehr kleine, kaum !/, so lange Zähnchen.
Die Behaarung der Kelehröhre beschränkt sich in der Regel
auf die beiden inneren Rippen. Die blauviolette Blütenkrone,
deren Zipfel nur am Grunde zusammenhängen, überragt
den Kelch um ca. 3 mm.
Wie schon bemerkt, ist der geschilderte Normaltypus
ziemlich konstant, wenn auch im einzelnen der Habitus
geringe Abweichungen aufweist, was zum Teil wohl durch
die Standortsverhältnisse bedingt sein dürfte. Exemplare
mit höherem, reicher verästeltem Schaft, mit verlängerten,
zum Teil bogig abstehenden oder spreizenden Ästen, welche
eine etwas lockere, subpyramidale Rispe bilden, sind als
var. pyramidalis Syme beschrieben werden; ein grölserer
systematischer Wert dürfte derselben nicht zukommen, da
zwischen solehen Exemplaren und den typischen alle mög-
lichen Übergänge an demselben Standort beobachtet werden.
Von gröfserem Interesse ist die als var. hallandica von NEU-
MAN!) beschriebene Pflanze. Dieselbe zeichnet sich vor
allem dadurch aus, da/s der Schaft nur an seiner Spitze
verzweigt ist und die primären Äste alle dicht beieinander
entspringen; der blütenlose Teil dieser Zweige ist auffallend
kurz, die äulseren Blütenäste sind nach aulsen gebogen,
die übrigen schräg aufsteigend bis aufrecht. Die Corolle
überragt den Keleh nur um 1 mm; die Kelchnerven ver-
schwinden bereits unterhalb der Basis der Zipfel, während
sie gewöhnlich bis in die Zipfel hinein zu verfolgen sind.
Die Blätter sind stark sukkulent, nur doppelt so lang als
breit und sehr lang gestielt (Stiel länger als die Spreite);
der Schaft ist 15—25 em hoch. Aufser in Schweden soll
diese Varietät auch in Dänemark und auf den nordfriesischen
Inseln vorkommen.
Von sonstigen Abweichungen bezüglich der Blüten-
verhältnisse erwähne ich noch ein Exemplar aus Varel in
Oldenburg (Herb. Berlin), bei dem der Kelchsaum tief zer-
schlitzt und die Zipfel sehr schmal lanzettlich waren.
!) Neuman, Bot. Not. (1897) 203.
406 WALTHER WANGERIN, [6]
Die Gesamtverbreitung der Form erstreekt sich über die
deutsche Nord- und Ostseeküste (hier bis nach Mecklenburg
und Vorpommern), Dänemark, Südskandinavien, England
und Sehottland (scheint in Irland zu fehlen), Holland,
Belgien, die französische Kanal- und Ozeanküste und Nord-
spanien.!)
In den Blütenverhältnissen stimmt St. bahusiensis im
wesentlichen mit der vorigen überein, nur ist die untere
Braktee etwas schwächer gekielt und nur zugespitzt, nicht
mukronat, und sind meist alle Kelehrippen behaart; die
Blüten wie die ganzen Spieulae sind meist noch etwas
srölser (Keleh 8—9 mm lang). Auch zeichnet sich die
Pflanze dadurch aus, dafs der Hautrand der Brakteen und
der Kelehsaum lebhaft purpurrot überlaufen sind. Die Unter-
schiede der St. bahusiensis gegenüber der St. Limonium-
Form des nördlichen Mitteleuropa beruhen im wesentlichen
auf dem Habitus der Infloreszenz. Der Schaft, der nicht
stielrund, sondern etwas kantig ist, ist gewöhnlich von der
Mitte, seltener fast vom Grunde an verästelt; die primären
Äste sind schräg nach aufwärts abstehend, ziemlich steif
und gerade; das gleiche gilt auch von den Blütenzweigen
(Äste zweiter oder dritter Ordnung), welehe verlängert (bis
5 em lang), ziemlich diek und steif und meist nur wenig
gebogen sind; die regelmälsig zweizeilig angeordneten
Spieulae stehen an ihnen sehr locker und (besonders die
unteren) weit voneinander entfernt.
Auch diese Pflanze ist wenig veränderlich, fast nur die
Höhe und die Gröfse der Blätter variieren in stärkerem
Mafe. Während die normale Pflanze (var. «. boreals Fries)
20—40 em hoch und ziemlich reich und locker verästelt ist,
kommen in Dänemark vorwiegend, doch auch in den übrigen
Teilen des Verbreitungsgebietes niedrige Formen von 7—12 em
Höhe mit entsprechend kleineren Blättern (nieht über 4 em
lang und 1'!/, em breit) und sehr viel weniger reich ver-
ästelter und minder reichblütiger Rispe vor. Auf solche
Formen bezieht sich in erster Linie der Name S$t. rariflora
Drejer (= St. bahusiensis var. ß. danica Fries), der indessen
!) Nach Wilk. et Lange, Prodr. Fl. Hisp. II (1870) 380,
[7] Über den Formenkreis der $tatice Limonium ete. 407
nach NEUMAN!) den DrEJERSschen Originalexemplaren zufolge
daneben auch noch den Bastard zwischen St. Limonium
und bahusiensis umfalst, weshalb jener Autor für die frag-
liche Pflanze die neue Bezeichnung St. bahusiensis form. nana
eingeführt hat.
Die Verbreitung der St. bahusiensis erstreckt sich über
Dänemark (südliehster Standort auf der Insel Aarö an der
Ostküste von Schleswig), Südskandinavien, England, Schott-
land, Irland und Nordfrankreich.
Zwischen St. Limonium und St. bahusiensis existiert,
wie schon bemerkt, ein Bastard, der von SALMoN?) unter
dem Namen Limonium Neumani beschrieben worden ist
und diesem Autor zufolge in England, Schottland, Dänemark
und Schweden vorkommt. Die Hybride ist im Habitus
ziemlich wechselnd, doch schliefst sie sich zumeist mehr an
die St. bahusiensis an; der Schaft ist bald etwas kantig,
bald ziemlich stielrund, bald fast vom Grunde an, bald nur
an der Spitze verzweigt und bildet eine unregelmälsige
Rispe, deren Äste bald aufrecht abstehend, bald mehr
oder weniger gebogen sind. Die Blütenzweige sind länger
als bei St. Limonium, jedoch kürzer als bei St. bahusiensis,
die Spieulae einander mehr genähert als bei letzterer, jedoch
nicht imbrikat. Keleh und Brakteen sind ähnlich wie bei
St. bahusiensis purpurn überlaufen. Der Pollen ist oft normal
entwickelt, während die Frucht meist fehlschlägt.
In viel höherem Malse variabel als die beiden vorigen
sind die im Mediterrangebiet vorkommenden Formen der
St. Limonium, welche habituell von den nordeuropäischen
in der Regel recht erheblich abweichen. Die Rispe ist stets
sehr viel stärker ausgebreitet und viel weniger dieht, auch
allermeist nicht korymbos, sondern + unregelmäfsig, bisweilen
fast besenartig. Es ist das vor allem dadurch bedingt, dafs
die primären Äste der Rispe weit voneinander entfernt sind,
vom Hauptschaft stark abstehen und viel mehr in die Länge
gestreckt sind als bei der nordeuropäischen St. Limonium;
sie sind in der Regel stark nach aulsen gebogen, zuletzt
1) Neuman, Sveriges Fl. (1901) 205.
2) Salmon in Journ. of Bot. XLII (1904) 361—363, tab. 466.
408 WALTHER WANGERIN, [8]
fast wagerecht oder sogar nach unten gekrümmt, seltener
schräg aufsteigend und nur wenig gebogen. Auch die
sekundären Äste sind meist sehr locker und ziemlich weit
voneinander entfernt; sie sind allermeist bogig aufsteigend,
seltener ziemlich gerade aufwärts von den primären Ästen
abstehend. Sehr wechselnde Verhältnisse herrschen bezüglich
der blütentragenden Äste; es sind dies in den unteren Teilen
der Rispe gewöhnlich die Zweige dritter bis vierter Ordnung,
während in den oberen Teilen (sowie auch gegen das Ende
der primären Äste hin), wo die Verzweigung allmählich
ärmer wird, auch bereits die Zweige niedrigerer Ordnung
Spieulae tragen. Bald sind die sekundären Äste reich ver-
ästelt, so dafs die Blütenzweige, welche dann ziemlich kurz
und zur Seite gebogen bis bogig aufstrebend sind, an ihrem
Ende kleine, bald sehr lockere, bald etwas diehtere Eben-
sträulse bilden; oder aber die sekundären Äste sind nur
wenig verästelt und dafür die einzelnen Blütenzweige lang
(bis 4 em) und stark nach aufsen gebogen. Ebenso ist
auch die Dichtigkeit der Spieulae an den einzelnen Blüten-
zweigen eine wechselnde; meist sind sie einander ziemlich
genähert oder sogar + imbrikat, bisweilen aber auch sind
sie ziemlich locker angeordnet. Übrigens sei bemerkt, dafs
das mehr oder weniger dichte Aussehen der Blütenzweige
nicht nur abhängig ist von dem gegenseitigen Abstand der
primären Brakteen, aus deren Achseln die Spiculae ent-
springen, sondern auch von der Zahl der in jeder Spieula
enthaltenen Blüten; dieselbe beträgt in der Regel drei bis
zwei, in den letzten Spieulae kommt oft auch nur eine Blüte
zur Entwieklung; doch sah ich z. B. im Breslauer Herbar
ein von Weiss in Brioni gesammeltes Exemplar mit fünf-
bis dreiblütigen Spieulae, bei dem infolgedessen die Blüten-
zweige ein ungewöhnlich kompaktes Aussehen hatten.
Infolge der angeführten Verhältnisse ist der Gesamt-
habitus der Infloreszenz ein ziemlich wechselnder, und dieser
Umstand ist es wohl in erster Linie, der, worauf bereits
oben hingewiesen wurde, seinerzeit REICHENBACH und ihm‘
folgend Boissıer zu dem Versuch veranlafst hat, eine Schei-
dung der mediterranen Formen in zwei Arten resp. Varietäten
vorzunehmen. Dals ein solcher Versuch aussichtslos ist,
[9] Über den Formenkreis der Statice Limonium- ete. 409
dürfte aus den vorstehenden Angaben über die Mannig-
faltigkeit der vorkommenden Formen zur Genüge hervor-
gehen. REICHENBACH stützte sich allerdings bei der Unter-
scheidung seiner beiden Arten nicht nur auf den Habitus
der Infloreszenz, sondern auch noch auf ein zweites Merk-
mal, nämlich die Insertion des Mukro am Ende des Blattes,
ob derselbe direkt aus der Spitze oder auf der Unterseite
etwas unterhalb der Spitze aus der Mittelrippe entspringt;
indessen ist mit diesen Merkmal noch weniger anzufangen,
da in dieser Hinsicht sogar an den Blättern eines und des-
selben Stockes Verschiedenheiten begegnen. Auffällig ist
es übrigens, dafs REICHENBACH in seinen Exsikkaten unter
Nr. 1516 als St. scoparia eine Pflanze von Zaule bei Triest
ausgegeben hat, die mit seiner St. serotina völlig überein-
stimmt, während die von ihm als St. scoparia beschriebene
und abgebildete Pflanze zum Formenkreis der St. Gmelini
gehört. Ferner sei in diesem Zusammenhange auch gleich
erwähnt, dals es für die REICHEnBACHsche St. serotin«
einen älteren Namen gibt, St. angustifolia Tausch, den z. B.
KERNER aus Prioritätsgründen in der „Flora austro-hungariea
exsieeata“ (Nr. 255, von Zaule bei Triest) angenommen hat.
Indessen ist die Originaldiagnose von Tausch!) so kurz
gefalst, dals eine Identifizierung fast nur auf Grund der
beigefügten Standortsangabe (österreichisches Litorale) mög-
lich ist; vor allem aber fällt der Umstand ins Gewicht, dafs
die von Tausch beschriebene Pflanze nur eine spezielle,
durch besonders lange und schmale Blätter ausgezeichnete
Form darstellt. Allerdings haben die meisten Exemplare
gerade aus dem österreichischen Küstenland lang gestielte
(Stiel 1/, bis ?/; so lang wie die Spreite), lang gestreckte,
schmal oblonge bis lanzettliche Blätter (Spreite vier- bis
fünfmal so lang als breit); indessen liegen mir daneben in
nieht geringer Zahl auch Exemplare mit kürzer gestielten,
bisweilen fast sitzenden und breiteren elliptischen Blättern
vor; ich halte daher den Namen St. angustifolia zur Be-
zeichnung des gesamten mediterranen Formenkreises für
ungeeignet.
!) Tausch, Syll. pl. nov. Ratisbon. II (1825) 254.
410 WALTHER WANGERIN, [10]
Wie sehon bemerkt, sind die habituellen Unterschiede
zwischen der süd- und der nordeuropäischen Form der
St. Limonium im allgemeinen recht typisch und deutlich
ausgeprägt, und ebenso wie bei den Formen von den Küsten
des nördlichen Mitteleuropa nur selten habituelle Anklänge
an die südeuropäischen Exemplare zu verzeichnen sind, so
habe ich auch umgekehrt aus dem Mediterrangebiet unter
der grolsen Zahl der von mir untersuchten nur wenige Exem-
plare gesehen, welche sich habituell der nordeuropäischen
Form stärker nähern. Eine solche Übergangsform hat
mir z. B. vorgelegen aus San Sebastian; bei derselben war
zwar die Rispe lockerer und stärker ausgebreitet als es bei
der nordeuropäischen Form in der Regel der Fall zu sein
pflegt, andererseits aber waren die primären Äste steiler
und weniger bogig ansteigend und auch die Blütenäste mehr
aufrecht als man es bei den mediterranen Formen gewöhnlich
antrifft. Ebenso zeigten auch bei einem Exemplar von
Aigues mortes (Südfrankreich) die Partialinfloreszenzen eine
der nordeuropäischen Form ähnliche Gestaltung und war
die Gesamtrispe ziemlich ebensträufsig. Übrigens bemerkt
PosricHAL,!) dals zwar die grolse Mehrzahl der sich im
österreichischen Küstengebiet findenden Pflanzen infolge der
weitschweifig ausgespreizten Äste und der schmalen Blätter
ein von der gedrungenen St. Limonium der nördlichen See-
küste stark verschiedenes Aussehen besitze, dals aber auf
schlammig-brackigem Boden gelegentlich Stöcke vorkommen,
die sich durch steifen und niedrigeren Wuchs, breit ovale
Grundblätter und mehr straff aufrechte Äste der nördlichen
Form sehr nähern, so dals er die Vermutung ausspricht,
die südliehe Form sei vielleicht nur eine durch warmen,
trockenen Boden erzeugte Varietät.
Was den Bau der Spieulae und der Blüten bei der
südeuropäischen Form angeht, so ist die primäre untere
Braktee in der Regel breit eiförmig mit deutlichem Kiel
auf dem Rücken, mit kurzer Stachelspitze und ziemlich
breitem Hautrand; auch die oberste Braktee ist gewöhnlich
mit recht breitem Hautsaum versehen. Die Längenverhält-
!) Pospichal, Fl. des österr. Küstenlandes II (1898) 464 —465.
[11] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 411
nisse der Brakteen sind nicht absolut konstant, doch ist
allermeist die untere deutlich kürzer als die halbe obere,
oft nur !/, so lang wie diese und die mittlere Braktee
deutlich länger (bis doppelt so lang) als die untere; nur
selten ist die untere Braktee ziemlich halb so lang wie die
obere. Die Behaarung der Kelchrippen ist auch hier recht
wechselnd; bald sind alle Rippen ziemlich dieht abstehend
behaart (z. B. bei dem Exemplar der Fl. austr.-hung. exsice.
n. 255, ferner auch bei algerischen Exemplaren u. a. m.),
bald sind es nur zwei Rippen, die eine deutliche Behaarung
aufweisen (z. B. bei dem Exemplar von F. Schultz, Herb.
norm. n. 324), bald ist auch bei diesen die Behaarung sehr
schwach und nur. auf die Basis beschränkt. Die Länge des
Kelehes beträgt durchschnittlich 6—7 mm, die Blüten sind
also nur wenig kleiner als bei der nordeuropäischen Form,
bisweilen auch ebenso grols; die Kelchzipfel sind grols, bald
etwas breit eiförmig-dreieckig und akuminat, bald mehr
lanzettlich, stets aber spitz; die Farbe des Kelehsaumes ist
bald rein weils, bald mehr oder weniger blauviolett über-
laufen.
Es verbleiben nun noch einzelne stärker abweichende
Formen hervorzuheben, soweit solche bei der in vielen Einzel-
heiten bestehenden grolsen Variabilität und der dadurch
bedingten Formenfülle besondere Erwähnung verdienen. In
habitueller Hinsicht auffällig war ein Exemplar, das in der
„Flora lusitanica exsieeata“ unter Nr. 686 ausgegeben worden
ist, dadurch, dals die einzelnen Glieder des Hauptschaftes
sehr stark winklig hin und her gebogen sind; es ist dies
eine Erscheinung, die bei manchen Statice-Arten besonders
gegen das Ende der primären Seitenäste hin nicht selten
sich findet, die ich aber am Hauptschaft selbst nirgends so
stark ausgeprägt gesehen habe und die bei Arten unserer
Gruppe überhaupt nur selten und in geringem Malse sich
findet; die Seitenzweige, sowohl die primären als die sekun-
dären, waren bei dem fraglichen Exemplar stark gekrümmt,
die Blütenzweige verhältnismälsig robust, ebenfalls sehr stark
gekrümmt, die Spieulae sehr dieht. Bemerkenswerter ist
noch ein Exemplar (Herbar de Candolle), das von Brunı
bei Barletta gesammelt worden ist; zwar war der Gesamt-
412 WALTHER WANGERIN, [12]
aufbau der Rispe vom Typus nieht abweichend, dagegen
waren die bogig aufsteigenden blütentragenden Zweige sehr
verlängert (4—8 cm) und die Spieulae sehr weit voneinander
entfernt, so dals die Pflanze, die sich auch durch eine un-
gewöhnlich frühe Blütezeit auszeiehnete (Mai statt Juli bis
September), sich in ihrem Aussehen der St. bahusiensis
näherte. Andere ebenfalls von Brunı bei Barletta ge-
sammelte Exemplare waren durchaus typisch, auch bezüglich
der Blütezeit; Brunı glaubte daher, in jener fraglichen Pflanze
eine neue Art vor sich zu haben und hat auch handsehriftlich
den Namen St. barulensis hinzugefügt, denselben aber allem
Anschein nach niemals publiziert. Ähnliche Exemplare mögen
es vielleicht gewesen sein, welehe Rouy!) zu der Angabe
veranlalt haben, St. bahusiensis komme auch im Mediterran-
gebiet vor, was ich für vollständig ausgeschlossen halte.
Auf Grund der grölseren oder geringeren Dichtigkeit der
Spieulae unterscheidet der genannte Autor noch zwei be-
sondere Formen als Subsp. aggregata und Subsp. remotziflora,
die aber nach meinem Dafürhalten keinen grölseren syste-
matischen Wert besitzen, da, wie schon bemerkt, die Aus-
gestaltung der Partialinfloreszenzen bei den mediterranen
Formen eine sehr wechselnde ist und sich zwischen extrem
dieht- und besonders lockerblütigen Formen eine lückenlose
Reihe von verbindenden Zwischengliedern herstellen läfst.
Endlich ist noch zu erwähnen die St. drepanensis Tin., die
zwar habituell vom Typus nicht abweicht, bei der jedoch
Sehaft und Blütenzweige warzig rauh sind und die deshalb
wohl als besondere Varietät aufgeführt zu werden verdient.
Was die Verbreitungsverhältnisse angeht, so scheint
unsere Pflanze im mittleren Teil des Mediterrangebietes
(Südfrankreich, Italien und Sizilien, österreichisches Küsten-
land bis Dalmatien) am häufigsten zu sein und sowohl gegen
Westen (Spanien, Portugal) als auch gegen Osten (Griechen-
land, Mazedonien bis Byzanz) seltener zu werden; aulserhalb
Europas kommt sie in Algier und Kleinasien (Smyrna) vor.
!) Rouy, Rev. Bot. System (1903) 167.
[13] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 413
1I. Der Formenkreis der Statice Gmelini.
Komplizierter noch als bei der St. Limonium liegen die
Verhältnisse bei dem Formenkreis der St. Gmelini, einmal,
weil die Zahl der hier unterschiedenen „Arten“ eine be-
trächtlich gröfsere ist, sodann aber vor allem, weil neben
der Frage der inneren Gliederung des Formenkreises auch
noch das Problem der Abgrenzung gegenüber demjenigen
der eigentlichen St. Limonium hinzukommt. In der Original-
diagnose von WILLDENOoW!) heist es in dieser Beziehung:
„Simillima St. Limonio, sed folia firmiora margine non
plieato undulata, forma eorum obovata, mucro magis dissitus,
flores duplo minores eonferti, et habitus totius scapi diversus.“
Es waren also in erster Linie in der Diagnose nicht
näher präzisierte Eigentümlichkeiten des Habitus und die
Kleinheit der Blüten, welche WıLLDEnow zur Aufstellung
seiner Art veranlalsten. Bo1ssiEr?) fügt noch ein die Be-
schaffenheit der Primärbrakteen der Spieulae betreffendes
Merkmal hinzu; in seiner Monographie sagt er über die
St. Gmelini: „A St. Limonio egregie distineta foliis latioribus
brevius petiolatis, floribus dimidio minoribus, braeteis in-
ferioribus fere omnino membranaceis superiore subrotunda“;
und in der „Flora orientalis“ heilst es ebenfalls: „A
St. Limonio floribus minoribus, braeteis externis fere omnino
membranaceis et ealyeis lobis obtusis distineta“, doch spricht
er hier nieht mehr von „ausgezeichneten“ Unterscheidungs-
merkmalen, sondern räumt ausdrücklich ein, dals gewisse
Exemplare hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zu der einen
oder anderen Art Zweifel zu erwecken imstande seien.
Vorweg sei bemerkt, dals mit der Gestalt und Kon-
sistenz der Blätter und der Länge des Blattstieles für die
Charakterisierung unserer Art wenig anzufangen ist; neben
kurz gestielten, fast sitzenden Blättern kommen auch solehe
mit deutlichen Stielen, die bisweilen sogar länger sind als
die halbe Spreite, vor, und die Gestalt der Spreite ist auch
ı) Willdenow, Sp. pl.I (1797) 1524.
2) Boissier in DC. Prodr. XII (1848) 645.
®) Boissier, Fl. orient. IV (1879) 859.
414 WALTHER WANGERIN, [14]
bei nicht kritischen Exemplaren, bald breit umgekehrt
eiförmig, bald ovat-elliptisch bis oblong; und was die Kon-
sistenz der Spreite angeht, so sind dick lederartige Blätter
auch bei den südeuropäischen Formen der St. Limonium
häufig, während allerdings die nordeuropäische St. Limonium
meist etwas dünnere Blätter besitzt. Wir können sonach
die Blattmerkmale von vornherein ausscheiden und uns auf
die Untersuchung der sonst in Betracht kommenden Charak-
tere beschränken.
Da der WıLLprnowsche Name ursprünglich auf sibi-
rische Exemplare gegründet ist, so wird es berechtigt sein,
wenn wir mit TRAUTVETTER!) in von dort stammenden
Exemplaren den eigentlichen Typus der Art erblieken. Mir
liegen z. B. Exemplare vor, welche von SCHRENK in der
songorischen Steppe gesammelt worden sind und die auch
TRAUTVETTER seiner var. iypica zugrunde gelegt hat. Bei
denselben ist der Schaft kahl, 45—50 eın hoeh und etwa
von der Mitte an locker und regelmälsig verzweigt; die
primären Äste sind weit abstehend, anfangs bogig auf-
steigend, zuletzt fast wagerecht oder sogar nach aulsen und
unten gekrümmt, die sekundären sind voneinander entfernt
oder (am Ende der unteren sowie an den kürzeren oberen
Primärästen) einander. etwas genähert, bogig aufsteigend
und nur an ihrer Spitze verästelt; die Blütenzweige sind
dicht zusammengedrängt, stark zur Seite gebogen und
ziemlich kurz, die Spieulae einander sehr genähert. Infolge-
dessen erhalten die Partialblütenstände ein überaus charakte-
ristisches, stark geknäueltes Aussehen; der Umrils der Gesamt-
rispe ist ziemlich regelmälsig pyramidenförmig. Die Spieulae
sind zwei- bis einblütig; die primären Brakteen sind von
breit eiförmiger Gestalt, kurz zugespitzt und auf dem Rücken
deutlich gekielt; sie sind mit Ausnahme des gekielten Rücken-
nerven und der Basis zumeist vollständig hyalin und etwa
1/, so lang wie die nur mit schmalem Hautrand versehene
obere und wenig mehr als halb so lang wie die mittlere,
Der Keleh ist 4 mm lang; die ziemlich schlanke Röhre ist
1) Trautvetter in Bull. phys.-math. Acad. St. Pötersb. XIV, Nr. 16
(1855) 252.
[15] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 415
nur an den beiden inneren Rippen etwa bis zur Mitte locker
und kurz abstehend behaart, der Saum ist sehr schmal, die
Zipfel klein, breit dreieckig, abgerundet; oft sind nur die
fünf den Rippen entsprechenden Hauptzipfel entwickelt und
fehlen die intermediären Zähne völlig. Die Farbe des Kelch-
saumes ist bei neueren Exemplaren regelmälsig hell violett-
blau, bei älteren dagegen meist verblalst und rein weils.
Die übrigen sibirischen Exemplare der St. Gmelini, die
mir vorgelegen haben, stimmten mit der geschilderten Pflanze
in allen wesentlichen Punkten überein. Als Hauptmerkmale
für den Typus unserer Art, den wir im Anschluls an Bo1ssIer
am besten als subspee. genuwina bezeichnen, können wir also
betrachten in habitueller Beziehung die regelmälsig ver-
zweigte subpyramidate Rispe mit bogig abstehenden, nicht
besonders verlängerten primären Ästen und die dicht glome-
raten Blütensträu/se, hinsiehtlich des Blütenbaues die Kürze
des Kelches (niemals über 41/;, mm, oft nur 23/,—3!/, mm),
die Schmalheit des Kelchsaumes und die geringe Grölse
der Kelehzipfel. Die Verbreitung des Typus scheint nach
Osten bis ins baikalische Sibirien sich zu erstrecken, während
ich über die Grenze nach Norden keine genaueren Angaben
zu machen imstande bin; am häufigsten scheint die Pflanze
im russischen und in dem westlichen ebinesischen Turkestan
(Dsungarei, Altai, Kirgbisensteppe usw.) vorzukommen.
Daneben findet sich St. Gmelini jedoch auch noch im süd-
lichen und südöstlichen Teil des europäischen Rufslands, in
Ungarn, Siebenbürgen, der Balkanhalbinsel und Kleinasien
in zum Teil recht weiter Verbreitung, und bei den aus diesen
Gegenden stammenden Exemplaren liegen die Verhältnisse
weit weniger einfach als bei den sibirischen. Am zweck-
mälsigsten werden wir die Besprechung mit den Exemplaren
beginnen, welehe wenigstens in habitueller Hinsicht mit der
typischen Form einigermalsen übereinstimmen. Dies ist z. B.
zunächst der Fall bei den beiden Exemplaren Nr. 89 und 90
des Herb. ruthen. von Läng und Szovits aus der Gegend
von Odessa, von denen das eine als St. Gmelini, das andere
unter .dem Namen St. scoparia ausgegeben worden ist. Bei
beiden stehen die Blütenzweige in dichten kleinen Eben-
sträulsen an der Spitze der Sekundäräste, sie sind allerdings
416 WALTHER WANGERIN, [16]
bei Nr. 89 zum Teil etwas länger und dafür weniger zahl-
reich als bei der typischen subspee. genwina, doch stimmen
in dieser Hinsicht selbst verschiedene Exemplare derselben
Nummer nieht völlig überein; ferner kommen, allerdings nur
vereinzelt und auch nicht regelmäfsig, im unteren Teil der
Rispe sterile Nebenäste vor. Der Gesamtumrils der Rispe
ist zumeist nicht so regelmälsig und ausgesprochen pyramidat
wie beim Typus. Bemerkenswert ist es auch, dals bei
einem im Herbar Wien befindlichen Exemplar der Nr. 90
die feineren Infloreszenzzweige etwas warzig punktiert und
zum Teil fein kurzhaarig sind. Die Blüten sind zum Teil
etwas grölser als beim Typus (Kelch ca. 5 mm lang); die
Kelehröhre ist etwas dieker, umgekehrt kegelförmig, eben-
falls nur an den beiden inneren Rippen behaart; der Kelch-
saum ist schmal, die Kelchzipfel klein und breit dreieckig,
jedoch spitz, die intermediären Zähne sind deutlich ent-
wickelt. Die Beschaffenheit der primären Brakteen ist nicht
völlig konstant; dieselben sind bei Nr. 89 fast völlig hyalin,
bei Nr. 90 dagegen ist nur ein ziemlich breiter hyaliner
Saum vorhanden und der Rücken krautig. Auch bei den
übrigen südrussischen Exemplaren, so weit sie durch den
Besitz dieht glomerater Partialinfloreszenzen ausgezeichnet
sind, halten sieh die Abweichungen in denselben engen
Grenzen; besonders erwähnt sei daher nur noch ein Exemplar
aus Bessarabien (Herb. Wien, leg. Marsch. v. Bieberstein), bei
dem an den unteren primären Ästen der Rispe die meisten
Sekundärzweige steril sind und nur die äulsersten kleine
diehte Ebensträulse von Blütenzweigen tragen, sowie ein
anderes gleichfalls von M. v. BIEBERSTEIN gesammeltes
Exemplar aus Taurien mit etwas grölseren Kelchzipfeln und
Primärbrakteen, die nur einen schwachen Hautrand besitzen.
Auch die überwiegende Mehrzahl der ungarischen und
siebenbürgischen Exemplare stimmen habituell mit der mehr
oder weniger ausgeprägt pyramidaten Rispe und den kurzen,
in dichten glomeraten Ebensträufsen an der Spitze der
Sekundärzweige vereinigten Blütenzweigen gut mit der
typischen St. Gmelini überein. Aber auch hier erweist sich
die Beschaffenheit der Primärbrakteen sowohl als auch die
Ausbildung des Kelches und die Blütengröfse als nicht
[17] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 417
konstant. Z. B. ist an dem Exemplar von F. Schultz, Herb.
norm. Nr. 1213 (Umgebung von Budapest) der Kelch zwar
nur 4 mm lang, die Zipfel aber sind grofs (reichlich die
Hälfte des Saumes einnehmend), von ähnlicher Gestalt wie
bei St. Limonium und sehr spitz; dagegen zeigen Exemplare
von den Bittersalzquellen bei Hunyadi Janos zwar etwas
gröfsere Blüten (Kelch 3°/, mm lang), dagegen sind die
Kelchzipfel klein und wenig spitz. Ähnliche Schwankungen
kommen auch bei den übrigen ungarischen und sieben-
bürgischen Exemplaren vor; in der Mehrzahl der Fälle sind
allerdings die Kelchzipfel klein, breit und wenig spitz,
während die Länge des Kelches zwischen 4 und 5!1/, mm
schwankt und die Kelehröbre zumeist ausgeprägt obkonisch
und ziemlich weit ist; so extrem kleinblütige Formen wie
die sibirischen habe ich überhaupt bei dem ganzen mir
vorliegenden europäischen Material der St. Gmelini nicht
wieder angetroffen. Die Ausbildung der Gesamtrispe ist
nieht immer so regelmälsig pyramidat; die Primärbrakteen
sind bald ganz hyalin, bald auf dem Rücken ziemlich breit
krautig und nur von einem + breiten Hautrand umsäumt.
Die gleichen Eigenschaften wie die ungarischen und sieben-
bürgischen zeigen auch Exemplare aus Serbien, die mir
vorgelegen haben.
Neben der St. Gmelini beschreibt nun WILLDENOW!)
unter dem von Partas herrührenden Namen St. scoparia
noch eine zweite Art, von der es in der Diagnose heilst:
„Simillima St. latifoliae, sed non pilosa et scapi fere ut in
St. Limonio; pagina foliorum inferior punetis parvis elevatis
lente tantum conspieuis est tecta.*“ Nach Boıssıer soll
allerdings das Exemplar der St. scoparia aus dem WILLDE-
nowschen Herbar mit dem der St. Gmelini völlig überein-
stimmen, während die Beschreibung bei aller Kürze doch
wohl keinen Zweifel lälst, dafs WILLDENow eine von der
St. Gmelini vor allem habituell stark abweichende Pflanze
im Sinne hatte; wie dieser Widerspruch zu erklären ist,
läfst sich nicht mehr aufhellen, immerhin aber glaube ich,
1) Willdenow, Spee. pl. I (1797) 1524.
2) Boissier in DC. Prodr. XIII (1848) 646.
Zeitschr. f. Naturwiss. Hallea. 8. Bd. 82. 1911. 37
418 WALTHER WANGERIN, [18]
mit TRAUTVETTER!) den sehr bezeicehnenden Namen St. sco-
paria nicht fallen lassen und durch den Boıssıerschen var.
laxıflora ersetzen zu sollen, zumal jener Name — abgesehen
von WILLDENOW — bereits vor Boissıer von anderen
Autoren?) in dem gleichen Sinne wie die von BoIssIER
geschaffene Benennung gebraucht worden ist. Der Be-
schreibung der hierher gehörigen Formen möge etwa zugrunde
gelegt werden das Exemplar von Callier, Iter taurieum
seecundum Nr. 305. Bei demselben ist der Schaft ungefähr
vom unteren Drittel an locker verästelt; die primären Äste
sind bogig abstehend und aufsteigend bis nach aulsen zurück-
gekrümmt oder unregelmälsig hin und her gebogen und
ziemlich stark verlängert; die Blütenzweige bilden an der
Spitze der bogig abstehenden und aufsteigenden Sekundär-
äste kleine, lockere Ebensträufse; sie sind kurz, zur Seite
gekrümmt oder halb aufrecht und tragen die Spieulae in
lockerer, zumeist einseitswendiger Anordnung. Letztere sind
zumeist nur einblütig; die primäre Braktee ist fast ganz
hyalin, die obere mit ziemlich breitem Hautrand versehen.
Der Kelch ist 41/,—5 mm lang, seine Röhre an zwei oder
drei Rippen schwach behaart, der Saum wenig erweitert
und ziemlich schmal, hellviolett überlaufen, mit ziemlich
grolsen, stumpfen, dreieckigen Zipfeln; die intermediären
Zähne ‘sind fast halb so grols wie die Hauptzipfel. Teil-
weise noch stärker verästelt sind Exemplare, die Hohen-
acker (Unio itineraria 1838) bei Kumbaschinsk in der
Provinz Talysch am Kaspischen Meer gesammelt hat. Der
Schaft ist hier vielfach fast vom Grunde an verästelt und
bildet eine sehr stark ausgebreitete, unregelmälsig besen-
förmige Rispe mit langen, weit abstehenden, gebogenen und
sehr stark verzweigten Ästen; die kurzen Blütenzweige
bilden kleine lockere Ebensträulse; die Spieulae sind einander
zum Teil etwas melır genähert, zum Teil auch ziemlich
locker. Die untere Braktee ist ziemlich hyalin; der Keleh
ist 31/,—41/, mm lang, der Saum ist schmal, die Zipfel
bald klein, bald ziemlich ansehnlich, bald abgerundet, bald
1) Trautvetter, ]. ec. 253— 254.
2) Z.B. von Lessing, Beitr. z. Fl. d. südl. Ural u. d. Steppen in
Linnaea IX (1835) 196.
[19] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 419
spitz, zum Teil sogar an verschiedenen Blüten derselben
Pflanze nicht ganz gleichmälsig gestaltet. Diese Exemplare
waren es, auf die Boıssıer!) hauptsächlich seine St. Meyer:
gegründet hat, welche zwischen St. Limonium und St. Gmelini
gewissermalsen eine Mittelstellung einnimmt; später?) jedoch
hat er diese Art wieder eingezogen und mit seiner var. law:-
flora vereinigt. Neuerdings hat SaLmon®) den Namen als
var. Meyeri wieder hergestellt und dazu aulser den be-
schriebenen russischen auch gewisse griechische Exemplare
gezogen, die aber, worauf weiter unten noch zurückzukommen
sein wird, mit jenen in wesentlichen Punkten nieht überein-
stimmen und eine besondere selbständige Form der St. Gmelini
darstellen.
Die Unterschiede der subspee. scoparia gegenüber der
typischen St. Gmelini sind also wesentlich habitueller Natur;
sie liegen vor allem begründet in dem unregelmälsig besen-
artigen Gesamtcharakter der aulserordentlich stark ver-
ästelten Rispe mit ihren sehr stark verlängerten und weit
abspreizenden Zweigen, den lockere Ebensträufse dar-
stellenden Partialinfloreszenzen und der etwas lockeren An-
ordnung der Spieulae. Hinsichtlich der Blütencharaktere
hingegen lälst sich ein positives Unterscheidungsmerkmal
nicht angeben; es kommen hier bezüglich der Blütengröfse
wie der Gestalt und Grölse der Kelchzipfel dieselben
Sehwankungen vor, die schon bei den europäischen Exem-
plaren der subspee. genwina zu verzeichnen waren. Ich
vermag TRAUTVETTER?) nieht beizustimmen, wenn er zur
Charakterisierung seiner var. scoparia gegenüber der var.
typica nur ganz geringfügige Differenzen des Blütenbaues
(Blüten etwas gröfser, Kelehsaum deutlich zehnzähnig) als
malsgebend ansieht und und im übrigen habituell ganz ver-
schiedene Formen in seiner var. scoparia vereinigt; denn
wenn auch bei den sibirischen Formen der St. Gmelini die
intermediären Kelehzähne meist nur sehr schwach entwickelt
sind, so fehlen sie doch durchaus nieht immer gänzlich; mir
!) Boissier in DC. Prodr. XII (1848) 645.
®) Boissier, Fl. orient. IV (1879) 859.
°) Salmon in Journ. of Bot. XLVIH (1909) 288.
% Trautvetter, \.c. 253—254.
27*
420 WALTHER WANGERIN, [20]
scheint daher jenes Merkmal zur Gliederung des Formen-
kreises ungeeignet und ich glaube den Charakter der In-
floreszenz für die Unterscheidung in den Vordergrund stellen
zu müssen. Aulser aus dem südliehen und südöstlichen
europäischen Rufsland haben mir Exemplare der subspee.
scoparia z. B. vorgelegen aus der Dobrudscha (Sintenis Nr. 201
und 202), Rumänien, Transkaspien (Sintenis, Iter transcasp.-
pers. Nr. 1307) und Nordpersien (leg. Szovits). Die letzteren
Exemplare weichen allerdings von der gewöhnlichen Form
der subspee. scoparia dadurch ab, dals die Verästelung der
Rispe, deren sämtliche Zweige sehr schlank und dünn sind,
eine regelmälsigere und infolgedessen ihr Umrifs ein sub-
pyramidater ist; auch sind die Blütenäste an den bogig
aufstrebenden Sekundärzweigen sehr regelmälsig angeordnet,
stark zur Seite gebogen und gar nieht oder nur sehr wenig
verästelt, so dafs auch die Partialinfloreszenzen im Umrifs
pyramidenförmig erscheinen; die Spieulae sind mäfsig dieht
bis etwas locker 'angeordnet, die Blüten sehr klein (Kelch
kaum 4 mm lang), die Kelehzipfel klein und abgerundet.
Es dürfte dementsprechend angemessen sein, die fragliche
Pflanze als besondere var. gracilis der subspee. scoparia
unterzuordnen. Nebenbei sei bemerkt, dafs im nördlichen
Persien auch die subspee. genwina vorkommt; z. B. gehört
zu ihr ein von Buuse in der Provinz Ardebil gesammeltes
Exemplar mit sehr diehten, ausgerprochen glomeraten Partial-
infloreszenzen und ebenfalls sehr kleinen Blüten.
Schon oben wurde erwähnt, dafs SALMON zu seiner
var. Meyeri, welche hinsichtlich der russischen Exemplare
im wesentlichen unserer subspee. scoparia entspricht, auch
noch gewisse griechische Exemplare zieht, welche von
Phaleron in Attika stammen und von ORPHANIDES (Fl. graec.
exsiee. Nr. 266) und v. HELDREICH (Herb. graec. normale
Nr. 495) unter dem Namen St. Limonium var. macroclada
ausgegeben worden sind. Auch Haracsy!) zieht die frag-
lichen Exemplare zu St. Limonium, wohl im Anschluls an
Boissier, der zwar in seiner Monographie seine St. Meyeri
auch — obsehon mit einigen Bedenken — für Griechenland
ı) Halacsy, Consp. Fl. graee. III (1904) 16—17.
[21] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 421
angibt, in der „Flora orientalis“ jedoch, wo er ja den Namen
St. Meyeri ganz fallen lälst, die betreffende Angabe aus-
drücklich auf St. Limonium bezieht. Nun hat Sarmon aller-
dings recht, wenn er darauf hinweist, dafs die fraglichen
Pflanzen nicht zu St. Limonium gehören, sondern dem
Formenkreis der St. Gmelini zugerechnet werden müssen.
Das ergibt sich mit voller Deutlichkeit aus der geringen
Gröfse der Blüten (Keleh nur 4 mm lang), der Schmalheit
des Kelehsaumes und der äulserst geringen Gröfse der spitz-
lichen Kelehzähne. Dagegen vermag ich der von SALMON
vorgenommenen Vereinigung jener Pflanzen mit den oben
ausführlich beschriebenen südrussischen Exemplaren nicht
beizustimmen. Sie gleichen denselben zwar in der sehr
starken Verästelung und dem besenartigen Gesamteharakter
der Rispe, deren primäre Zweige auch hier sehr verlängert
und gebogen weit abspreizen; die Bildung der Partial-
infloreszenzen dagegen ist bei den griechischen Exemplaren
eine wesentlich andere. Die primären Äste tragen hier.nur
gegen ihr Ende hin wenige bogig aufsteigende, ebenfalls
ziemlich lange Sekundäräste, die ihrerseits an ihrer Spitze
nur wenige + genäherte, kurze, schräg nach aufwärts ab-
stehende oder zur Seite gebogene Blütenzweige tragen;
letztere sind sehr dieht mit mehrblütigen Spieulae besetzt
und zeigen daher ein recht kompaktes Aussehen. Bezüglich
des Baues der Spieulae sei noch hinzugefügt, dals die fast
kreisförmigen, kaum zugespitzten und nur schwach gekielten
Primärbrakteen auf dem Rücken krautig und blofs mit
schmalem Hautsaum versehen sind. Um diesen Unter-
schieden Rechnung zu tragen, scheint es mir am zweck-
mälsigsten, die fragliche Form als besondere var. limonioides
der subspee. scoparia anzugliedern; der Name soll die habi-
tuelle Ähnlichkeit der Pflanze mit gewissen mediterranen
Formen der St. Limonium zum Ausdruck bringen. Inwieweit
die von Hauacsy angegebenen griechischen Fundorte der
St. Limonium auf unsere Form zu beziehen sind, vermag ich
nieht festzustellen; ich habe dieselbe aufser vom Phaleron,
wo sie mehrfach gesammelt worden ist, noch gesehen von
der Eurotaswündung und vom Peloponnes, ferner aufser-
halb Griechenlands noch von Saida in Syrien (Reliquiae
422 WALTHER WANGERIN, [22]
Mailleanae Nr. 1616 und 1616a) und von Mersina in Ana-
tolien (Bornmüller Nr. 1799b). Die letztere Pflanze ist es
vornehmlich, die mich veranlalst, die in Rede stehende Form
nur als Varietät der subspec. scoparia und nicht als eigene
Unterart zu betraehten; denn sie nähert sich im Verzweigungs-
habitus der typischen St. scoparia, stimmt dagegen hinsichtlich
der Partialinfloreszenzen und der Blütenzweige mit den
sehr genäherten Spieulae mit der griechischen Form überein.
TRAUTVETTER!) beschreibt neben seinen beiden Varietäten
a. typica und ß.scoparia noch eine dritte unter dem Namen
y. steiroclada, die sich durch zahlreiche sterile Zweige an
der Basis des Blütenstandes, dünneren und schlankeren
Sebaft, kurze und armblütige Blütenähren und zehnzipfligen
Keleh auszeichnen soll. Ich habe bisher unter dem mir
vorliegenden Material kein Exemplar gesehen, das ich als
zweifellos zu jener Varietät gehörig betrachten könnte; nach
der Beschreibung glaube ich kaum, dals dieselbe als eine
unseren Unterarten genuina und scoparia gleichwertige Form
zu betraehten, sondern höchstens als besondere Varietät der
ersteren zu bewerten ist; denn das Vorkommen von sterilen
Zweigen in grölserer Zahl stellt eine Erscheinung dar, die
sich als gelegentliche Ausnahme bei den meisten Arten der
sanzen Limonium-Gruppe findet und die für die systematische
Gliederung nicht sonderlich bewertet werden kann, und im
übrigen bemerkt TRAUTVETTER selbst, dals die fragliche
Pflanze habituell der typischen Form am nächsten komme.
Sehr beachtenswert hingegen scheint mir der Hinweis
TRAUTVETTERS, dals die von BoIssıer?) auf Grund eines
sehr unvollständigen Exemplars aufgestellte, aus dem Altai
stammende St. gracilis, die Boissıer — wohl wegen der zahl-
reichen sterilen Zweige und der hyalinen Beschaffenheit der
Primärbraktee — in die Gruppe der „Ayalolepideae“ neben
St. caspia stellt, hierher gehören dürfte; denn es ist in der
Tat auffällig, dals Boissıer eine Art mit deutlich zehn-
zipfligem Kelch, in dem er gerade eines der Hauptmerkmale
seiner Gruppe der „Genuinae“ erblickt, nieht dieser zu-
1) Trautvetter 1. c. 254.
2) Boissier in DC. Prodr. XII (1848) 660.
[23] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 423
rechnet, sondern in einen andern Verwandtschaftskreis stellt,
in dem jenes Merkmal sonst nicht vorkommt, und ich glaube
daher, dals die TRAUTVETTERsche Vermutung das Richtige
treffen und es sich hier nur um eine Form der vielgestaltigen
St. Gmelini handeln dürfte.
Eine gute, selbständige Unterart stellt dagegen die St.
Ilacina dar, die BoissiEr!) ursprünglich als eigene Art auf-
gestellt, später?) jedoch als Varietät zu St. Gmelini gezogen
hat. Das Originalexemplar, das von Baransa (Pl. d’orient
Nr. 927) bei Caesarea in Cappadocien gesammelt worden
ist, hat lang gestielte Blätter mit auffallend breiten Blatt-
scheiden und umgekehrt eiförmig-spathulaten Spreiten. Der
ziemlich stielrunde, gegen 40 cm hohe Schaft ist schon
weit unterhalb der Mitte verzweigt und bildet eine reich
verästelte, ausgebreitete Rispe, deren primäre Äste weit
bogig abstehen und anfangs aufsteigend, am Ende fast
wagerecht zurückgebogen sind, während die bogig auf-
steigenden oder halbaufrechten Sekundäräste an ihrer Spitze
in lockerer bis mälsig dichter Anordnung die bis 1!/, em
langen, zur Seite gebogenen Blütenäste tragen; an letzteren
stehen die drei- bis zweiblütigen Spieulae dicht gedrängt.
Die untere Braktee ist fast ganz hyalin, die obere mit sehr
breitem weilsem Hautrande versehen, der Kelch ist 31/, mm
lang, mit auffallend dieker Röhre, die an allen Rippen bis
zum Grunde des Saumes herauf behaart ist, und sehr stark
erweitertem, ziemlich breitem, kaum gezähneltem Saum.
Eine besondere von mir als var. laxiflora bezeichnete Form
dieser Subspecies wird dargestellt durch ein von ZEDERBAUER
(Reise nach dem Erdschias- dagh) in der Salzsteppe bei
Saisaly gesammeltes Exemplar; dasselbe unterscheidet sich
vom Typus durch den erst von der Mitte an verzweigten
Schaft und längere, lockere Blütenzweige mit sehr locker
angeordneten Spieulae.
Der St. Gmelini ist nächst verwandt die ebenfalls von
Boissier®) aufgestellte St. tomentella, in welcher TRAUT-
!) Boissier, Diagn. pl. orient. ser. 2. IV (1859) 68.
2) Boissier, FI. orient. IV (1879) 859.
®) Boissier, in DC. Prodr. XII (1848) 645.
424 WALTHER WANGERIN, [24]
VETTER!) auch nichts als eine Varietät der ersteren sieht.
Das einzige positive Merkmal, das für die Unterscheidung
brauchbar ist, liegt in der Behaarung; bei typischen Exem-
plaren ist die Blattmittelrippe unterseits dicht mit feinen
kurzen Härchen besetzt, und ebenso sind der Schaft und
die Äste der Rispe dicht kurz-weichfilzig; von den Brakteen,
ist mindestens die obere auf dem Rücken dicht kurz seidig-
filzig, und die Kelehröhre ist nieht nur längs sämtlichen
Rippen lang abstehend behaart, sondern auch zwischen den
Rippen kurz und dicht pubescent. In dieser Weise typisch
sind z. B. die im „Herbarium Florae Rossiae“ unter
Nr. 1588a (von Sarepta) und 1588b (Distr. Starobelsk,
Prov. Charkow) ausgegebenen Exemplare. Bei dem ersteren
sind die Blätter mittellang gestielt, und ziemlich breit
obovat-elliptisch; der 70 em hohe, schwach kantige Schaft
ist sehr reich verästelt und bildet eine ausgebreitete,
lockere Rispe, deren primäre Aste stark bogig abstehend
und aufsteigend, die sekundären + bogig aufstrebend sind;
die kurzen Blütenzweige stehen ziemlich dicht gedrängt an
der Spitze der Äste zweiter oder dritter Ordnung, sie
tragen die Spieulae in diehter Anordnung. Die Brakteen,
auch die unteren, zeigen nur einen schmalen Hautsaum, der
Keleh ist 4—4!/, mm lang, der Saum schmal, wenig er-
weitert, mit zehn kleinen Zipfeln, deren fünf grölsere breit
dreieckig und stumpf sind. Bei dem anderen Exemplar
sind die Blätter fast sitzend, der Schaft sehr viel weniger
und nur in seinem obersten Teil verzweigt und die Blütenäste
noch viel ausgesprochener glomerat.
Nun weist aber TRAUTVETTER mit Recht darauf hin,
dafs die Behaarung keineswegs immer “än dieser typischen
Weise entwickelt ist. Das ergab sich auch mir bei der
Untersuchung zahlreieher, zumeist von BEGKER in der Flora
von Sarepta gesammelten Exemplare. Stengel und Zweige
sind regelmälsig kurzhaarig, obschon oft sehr viel weniger
dicht als beim Typus, die Blattmittelrippe hingegen ist
bisweilen, obsehon selten, fast vollständig kahl. Die Brakteen
der Spieulae sind bei diesen schwach behaarten Formen
1) Trautvetter, l. c. 255—256.
[25] Über den Formenkreis der Staticee Limonium ete. 425
meist völlig kahl oder höchstens ganz zerstreut behaart; bei
dem Kelch beschränkt sich die Behaarung auf die fünf
Rippen, ist aber auch an diesen merklich sehwächer, während
die Zwischenräume gänzlich der Behaarung entbehren. In
habitueller Hinsicht gleichen die meisten Exemplare der
Nr. 1588a des „Herbarium Florae Rossicae“, sie haben also
eine reich verzweigte, ausgebreitete Rispe mit ziemlich dicht
zusammengedrängten bis ausgeprägt geknäuelten Blüten-
zweigen. Stärker abweichend waren in dieser Beziehung
nur zwei ebenfalls von BECKER bei Sarepta gesammelte
Pflanzen (Herbarium Berlin), die sich auch durch ihren
niedrigen Wuchs und die lang gestielten, schmalen Blätter
auszeichneten; bei denselben war der Schaft fast vom Grunde
an unregelmälsig verästelt, die Blütenzweige lang, locker
und nur wenig gebogen, die Spieulae etwas voneinander
entfernt, die Blüten etwas grölser.
Bei dieser Lage der Sache ist es offenbar nicht möglich,
die St. tomentella als selbständige Art von St. Gmelini zu
trennen, da die Grenzen zwisehen beiden bei den schwach
behaarten Formen fast vollständig verschwimmen; man wird
sie der letzteren vielmehr als Subspeeies unterordnen müssen,
die sich dann in eine var. Zypica und eine var. subglabra
gliedern läfst.
Mit der St. tomentella wird von NyMmAnt!) fälschlich
indentifiziert die von BECKER?) als St. sareptana beschriebene
Pflanze, von der ich von BECKER selbst gesammelte authen-
tische Exemplare (Becker, Pl. Wolgae inferioris Nr. 42;
F. Schultz, herb. norm. Nr. 1211, u.a. m.) in gröfserer Zahl
gesehen habe. Die Pflanzen besitzen kurz bis mittellang
gestielte, umgekehrt eiförmige bis oblonge Blätter, deren
Mittelrippe kurz und fein abstehend behaart ist, während
die lederige Spreite oberseits ziemlich dieht warzig punktiert
ist. Der Schaft ist stielrund, im unteren Teil ziemlich dicht
mit sehr kurzen abstehenden Haaren bedeckt, welehe einzeln
oder seltener zu mehreren aus kleinen warzigen Erhebungen
!) Nyman Consp. fl. europ. (1881) 609.
2) Becker in Bull. Soc. nat. Mose. (1854) p. 454 und (1858) p. 12
und 60.
426 WALTUER WANGERIN, [26]
entspringen, nach oben zu allmählich verkahlend, so dafs
die meisten Äste der Rispe völlig kahl oder höchstens noch
fein warzig punktiert sind. Der Schaft ist fast vom Grunde
an sehr stark besenartig verästelt, alle Zweige sind weit
abstehend, ziemlich verlängert und oft unregelmäfsig hin
und her gebogen, die Blütenzweige kurz bis mittellang, halb
aufrecht oder zur Seite gebogen, zu sehr lockeren oder
seltener mälsig diehten Ebensträulsen vereinigt, die Spieulae
stehen sehr locker und sind allermeist einblütig. Die untere
Braktee ist klein, sehr breit eiförmig, auf dem Rücken nur
schwach gekielt und abgerundet oder kaum zugespitzt mit
mälsig breitem Hautrande; die obere Braktee ist reichlich
dreimal so lang, mit breitem hyalinen Saum und auf dem
Rücken kahl oder sehr zerstreut kurzhaarig. Der Keleh ist
5'5—6 mm lang, seine Röhre nur an den beiden inneren
Rippen behaart und sehr schlank, der weilse Saum etwas
erweitert, mälsig breit, mit ziemlich grofsen, dreieckigen,
spitzen Zipfeln und deutlich entwickelten, gleichfalls spitzen
intermediären Zähnen. Es handelt sich hier sonach um
eine Form, welche, vor allem habituell, sich der St. latifolia
nähert und wohl als Verbindungsglied zwischen dieser und
dem Formenkreis der St. Gmelini betrachtet werden kann.
St. latifolia ist insbesondere durch ihre grolsen, sternfilzigen
Blätter gut charakterisiert; ihr gegenüber ist St. sareptana
aulserdem auch durch den deutlich zehnzähnigen Kelch
unterschieden, während sie andererseits auch auf Grund der
angeführten Merkmale neben St. Gmelini als selbständige
Art belassen werden kann.
Gleiehfalls der Flora von Sarepta gehört die von OLAus!)
als St. Bungei beschriebene Art an, die mir nur aus der
recht genauen und ausführlichen Originaldiagnose bekannt
ist. Danach würde die Pflanze, welche ebenfalls habituell
der St. latifolia am ähnliehsten zu sein scheint, in den
meisten Merkmalen mit der St. sareptana übereinstimmen;
abweichend sind nur der sehr lange Blattstiel, die aus-
drücklich hervorgehobene Kahlheit des Schaftes und die
1) Claus, Lokalfl. d. Wolgagegenden in Beitr. zur Pflanzenkunde
d, russ. Reiches VIII (1851) 308.
[27] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 427
Fünfzähnigkeit des Kelehes. Möglicherweise würden also
beide Arten zu vereinigen sein, doch kann ich diese Frage
ohne Autopsie der St. Bungei nicht sicher entscheiden.
Den beiden letzten Arten sehr nahe steht auch die
St. membranacea Czernajew!) aus den Steppen der Ukraine,
von der authentische Exemplare im Berliner Herbar vor-
handen sind. Die Pflanze besitzt sehr kurz gestielte, obovat-
elliptische, kahle Blätter und einen 50—45 em hohen, ebenso
wie die Zweige ziemlich schlanken und stielrunden, kahlen
Schaft, der schon weit unterhalb der Mitte reich verästelt
ist; die primären Äste sind bogig aufsteigend und zuerst
nur wenig abstehend, erst am Ende sind sie stärker nach
aulsen gekrümmt; die sekundären Aste sind flexuos auf-
steigend, locker verästelt, die unteren zum grolsen Teil
steril, die Blütenzweige kurz und mit wenigen lockeren
Spieulae besetzt. Die untere Braktee ist fast ganz hyalin,
deutlich gekielt und zugespitzt, die obere 2'/,—3 mal längere
-mit breitem Hautsaum versehen; der Kelch ist 5 mm lang,
die schlanke Röhre nur an der Basis der beiden inneren
Nerven schwach behaart, der Saum ist weils, schmal, mit
kleinen, breit dreieckigen, subakuten Zipfeln und halb so
grolsen, deutlich entwiekelten intermediären Zähnen.
Endlich gehört in diese Verwandtschaft auch noch die
kleinasiatische St. effusa Boiss., welehe ebenfalls den Habitus
der St. latifolia besitzt, von dieser jedoch, abgesehen von
der Behaarung und den Blättern, durch die Zehnzähnigkeit
des Kelehsaumes sich unterscheidet, während sie gegenüber
den vorigen vor allem durch die viel kleineren Kelchzipfel
unterschieden ist.
Als letzte Art aus dem JFormenkreis der St. Gmelini
ist schliefslich noch die St. pycnantha Koch (= St. Balansae
Boiss.) zu erwähnen; dieselbe kommt in Cappadocien und
Armenien vor und schlie/st sich durch die dieht glomeraten
Partialinfloreszenzen eng an die subspee. genwina der St.
Gmelini an, ist von dieser aber durch noch kleinere Blüten
und den tief und sehr spitz fünfteiligen Kelehsaum unter-
schieden.
!) Czernajew, Consp. pl. Charcov. (1859) 51.
428 WALTHER WANGERTN, [28]
III. Die amerikanischen Arten.
Es ist pflanzengeographisch von grofsem Interesse, dals
der Formenkreis der St. Limonium auch in Amerika mit
mehreren Arten vertreten ist, die zum Teil geradezu als
Parallelformen zu den altweltlichen betrachtet werden können.
Es ist dies der einzige Verwandtschaftskreis aus der ganzen
Gattung Statice, der auch in Amerika sich findet, mit einziger
Ausnahme der ganz isolierten, eigenartigen St. plumosa in
der Wüste Atacama und der der europäischen St. caspia
und damit auch der Zimonium-Gruppe nahestehenden St.
bahamensis.
Im grofsen und ganzen scheinen die amerikanischen
Arten nieht in so hohem Mafse variabel zu sein wie die
altweltlichen und sind demgemäls voneinander leichter und
schärfer zu trennen; nichtsdestoweniger wird die systematische
Gliederung des Gesamtformenkreises durch sie nieht un-
erheblich erschwert und kompliziert, weil eben die ameri-.
kanischen Arten den altweltlichen nicht als in sich ge-
schlossene Gruppe gegenüberstehen, sondern die Differen-
zierung, wie schon bemerkt, im grofsen und ganzen in
ähnlichen Bahnen sich bewegt.
Diejenige Art, die am längsten unterschieden ist, ist
St. caroliniana Walt., deren Verbreitung sich über die ganze
atlantische Küste von Nordamerika erstreckt. Dieselbe hat
meist ziemlich schmal oblonge (drei- bis sechsmal so lang
als breit), lang gestielte Blätter und einen etwas kantigen,
etwa von der Mitte reich und locker verästelten, eine meist
ziemlich ausgesprochen pyramidenförmige, seltener unregel-
mälsig besenartige Rispe bildenden Schaft. Die primären
Aste sind weit voneinander entfernt, entweder schräg auf-
wärts abstehend und nur zuletzt nach aufsen gebogen oder
von vornherein stark bogig abstehend, die sekundären bogig
aufsteigend oder seltener etwas steif aufrecht, locker ver-
ästelt; die Blütenäste sind mittellang (bis zu 3 em), halb
aufrecht oder + gekrümmt mit nicht sehr zahlreichen, von-
einander entfernten Spieulae. Letztere sind allermeist ein-
blütig; die primäre Braktee ist kaum 1/, so lang wie die
obere und um die Hälfte kürzer als die mittlere, eiförmig,
[29] Über den Formenkreis der Staticee Limonium ete. 429
zugespitzt, schwach gekielt und ebenso wie die obere mit
breitem Hautrand versehen. Der Keleh ist 6—7 mm lang,
die Röhre sehlank, an den inneren Rippen + stark behaart,
der Saum wenig erweitert, nieht abspreizend, mit fünf
grolsen, lanzettlichen, spitzen Zipfeln und fünf kleinen
spitzen Zähnchen in den Buchten zwischen ihnen.
Wir haben es hier sonach mit einer Art zu tun, welche,
vor allem hinsiehtlich der Anordnung der Spieulae, der St.
bahusiensis am nächsten steht und sich von derselben haupt-
sächlieh durch die schlankeren, dünneren Zweige und die
ganze Verzweigungsart unterscheidet.
Gleichfalls in die Verwandschaft der St. bahusiensis
scheint die durch HEemsLeyY!) von den Bermudas-Inseln
beschriebene St. Lefroyi zu gehören; ob dieselbe aber von
St. caroliniana genügend unterschieden ist, geht aus der
Diagnose nicht mit hinreiehender Deutlichkeit hervor und
erscheint mir mindestens zweifelhaft.
Der nordeuropäischen Form der St. Limonium steht
am nächsten die St. californica Boiss. Bei derselben sind,
wie bei jener, die Spieulae zu kurzen, dichten, steif auf-
rechten Ähren angeordnet; indessen ist die Gesamtverzweigung
eine wesentlich andere: die Verzweigung beginnt bereits
unterhalb der Mitte des Schaftes, die primären Äste sind
weit voneinander entfernt, steif aufrecht abstehend und meist
nur gegen ihr Ende hin verzweigt; die Gesamtrispe ist
daher locker und meist im Umrils pyramidenförmig. Der
Bau der Spieulae stimmt im wesentlichen mit dem von S$t.
Limonium überein: die Brakteen sind nur mit schmalem
Hautsaum versehen, die untere stark gekielt, zugespitzt und
reichlich halb so lang wie die obere; der Kelch ist 6 mm
lang, an allen Rippen locker abstehend behaart,?) der Saum
wenig erweitert, mit mälsig grolsen, dreieckigen, spitzen
Zipfeln.
!) Hemsley in Journ. of Bot. XXI (1883) 105.
2) Die Angabe von Small (Flora of the southeastern United
States [1903] 900), die Kelchrühre bei St. californica sei kahl, entspricht
nicht den tatsächlichen Verhältnissen; auch Boissier sagt in der
Originaldiagnose (in DC. Prodr. XII, 648) „tubo calyeino ad 5 costas
breviter hirsuto.“
430 WALTHER WANGERIN, [30]
Der St. californica ist habituell die St. chilensis Phil.
aulserordentlich ähnlich; auch diese besitzt eine locker ver-
ästelte Rispe mit etwas steifen, aufrecht abstehenden, nur
wenig gebogenen Asten und ziemlich steif aufrechten, kurzen,
eine dichte Ahre darstellenden Blütenzweigen. Auch der
Bau der Spieulae ist, vor allem was die Grölsenverhältnisse
und die Beschaffenheit der Brakteen angeht, wesentlich
übereinstimmend; der Unterschied ist in der Hauptsache der,
dals die Spieulae bei St. californica drei- bis zweiblütig, bei
St. chilensis dagegen nur einblütig sind, und dafs bei letzterer
die Blüten etwas kleiner (Keleh nur 41/,—5 mm lang), die
Kelchröhre völlig unbehaart und die sehr breit dreieckigen
Kelehzipfel stumpf sind.
Weniger konstant in ihrem Habitus ist die gleichfalls
durch eine völlig kahle Kelehröhre ausgezeichnete St. brasi-
liensis Boiss., welehe mir nur in zahlreichen Exemplaren aus
Brasilien, Argentinien und Patagonien vorgelegen hat, nach
SMALL!) auch in Carolina und Florida vorkommen soll. Bei
den meisten Exemplaren ist der Schaft etwa von der Mitte
an sehr reich verästelt und bildet eine ausgebreitete lockere,
subpyramidate oder seltener etwas ebensträufsige Rispe. Die
primären Äste sind voneinander entfernt, bald stark zur
Seite gebogen und zum Teil fast wagerecht abstehend, bald
etwas steif aufwärts abstehend; dementsprechend sind auch
die sekundären Äste bogig aufsteigend oder ziemlich steif
aufrecht, bald ziemlich reich, bald nur sparsam locker ver-
ästelt; die Blütenzweige sind meist kurz, halbaufreeht oder
nur wenig zur Seite gebogen, sie tragen nur wenige Spieulae
in mälsig bis ziemlich dieht imbrikater Anordnung. Ich
habe jedoch auch einzelne Exemplare (z. B. E. Ule Nr. 376)
mit nur an der-Spitze schwach verästeltem Schaft und ver-
längerten Blütenzweigen mit deutlich voneinander entfernten
Spieulae gesehen. Ein wesentliches Merkmal der Art liegt
darin, dafs die Zweige der Rispe stets + dicht warzig rauh
sind. Was den Bau der Spieulae angeht, so sind dieselben
zwei- bis einblütig, seltener mehrblütig; die unterste Braktee
ist sehr klein, fast breiter als lang, kaum zugespitzt und
1) Small, 1. c. 900.
[31] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 431
nur schwach gekielt, mit äulserst schmalem Hautsaum; die
obere Braktee ist mehr als dreimal so lang, ihr Hautsaum
ebenfalls nur schmal; der Kelch ist 51/; mm lang, der Saum
kaum erweitert, schmal, mit eiförmig-dreieekigen, kaum
zugespitzten Zipfeln. Die St. patagonica Spegazz. scheint
mir nach dem mir vorliegenden Exemplar (Dusen Nr. 5226)
von St. brasiliensis nieht verschieden zu sein.
SMALL!) beschreibt unter dem Namen Limonium angu-
statum noch eine weitere, mir bisher nieht bekannte Art
aus Florida, welche ebenfalls. eine unbehaarte Kelehröhre
besitzen und vor allem durch sehr schmale Blätter (vom
Autor als „linear“ bezeichnet) charakterisiert sein soll. Im
übrigen läfst die recht oberflächliehe Diagnose, welche auf
die Art der Verzweigung und den feineren Bau der Spieulae
gar nicht näher eingeht, nichts Genaueres über die Merk-
male und Verwandtschaftsbeziehungen dieser Art erkennen.
Hatten wir in St. californica eine Paralellform zu der
nordeuropäischen Form der St. Limontium, so lälst sich auch
deren sjideuropäischer Form eine amerikanische Art an die
Seite stellen in einer Pflanze, die mir in mehreren Exem-
plaren (Herb. Berlin u. DC.) aus Texas (leg. Leybold) und
Mexiko (Tamaulipas, Berlandier iter tex.-mexie. Nr. 3179)
vorliegt und die allem Anschein nach mit dem von SMALL!)
beschriebenen Limonium Nashü identisch sein dürfte. Die
Blätter der fraglichen Pflanze sind lang gestielt (Stiel
5—9 em lang) und schmal oblong (10—12 em lang, 11/,
bis 2!1/, em breit). Der schwach kantige Schaft ist etwa
vom unteren Drittel an loeker und reich verzweigt, eine
ausgebreitete, subpyramidate bis subeorymbose Rispe bildend.
Die etwas starren primären Äste spreizen stark nach auf-
wärts ab und sind an ihrer Spitze nach aufsen zurück-
gebogen, seltener sind sie von Anfang an bogig abstehend;
die sekundären Äste, deren untere zum Teil steril sind, sind
bogig aufsteigend, sie tragen an ihrem Ende kleine lockere
Ebensträulse von stark zur Seite gebogenen, mälsig langen
Blütenzweigen, an denen die Spieulae in ziemlich dichter
Anordnung stehen. Letztere sind drei- bis zweiblütig; die
!) Small, 1. e. 900.
432 WALTHER WANGERIN, [32]
untere Braktee ist eiförmig, kurz stachelspitzig, auf dem
Rücken sehwach gekielt und mit schmalem Hautsaum ver-
sehen; die mittlere, etwa um die Hälfte längere Braktee ist,
abweichend von allen übrigen Arten der Gruppe, nieht voll-
ständig hyalin, sondern nur am Rande von einem mälsig
breiten Hautsaum umgeben und im übrigen krautig; die
obere ist 21/,mal länger als die primäre, ihr Hautsaum
ebenfalls ziemlich schmal. Der Kelch ist 6'/,—7 mm lang,
an den beiden inneren Rippen sparsam abstehend behaart,
der Saum wenig erweitert, mit langen, lanzettlichen, spitzen
Zipfeln, welehe dreimal länger sind als die intermediären
spitzdreieckigen Zähne.
Aus Mexiko, und zwar ebenfalls aus dem Staate Tamau-
lipas, liegt mir noch eine andere, bisher noch nicht be-
schriebene Art vor, die ich nach dem Sammler (Endlich
Nr. 549, Herbar Berlin) St. Endlichiana benenne. Dieselbe
ist ausgezeichnet durch einen fast vom Grunde an ver-
zweigten, eine fast besenartig ausgebreitete Rispe bildenden
Schaft. Die nur mäfsig weit voneinander entfernfen Äste
sind schräg aufwärts abstehend oder von vornherein stark
zur Seite gebogen; sie sind wiederholt locker und sparrig
verästelt, mit bogig aufsteigenden, zum Teil sterilen Sekundär-
ästen; die Blütenzweige bilden lockere Ebensträufse, sie sind
ziemlich lang, stark gekrümmt und tragen die Spieulae in
etwas lockerer Anordnung. Die primäre Braktee ist breit
eiförmig, zugespitzt oder kurz stachelspitzig, schwach gekielt,
mit ziemlich schmalem Hautrand; die mittlere ist doppelt
so lang und vollständig hyalin, die obere 21/,—3mal so lang,
mit ziemlich breitem Hautrand; der Keleh ist 7 mm lang,
die Röhre längs zwei Rippen kurz abstehend behaart,
schlank, mit grolsen, lanzettlichen, zugespitzten Zipfeln.
Die letzte amerikanische Form Art endlich ist St. limbata
(Small) Wang. aus Neu-Mexiko, von der mir authentische
Exemplare (Wooton Nr. 172, Earle Nr. 341) vorliegen. Die-
selbe ist in habitueller Hinsicht ausgezeichnet dadurch, dafs
die primären Äste der stark verästelten, ausgebreiteten, sub-
korymbosen Rispe steil und gerade schräg nach aufwärts
abstehen; ebenso sind auch die sekundären Aste ziemlich
aufrecht, sie tragen am Ende etwas lockere bis ziemlich
[33] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 483
diehte Ebensträufse von kleinen, aufreehten oder zur Seite
gebogenen Blütenzweigen, an denen die Spieulae in dicht
imbrikater, meist regelmäfsig disticher Anordnung stehen.
Die Spieulae sind klein, drei- bis zweiblütig; die breit-
eiförmige Primärbraktee ist kaum zugespitzt, nur schwach
gekielt und ebenso wie die dreimal längere obere nur
schmal häutig berandet. Der Kelch ist 31/, mm lang, seine
Röhre an zwei Rippen dieht behaart, der Saum deutlich
erweitert und abspreizend, mit grolsen, breit dreieckigen,
subakuten Zipfeln, zwischen denen die u = Zähne
fast ganz fehlen.
IV. Zusammenfassung.
Aus der vorstehenden ausführlichen Darstellung der in
in die engere Verwandtschaft der St. Limonium gehörigen
Arten und Formen geht klar hervor, dafs wir es hier mit
einem aufserordentlich polymorphen Formenkreis zu tun
haben, dessen Glieder vielfach ineinander übergehen und in
dessen Bereich sich kein zu einer durchgreifenden, scharfen
Gliederung geeignetes Merkmal finden läfst. Dementsprechend
sind auch viele der unterschiedenen Arten von manchen
Autoren nur als Varietäten unter dem Namen St. Limonium
vereinigt worden, z. B. St. caroliniana, St. californica, St.
bahusiensis, selbst St. Gmelini. Ich vermag mich indessen
zu einer so weitgehenden Einbeziehung der verschiedenen
Formen in eine einzige grolse Sammelart nicht zu ent-
schliefsen; denn einmal ist ja damit für die Behebung der
Schwierigkeiten, die der systematischen Gliederung entgegen-
stehen, de facto noch gar nichts gewonnen, und anderer-
seits erscheinen doch einzelne Formen, wie St. bahusiensis,
St. caroliniana, St. brasiliensis, hinlänglich scharf eharakteri-
siert, um ihnen unbedenklich den Rang selbständiger Arten
zubilligen zu können; es wäre aber offenbar unnatürlich,
aus dem grolsen Komplex der an sich sämtlich ziemlich
gleichwertigen Formen die einen ‘als eigene Arten heraus-
zugreifen, die anderen, bei denen durch Übergangsformen
zwar die Trennung erschwert wird, die eigentlichen Typen
aber ebenso gut unterschieden sind, einer Kollektivspezies
Zeitschr, f. Naturwiss,. Halle a.S. Bd.82. 1911. 28
434 WALTHER WANGERIN, [34]
zu subsumieren. Vor allem aber muls es, trotz aller Über-
gangsformen, als unnatürlich bezeichnet werden, solche
Pflanzen, wie es die typischen Formen der St. Gmelini,
Limonium, caroliniana z. B. sind, sämtlich als Vertreter einer
einzigen Art anzusehen. Freilich ist es nieht möglich, einen
allen Fällen gerecht werdenden analytischen Schlüssel zu
konstruieren; um einen solchen zu gewinnen, muls man sich
bei dem Schwanken fast aller Merkmale zunächst auf die
Unterscheidung der sozusagen normalen Durchschnittstypen
beschränken und sich darüber klar sein, dals die gezogenen
Trennungslinien bis zu einem gewissen Grade künstliche
sind und dureh Übergangsformen vielfach überbrückt werden.
Legt man in diesem Sinne eine einigermalsen enge
Fassung des Artbegriffes zugrunde, so werden zunächst die
gesamten amerikanischen Formen als selbständige Arten
anzuerkennen sein, desgleichen natürlich auch die St. bahu-
siensis. Ich sehe mich dann ferner aber auch genötigt, die
nord- und die südeuropäische Form der eigentlichen St.
Limonium voneinander zu trennen, einmal wegen der doch
meist recht typischen habituellen Unterschiede und ferner
wegen des Längenverhältnisses der Brakteen, das ja zwar
auch nieht absolut konstant, aber doch in der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle typisch ausgeprägt ist und das auch
sonst in unserer Gruppe ein gut brauchbares und unentbehr-
liches Unterscheidungsmerkmal darstelit. Es erhebt sich
nun aber die Frage, welehe Namen diesen beiden Arten
beizulegen sind. Dals nicht mehr festzustellen ist, welehe
von beiden ein etwaiges Vorrecht auf den Namen St. Limonium
hat, der ja bei Linn& aulserdem auch noch die St. bahusiensis
und St. caroliniana umfalst, hat bereits Fries!) mit Recht
betont. Man wird sich also in erster Linie von Zweck-
mälsigkeitsgründen bei der Entscheidung leiten lassen, und
da dürfte es am nächsten liegen, den Namen St. Limonium
wenn man ihn nieht ganz fallen lassen will, auf die nord-
europäische Form anzuwenden. Dazu bestimmt mich vor
allem auch noch der Gesichtspunkt, dafs diese Pflanze sonst
den Namen St. Pseudolimonium, der die Priorität vor dem
ı) Fries, Summa veget. Scand. I (1846) 200,
[35] Über den Formenkreis der Staticee Limonium ete. 435
DrEJERSchen Namen St. Behen besitzt, erhalten mülste, und
das scheint mir wenig angemessen. Für die südeuropäische
Art bleibt dann der Name St. serotina, da aus oben erörterten
Gründen der ältere Name St. angustifolia nicht in Betracht
kommt. Bei der nordeuropäischen St. Limonium ist dann
als besondere Form die form. pyramidalis und aulserdem
noch die var. hallandica zu unterscheiden; bei der südeuro-
päischen, die ja in erheblich stärkerem Mafse variabel ist,
besehränke ich mich darauf, nur die var. drepanensis und
die auf die oben ausführlich beschriebene Brunısche Pflanze
von Barletta gegründete var. Drunü als besondere Formen
hervorzuheben. Für den Formenkreis der St. @melini ergibt
sich bezüglich der Gliederung in Unterarten und Varietäten,
wie bezüglich der Frage, welehe Formen als eigene Arten
betrachtet werden können, das Nötige bereits aus der obigen
ausführlichen Darstellung; hinzugefügt sei nur noch, dals es
vielleicht zweckmälsig ist, die subspee. genuina in eine var.
typica und eine var. vulgaris zu gliedern, welch letztere
die europäischen Formen umfalst, die ja von den sibirischen
Typen in manchen Einzelheiten etwas abweichen.
Bemerkt sei noch, dafs es vielleicht angebracht sein
dürfte, aus der Boıssierschen Seet. Platyhymenium gewisse
Arten wie St. Dungeana, St. sinensis, St. australis heraus-
zunehmen und an die Limontum-Gruppe anzuschlielsen;
denn es kann keinem Zweifel unterliegen, dals die genannte
Sektion in der von BoıssIier gegebenen Umgrenzung durchaus
unnatürlich ist und nicht aufrecht erhalten werden kann.
Ich gedenke indessen hierauf bei anderer Gelegenheit zurück-
zukommen und sehe deshalb von einer ausführlichen Be-
handlung der fraglichen Arten an dieser Stelle ab; bemerkt
sei nur, dals dieselben auf Grund der gelben Farbe der
Corolle von den sämtlich blaublütigen Arten der Limonium-
Gruppe unterschieden und deshalb im Schlüssel als eigene
Unterabteilung leicht untergebracht werden könnten.
Es möge nunmehr zum Schlufs eine in Form eines
„Sehlüssels“ gehaltene kurze Gesamtübersicht über die
Gliederung unseres Formenkreises gegeben und daran eine
Zusammenstellung der Synonymie und wichtigsten Literatur
nebst kurzen Diagnosen der unterschiedenen Varietäten
28*
436 WALTHER WANGERIN, [36]
and Formen, soweit solche erforderlich sind, angeschlossen
werden.
A. Kelehröhre vollständig kahl.
a) Blätter lineal St. angustata.
b) Blätter oblong bis obovat-elliptisch.
a. Zweige der Rispe + warzig-rauh; untere Braktee
fast kreisförmig, kaum !/; so lang wie die obere
St. brasıliensis.
8. Zweige der Rispe vollständig glatt; untere Braktee
mehr als halb so lang wie die obere St. chilensis.
B. Kelehröhre an allen Rippen oder wenigstens an den beiden
inneren + abstehend behaart.
a) Kelehsaum ansehnlich, meist nicht mehr als 2— 21/,-
mal kürzer als die Röhre; Kelehzipfel grofs, drei-
eckig bis lanzettlich, intermediäre Zähne deutlich;
Blüten grofs (Keleh 6—9 mm lang).
a. Spieulae an den Blütenzweigen weit voneinander
abstehend.
I. Blütenzweige aufrecht oder wenig gebogen, in
subkorymboser Rispe; obere Braktee kaum
doppelt so lang wie die untere; Kelchzipfel
lang dreieckig; meist alle Kelehrippen behaart
St. bahusiensis.
II. Blütenzweige dünn, meist stark gebogen, in sehr
reich verzweigter, gewöhnlich subpyramidater
Rispe; obere Braktee dreimal länger als die
untere; Kelehzähne schmal lanzettlich; nur
zwei Rippen behaart St. caroliniana.
ß. Spieulae genähert, oft imbrikat in dichten Ähren.
I. Die beiden unteren Brakteen gleich lang; die
obere kaum doppelt so lang.
1. Rispe mit aufreehten, wenig abstehenden
Zweigen, dieht ebensträulsig; obere Braktee
auf dem Rücken konvex St. Limonium.
2. Rispe mit geraden, schräg abspreizenden
Ästen, subpyramidat; obere Braktee auf dem
Rücken schwach gekielt St. californica.
[37] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 437
II. Untere Braktee deutlich kürzer als die halbe
obere, meist nur !/, so lang wie diese; mittlere
Braktee länger (bis doppelt so lang) als die untere.
1. Rispe sehr locker verästelt, mit meist bogig
abspreizenden langen Ästen. Mittlere Braktee
vollständig hyalin, die beiden anderen mit
breitem Hautsaum St. serotina.
2. Äste der subpyramidaten Rispe aufrecht ab-
stehend und nur am Ende wenig nach aufsen
gebogen; mittlere Braktee auf dem Rücken
krautig, die übrigen nur mit schmalem Haut-
saum St. Nashii.
3. Schaft fast vom Grunde an verästelt, eine
sehr ausgebreitete besenartige Rispe bildend,
mit unregelmälsig gebogenen und abstehenden
Ästen. Spieulae ziemlich locker angeordnet;
Brakteen mit breitem Hautsaum, die mittlere
hyalin St. Endlichiana.
b) Kelchsaum schmal, drei- bis viermal kürzer als die
Röhre; Blüten klein (Kelch meist nieht über 5 mm lang).
a. Äste der Rispe aufrecht abstehend; Blütenzweige
in kleinen, ziemlich dichten Ebensträufsen;
Brakteen nur mit schmalem Hautrand; Keleh
mit fünf ansehnlichen, breit dreieckigen Zipfeln
St. limbata.
ß. Aste der Rispe weit bogig abspreizend.
I. Spieulae genähert bis dieht imbrikat.
1. Kelehzipfel klein, gewöhnlich kaum !/, von der
Breite des Saumes einnehmend St. Gmelini.
- # Schaft und Zweige kahl.
Kelehröhre schlank oder obkonisch, nur
an zwei Rippen behaart; Blattscheide
nicht auffallend breit.
° Blütenzweige in diehten, glomeraten
Partialinfloreszenzen, Spieulae dicht
imbrikat; Rispe regelmälsig verästelt,
subpyramidat, ihre primären Äste
nicht besonders verlängert
subsp. a. genuina.
438 WALTHER WANGERIN, [38]
00 Primäre Äste der sehr reich verästelten,
besenartigen Rispe stark verlängert;
Blütenzweige in lockeren Eben-
sträulsen; Spieulae meist etwasloekerer
subsp. b. scoparia.
ir Kelchröhre dick zylindrisch, an allen
Rippen behaart; Blattstiele mit auffallend
breiten Scheiden subsp. e. lilacina.
®*® Schaft und Zweige + dieht kurzhaarig
bis filzig; Kelch an allen Rippen und oft
auch in den Zwischenräumen dicht behaart
subsp. d. tomentella.
2. Kelehsaum tief fünfspaltig, Zipfel spitz
St. pyenantha.
II. Spieulae in sehr lockerer Anordnung; Rispe reich
verästelt, besenartig.
1. Schaft am Grunde kurz weichhaarig, nach
oben zuallmählieh verkahlend; oberste Braktee
auf dem Rücken zerstreut kurzhaarig; Blätter
oberseits warzig punktiert St. sareptana.
2. Sehaft völlig kahl.
* Untere Braktee auf dem Rücken krautig,
mit mälsig breitem Hautrand; Kelchsaum
fünftteilig, mit dreieckig oblongen, spitzen
Zipfeln St. Bungei.
** Untere Braktee vollständig hyalin.
Spieulae meist einblütig. Kelchzipfel
deutlich, breit dreieckig, subakut
St. membranacea.
jr Spieulae zweiblütig. Kelehsaum nur
sehr schwach und fast gleichmälsig
zehnzähnig St. effusa.
Es möge nochmals darauf hingewiesen werden, dals
der Wert dieses Schlüssels nur ein relativer ist, denn wie
schon oben betont, muls man sich damit begnügen, die
typischen Normalformen zugrunde zu legen und ist es nicht
möglich, dem vollen Umfange der bestehenden Variabilität
gerecht zu werden. So bestehen z. B. nicht nur Übergänge
[39] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 439
zwischen St. Limonium und serotina, sondern auch letztere
und die subspee. scoparia der St. Gmelini kommen in
einzelnen Fällen einander ziemlich nahe. Ferner sei erinnert
an die var. Bruni der St. serotina, die ohne Zweifel an diese
Art angeschlossen werden muls, trotzdem sie habituell mit
der St. bahusiensis eine gewisse Ähnlichkeit besitzt. Auch
im Formenkreis der St. G@melini bestehen zwischen der aus-
geprägt diehten und der auffallend lockeren Anordnung der
Spieulae Übergänge, insbesondere bei der subspee. scoparia,
obsehon für das Gros der Formen jenes Merkmal unbedenklich
als gutes Charakteristikum betrachtet werden kann. Anderer-
seits ist aber auch zu beaehten, dafs manche der Arten dureh
Eigentümlichkeiten des Habitus und sonstige kleine Züge,
die auch in der ausführlichsten Beschreibung sieh nicht
genau definieren lassen, in Wahrheit schärfer charakterisiert
sind, als es nach dem Schlüssel den Eindruck machen
könnte.
1. Statice angustata Wangerin nom. nov. — Limonium
angustatum Small Fl. of the southeastern United States
(1903) 900.
2. Statice brasiliensis Boissier in DC. Prodr. XII (1848)
644; Schmidt in Fl. brasil. VI, 4 (1878) 164, tab. XLVI,
fig. 1. — St. patagonica Spegazz. — Limonium brasiliense
Small l.e. — L. patagonicum Maeloskie in Rep. Princeton
Univ. Exped. Patag. VIII (1905) 656.
3. Statice chilensis Philippi in Anal. Univ. Chil. (1861) 58.
4. Statice bahusiensis Fries nov. mant. I (1832) 10 et
Summ. veget. Seand. I (1846) 200 (var. «. borealis). —
St. Limonium Linn. Spee. pl. ed. 1 (1755) 274 1. p.;
Fl. dan. tab. 315. — St. Orouanii Lenorm. ex Nym.
Consp. fl. europ. (1881) 609. — Limonium humile Mill.
Gard. Diet. ed. 8 (1768) n. 4. — L. rariflorum O. Ktze.
Rev. gen. (1891) 396.
form. nana Neuman Sveriges Fl. (1901) 205. — St.
rariflora Drej. Fl. exeurs. hafn. (1838) 121 e.p. — St.
bahusiensis var. 8. danica Fries Summ. veget. Scand. I
(1846) 200 e. p.
5. Statice caroliniana Walter Fl. Carol. (1788) 118. —
St. Limonium Linn. 1. e. e. p. — St. Limonium var.
440 WALTHER WANGERIN, [40]
caroliniana A. Gray. — Limonium carolinianum Britten
in Mem. Torr. Club V (1894) 255.
6. Statice Limonium Linn. Spee. pl. ed. 1 (1753) 274
(e. p.). — St. Limonium scanica Fries Nov. Mant. I
(1852) 10. — St. Limonium ß. Bbehen Boiss. in DC.
Prodr. XII (1848) 645. — St. Pseudolimonium Rehb.
Ie. pl. erit. VIII (1830) 6, fig. 959 et Fl. germ. exeurs.
(1830) 191. — St. Behen Drejer Fl. excurs. hafn. (1838)
122; Fries Summ. veget. Seand. I (1846) 200. — St.
scanica Lange Handb. Danske Fl. (1886/88) 539. —
Limonium vulgare Mill. Gard. Diet. ed. 8 (1768) n. 1.
form. pyramidalis Syme Engl. Bot. ed. 3 (1867) 160.
— 5t. Limonium a. genuina Boiss. in DC. Prodr. XII
(1848) 644 e. p. — Limonium vulgare form. pyramidale
Salmon in Journ. of Bot. XLIII (1905) 12.
var. hallandica Neuman Bot. Not. (1897) 203. —
Limonium vulgare var. hallandicum Salmon 1. e. 14.
7. Statice californica Boiss. in DC. Prodr. XII (1848)
643. — St. Limonium var. californica Wats. Bot. Calif. I
(1881) 466. — Limonium californicum Small 1. e.
8. Statice serotina Rehb. Ie. pl. erit. VIII (1830) 21,
fig. 998. — St. Limonium Linn. 1. e. e.p.; Rehb..l. e. 21,
fig. 997, Host Fl. austr. I (1827) 407 et var. auet. —
St. Limonium a. genwina (e. p.) et Y. macroclada Boiss.
in DC. Prodr. XII (1848) 644—645. — St. angustifolia
Tausch in Syll. pl. nov. Ratisbon. II (1828) 254. —
St. Gmelini Koch (non Willd.) Synopsis ed. 2 (1843)
684. — St. limonioides Bernh. ex Link Enum. hort.
Berol. I (1821) 295. — Limonium vulgare var. macro-
cladon Salmon in Journ. of Bot. XLIII (1905) 13.
var. drepanensis Rouy Rev. Bot. System. (1903) 169.
— St. drepanensis Tin. ex Guss. Fl. Sie. suppl. II (1843)
805. — Limonium vulgare var. drepanensis Salmon ]. e. 14.
var. Brunii Wangerin nov. var. — Differt ramulis
florigeris ineurvo-flexuosis valde elongatis, spieulis valde
dissitis, habitu ad St. bahusiensem accedens, sed
braeteae et flores ut in St. serotina typiea.
9. Statice Nashii Wangerin nom. nov. — Limonium
Nashii Small l. e.
[41] Über den Formenkreis der Staticee Limonium ete. 441
10. Statice Endlichiana Wangerin n. sp. — Perennis,
glaberrima. Folia omnia radicalia, oblonga, coriacea,
51/, em longe petiolata, 81/, em longa et 21/, cm lata
mihbi visa. Scapus 35 em altus, subangulatus, e basi
fere ramosissimus, ramis primariis flexuoso-patentibus
pluries diehotomis, seeundariis areuatim adseendentibus
ex parte sterilibus, ramulis florigeris valde laxis paulo
elongatis recurvatis spieulis unilateralibus laxiuseule
seriatis vel paulo ‘approximatis, omnibus panieulam
effusam amplissimam scopariam formantibus. Spieulae
2-florae, eonspieuae; braetea exterior ovata, acutata
vel breviter mueronulata, dorso leviter earinata, anguste
membranaceo-marginata ceterum herbacea, 2 mm longa,
intermedia hyalina fere 2-plo, suprema obtusa apice
saepius ineisa late hyalino-marginata 21/,—3-plo
longior. Calyeis 7 mm longi tubus longe obeonieus
basi secus costas 2 interiores pilosus, limbus eonspieuus
lobis laneeolato-triangularibus acutis 1!/;, mm longis
dentieulos intermedios manifestos 3-plo superantibus.
Corolla eoerulea. — Mexiko, im Staate Tamaulipas:
Rineön del Toro, an der ausgetroekneten Meeresbucht
Laguna Madre (R. Endlich Nr. 549, blühend im Juni
1904; herb. Berlin). 3
11. Statice limbata Wangerin nom. nov. — Limonium
Iimbatum Small]. e.
12. Statice Gmelini Willd. Spee. pl. I (1797) 1524. —
Limonium Gmelini Salmon in Journ. of Bot. XLVII
(1909) 287.
subspee. «. genwina Boiss. in DC. Prodr. XII (1848)
645. Glaberrima. Panieula + manifeste pyramidata;
ramuli florigeri ad apicem ramorum secundariorum in
faseieulos subglomeratos dense conferti; spieulae im-
brieatae.
a.typica Trautv. in Bull.phys.-math. Acad. St. Petersb.
XIV, Nr. 16 (1855) 252. — Flores valde minuti (calyx
haud ultra 4 mm longus); ealyeis tubus angustus sub-
eylindrieus, limbus paulo patulus lobis parvis late tri-
angularibus obtusis dentieulis intermediis saepius vix
manifestis vel omnino obsoletis.
WALTHER WANGERIN, [42]
3. vulgaris Wangerin. — St. scoparia Willd. herb.;
Rehb. Ie. pl. erit. III (1825) 37, fig. 391. — St. Gmelini
9. scoparia form. minor Trautv. 1. e. 254. — St. glauca
Willd. ex Roem. et Schult. Syst. VI (1820) 799. —
Flores sueto paulo majores, ealyeis tubus late obeonieus,
limbus haud patulus lobis saepius majoribus atque
+ acutis dentieulis intermediis manifestis.
form. steiroclada Wangerin. — St. Gmelini y. steiro-
clada Trautv. l. e. 254. — Habitu graeiliore, ramulis
secundariis magna ex parte sterilibus distineta.
subspee. b) scoparia Wangerin. — St. scoparia Pall.
ex Willd. 1. e. — St. Gmelini var. y. laxiflora Boiss. in
DC. Prodr. XII (1848) 645 et Fl. orient. IV (1879) 859.
— St. Gmelini ß. scoparia form. scorpioidea et form.
ramosissima Trautv. ]. e. — St. Meyeri Boiss. in DC.
Prodr. XII (1848) 645. — St. Limonium Pall. Tabl.
Taur. 49. — Limonium Gmelini var. Meyeri Salmon
l. e. 288. — Scapus plerumque e basi fere ramosissimus,
ramis valde patulo-reeurvis atque elongatis, ramulis
florigeris in eorymbos laxiuseulos valde ramosos eoalitis,
spieulis saepius laxius paulo spicatis.
var. gracilis Wangerin nov. var. — Scapo ramisque
valde graecilibus, infloreseentiis partialibus subpyrami-
datis, ramulis florigeris valde recurvis vix ramulosis,
spieulis subdensis, floribus minutis, ealyeis lobis obtusis
insignis. — Nordpersien (leg. Szovits).
var. limonioides Wangerin nov. var. — St. Limonium
Boiss. Fl. orient. IV (1879) 858—859 e. p.; Hal. Consp.
Fl. graee. III (1904) 16—17 e. p. — Paniculae rami
nudi, apicem versus ramulos nonnullos secundarios
areuatim adscendentes elongatos gerentes; ramuli flori-
geri paulo eonferti, breves, oblique patentes vel recurvi,
spieulis dense imbrieatis eompaeti. — Griechenland,
Kleinasien, Syrien.
subspee. e. Zilaeina Boiss. Fl. orient. IV (1879) 859
(pro var. 29). — St. lilacina Boiss. Diagn. pl. orient.
ser. 2. IV (1859) 68. — Foliorum petiolus longus, basi
in vaginam valde amplam dilatatus. Panieula ramo-
[43]
13.
14.
15.
16.
17.
Über den Formenkreis der Statice Limonium ete. 443
sissima ampla; ramuli florigeri breves, spieulis dense
eonfertis. Calyeis tubus erasse subeylindraceus secus
eostas omnes dense hirsutus, limbus valde patulus
amplus vix dentieulatus. — Cappadocien (bei Caesarea,
leg. Balansa).
var. lJawiflora Wangerin nov. var. — A forma typica
ramulis florigeris paulo longioribus, spieulis laxe dis-
positis differt. — Bei Saisaly in Cappadoeien (leg.
Zederbauer).
subspee. d. tomentella Wangerin. — St. Gmelini
d. tomentella Trautv. 1. e. 255 — 256. — St. tomentella
Beiss. in DC. Prodr. XII (1848) 645. — Folia subtus
seeus costam mediam atque scapus eum ramulis + dense
brevissimeque pubescentes. Calyeis tubus secus costas
omnes atque saepius in interstitiis quoque pilosus. —
Siüdöstliches Rulsland.
d. typica Wangerin. — Scapus et panieulae ramuli
dense pubescenti-tomentellae. Braeteae spieularum
d.orso dense sericeo-tomentellae, calyeis tubus totus
velutinus.
ß. subglabra Wangerin. — Scapus cum ramulis
sparse tantum puberulus; bracteae omnino fere glabrae;
calyeis tubus secus eostas tantum pilosus.
Statice pycnantha Koch in Linnaea XXI (1848)
716; Boiss. Fl. orient. IV (1879) 860. — St. Balansae
Boiss. Diag. pl. orient. ser. 2. IV (1859) 69.
Statice sareptana Becker in Bull. Soc. nat. Mose.
(1854) 454 et (1858) 12 et 60.
Statice Bungei Claus in Beitr. Pflzkde. russ. Reich. VIII
(1851) 308.
Statice membranacea Üzernajew Consp. pl. Charcov.
(1859) 51.
Statice effusa Boiss. in DC. Prodr. XII (1848) 645 et
Fl. orient. IV (1879) 860.
Noch könnte die Frage nach den gegenseitigen phylo-
genetischen Beziehungen zwischen den verschiedenen Gliedern
unseres Formenkreises gestellt werden, die um so mehr
Interesse verdient, als unserer Gruppe innerhalb der Gattung
444 WALTHER WANGERIN, [44]
Statice ohne Zweifel eine gewisse zentrale Stellung zukommt.
Bei der Geringfügigkeit der unterscheidenden Charaktere
und dem allseitigen Fluktuieren ist es jedoch schwer, auf
jene Frage eine bestimmte Antwort zu geben, da weder
morphologische noch pflanzengeographische Gründe uns in
die Lage versetzen, gewisse T'ypen als primäre, andere als
abgeleitete zu betrachten, da bestimmte Entwieklungs-
richtungen kaum erkennbar sind und es sich in manchen
Fällen nieht entscheiden läfst, ob das Vorhandensein von
Übergangsformen zwischen zwei Gliedern nur auf Konvergenz
oder auf gegenseitiger Abstammung beruht. Immerhin mag
versucht werden, mit ein paar Bemerkungen jener Frage
noch näher zu treten. Zunächst kann es keinem Zweifel
unterliegen, dals St. Limonium und St. serotina unmittelbar
zusammengehören und dals erstere wiederum mit St. bahu-
siensis in engster Beziehung steht. Dem Ursprung dieser
drei Arten dürfte derjenige Zweig nahe stehen, dem die
überwiegende Mehrzahl der amerikanischen Arten angehört.
Unter diesen stehen sich zunächst St. cakifornica und St.
chilensis so nahe, dals für beide wohl eine gemeinsame
Abstammung angenommen werden darf; ihrem Ursprung
dürfte die St. brasiliensis einigermalsen nahe kommen,
während man St. caroliniana einerseits, St. Nashii und
Endlichiana andererseits wohl besser als Repräsentanten je
eines besonderen Seitenastes ansieht. Der St. angustata
vermag ich zur Zeit eine Stellung nicht anzuweisen, da ich
diese Art aus eigener Anschauung nicht kenne und die
Originalbeschreibung keine genügenden Anhaltspunkte ge-
währt. Isoliert steht unter den amerikanischen Arten St.
limbata, die zwar mit dem Formenkreis der St. Gmelini
manche Züge gemeinsam hat, aber doch schwerlich von
diesem abgeleitet werden kann. Nicht zweifelhaft erscheint
es mir, dals der gesamte Formenkreis der St. Gmelini auch
phylogenetisch als einheitlich betrachtet werden kann; hier
dürfte die subspee. genuina und die St. pycnantha als End-
glieder eines Zweiges zu betrachten sein, während St. sarep-
tana, St. Bungei usw. einem zweiten angehören, der sich
einerseits an die subspee. scoparia anschliefst, andererseits
zu der St. latifolia hinüberleitet. Alles in allem ergibt sich
[45] Über den Formenkreis der Statice Limonium ete, 445
so folgende schematische Darstellung der mutmalslichen
Verwandtschaftsbeziehungen, in der die einzelnen Arten der
Einfachheit halber mit den Nummern der vorstehenden Liste
bezeichnet sind:
&)
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K%)
N
&
S
..
S ©
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' ($ ; &
Verzeichnis der bis jetzt in Thüringen
beobachteten Homopteren
H. Haupt, Halle a. S.
Diese Homopterenfauna von Thüringen ist durch die Ver-
einigung zweier Lokalfaunen entstanden, nämlich der „Hemi-
ptera van Thüringen“ von Mr. A. J. F. FokKEr (Zierikzee-
Holland) in der Tijdskrift voor Entomologie deel XLII (1899)
S. 14—16 und dem „Verzeichnis der vom Oberpfarrer KRIEG-
HOFF in Thüringen bis jetzt (1903) gefundenen Homopteren“.
FokkeEr hat das Material zu seiner Fauna Thüringens
nicht selbst gesammelt, sondern seinerzeit von Prof. Dr.
O. SCHMIEDEKNECHT-Blankenburg i. Thür. mit Hemiptera
heteroptera zusammen zur Bestimmung erbalten. Die Be-
stimmung der Homopteren überliels er zum grölsten Teil den
Herren B. LErHIEerry (Lille) und Dr. L. MELICHAR (Wien).
Da nun den Hemiptera in Deutschland bis dahin wenig
Aufmerksamkeit geschenkt worden war, so stellte FOKKER
in dankenswerter Weise die Bestimmungsresultate zu einem
Verzeiehnis zusammen, das aulser einer grolsen Anzahl
Hemiptera. heteroptera auch 117 Arten Hemiptera homoptera
enthält.
Das Verzeichnis der vom Öberpfarrer KRIEGHOFF-
Langenwiesen i. Thür. erbeuteten Homopteren ist nur hand-
schriftlich vorhanden. Es ist im Jahre 1903 abgeschlossen
worden und enthält 127 Arten. Die Bestimmung derselben
hat durehweg Dr. MELıicHAr besorgt. Es wurde von KRIEG-
HOFF im Februar 1904 dem Hemipterenforscher Dr. Tr.
HüsBER-Ulm übermittelt, der es bei Aufstellung seines „Cata-
[2] Verzeichn. d. bis jetzt in Thür. beobachteten Homopteren. 447
logus Inseetorum faunae germanieae: Hemiptera homoptera
(1904)“ benutzte und es anhangsweise beim Verzeichnis der
einschlägigen Literatur erwähnt. Da ich von der Firma
O. Staudinger & A. Bang-Haas in Blasewitz b. Dresden den
gesamten unbestimmten Nachlals KrıeGuorrs (gest. Januar
1907) an Homopteren zur Bestimmung erhielt, bat ich Herrn
Dr. Hörer um Überlassung des erwähnten Manuskriptes
zur Veröffentlichung, worauf er es mir schenkte, wofür ich
ihm an dieser Stelle nochmals meinen Dank abstatten
möchte.
Die nachgelassene Sammlung KRIEGHoFFSs befand sich
leider in keinem guten Zustande, vor allem fehlten bei den
meisten Tieren die Fundortsangaben. Immerhin konnte ich
noch einige herausfinden, die in seinem Manuskript fehlten,
von FoKkkKErR aber schon als Thüringer Arten aufgeführt
wurden. Ferner fanden sich noch vier Tiere, die für die
Fauna Thüringens neu waren:
Platymetopius guttatus de G.
Cicadula cyanae Boh.
Eupteryx löwi Then.
Eupteryx urticae var. cyclops Mats.
Euptery& cyclops Mats. wurde von Dr. S. MATsUmURA
in „Die Cieadinen der Provinz Westpreulsen“ (Schriften der
naturforschenden Gesellschaft in Danzig Bd. XI, Heft 4,
S. 65—82) als neue Art beschrieben. Da ich aber lückenlose
Übergänge von der Stammform E. urticae Fab. bis zu E.
cyclops Mats. besitze und der Unterschied zwischen beiden
nur in der Punktierung der Stirn besteht, so habe ich E.
cyclops Mats. als Art eingezogen. — Eine Beschreibung der
Varietäten von E. urticae Fab. folgt in nächster Zeit.
Das Verzeichnis KRIEGHOFFS enthält aulser den Cieadinen
noch eine Aufzählung von 17 Psylliden, darunter als neu
für die Fauna Deutschlands Psylla sorbi L., die bisher nur
aus Schweden bekannt war.
Bei der Aufstellung des Verzeichnisses habe ich mich
nach dem „Verzeichnis der palaearktischen Hemipteren“ von
B. OsHAnın (St. Petersburg 1908) gerichtet und dort, wo es
in der Benennung von MELICHAR, „Cieadinen von Mittel-
448 H. Haupr, [3]
europa“ abweicht, die darin gebrauchten Namen zum Zwecke
besserer Orientierung in Klammern beigefügt.
Hinter denjenigen Tieren, die nur von FOKKER genannt
werden, steht ein (F.), hinter denen, die nur von KRIEGHOFF
aufgeführt werden, ein (K.). Bei den Tieren, deren Namen
in beiden Verzeichnissen stehen, ist jede besondere Be-
zeichnung fortgelassen.
Da ich soeben eine Revision der Varietäten von Phi-
laenus spumarius L. beendet habe, die auch in dieser Zeit-
schrift zur Veröffentlichung gelangen wird, habe ich zwei
Varietäten dieser Art eingeklammert. Ich habe gefunden,
dals var. apicalis Germ. synonym mit var. praeustus Fab.
ist; var. pallidus Zett. halte ich für ein bleiches Stück der
var. maculatus Zett. Dieser Name wieder ist in MELICHAR,
„Cieadinen von Mitteleuropa“ für var. ustulatus Fall. einzu-
setzen, desgl. bei OsHAnIn u. a., die sich auf ihn beziehen.
Hemiptera-Homoptera.
Sectio Auchenorhyncha.
I. Fam. Cicadidae.
Cicadetta Kolen.
1. C. montana Scop.
II. Fam. Cercopidae.
Subf. Cercopina.
Treciphora Am. S.
D
ia!
. vulnerata Ilig.
Subf. Aphrophorina.
Lepyronia Am. 8.
3. L. coleoptrata L.
Aphrophora Germ.
4. A. corticea Germ. (F.).
salicis de G. (K.).
6. „ almi Fall.
Sx
[4] Verzeichn. d. bis jetzt in Thür. beobachteten Homopteren. 449
Philaenus Stäl.
7. Ph. lineatus L. (K.).
8. ,„ execlamationis Thunb.
9. „ albipennis Fab.
10. ,„ spumarius L. (Stammform, bzw. var. maculatus Zett.
Flor.)
var. leucophthalmus L.
„ biguttatus Fab.
„ lateralis L.
„ (apicalis Germ.) Sämtliche Varietäten
„ leucocephalus L. ı werden von KRIEGHOFF
„ praeustus Fab. aufgeführt;
„ vittatus Fab. FokKER nennt keine.
„ lineatus Fab.
„ (pallidus Zett.)
„ populi Fab. |
III. Fam. Membracidae.
Subf. Centrotina.
Centrotus Fabr.
11. ©. eornutus L.
Gargara Am. S.
12. @. genistae Fab.
IV. Fam. Jassidae.
Subf. Ulopina.
Ulopa Fall.
13. U. reticulata Fab.
Subf. Megophthalmina.
Megophthalmus Curt.
14. M. scanicus Fall.
Subf. Ledrina.
Ledra Fab.
15. L. aurita L.
Zeitschr. f. Naturwiss. Halle a. S. Bd.82, 1911. 39
450
16.
167%
18.
30.
I. HAUPT,
Subf. Tettigoniina.
Tettigonia Geoffr.
T. viridis L.
F „ var. arundinis Germ. (K.).
Euacanthus Lep. et Serv.
S
interruptus L.
„ acuminatus Fab.
Subf. Bythoscopina.
Idiocerus Lewis.
I. sceurra Germ.
„ notatus Fab. (F.).
, adustus H. S. (K.).
. „ similis Kbm. (K.).
. „ herrichöäi Kbm.
. „ maculatus Mel. (K.).
5. „ poecilus H. S. (R.).
. „ hturatus Fall.
. „ tremulae Estl. (K.).
. „ laminatus Flor. (K.).
. „ cognatus Fieb. (F.).
. „ confusus Flor.
„ albicans Kbm. (K.).
i ; aurulentus Kbm. (K.).
3. „ populi L.
. „ fulgidus Fab.
Macropsis Lewis.
‚ M. lanio L.
» var. brunnea Fab. (K.).
Bythoscopus Germ. Fieb.
B. alnı Sehr.
„ flavieollis L.
„ rufusculus Fieb. (K.).
Pediopsis Burm.
P. tiliae Germ.
„ cerea Germ.
[6] Verzeichn. d. bis jetzt in Thür. beobachteten Homopteren. . 451
41. P. virescens Fab.
a Z var. graminea Fab. (K.).
42. „ mendax Fieb. (F.).
43. „ distineta Seott. (K.).
44. „ nassata Germ.
: 4 var, marginata H. 8.
45. „ scutellata Boh.
46. „ nana H. S. (F.).
47. „ megerlei var. bipunctata Leth. (K.).
Agallia Curt. N
48. A. brachyptera Boh. (K.).
49. „ venosa Fall.
Subf. Jassina.
Div. Acocephalaria.
Eupelix Germ.
50. E. depressa Fab. (F.).
5l. „ producta Germ.
52. „ cuspidata Fab.
S
Acocephalus Germ.
59. A. nervosus Sehr. (striatus Fab.)
‚94. „ bifasciatus L. (K.).
55. „ tricinctus Curt.
56. „ albifrons Seott.
57. „ flavostriatus Donov. (rivularis Germ.).
Div. Jassaria.
Doratura J. Shlb.
58. D. stylata Boh. (K.).
Graphocraerus Thoms.
59. G. ventralis Fall.
Platymetopius Burm.
60. P. guttatus Fieb. (K.).
61. „ undatus de G.
292
452 H. Haupt,
Deltocephalus Burm.
62. D. punctum Flor. (K.).
63. „ socialis Flor. (K.).
64. „ bohemanni Zett. (F.).
; 5 var. calceolatus Boh.
65. „ multinotatus Boh. (F.).
66. „ distinguendus Flor.
67. „ parallelus Fieb. (F.).
68. „ pieturatus Fieb.
69. „ flori Fieb. (K.).
70. „ pulicari& Fall. (K.).
71. „ hyalinus Fieb. (F.).
72. „ striatus L.
73. „ abdominalis Fab.
74. „ collinus Boh. (K.).
75. „ cephalotes H. S.
Jassus Fab. (Allygus Fieb.).
76. J. commutatus (Fieb.) Seott.
77... mayrı Rbmr eo):
78. „ mixtus Fab.
79. „ modestus (Fieb.).
Goniagnathus Fieb.
80. G. brevis H. S. (F.).
Athysanus Burm.
81. A. stactogalus Am. (F.).
82. „ striatulus Fall. (K.).
A r var. orichalceus Tbms. (F.).
83. „ striola Fall. (K.).
84. „ lineolatus Brulle.
85. „ schenki Kbm. (K.).
86. „ grisescens Zett. (F.).
87. „ plebejus Fall.
88. „ absoletus Kbm.
89. „ brevipennis Kbm. (K.).
8]
107.
108.
10%
110.
LET
112.
Verzeichn. d. bis jetzt in T’hür. beobachteten Homopteren.
Thamnotettix Zett. Fieb.
Th. fenestratus H. S. (F.).
„ quwinquenotatus Boh. (K.).
tenuis Germ.
croceus H. S.
attenuatus Germ. (F.).
torneellus Zett.
abietinus Fall.
pictus Leth. (F.).
„ subfusculus Fall.
„ erythrostictus Leth. (F.).
„ prasinus Fall. (K.).
„ simplex H. S.
„ eruentatus Pnz.
„ Ppreyssleri H. S. (F.).
„ quadrinotatus Fab.
„ frontalis H. S. (K.).
„ sulphurellus Zett.
Grypotes Fieb.
G. pinetellus Zett.
Oicadula Zett.
Ü. cyanae Boh. (K.).
„ sexnotata Fall.
e a var. diminuta Leth. (K.).
„ punctifrons Fall.
Ballutha Kirk. (Gnathodus Fieb.).
DB. punctata Thunb.
Subf. Typhloeybina.
Alebra Fieb.
A. albostriella Fall.
: n var. wahlbergi Boh.
D » » fulweola H. S. (K.).
H. HAupr,
Erythria Fieb.
. E. manderstjernai Kbm. (K.).
„ aureola Fall. (F.).
Dieraneura Hardy.
. D. agnata Leth. (K.).
, flavipennis Zett. (K.).
„ mollicula Boh. (K.).
Chlorita Fieb.
. Ch. flavescens Fab.
„ solani-tuberosi Kollar. (K.).
„ viridula Fall.
Empoasca Walsh. (Kybos Fieb.).
. E. smaragdula Fall.
Euptery& Curt.
. £. viitata, L. (RK):
, notata Curt (wallengreni Stäl) (K.).
„ germarı bett.
„ löwi Then. (K.).
„ concinna Germ. (F.).
„ pulchella Fall.
„ stellulat« Burm. (F.).
,‚ atropunctata Goeze (carpini Leth.).
„ aurata L.
„ urticae Fab.
. 2 var. cyclops Mats. (K.).
Typhlocyba Germ.
. T. jucunda H. S.
„ eruenta H. S. (K.).
„ sexpunctata Fall. (K.).
„ nitudula Fab.
„ rosae,L, (K.):
„ geometrica Sehrk.
„ quercus Fab.
110]
139.
140.
141.
142.
143.
144.
145.
146.
147.
148.
149.
154.
Verzeichn. d. bis jetzt in Thür. beobachteten Homopteren,
Zygina Fieb.
Z. hyperici H. 8. (K.).
„ scutellaris H. 8. (F.).
„ parvula Boh. (F.).
„ flammigera Geoffr. (blandula Rossi) (K).
V. Fam. Fulgoridae.
Subf, Cixiina.
Oliarius Stäl.
O. panzeri P. Löw. (F.).
Cixüus Latr.
C. pilosus Oliv.
„ var. infumatus Fieb. (F.).
L 5 „ albieinetus Germ. (F.).
„ nervosus L.
„ heydeni Kbm. (K.).
„ cunicularius L.
„ simplex H. S. (F.).
Subf. Issina.
Div. Issaria.
Issus Fab.
coleoptratus Geoffr.
Subf. Tettigometrina.
Tettigometrina Latr.
. T. virescens Pnz. (F.).
„ impressopunctata Duf.
„ macrocephala Fieb. (F.).
„ obliqua Pnz.
Subf. Delphaeina.
’ Asıraca Latr.
A. clavicornis Fab. (F.).
455
157.
163.
164.
=S
H. Haupr, 11]
Dtenocranus Fieb.
—
. minutus Fab. (lineola Germ.).
Kelisia Fieb.
. K. guttula Germ.
Eurysa Fieb.
E. lineata Ferr. (F.).
Conomelus Fieb.
. ©. limbatus Fab.
Delphax Fab. (Liburnia Stäl).
. D. pellucida Fab.
„ sordidula Stäl.
„ fairmavrei Perr. (F.).
Dicranotropis Fieb.
. D. hamata Boh. (F.).
Stiroma Fieb. (F.).
St. albomarginata Curt. (K.).
„ affinis Fieb. (F.).
Nachzutragen ist noch Thamnotettix splendidulus Fab.,
die MELICHAR (Cieadinen von Mitteleuropa) als Thüringer
Art aufführt.
Sectio Sternorhyncha.
Subseetio Phytophthires.
Fam. Psyllidae.
Div. Aphalararia.
Aphalara Frst.
1. A. artemisiae Frst.
2.
3.
„ exihs Weber et Mohr.
„ Ppicta Zett,
[12] Verzeichn. d. bis jetzt in T'hür. beobachteten Homopteren.
4.
12:
BR.
Psyllopsis FF. Löw.
fraxini L.
Psylla Geoffr. F. Löw.
. erataegi Sehr.
pyrisuga Fıst.
mali Schmdbg.
ulmi Frst.
alnı L.
foersteri Flor.
prumi Scop.
melanoneura Frst.
nigrita Zett.
saliceti Frst.
sorbi L.
Arytaena Frst.
. genistae Latr.
Div. Triozaria.
Trioza First.
. urticae L.
ä!
7
Einiges über die höhere Tierwelt der
Marianen
von
Dr. med. Schnee, Kaiserl. Regierungsarzt auf Saipan
Saipan, die Hauptinsel der Marianen-Gruppe liegt etwa
unter dem 15.° n.Br., somit schon weit genug vom Äquator
entfernt, dals im Gegensatz zu Ponape und anderen Karolinen-
Inseln bereits Erscheinungen auftreten, die man auf jenen
vergeblich sucht;. dahin rechne ich in erster Linie das Auf-
treten einer Morgen- und Abenddämmerung. Des weiteren
sind aber auch die Jahreszeiten hier schon schärfer aus-
geprägt, jedoch nieht in der Art, dals sie etwa auf die
Pflanzen- oder Tierwelt irgendwie von Einfluls sein könnten.
Nein, das Klima ist and bleibt ein tropisches und somit jenem
der Karolinen-Gruppe recht ähnlich, indem ja auch hier be-
deutende Regenmengen niedergehen, wie das bei Inseln in
der Mitte eines so gewaltigen Meeres nicht Wunder nehmen
kann. Was ich im folgenden von Saipan zu berichten ge-
denke, palst naturgemäls auch auf die anderen Marianen-
eilande und dürfte cum grano salis auch auf die Karolinen
Anwendung finden.
Saipan ist eine etwa an den Umrils einer Fledermaus
erinnernde Insel von 120 Dkm Oberfläche, welehe von Kalk-
gebirgen durchzogen wird, die sich bis 466 m erheben. Nach
Westen zu hat sich ein angeschwemmtes Vorland gebildet
mit einer allerdings nicht sehr tiefen Ackerkrume, die öst-
liche Breitseite fällt dagegen steil ab.
Säugetiere gab es auf dem Eilande ursprünglich nicht.
Die einzigen Vertreter dieser Klasse, die vor dem Menschen
[2] Einiges über die höhere Tierwelt der Marianen. 459
anwesend waren, stellen Fledermäuse dar. Warum gerade
sie die Insel erreicht haben, liegt auf der Hand. Solche
Tiere können von Insel zu Insel wandernd selbst weite,
trennende Meere überfliegen, welche ftir andere Geschöpfe
eine unüberwindliche Sehranke bilden. Merkwürdigerweise
hat auch eine kleine, insektenfressende Art (Eimballonura
semicaudata, Peale) die Insel erreicht. Das verdankt sie
wohl weniger ihrer Flugkraft als der Benutzung von schwim-
menden Bäumen oder anderen Transportmitteln. Dafs solche
kleinen Arten gelegentlich sehr weit verschlagen werden,
weils ich von Jaluit her. Für dessen Fauna war in einer
mir augenblieklich nieht mehr erinnerlichen Quelle dieselbe
Art angegeben. Ich habe mich indessen durch Umfrage
bei den Eingeborenen vergewissert, dals sie dort fehlt und
dafs es sich um ein verschlagenes, übrigens bald ein-
gegangenes Stück gehandelt hat, auf welches dort Bezug
genommen wurde. Ich weils übrigens wirklich nicht, ob
unsere Fledermäuse den Ruf schlechter Flieger in der Tat
verdienen oder ob er nur im Vergleich zu den — auf
diesem Gebiete ja ungleich Besseres leistenden — Vögeln
berechtigt ist. Die gro/sen fruchtfressenden Arten unter-
nehmen selbst gröfsere Sreifzüge nach Art der Zugvögel
und führen diese ohne Beschwerde durch. Hierfür ist ein
wenig bekannter Beweis, dafs jeden Sommer in die Gegend
von Sydney ganze Herden dieser gefräfsigen Gesellen kommen,
obwohl diese Stadt bereits aufserhalb des von ihnen be-
wohnten Gebietes liegt. — Der hier lebende fliegende Hund
oder „fanihi“, wie die Eingeborenen ihn nennen, ist ein
stattliches Geschöpf, welches nach meiner Taxe gegen 1 m
zu klaftern vermag. Wissenschaftlich ist er als Pieropus
keraudreni, Q. und G., bekannt. Der gewaltigen Flugkraft
entspricht seine weite Verbreitung, indem sich die Art von
den Palau- bis zu den Fidchi-Inseln hin findet. Die auf
Samoa lebende, dort „manu-langi*, d.h. Himmelsvogel, ge-
nannte Art, steht ihm sehr nahe, was auf deutsch ja nichts
anderes heilst als: beide Formen sind bereits lange genug
von einander isoliert, um sich abändern zu können.
Doch zurück zu unserm fanihi! Wenn man die Tiere
bisweilen auch am Tage herumfliegen sieht, wie mir erzählt
460 DR MED. SCHNEE, [3]
ist, so bemerkt man sie doch am häufigsten in mondhellen
Nächten. Wenn ieh früber bei Dunkelheit zu meiner etwa
15 Minuten vom Dorfe entfernt liegenden Wohnung zurück-
kehrte, so habe ich diese riesigen „Nachtvögel“ nieht selten
über die Kronen der Fruchtbäume dahinsegeln sehen, indem
sie lautlos wie gespenstischer Schatten oder wie eine schwarze
Silhouette an dem blauen Himmel vorbeistrichen, während
andere bei meiner Annäherung in dem dämmernden Grün
der leise rauschenden Gipfel verschwanden. Ihr rattenartiges
Pipsen habe ich auch am Tage, wo sie schlaftrunken an
Ästen hängen, öfters vernommen. Die Nahrung der fliegenden
Hunde besteht aus Früchten, insbesondere jener der zahl-
losen Guaven (Pisidium guajava, L.), die hier als ein gräu-
liches Unkraut auftritt, weiterhin fressen sie auch Brotfrüchte
und die an eine riesige Ananas erinnernden Drupa der
Schraubenpalmen oder Pandaneen; ebenso wenig ver-
schmähen sie natürlich die eingeführten Anonen, Bananen
und die Darbietungen anderer Fruchtbäume. Pteropus kommt
nicht in soleher Menge vor, dals der Schaden, den er an-
richtet, bemerkbar würde! Trotzdem stellen ihm aber die
Eingeborenen eifrig nach, gilt doch sein Fleisch für einen
vorzüglichen Leckerbissen!
Mit einem grolsen, am Ende einer langen Stange be-
festigten Netze zieht man zum Fanihifange aus. Mit Hilfe
des beschriebenen Instrumentes wird der schlaftrunkene
Flederhund leicht vom Aste losgerissen und in einem Korbe,
den der zweite „Jäger“ trägt, geborgen. Die Beute wird
später mit der Haut gekocht und auch so verzehrt. Sie
schmeckt, wie die Eingeborenen angeben und wie ich aus
eigener Erfahrung sagen kann, nach Moschus. Es ist in-
dessen nicht jedermanns Sache, einen noch behaarten Braten
auf dem Teller zu haben, weshalb wohl wenige Europäer
dieses Gericht versucht haben mögen. Das Fleisch schmeckt
im übrigen hühnerartig. Die grofse Leber halte ich geradezu
für einen Leckerbissen und versäume, seit ich dieses in Er-
fahrung gebracht habe, nicht bei Eingeborenenessen mir
dieses Stück zu Gemüte zu führen. Bei der erwähnten Fang-
metbode gelangen nicht selten junge Fanihi in die Hände
der Chamorro. Sie sollen äulserst zahm werden, nachts
[4] Einiges über die höhere Tierwelt der Marianen. 461
ausfliegen und am Morgen zurückkehren. Ich habe zweimal
versucht, junge Tiere dieser Art aufzuziehen, indessen war
es mir in beiden Fällen nicht möglich, die Tierchen vor
Ameisen zu schützen, trotzdem ich ihnen als Ruheplatz einen
freischwebenden, an zwei Bindfaden hängenden Ast an-
gewiesen hatte.
Eine importierte Hirschart Cervus martannus, Desm., ist
insbesondere auf der jetzt amerikanischen Marianeninsel
Guam häufig, ja sie scheint dort bereits zu einer Art Land-
plage geworden zu sein. Das Tier wurde von den Philip-
pinen aus dureh Mariano Tobias, welcher von 1771— 1774
Gouverneur der Gruppe war, eingeführt. Im deutschen Teile
des Archipels ist der Hirsch auf Rota bereits häufig, von
dort wurde er nach Saipan überführt, doch dürfen die Tiere
bei uns noch nieht erlegt werden, während auf Guam die
Hirschjagd eine beliebte Beschäftigung der Chamorro bildet.
Auf unserem Eilande leben die Hirsche mit Vorliebe auf
der fast unbevölkerten Ostseite, doch kommen sie zur Brunst-
zeit bis in die Nähe der an der Westküste liegenden An-
siedelung. In meiner früheren, aulserhalb des Dorfes befind-
lichen Wohnung habe ich mehrmals das Brüllen derselben
gehört. Sie waren in einer solchen Nähe, dals alle jene
dem Brunstschrei von den Jägern angediehtete Poesie 'ver-
loren ging und das rinderartige der Laute bereits un-
angenehm in den Vordergrund trat. Wie die Spuren aus-
wiesen, war der Hirsch das eine Mal nur wenige hundert
Schritte von meinem Hause entfernt gewesen. Wenngleich
ich die Tiere in Freiheit noch nieht gesehen habe, so kenne
ich doch eine von hier stammende und in Ponape aus-
gesetzte Ricke, aulserdem besitze ich einige Schädel von
dem benachbarten Rota. Dort pflegen einzelne Stücke von
Zeit zu Zeit zu „verunglücken“, wohl nicht ganz ohne Nach-
hilfe von Seiten der Eingeborenen. — Das Geweih ist drei-
sprossig, sehr kräftig entwiekelt, unten auffallend stark und
meist von guter Perlung, die Entfernung vom Rosenkranz
bis zur Spitze beträgt in gerader Richtung etwa 35 em.
Das Ratten und Mäuse auf unserem Eilande nicht
fehlen ist selbstverständlich. Die Wälder werden belebt von
verwilderten Rindern und namentlich Schweinen, weleh letztere
462 DR. MED. SCHNEE, [5]
von den Chamorro mit Hunden gejagt oder in Schlingen
gefangen werden, Auf dem Nachbareilande Tinian fanden
sich früher grölsere Herden wilder Rinder, schätzungsweise
2000— 3000 Stück, doch sind diese, seit die Jagd dort ge-
werbsmälsig zur Bereitung von Trockenfleisch ete, betrieben
wird, recht geliehtet. Dagegen sind ganz sonderbar hoch-
beinige, langrüsselige Schweine noch häufig; eine besonders
bergige, schwer zugängliche Eeke der 92 Dkm grolsen Insel
wird dagegen von Ziegen bewohnt. Weiter gibt es auch
eine grolse und eine kleine Rasse sog. „Wildhunde“. Alle
diese genannten, heute völlig freilebenden Geschöpfe stammen
natürlich aus der spanischen Periode von Haustieren her,
welche auf der lange Zeit unbewohnten Insel sich ungestört
vermehrt haben.
Unter den Landvögeln fallen in erster Linie die überall
gegenwärtigen und sich durch ihr eharakteristisches Geschrei
bemerkbar machenden Eisvögel auf. Abweichend von ihren
deutschen Verwandten sind sie dem Wasser abhold und
erwerben ihre Beute einzig und allein auf dem trockenen
Boden. Einen grolsen Teil ihrer Nahrung bilden wohl die
zahlreichen Heuschrecken der Insel, mit denen man sie
nieht selten auf einem umgefallenen Baume unweit des
Weges sitzen sieht. Des weiteren sollen sie mit Vorliebe
Eidechsen verzehren, was ich nur bestätigen kann; ja es
wird sogar behauptet, die zahlreiehen Eidechsen bildeten
einen Hauptbestandteil ihrer Nahrung. .
Man dürfte nach dem eben Angeführten geneigt sein,
die Eisvögel für nützliche Tiere zu halten, leider ist das
aber durehaus nieht der Fall! Auf Küchlein sind sie z. B.
äulserst erpicht, auch andern jungen Vögeln gegenüber
dürften sie kaum weniger blutdürstig sein. Vor einigen
Tagen hat sogar ein Eisvogel einem ausgewachsenen Huhne
den Kopf zerhackt und es so getötet. In der Nähe der
Wohnungen müssen die Tiere jedenfalls unbedingt ab-
geschossen werden, weil andernfalls die Hühnerzucht völlig
illusorisch werden würde. Ich habe nun zwar gesehen, dals
die Henne solehem freehen Räuber sehr energisch entgegen-
tritt und ihn auch glücklich in die Flucht schlägt und noch
eine Strecke weit verfolgt, gewöhnlich aber stürzt der Strauch-
[6] Einiges über die höhere Tierwelt der Marianen. 4653
dieb so heimtückisch zwischen die Schar der harmlosen
Küchlein, dafs jeder Verteidigungsversuch seitens der be-
sorgten Henne zu spät kommt. Selbst der Kanarienvogel
in seinem Käfig ist vor dem Unhold nieht sicher; frech
kommt er auf die Veranda und reilst dem Sänger den Kopf
ab. Bei allen seinen Räubereien geht der „sihig* ebenso
geschickt wie energisch vor. — Eines Abends sals ich auf
‘meiner Veranda und beobachtete eine Echse, welche auf
dem herabhängenden Blatte einer dieht daneben stehenden
Cocos hin- und herlief und sich äulserst behaglich zu fühlen
schien, indem die Abendsonne sie so recht angenehm durch-
wärmte. Da plötzlich ein kreischender Ton, ein Eisvogel
stürzte mit unglaublicher Geschwindigkeit heran, nahm im
Fluge das Eehslein fort und war mit ihm verschwunden,
ehe ich eigentlich recht begriff, was vorgefallen war.
Der gewaltige keilföürmige Stolsschnabel mit seiner
breiten Wurzel und den gerade verlaufenden Seitenrändern
des Oberkiefers bildet nicht nur eine gefährliche Waffe, die
auf den Beschauer bereits im ersten Augenblicke imponierend
wirkt, sondern sie ist auch ganz geeignet eine Beute, und
wenn es eine stahlglatte Echse wäre, zu fassen und sicher
festzuhalten.
Der verbreitetste Eisvogel Saipans ist Halcyon sauro-
phagus, J. Gd., eine von den Molukken bis zu den Salomonen
hin lebende Art. Kopf, Hals und Unterkörper sowie Unter-
flügel- und Unterschwanz-Federn des Tieres sind weils. Der
Zügel ist schwärzlich und setzt sich in einen dunklen, um
den Hinterkopf verlaufenden Kranz fort. Flügel, Schwanz
und Rücken erscheinen hellblau, bei genauerer Betrachtung
bemerkt man indessen, dals letzterer mehr grünlich und
somit abweichend gefärbt ist. Der Schnabel ist schwarz,
die Wurzel des Unterkiefers weilslich.
Im sehärfsten Kontraste zu dieser üblen Sippe steht
ein reizendes, sperlingartiges Vöglein, von den Eingeborenen
Chiehirika genannt, welches sich durch sein zutrauliches
Wesen die Zuneigung eines Jeden gewinen muls. Es ist
ein kleiner Fliegenschnäpper von unscheinbarer Färbung.
Hals und Körper erscheinen rötlich braun, der Kopf und
Rücken sind dagegen dunkel gefärbt. Einige anspruchslose
464 DR. MED. SCHNEE, [7)
weilse Querbinden der Flügel geben ihm jedoch bereits ein
zierlicheres Ansehen. Einfach aber recht ansprechend ge-
zeiehnet ist der Schwanz, deren schwarze Federn je einen
weilsen, auffallenden Fleck an ihrem Ende tragen, was dem
Tierchen zum grolsen Schmucke gereicht. Dieser Fliegen-
schnäpper hat die Gewohnheit, jeden, der in seine Nähe
kommt, eine Zeitlang zu begleiten, wobei er sich in kurzen
Zwisehenräumen auf einem Aste ete. niederlälst, um seinen
Schwanz wie einen Fächer mit einer geradezu erstaunlichen
Gewandtheit zu entfalten, wobei er höchst sonderbare Be-
wegungen ausführt; er erinnert so an einen Pfau im kleinen,
und wenn die Färbungen seines Rades auch nur einfache
sind, so wirkt doch das lichte Weils am Rande des schwarzen
Miniaturfächers inmitten des Laubgrünen, sein Auf- und
Zuklappen im Verein mit den zierliehen Bewegungen des
munteren Vögleins ungemein niedlich. Leider wird diese
Zutraulichkeit dem Fächerschwanzfliegenfänger (Rhipidura
uraniae, Oustalet) nur zu oft zum Verderben, indem er leicht
herumstreiehenden Hauskatzen oder Ratten zur Beute fällt.
Im Jahre 1904 sind hierselbst Perlhühner ausgesetzt,
welche sich gut vermehrt haben und in Trupps die Um-
gebung der Ansiedlung, übrigens auch andere Teile der
Insel beleben. Eine Schar hält sich in der Nähe des
Exerzierplatzes auf, wo man sie oft zu sehen bekommt. Da
die Hühner nicht gejagt werden dürfen, sind sie wenigscheu,
lassen den Menschen aber doch nur bis auf eine gewisse
Entfernung an sieh herankommen. Ihre eharakteristische,
wenig schöne Stimme hört man öfter als einem lieb ist.
Dafs diese Tiere sieh auf Saipan trotz der zahlreichen
Ratten haben vermehren können, verdanken sie zum grolsen
Teile ihren ungemein hartschaligen Eiern, welche diesen
Nagern unüberwindliche Schwierigkeit entgegensetzen, wenn
es gilt, dieselben sofort zu zerbrechen. Die Brut selbst
leidet aber naturgemäls vielen Schaden. Neuerdings sollen
sich die Perlhüihner nieht mehr so gut vermehren. Es liegt
nahe zu vermuten, dals die Eingeborenen unter der Hand
vielleieht manches Stück fangen und verzehren. Wenn man
versucht, die Eier durch Haushennen ausbrüten zu lassen,
so gelingt das meistens, indessen hat man an seinen Pfleg-
[8] Einiges über die höhere Tierwelt der Marianen. 465
lingen wenig Freude. Sie bleiben nur eine Zeitlang in der
Nähe des Hauses und laufen, wenn sie älter werden, regel-
mälsig in den Busch.
Obwohl einige Eingeborene zahme Tauben halten, eine
grolse, blaue Rasse, die wohl von den Spaniern stammt, so
sind solehe doch nieht gerade häufig. Dagegen finden sich
mehrere wilde Vertreter einer nahestehenden Familie, die
man als Fruchttauben bezeichnet. Sie eharakterisiert vor
allem, im Gegensatz zu den echten Tauben, ihr starker,
gesehwollener, kurzer Schnabel und das vorwaltend grüne
Gefieder. Mangels jeglicher Literatur kenne ich mich mit
diesen Tieren nieht recht aus, Bälge stehen mir auch nicht
zur Verfügung, somit möchte ich denn nur in aller Vorsicht
über sie reden. Zunächst ist vor ea. 7 Jahren eine grofse
Taube mit schwarzen Flügeln von den Palauinseln hierher
gebracht und auf der Ostseite der Insel ausgesetzt. Die Tiere
scheinen sich seitdem gut vermehrt zu haben, wenigstens
sieht man jetzt nicht ganz selten Exemplare in der Nähe
unserer, wie bemerkt, auf der Westseite des Eilandes liegenden
Ansiedlung. Zwei z. B. beobachtete ich öfters auf dem Wege
in der Nähe des Hospitals.
Von den einheimischen Fruchttauben dürfte Pilopus
roseicapellus, Less., die schönste sein. Sie steht der samoa-
nischen Fruchttaube (P. fasciatus, Peale) sehr nahe. Die
beiden Geschlechter sind gleich gefärbt, das Gefieder ist
grün, der Scheitelpurpur rot, die Unterseite ist gelb und
orange gefärbt, auf der Brust stehen gleichfalls einige
Purpurflecke. Die Eingeborenen nennen sie tot-tot und
stellen ihr wie den andern Arten eifrig nach. Es klingt
zwar unglaublich, indessen ist es doch Tatsache, dafs diese
Tiere mit dem bereits erwähnten Fanihinetz gefangen
werden können, indem man auf schmalen Pfaden die An-
fliegenden einfach zu Boden schlägt. Ihre Nahrung besteht
aus allerlei Früchten, insbesondere sollen sie jene des llang-
Ilangbaumes und des Cestrum, sowie die des Piod genannten
und des Lemoneito-Strauches verzehren. Der erst erwähnte
(Canangium odoratum, Lam.) dürfte als Lieferant eines be-
liebten Parfüms bekannt genug sein. Dagegen verdienen
die übrigen Nährpflanzen einige Worte. Cestrum ist eine
Zeitschr. f. Naturw. Halle a.S. Bd.82. 1911. 30
466 DR. MED. SCHNEE, [9]
Solanacee, aus deren zarten weilsen Blütenröhrehen sich
eiförmige Beeren von der Grölse einer wilden Kirsche ent-
wiekeln. Diese enthalten übrigens einen Saft, der als Tinte
bentitzt werden kann, die allerdings mit der Zeit fuchsig
wird, so dafs z. B. eine von mir ausgeführte Zeiehnung der
Pflanze heute recht übel aussieht. Unser Cestrum wurde
mir hier als „Nanagu“ bezeichnet, andere Eingeborenen
sagten, es hätte überhaupt keinen Namen. Soviel steht
jedenfalls fest, dals die Pflanze eine relativ neue Errungen
schaft der Marianenflora ist, da ältere Sammler sie nirgends
erwähnen. Nachdem sie einmal Fuls gefalst hatte, haben
die Tauben die Samen offenbar nach allen Richtungen
hin verschleppt und die Art somit über das ganze Eiland
verbreitet. — Lemoneito ist ein naher Verwandter unseres
Zitronenbaumes, er trägt kleine orangenfarbige Früchte, will
aber wegen seiner starken grünen Dornen mit Vorsicht be-
handelt sein. Piod endlich, ein weit verbreitetes Tropen-
gewächs, gehört zur Familie der Olacineae. Sein botanischer
Name lautet Himenia americana, L. Er tritt als Strauch oder
kleiner Baum auf, der eiförmige, kleine Früchte trägt, die
zuerst eine grüne, später eine orangefarbige Schale besitzen.
Der weilse, von einer braunen Aulsenhaut (wie bei einer
Nufs) umhüllte Kern riecht mandelartig angenehm und
erinnert im Geschmack etwas an die Birne.
Aulser der erwähnten Taubenart gibt es hier noch
mehrere andere, deren wissenschaftliehe Namen mir aber
unbekannt sind. Eine seltenere Art, von den Eingeborenen
als Apaka, „die Weilse*, bezeichnet, ist fast völlig braun
gefärbt, besitzt aber eine leuchtend weilse Brust. Ein von
mir gemessenes Stück war 26 em lang.
Wir redeten schon oben von der importierten Palau-
taube; eine zweite, anscheinend von den Philippinen stam-
mende und vor Zeiten durch die Spanier eingeführte Spezies
ist die paluma -halom tano, d. h. die Waldtaube der hiesigen
Chamorro. Ich nehme an, dafs sie mit der Zurtur dussu-
mieri, Temm., die auf Guam häufig vorkommt, identisch
ist. Von ihr rühren die einem schmelzenden „Du...du...*
gleichenden Laute her, welehe allabendlieh unser Ohr
erfreuen.
[10] Einiges über die höhere Tierwelt der Marianen. 467
Äufserst merkwürdig ist das Vorkommen eines Grolsfuls-
huhnes, welches in der Savane ein sehr verborgenes Leben
führt. Diese Vögel zeiehnen sich bekanntlich durch starke
Entwieklung der Fülse aus. Sie bedürfen einer solehen Aus-
rüstung, da sie grolse Haufen von Laub ete. zusammen-
kratzen, in welehe sie ihre grofsen Eier ablegen, welche
dureh die Wärme der verwesenden Stoffe gezeitigt werden.
Eine nahestehende Art des Bismarek-Archipels vergräbt sie
übrigens in den warmen, vulkanischen Sand der Feuerspeier.
Ich kann aus eigener Erfahrung mitteilen, dals sie unsere
Hühnereier an Wohlgeschmack übertreffen. Diese Hühner
sind hinsichtlich der Brutweise also auf der Stufe der
Reptilien stehen geblieben. Jedenfalls verlassen die ge-
reiften Jungen, ohne ihre Eltern kennen gelernt zu haben,
nach einiger Zeit den natürlichen Brutofen und laufen davon,
um ein Leben auf eigene Faust zu beginnen. Bei uns lebt
ein Angehöriger der Gattung Megapodius, die sich durch
den zehnfedrigen breiten Schwanz auszeichnet, während er
bei den beiden anderen Gattungen eine dachförmige Gestalt
hat und aulserdem acht Federn mehr enthält. Die hiesige
Art ist braun, der Kopf grau» eine nackte Stelle desselben
ist rot gefärbt, Schnabel und Fülse gelb; wissenschaftlich
ist sie als M. laperousi, Quoy und Gaimard, bekannt. —
Die Eingeborenen verstehen das Huhn mit Schlingen zu
fangen; da das Fleisch aber hart ist, wird der „Sasengat“
wenig geschätzt und meist in Ruhe gelassen. Die grolsen
grünlichen Eier sollen dagegen gut sein. Ich habe sie noch
nicht gegessen, wenn sie aber nur halb so wohlschmeckend
sind, wie die des auf Neu-Pommern lebenden Buschhuhnes,
sehe ich dem Versuch mit Interesse entgegen. Ich habe
von Megapodius hier bisher nur ein halb erwachsenes
abgebalgtes Exemplar gesehen, habe aber Aussicht, in der
nächsten Zeit lebende Vögel dieser Art zu bekommen, über
deren Gebahren ich vielleieht später einmal berichten kann.
Auf dem stark bevölkerten, wie bereits erwähnt, im
amerikanischen Besitze befindlichen Guam fehlt der Sasengat
(offenbar bereits seit lange ausgerottet), auf unseren Inseln
kommt er aber wohl noch überall vor. Sein Vorkommen
ist indessen nicht auf die Marianen beschränkt, sondern
30*
468 DR. MED. SCHNEE, [11]
erstreckt sich bis nach den Palau-Inseln, woraus man wohl
schlielsen darf, dals zur Tertiärzeit beide Inselgruppen eine
zusammenhängende Landmasse gebildet haben.
Für diese Ansicht ist auch das Vorkommen einer kleinen
blauschwarzen, metallisch glänzenden Wurmschlange von
Wichtigkeit; sie lebt mit den Regenwürmern zusammen unter
Balken, vermoderndem Laub und ähnlichen Plätzen. Sie
ist für den Laien derartig dem Regenwurm ähnlich, dafs
die Eingeborenen von schwarzen und weilsen Regenwürmern
sprechen, also keinen Unterschied zwischen Reptil und Wurm
machen. Ich wurde durch die Muskelkraft dieser etwa finger-
langen Schlänglein in lebhaftes Erstaunen versetzt; auf den
Tisch gelegt bewegen sie sich derartig behende, dals sie
den Erdboden erreicht haben, ehe man noch zufassen kann.
Da diese Reptilien ausgesprochene Bodentiere sind, so ergibt
sich auch aus ihrem Vorkommen, dafs die Marianen früher
Teile eines Festlandes waren. — Kleine Echsen, insbesondere
das in der Südsee so weit verbreitete Lygosoma ceyanurum, Less.,
welches ich auch zur Winterszeit in der Nähe von Sydney
herumlaufen sah, sind häufig, ebenso verschiedene Geekonen.
Alle machen sich als halbe Haustiere durch das Wegfangen
von Fliegen, Mücken, Motten u. dgl. Ungeziefer nützlich.
Im Gegensatz zu ihnen ist der gegen Armlänge er-
reichende Yaranus indicus, Daud, ein höchst übler Gesell,
der neben dem „Sihig* den Hauptgeflügelfeind aus der
Klasse der Reptilien bildet. Gegen beide führt man daher
notgedrungen einen beständigen Kampf. — Die mächtige
Echse ist eigentlich ein schönes Tier, das infolge der grolsen,
goldgerandeten Augen einen entschieden energischen Eindruck
macht. Sein Kostüm ist bunt und besteht aus zahlreichen,
lebhaft gelben Tupfen, die sich von dem schwarzen Unter-
grund wirkungsvoll abheben. Die Färbung ist somit eine
recht auffallende. Sobald man aber etwas zurücktritt, macht
sich sogleieh ein grünlieher Schimmer bemerkbar, der aus
noch weiterer Entfernung gesehen noch stark genug ist, das
rasch dahinlaufende Tier derartig zu verdecken, dals es
sich von dem Untergrunde kaum noch abhebt.
Als Nistgelegenheit für die Hennen pflegt man hierzu-
lande zwischen etwa meterhoch befestigten Querstäben aus
12] Einiges über die höhere Tierwelt der Marianen. 469
Kokosblättern gefloehtene Körbe aufzuhängen, in denen sich
Laub befindet. Die Varane bohren sieh mit ihrem spitzen
Kopfe in den Boden ein, drängen das Geflecht allmählich
auseinander und holen dann unter der brütenden Henne die
Eier fort. Ganz vor kurzem hörten wir am hellen Mittage
das Geschrei einer Henne. Unter dem Dache aus Kokos-
blättern, welches die Nistgelegenheiten vor Regen schützt,
sah der Koch einen grofsen Varan aus einem solehen Korbe
zu Boden gleiten. Er kam gerade noch recht, den Übeltäter
vermittelst einer Schlinge, die er an einer langen Stange
befestigt hatte, abzufangen und unschädlich zu machen. Die
Tatsache, dals ich seit etwa 14 Tagen fast gar keine Eier
mehr bekommen hatte, war somit erklärt. Die Ratten, auf
deren Konto die gefundenen ausgefressenen Eier gesetzt
wurden, waren somit ungereehterweise von mir verdächtigt
worden. Die Schale war übrigens nur an zwei Stellen ein-
gedrückt, sonst aber unverletzt. Hieraus scheint hervor-
zugehen, dals das Bild in Brenm’s Tierleben, das einen
Varan darstellt, der Eier verschluckt, falsch ist. — Vor
einigen Wochen sind in derselben Lokalität innerbalb von
drei Tagen zwei weitere gro[se Exemplare gefangen. Ebenso
sehr wie auf Eier sind die Varane auf junge Vögel erpicht,
sie scheinen hier die Nesträuber par excellence zu sein.
Nicht so ganz selten passiert es, dafs der Spaziergänger
Vögel ängstlich schreien hört und näher kommend einen
dieser Strauchdiebe bemerkt, der sich eben seitlich weg-
schleicht. Hat man einen guten Hund bei sich, so nützt
ihm seine Hast, den nächsten Baum zu erreichen, nichts
mehr. Ehe er es sich versieht, hat ihn unser vierbeiniger
Begleiter am Nacken und schüttelt ihn so energisch, dafs
die mächtige Eehse bald mit gebrochener Wirbelsäule liegen
bleibt. Die meisten hiesigen Hunde hegen einen ganz
aulserordentlichen Hals gegen die Varane und scheuen weder
die spitzen Zähne, noch die sehr scharfen Krallen derselben,
wenn es gilt einen dieser ihrer Erbfeinde unschädlich zu
machen. Hat sich ein soleher Eierdieb in der Eile des
Rückzuges auf einen kleinen Baum geflüchtet, so ist es
leicht, ihn herabzuschütteln, da er sieh an dessen dünnen
Zweigen nicht genügend festhalten kann; auch bei gröfseren
470 Dr. mep. Scuner, Einiges über die höhere Tierwelt ete. [13]
gelingt es häufig, den „hilitui*, wie die Eingebornen das
Tier nennen, auf einen dünneren Zweig zu treiben. Die
Leute hier steigen einem solehen Varan auch wohl nach,
ergreifen ihn plötzlich am Schwanze und werfen ihn mit
einem plötzlichen Ruck herab. Das Ende einer solehen
Jagd ist jedenfalls meist, dals die Echse wie ein Sack zur
Erde plumpst und, ehe sie Zeit hat einen andern Zufluchts-
ort aufzusuchen, von einem Hunde abgefangen und un-
verzüglich ins bessere Jenseits befördert wird.
Da es Amphibien und Sülswasserfiseche auf Saipan nicht
gibt, kann ich meine Ausführungen, die meinen Landsleuten
einen Überblick über die hiesige, in die Augen fallende
Tierwelt gewähren sollten, schliefsen. Bei der Lektüre
dieser mehr wie anspruchslosen Zeilen möge sich der ge-
neigte Leser vor Augen halten, unter welchen Umständen
sie geschrieben sind. In einer Zeit, wo eine bedeutende
Arbeitslast auf mir ruhte, blieb mir niehts anderes übrig
als die wenigen Beobachtungen, welche ich hier gemacht
hatte, kurz zusammenzustellen, wenn ich anders der freund-
lichen Anregung des Herrn Herausgebers Folge leisten wollte.
Erklärung und tatsächliche Berichtigung.
Herr Prof. Dr. E.Wüsr in Kiel hat im 3. bis 5. Heft des
82. Bandes (1910) der Zeitschrift für Naturwissenschaften,
Organ des Be Vereins für Sachsen und
Thüringen zu Halle a. S., das auf dem grünen Umschlage
als Termin der Fertigstellung: März 1911 trägt und in die
Hände der Vereinsmitglieder im Juni gelangte, auf Seite 162
gesagt, dals ich über vertikale Verbreitung der Fossilien im
Travertinlager von Weimar-Taubach-Ehringsdorf noch nichts
veröffentlicht hätte; dem gegenüber stelle ich hierdurch fest,
dals bereits am 8. August vorigen Jahres (1910) von mir
eine Abhandlung, betitelt:
Das Pleistocän der Umgegend von Weimar.
Nach den bisherigen Forschungen kritisch behandelt von
Dr. phil. Artur Weifs, Physiker am Teechnikum Hildburghausen.
Hildburghausen.
Druck und Kommissionsverlag von F. W. Gadow & Sohn,
Herzogl. Hofbuchdruckerei.
im Buchhandel erschien. In dieser Abhandlung ist ungefähr
dasselbe angegeben, was jetzt Herr Prof. Dr. E. Wüsr als
seine Ergebnisse dem Publikum preisgibt. Alles, was ich
in obenerwähnter Abhandlung über die Wüsrschen Abhand-
lungen damals sagte, ist vollständig bestätigt durch die
jetzige Wüstsche Schrift, so besonders das auf Seite 55
angeführte (siehe Weiss, Pleistoeän und die Abhandlungen,
die von mir seit 1895 erschienen). Ich sehe mich deshalb
in keinerlei Weise veranlalst etwas von dem, was ich im
vorigen Jahre über die Methode der Wüsr-HAnne schen
Forschungen ausführte, zurückzunehmen oder etwa zu mildern.
Grund dieser tatsächliehen Mitteilung ist die Wahrung meiner
Priorität auf dem Gebiete der Erforschung der Weimaraner
Travertinlager gegenüber dem Herrn Prof. Dr. E. Wüsr.
Dr. phil. A. Weıss.
Literatur-Besprechungen.
Monographien einheimischer Tiere. Herausg. v. Prof.
Dr. H. E. Ziegler, Stuttgart u. Prof. Dr. R. Woltereck,
Leipzig.
Band I. Der Frosch, zugleich eine Einführung in das
praktische Studium des Wirbeltierkörpers von Dr. Friedrich
Hempelmann. Verlag von Dr. Werner Klinkhardt, Leipzig.
Preis geh. 4,80 M., geb. 5,70 M.
Band II. Das Kaninchen, zugleieh eine Einführung
in die Organisation der Säugetiere von Privatdozent Dr.
U. Gerhardt, Preis geh. 6,— M., geb. 7,— M.
Mit der Herausgabe dieser Monographien wird eine
wesentliche Lücke in unserer deutschen Literatur beseitigt
werden. ‘Bei uns war bisher lediglich eine derartige Mono-
graphie verbreitet und das ist eine Übersetzung aus dem
Englischen, nämlich HuxLeys musterhaftes Buch „Der
Krebs“, das alles Wissenswerte über dieses wirbellose Tier
in handlicher und billiger Form vermittelt. ZIEGLER und
WOLTERECcK beabsichtigen nun in ähnlicher, ja noch gründ-
licherer Weise alle wichtigen typischen Vertreter der heimischen
Tierwelt zu behandeln, um allen Iuteressenten, vom aka-
demischen Lehrer bis zum dilettantierenden Naturfreund,
alle wesentlichen Daten, die über den Bau, die Entwieklung,
die Physiologie, die Biologie, oder die Systematik der uns
auf Sehritt und Tritt vorkommenden Tiere in zahlreichen weit
verstreuten Einzelarbeiten vorliegen, in handlicher und über-
siehtliceher Form zugänglich zu machen. Was bisher von
der Reihe vorliegt, macht einen vielversprechenden Eindruck,
so dals wir unsern Lesern nur aufs wärmste empfehlen
können, das Erscheinen dieser Monographien aufmerksam zu
verfolgen.
Literatur-Besprechungen. 473
Der erste Band behandelt in mustergültiger Weise den
Frosch. Dr. HEmPpELMANN hat es verstanden, auf 200 Seiten
unter Beigabe einer Farbentafel mit unseren heimischen Frosch-
arten und 90 Textfiguren wirklich alle wesentlichen Punkte
aus der Anatomie, Histologie, Physiologie, Embryologie, Bio-
logie, geographischen Verbreitung, Paläontologie und Syste-
matik der Frösche übersichtlich zusammentragen und sie
so voraussetzungslos darzustellen, dafs auch der Niehtzoologe
sich in die Materie hineinzuarbeiten vermag.
Bildet dieser 1. Band gleichzeitig eine erschöpfende Ein-
führung für das Studium der Wirbeltiere, so verfolgt der von
Dr. GERHARDT verfalste 2. Band die Aufgabe, in die Kenntnis
der Säugetiere einzuführen; die Darstellung fufst also insofern
auf Band 1, als das Kaninchen ja ein Vertreter des Wirbel-
tiertyps ist, den wir im Frosch kennen gelernt haben. Im
besonderen vermittelt uns das rund 300 Seiten mit 60 Ab-
bildungen umfassende Werk den Bau eines Nagetierkörpers
und alles Wissenswerte vom Kaninchen, von seinen Rassen,
seiner Verwandtschaft mit den Hasen, seiner Lebensweise und
seinen Krankheiten. Auch dieses Werk macht einen vorzüg-
lichen Eindruck. Prof. Dr. G. BRANDES.
Brehms Tierleben. Allgemeine Kunde des Tierreichs.
Mit etwa 2000 Abbildungen im Text, über 500 Tafeln in
'Farbendruck, Kupferätzung und Holzsehnitt und 13 Karten.
Vierte, vollständig neu bearbeitete Auflage, herausgegeben
von Professor Dr. Otto zur Strassen. Leipzig und Wien,
Bibliographisehes Institut. Bd. 6. Die Vögel von ALFRED
BrEeum. Neubearbeitung von WILLIAM MARSHALL (T),
vollendet von F. HEMPELMANN und OTTO ZUR STRASSEN.
Erster Band: Flachbrustvögel, Tauchvögel, Pinguinvögel,
Sturmvögel, Storehvögel, Gänsevögel, Raubvögel. Mit
100 Abbildungen im Text und 36 Tafeln von A. FIEDLER,
R. KRETSCHMAR, W. KUHNERT, G. MÜTZEL, A. REICHERT,
F. ScHmiDTr-KAHRıNG, F. SPECHT, C. STERRY und 14 Tafeln
nach Photographien.
War es schon immer ein Ereignis, wenn eine neue Auf-
lage von BrEHMs Tierleben erschien, so ist es diesmal ein
ganz besonderes Ereignis, da es sich nieht wie früher nur
474 Literatur-Besprechungen.
um eine Berichtigung und eine Vervollständigung der früheren
Auflage handelt, sondern um eine wirkliche Neubearbeitung.
Sehon ein Bliek auf den zuerst erschienenen 6. Band zeigt
uns dies aufs deutlichste. Gleich der allgemeine anatomische
Teil ist von Grund aus umgearbeitet und jetzt mit zahl-
reichen vorzüglichen Illustrationen versehen. Von prinzipieller
Bedeutung für die ganze Darstellung in Brehms Tierleben
ist darin das Kapitel über die geistigen Fähigkeiten: die
frübere psychologische Vermenschliehung, der zufolge die
Tiere mit „Intelligenz“ und „Verstand“ ausgerüstet waren,
gilt als abgetan, dafür treten der angeborene Instinkt und
die assoziative Einprägung in ihre Rechte. .— Eine zweite
wesentliche Änderung betrifft die Einteilung der Vögel in
Ordnungen. Der neue Brehm beginnt mit den Ordnungen,
die früher den Beschluls machten. Dies wird sich auch in
der Anordnung der übrigen Bände bemerklich machen; die
moderne Zoologie verlangt eben ein Fortschreiten von den
einfacheren Lebewesen zu den komplizierteren, während man
früher die Betrachtung mit den höchstentwiekelten Tieren,
den Affen, begann. Die Darstellung der Vögelordnungen
fängt also in der neuen Auflage mit den Straufsen an und
zwar werden nach dem GAapowschen System alle Strauls-
vögel wieder zu einer Ordnung vereinigt, auch die Kiwis,
die nach dem früheren FÜRBRINGERSchen System zu den
Hühnervögeln gestellt waren. Neu ist in diesem Absehnitt
die Behandlung der ausgestorbenen Moas von Neu-Seeland
und von Madagaskar. Im übrigen sind in dem vorliegenden
Bande noch folgende Ordnungen behandelt: die Taucher,
die Pinguine (einschlielslieh der früher anderweit unter-
gebrachten Riesenpinguine, die Sturmvögel, die Storchvögel,
die Gänsevögel und die Raubvögel. Die am meisten in
die Augen fallende Änderung betrifft die Abbildungen.
Man findet ja eine ganze Reihe alter guter Bekannter von
MüÜrzEL, KRETSCHMER und SPECHT, aber die neuen Bilder
herrschen vor und besonders solehe von der Meisterhand
Wırn. Kunnerrs. Die früheren Farbentafeln sind sämtlich
verschwunden, aber dafür sind neue an ihre Stelle getreten
und neu hinzugekommen, und man braucht nur die Tafeln
mit gleichem Sujet nebeneinander zu halten, um zu sehen,
Literatur-Besprechungen. 475
welehe aufserordentliche Verbesserung die neue Auflage in
dieser Hinsicht erfahren hat. Eine weitere mit grolser Freude
zu begrüfsende Verbesserung bedeuten die zahlreichen neuen
Kunstdrucktafeln mit vorzüglichen photographischen Auf-
nahmen von meist selteneren Vogelarten. Bei dieser Wert-
sehätzung wirklich guter Illustrationen ist es nicht recht
verständlich, wie die alte Nandu-Tafel von BECKMANN-
Düsseldorf durchsehlüpfen konnte, sie fiel schon früher un-
vorteilhaft auf und stellt eher den afrikanischen Straufs oder
den Emu dar als den Nandu mit seinen langwallenden
Flügelfedern, die den ganzen Rumpf mitsamt den Schenkeln
bedecken. Sonst aber mufls jeder an dem Bildermaterial
seine helle Freude haben. Hoffen wir, dafs der alte Brenm
auch im neuen Gewande seine Anziehungskraft auf alle
Naturfreunde beibehält.
Prof. Dr. G. BRANDES.
Tierbau und Tierleben in ihrem Zusammenhang betrachtet
von Prof. Dr. Richard Ilesse und Prof. Dr. Franz Doflein.
I. Bd. Der Tierkörper als selbständiger Organismus von
Richard Hesse. Mit 480 Abbildungen im Text und 15
Tafeln in Schwarz-, Bunt- und Liehtdruck. Leipzig, Verlag
von B. 6. Teubner. Preis geb. in Leinwand 20,— M.
in Halbfranz 22,— M.
Wir haben im „Brehm“ ein Standardwerk über die
Tierformen der Erde und ihre Lebensweise in gemein-
verständlicher Form, dieses Werk kann aber naturgemäfs
nicht auf den feineren Bau und die Physiologie des Tier-
körpers, sowie auf die vielen interessanten Fragen nach den
Beziehungen zwischen Körperbau und Körperleistung ein-
gehen.
Für die Pflanzen liegt ein solches Werk in Kerner
v. Marilauns „Pflanzenleben“ vor, für die ungleich mannig-
faltiger gestalteten und noch nicht annähernd so gründlich
erforschten Tiere ist es aufserordentlich schwierig, etwas
ähnliches zu schaffen, aber dieses schwierige Werk ist von -
den beiden genannten Autoren mutig in Angriff genommen
worden und der bisher vorliegende erste Band verspricht
ein volles Gelingen.
476 Literatur-Besprechungen.
Hesse behandelt auf 768 Seiten Lex.-Form. (mit 15 Tafeln
und 480 Figuren) die Tierwelt in ihrer ganzen Mannig-
faltigkeit hinsiebtlich des Zusammenhanges von Bau und
Funktion. „Lebensäufserung und Bau verhalten sieh zu-
einander wie zwei Seiten einer Gleichung. Man kann keinen
Faktor, auch nicht den kleinsten, verändern, ohne die
Gleichung zu stören.“ Dieses von Hesse zitierte Wort
LEUCKARTS könnte dem Werke als Motto dienen, denn um
den darin ausgesprochenen Gedanken dreht sich die ganze
Darstellung. Vor nunmehr länger als 60 Jahren erschien
zum ersten Male ein umfassendes Werk, das vom gleichen
Gesichtspunkte ausging. Es war Bergmanns und Leuckarts
vergleichend-anatomisch-physiologische Übersicht des Tier-
reichs, in dem eben jenes Zitat enthalten ist. Dieses hervor-
ragende Werk würde nie in Vergessenheit geraten sein, wenn
nicht durch Darwıns Auftreten die ganze Naturforschung
in die Bahınen der Erforschung der Deszendenz gedrängt
worden wäre: es interessierte plötzlich weniger, wie das
Tier ist, sondern man wollte erforschen, wie und woher es
so geworden war. Seitdem sind nun zahllose Arbeiten auf
allen Gebieten der Morphologie erschienen, und ein Werk,
das von den gleichen Gesichtspunkten wie das Bergmann-
Leuckartsche ausgeht, muls daher ein ganz anderes, viel
reicheres Bild ergeben; was aber jedem bei einem Vergleich
der beiden Bücher auf den ersten Blick als wesentlichster
Unterschied in die Augen springt, ist die Art der Illustration,
nach dieser Riehtung hin ist das heutige Werk dem älteren
dank der enormen Fortsehritte der Technik himmelhoch
überlegen. Was nun den Inhalt des Hesseschen Werkes
angeht, so folgen einer ausführlichen Einleitung über das
Leben und den Lebensträger, das Protoplasma, über die
Einteilung der Organismen und die Abstammungslehre vier
umfangreiche „Bücher“ mit folgenden Titeln: 1. Statik und
Mechanik des Tierkörpers, 2. Der Stoffwechsel und seine
Organe, 3. Fortpflanzung und Vererbung, 4. Nervensystem
und Sinnesorgane. Den Sehlufs bilden drei Kapitel über
die Arbeitsteilung im Tierkörper, die Bindung der Teile zum
ganzen und die Anpassung der Teile aneinander. Wenn wir
aus der Fülle des Dargestellten etwas herausheben sollen,
Literatur-Besprechungen. 477
so müssen wir in erster Linie auf das glänzende Kapitel
des 4. Buches „Sehen und Sehorgane“ verweisen, das in
geradezu mustergültiger Weise unsere Kenntnisse von den
Sehorganen und deren Leistungen, an deren Beibringung
der Autor wesentlich beteiligt ist, zusammenfalst.
Alles in Allem ist das Buch ein klassisches Werk und
jedem, der eindringen möchte in die wunderbaren Geheim-
nisse der Beziehungen des Baues des tierischen Körpers zu
seinen Lebensäufserungen wärmstens zu empfehlen. Man
darf gespannt sein auf den zweiten Band, den Prof. DorLEINn
unter der Feder hat. Prof. Dr. G. BRANDES.
Geyer, D. Unsere Land- und Sülswasser-Mollusken.
Einführung in die Molluskenfauna Deutschlands. Mit über
500 lithographischen Abbildungen auf 18 Tafeln und Text-
illustrationen. Nebst einem Anhang über das Sammeln
der Mollusken. Zweite, vollständig neu bearbeitete Auf-
lage. 155 S. Stuttgart, K. G. Lutz’ Verlag, o. J. (1909).
Geb. 3,75 M.
Eine dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens ent-
sprechende Darstellung der deutschen Binnenmolluskenfauna,
nach der auch der Anfänger seine Funde leicht und sicher
bestimmen kann, wurde lange schmerzlich vermilst. GEYERS
Buch hilft endlich diesem Mangel ab. Der Verf. ist ein
ausgezeichneter Kenner unserer Binnenmolluskenfauna, um
die Erforschung derselben durch eine Reihe von wertvollen
faunistischen und systematischen Arbeiten hochverdient. Erst
kürzlich hatte ich die Freude, in dieser Zeitschrift (Bd. 81,
1909, S. 312) ein prächtiges Büchlein des Verf. über die
Biologie unserer heimischen Mollusken zu empfehlen. Das
jetzt vorliegende Buch ist ganz auf die Bedürfnisse des
Anfängers abgefalst und vermeidet jeden dafür überflüssigen
wissenschaftliehen Ballast. Trotz der bescheidenen Form,
in der das kleine Bueh auftritt, findet der Kenner allent-
halben das reife Urteil des erfahrenen Fachmannes und so
manche neue Beobachtung. Dem Anfänger bietet das Buch
alles, was er zum Sammeln und Bestimmen unserer Mollusken
braucht. Übersichtliche Bestimmungssehlüssel, kurze, klare
478 Literatur-Besprechungen.
und scharfe Diagnosen und ein ganz vorzügliches Abbildungs-
material ermöglichen eine leichte und sichere Bestimmung,
wovon ich mich durch zahlreiche Stichproben überzeugt
habe. Die Verbreitungsangaben sind kurz gehalten, bieten
aber dennoch ein klares, zuverlässiges Bild der Hauptzüge
der Verbreitung der einzelnen Arten. Nur der Kenner kann
ermessen, wieviel Arbeit in diesen kurzen Angaben steckt.
Das zu Grunde gelegte System der Schnecken ist das
altgewohnte. Dieses System ist zwar veraltet; doch bin ich
mit dem Verf der Ansicht, dals es richtig ist, dasselbe in
einem Buche für Anfänger beizubehalten, bis der Ausbau
eines neuen, auf anatomischer Grundlage aufgebauten Systems
im wesentlichen vollendet ist. Eine heikle Aufgabe war die
kurze Darstellung der so vielgestaltigen Wassermollusken,
besonders der Unioniden und Cyeladiden, in deren Systematik
durch sinnlose Formenspalterei so unendlich viel Unheil
angerichtet worden ist. Ich kann dem Verf. nur vollkommen
beipfliehten, wenn er gerade im Hinblicke auf die beiden
genannten Familien sagt: „Was ich gegeben habe, ist das,
was ein ehrlieher Mann heutzutage bieten kann.“ Das
gediegene, preiswerte Buch verdient wärmste Empfehlung.
Ew. Wüsr.
Werth, Emil. Das Eiszeitalter. Mit 17 Abbildungen
und einer Karte. (Sammlung Göschen Nr. 431). Leipzig
1909. Preis geb. 0,80 M.
Bei dem grofsen allgemeinen Interesse der Eiszeit-
forsehung und ihrer Bedeutung für die verschiedensten Wissens-
gebiete ist eine kurze Übersicht über den heutigen Stand
der Kenntnis und Erkenntnis des Eiszeitalters für weiteste
Kreise von Wert. Eine solehe Übersicht fehlte uns, denn
Gzinırz’ 1906 ersehienenes Buch über „Die Eiszeit“ bietet
ganz abgesehen von noch anderen schwerwiegenden Mängeln
schon deshalb keine brauchbare Einführung in die Kenntnis
des Eiszeitalters, weil er seine Hauptaufgabe darin sieht,
die von der ganz überwiegenden Mehrzahl der Eiszeitforscher
als indiskutabel abgelehnte Anschauung von der „Einheitlich-
keit der Eiszeit“ zu propagieren. WERrTH liefert ein auf
modernem Standpunkte stehendes, inhaltsreiches Büchlein,
Literatur-Besprechungen. 479
das auch eigene Beobachtungen und Gedanken enthält. Der
Bedeutung der Vorgänge des Eiszeitalters für die Gestaltung
der Erdoberfläche ist ausgiebig Reehnung getragen. Leider
lassen die Angaben des sonst vortrefflichen Büchleins öfters
an Zuverlässigkeit zu wünschen, so dals für eine neue Auf-
lage eine sorgfältigere Durcharbeitung notwendig ist. Das
Abbildungsmaterial ist recht dürftig. Ew. Wüsr.
Naturwissenschaftliehe Bibliothek für Jugend und
Volk. Herausgegeben von Konrad Höller und Georg
Ulmer in Hamburg. Reich illustrierte Bändehen im Um-
fange von 140—200 Seiten. Geschmackvoll gebunden je
1,80 M., geheftet 1,40 M. Leipzig, Verlag von Quelle & Meyer.
Von dem Erscheinen dieser Bibliothek haben wir bereits
früher Kunde gegeben; seitdem sind eine ganze Reihe
schmucker Bändehen herausgekommen, die die verschieden-
artigsten Wissensgebiete volkstümlich behandeln.
So findet „der deutsche Wald“ seine Würdigung
dureh den Botaniker Prof. Dr. Buesgen, das „Tierleben
des Waldes“ behandelt mit der Begeisterung des Jägers
und Hegers Forstmeister Sellheim, „Die Ameisen“ mit
ihren wundersamen Lebensgewohnheiten schildert uns der
bekannte Dresdener Myrmekologe Viehmeyer, „Unsere
Singvögel“ der vorzügliche Vogelstimmenkenner Prof. Dr.
Alwin Voigt, „die Heide“ mit allen ihren versteckten
Reizen zu würdigen unternimmt der Hamburger W. Wagner,
„im Hochgebirge“ aller Länder ist uns hinsichtlich der
Tierwelt der Zürieher Prof. Dr. Keller ein zuverlässiger
Führer, über „Reptilien- und Amphibienpflege unter-
richtet uns der Herpetologe Dr. P. Krefft und über „das
Sülswasser-Aquarium“ der Hamburger €. Heller, „die
Schmarotzer der Menschen und Tiere“ lehrt uns in
ihren wichtigsten Vertretern der als Helminthologe sehr
bekannte Generaloberarzt Dr. v. Linstow ‚kennen, „Die
mikroskopische Kleinwelt unserer Gewässer“ in ihrer
ganzen reizenden Vielgestaltigkeit behandelt der Weimaraner
Reukauf und in dem Büchelehen „Niedere Pflanzen“
werden uns durch Dr. R. Timm die Gefäfskryptogamen, die
Moose und Lebermoose, die Algen, Pilze und Flechten in
480 Literatur-Bespreehungen.
ihrem Bau und in ihren Lebensäufserungen nahe gebracht.
Alle Bändehen zeichnen sieh durch vorzügliche Farbentafeln
und zahlreiche treffliehe Figuren aus und sind jedermann
als reizende Geschenke warm zu empfehlen.
Wissenschaft und Bildung. Einzeldarstellungen aus allen
Gebieten des Wissens. Herausgegeben von Privatdozent
Dr. Paul Herre. Verlag von Quelle & Meyer, Leipzig.
Im Umfange von 130—180 Seiten. Geh. 1,— M., Original-
leinenbd. 1,25 M.
Auch diese im gleichen Verlage erscheinende Bändchen-
serie ist bereits früher von uns angezeigt worden; heute
liegen daraus wieder eine Anzahl von Bändehen naturwissen-
schaftlichen Inhalts vor, die wir als zuverlässige wissen-
schaftliche Ratgeber warm empfehlen können. Es sind
folgende:
1. Die Polarvölker von Dr. A. Byhan, Abteilungsvorsteher
am Museum für Völkerkunde in Hamburg. Mit 16 Tafeln
und 2 Karten.
2. Der Tierkörper, seine Form und sein Bau unter dem
Einflufs der äufseren Daseinsbedingungen von Dr. Eugen
Neresheimer mit 14 Figuren auf Tafeln und 30 Figuren
im Text. er
3. Die Säugetiere Deutschlands, ihr Bau, ihre Lebens-
weise und ihre wirtschaftliche Bedeutung von Privat-
dozent Dr. Curt Hennings. Mit 1 Tafel und 47 Figuren
im Text.
4. Tier- und Pflanzenleben des Meeres, von Prof. Dr,
Alexander Nathanson. Mit 3 Tafeln und 56 Figuren
im Text.
5. Der menschliche Organismus und seine Gesund-
erhaltung von Privatdozent und Oberstabsarzt Dr. Menzer,
mit 1 Tafel und 48 Figuren im Text.
6. Unsere Sinnesorgane und ihre Funktion von Privat-
dozent Dr. med. et phil. Ernst Mangold. Mit 40 Figuren
im Text. Prof. Dr. G. BRANDES.
Druck von Ehrhardt Karras, Ilalle a. S.
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1. und 2.H:
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ACADEMY Gr SCIENCES |
Zeitschrift für
[Naturwissenschaften
Organ des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und
Thüringen zu Halle a. S.
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unter Mitwirkung von Prof. Dr. C. Mez-Königsberg i. Pr.
und Geh. Rat Prof. Dr. E. Schmidt-Marburg
I: herausgegeben von
IR Professor Dr. G. Brandes
Professor der Zoologie an der tierärztlichen Hochschule
und Direktor des zoologischen Gartens zu Dresden
NOVEMBER 1910
_ VERLAG VON QUELLE & MEVER IN LEIPZIG ||
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Inhalt.
Original-Abhandlungen. Seite
Hoffmann, Dr. Karl, Wachstumsverhältnisse einiger holzzerstörenden
Pilze’(mit’9Riguren im"Text)”. sa. 2222. er ie Fu 35
Lange, Dr. Hans, Studien über die Zusammensetzung heliumführender
Mineralien (mit 7 Figuren im Text). 2... .. 2.2... St
Schulze,Erwin, Literatur über die triadische Pflanzengattung Pleuromeia 135
Wein, K., Th. Beling, Beiträge zur Flora des nordwestlichen Harzes . 129
Kleinere Mitteilungen.
Gesteine und Minerale des Radautales (Dr. Fromme) ........, 139
Neue Funde von Gletscherschliffen bei Halle a. S. (Prof. Dr. Wagner) 142
Über den Köderfang im Hochgebirge (E.Bauer) ......... 143
Zur Schmetterlingsfauna der Goitzsche (F. Bandermann). .. ..145
Ein Zwitter (?) von Saturnia pavonia L. (F. Bandermann) ..... 146.
Variationen im Geäder des Dipterenflügels (R. Kleine) ....... 147
Aus den Sitzungen der Entomologischen Gesellschaft zu Halle a. S. (E. V.)
(Daehne).:.. nee er ee 148
Literatur-Besprechungen . . . 2. 2 2. 2. 0 2 nn nn 154
Jährlich erscheint 1 Band in 6 Heften
Preis des Bandes 12 Mark
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VERLAG VON QUELLE & MEYER IN LEIPZIG
ERDBEBEN
Eine Einführung in die Erdbebenkunde
Prof. William Herbert Hobbs
Erweiterte Ausgabe in deutscher Übersetzung von Prof. Dr. Julius Ruska
Mit 30 Tafeln und zahlreichen Textillustrationen
Geheftet M. 6.60. In Originalleinenband M. 7.20
D* Sternwarten, die die Erscheinungen am Himmel verfolgen,
und den Wetterwarten, die uns über die atmosphärischen
Verhältnisse Aufschluß geben, haben sich in neuester Zeit die
Erdbebenwarten zugesellt, um die Bewegungen in den Tiefen der
Erde aufzuzeichnen und zu studieren. Sie haben ein Forschungs-
gebiet erschlossen, das noch vor wenigen Jahren für völlig unzu-
gänglich gehalten werden mußte, und es entspricht nur dem
geschichtlichen Verlauf der Dinge, wenn über Bau und Einrichtung
der Sternwarten und meteorologischen Stationen wie über die
Beobachtungs- und Meßinstrumente der Astronomen und Meteo-
rologen meist klarere Vorstellungen vorhanden sind als über die
Mittel und Wege, durch welche die geheimnisvollen Kräfte der
Tiefe in den Bereich der exakten Beobachtung gezogen wurden.
Man wird daher ein Buch willkommen heißen, das nicht
nur die instrumentelle Ausrüstung dieser Institute bis zu den
jüngsten Fortschritten in allgemeinverständlicher Weise darstellt,
sondern ebenso die geologischen Ursachen der Erdbeben, die
allgemein beiErdbebenbeobachteten Erscheinungen, die wichtigsten
Erdbeben der letzten Jahre, wie die Geschichte der Erdbeben-
forschung und diein Erdbebenländern auftauchenden praktischen
Fragen in eingehender und lichtvoller Weise behandelt. Es ist
das Werk desum die Erdbebenkundehochverdienten amerikanischen
Geologen Prof. Dr. William Herbert Hobbs, das wir hiermit in
einer vom Verfasser durchweg auf den neuesten Stand der Wissen-
schaft gebrachten Form von Prof Dr. J. Ruska ins Deutsche über-
tragen, den naturwissenschaftlich interessierten Kreisen vorlegen.
Möchte das Werk, dem in den Ländern englischer Zunge ein so
großer Erfolg beschieden war, nun auch in seiner verjüngten
und erweiterten deutschen Gestalt aufmerksame Leser finden.
Ausführliche Prospekte unentgeltlich und postfrei
\
DEUTSCHLANDS |
Eine Einführung in die deutsche Landschei
| für Lehrende und Lernende von
Dr. JOHANNES WALTHER
a4 o. Professor an der Universität Halle.
X'VI und 368 Seiten. Broschiert Mark 6.80, in Leinenband Mark 7.60.
Mit zahlreichen Abbildungen und Profilen sowie einer geologischen Karte.
’ Der Herausgabe eines Lehrbuches der Geologie stellen sich u 5
sachliche und formelle Schwierigkeiten in den Weg, denn nur ein Fach-
" gelehrter kann das ungeheure Tatsachenmaterial dieser aufblühenden
"Wissenschaft kritisch überschauen und aus der großen Zahl mehr oder
| weniger hypothetischer Anschauungen diejenigen Schlüsse auswählen,
| welche dem modernen Standpunkt entsprechen. er!
Nach langjährigen eingehenden Vorarbeiten hat Her durch seine c
" weitverbreitete Vorschule der Geologie bekannte Verfasser es unter- ji
nömmen, die geologische Entwicklung unseres Vaterlandes nach dem
neuesten Standpunkt der Wissenschaft zu schildern und den geologischen
"Bau der verschiedenen deutschen Landschaften von Borkum bis nach
Memel und von Holstein bis zu den Alpen so darzustellen, daß tür das
Studium der natürlichen Bodenverhältnisse, der Oberflächengestaltung.
und Heimatskunde jedes einzelnen Gebietes eine wissenschaftliche Grund- x
‚lage geboten wird. Künstlerisch ausgeführte Landschaftsbilder, Profile,
Karten und andere Abbildungen erläutern den Text. So will das Werk €
zum Verständnis unserer Heimat beitragen. Wir sollen angeleitet werden, 3
jede Geländeform, jeden Bergabhang und jede Talschlucht als Vorhang
geheimnisvoller und doch wohlbekannter Naturkräfte zu erfassen. Wir . 3
sollen lernen, die Eigenart unserer Heimat mit dem Charakter anderer
Gegenden zu vergleichen und die kleinen und großen Schönheiten der 2
"Natur verständnisvoll zu sehen. - Das ist der Geist, aus dem dies Werk
‚geschrieben. Es wird dem Laien wie dem Fachmann in gleicher
Weise reiche Anregung bieten. Von besonderer Wichtigkeit dürfte es
aber für den Lehrer sein, der beim heimatkundlichen oder BE y
zn Unterricht, bei Schülerausflügen oder Ferienreisen sich über die a
‘= Landes orientieren will.
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12 BAND (1910)
THE NEW YORK
ACADEMY OF Scırmr
Zeitschrift für
Naturwissenschaften
Organ des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und
Thüringen zu Halle a. S.
unter Mitwirkung von Prof. Dr. C. Mez-Königsberg i. Pr.
und Geh. Rat Prof. Dr. E. Schmidt-Marburg
herausgegeben von
- Professor Dr. G. Brandes
Professor der Zoologie an der tierärztlichen Hochschule
und Direktor des Zoologischen Gartens zu Dresden
MÄRZ 1911
"VERLAG VON QUELLE & MEYER IN LEIPZIG
Inhalt. : N !
Original-Abhandlungen. Seite x
Bandermann, Franz, Über zwei Zuchten von Abwreiohripeh des
‚Wolfsmilehschwärmers S=.R 98.22 en ee ae ae 819
Füge, Bernhard, Beiträge zur Mikrolepidopteren-Faunavon Hallea.S.. 295
Kanngießer, Dr. med. et phil. Friedrich, Die Etymologie der Pteri-
dophyten-Nomenklatur. Eine Erklärung der wissenschaftlichen,
der deutschen, französischen, ee und holländischen Namen
der: Farukrautgewächse- ", r.2 ak ae Sen Wu Sven 274
Liebe, Johannes, Die Larve von Simulia ornata ae: Mit 16 Figuren
im Texts: 0: AN EEE EI BEE Ce Re Fe 344
Sceupin, Prof. Dr. Hans, Über sudetische: prätertiäre, junge Krusten-
bewegungen und die Verteilung von Wasser und Land zur Kreide-
zeit in der Umgebung der ‘Sudeten. und des ee Mit-
2: Figuren‘ im Text are AN 3217
Streicher, Dr, Otto, Der Kreislauf a Kohlenstoffes in der Natur . 253. Er
Wangerin, Dr. Walther, Weitere Beiträge zur Kenntnis der Flora
von Burg‘... 2. Zn RER En ER a ‚262. )
Wüst, Prof. Dr. Ewald, Die plistozänen Bis engen ale Travertin-
gebietes der Gegend von Weimar und ihre Fossilienbestände in
ihrer Bedeutung für die Beurteilung der Klimaschwankungen des
Eiszeitalters Mit 1 Profiltafel, 1 Tabelle und 1 Figur im Text 161
Kleinere Mitteilungen. .
Ein Verfahren zur Abformung von. Pflanzenblättern (Raphael Ed. a
Liese gang) en ae SEE TR BD
Aus den Sitzungen der Entomologischen Gesellschaft zu Halle a. 8... 377
Literatur-Besprechungen . ... 2... ... EIER N 392° Pe
Jährlich erscheint 1 Band in 6 Heften
Preis des Bandes 12 Mark
VERLAG VON QUELLE & MEYER IN LEIPZIG
ERDBEBEN
Eine Einführungin die Erdbebenkunde
Prof. William Herbert Hobbs
Erweiterte Ausgabe in deutscher Übersetzung von Prof. Dr. Julius Ruska
Mit 30 Tafeln und zahlreichen Textillustrationen
Geheftet M. 6.60. In Originalleinenband M. 7.20
E)* Sternwarten, die die Erscheinungen. am Himmel verfolgen,
und den Wetterwarten, die uns .über die atmosphärischen
Verhältnisse Aufschluß geben, haben sich in’ neuester Zeit die
Erdbebenwarten zugescellt, um die Bewegungen in den Tiefen der
Erde Aufzuzeichnen und zu studieren. Sie haben ein Forschungs- :
gebiet erschlossen, das noch vor wenigen Jahren für, völlig u